Verfahrensinformation

Die Beteiligten in den vier parallelen Verfahren streiten über die Rechtmäßigkeit von allgemeinen Studiengebühren, die in Baden-Württemberg durch das Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2005 (GBl S. 794, ber. GBl 2006 S. 15) in einer Höhe von 500 € pro Semester eingeführt worden sind.


Der Senat hat bereits in seinem die nordrhein-westfälischen Studienbeiträge betreffenden Urteil vom 29. April 2009 - BVerwG 6 C 16.08 - (BVerwGE 134, 1 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 165) entschieden, dass die Erhebung allgemeiner Studienabgaben grundsätzlich mit Bundesrecht vereinbar ist. Er wird dies in den nunmehr zu verhandelnden Verfahren für das baden-württembergische Studiengebührenrecht zu überprüfen haben und sich darüber hinaus mit der Frage beschäftigen müssen, ob bestimmte Lebensumstände von Studierenden, die - wie die Betreuung von Kindern, die Mitarbeit in Gremien der universitären Selbstverwaltung oder ein vor dem Studium geleisteter Wehr- oder Zivildienst - zu einer Verlängerung oder Verschiebung des Studiums geführt haben, Einschränkungen der Gebührenpflicht gebieten.


Pressemitteilung Nr. 114/2010 vom 15.12.2010

Allgemeine Studiengebühren in Baden-Württemberg sind rechtmäßig

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in vier Verfahren entschieden, dass die Vorschriften des baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetzes zur Regelung allgemeiner Studiengebühren mit Bundesrecht vereinbar sind.


Nachdem das Land Baden-Württemberg zunächst nur Studiengebühren von sogenannten Langzeitstudierenden erhoben hatte, hat es durch eine Änderung seines Landeshochschulgebührengesetzes, die im Dezember 2005 in Kraft getreten ist, ab dem Sommersemester 2007 für alle Studierenden allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 € je Semester eingeführt.


Drei Kläger studieren an der Universität Karlsruhe und eine Klägerin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Sie hatten ihr Studium jeweils vor Inkrafttreten des geänderten Landeshochschulgebührengesetzes aufgenommen. Die drei Kläger hatten vor Aufnahme ihres Studiums Zivil- oder Wehrdienst geleistet. Der Kläger des Verfahrens BVerwG 6 C 10.09 hat zu Beginn seines Studiums zudem mehrere Semester in der universitären Selbstverwaltung als Beauftragter des Rektorats für den Arbeitsbereich Soziales und als Mitglied des Allgemeinen Studentenausschusses mitgewirkt. Die Klägerin des Verfahrens BVerwG 6 C 9.09 ist Mutter zweier 1993 und 1995 geborener Kinder. Die Kläger wandten sich gegen die Bescheide ihrer Hochschulen, durch die sie ab dem Sommersemester 2007 zu Studiengebühren herangezogen wurden. Die Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Freiburg haben die Klagen abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Die Revisionen blieben erfolglos.


Wie schon früher im Falle vergleichbarer Regelungen des nordrhein-westfälischen Hochschulrechts (Urteil vom 29. April 2009 - BVerwG 6 C 16.08) hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr auch die Vorschriften des baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetzes zur Einführung allgemeiner Studiengebühren als verfassungsgemäß beurteilt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Grundrecht auf freien Zugang zur Ausbildungsstätte vor. Der Landesgesetzgeber hat mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren keine unüberwindliche soziale Barriere für die Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums errichtet. Eine Studiengebühr von 500 € je Semester ist mit Blick auf die Kosten und Vorteile eines Hochschulstudiums von der Höhe her moderat. Die dennoch spürbare Zusatzbelastung hat der Landesgesetzgeber in sozialverträglicher Weise abgemildert, insbesondere dadurch, dass er den Studierenden einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung der Studiengebühren eingeräumt hat. Die Regelungen zur Verzinsung und Rückzahlung der Darlehen stellen hinreichend sicher, dass eine drohende Verschuldung nicht abschreckend auf die Aufnahme eines Studiums wirkt. Der Landesgesetzgeber hat das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes beachtet. Er hat den Studierenden, die - wie die Kläger - bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes ihr Studium bereits begonnen hatten, durch eine Übergangsfrist von zwei gebührenfreien Semestern ausreichend Zeit gewährt, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.


Eine weiter ausgreifende Übergangsregelung war auch nicht zu Gunsten der Studenten geboten, die vor ihrem Studium Wehr- oder Zivildienst geleistet hatten, ihr Studium deshalb erst später beginnen konnten und dementsprechend länger Studiengebühren zahlen müssen. Das Grundgesetz stellt die Dienstpflichtigen in ein besonderes Pflichtenverhältnis und mutet ihnen die kompensationslose Hinnahme damit verbundener Nachteile grundsätzlich zu.


Ein Verstoß gegen den durch das Grundgesetz gewährleisteten Schutz der Familie liegt nicht darin, dass nach dem Landeshochschulgebührengesetz wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes zwar eine Gebührenbefreiung gewährt wird, nach der ursprünglichen Fassung des Gesetzes jedoch nur, wenn das Kind zu Beginn des jeweiligen Semesters das achte (jetzt: das vierzehnte) Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mithin Eltern, die wie die Klägerin ältere Kinder betreuen, von dieser generellen Gebührenbefreiung ausgenommen sind. Durch die Festlegung der hier noch maßgeblichen Altersgrenze von acht Jahren hat der Gesetzgeber an tatsächliche Umstände in der Entwicklung von Kindern angeknüpft, die auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen, beispielsweise im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, berücksichtigt sind.


Dagegen darf bei der Ausgestaltung der Gebührenregelung nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben, dass sich durch die Mitarbeit in Gremien der universitären Selbstverwaltung die Studienzeit verlängern kann. Denn damit würde der Gesetzgeber unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund gleichbehandeln. Der Gesetzgeber muss aber keine pauschale Befreiung von der Gebührenpflicht für Semester vorsehen, in der ein Studierender in Gremien der universitären Selbstverwaltung mitgearbeitet hat. Es reicht aus, ist aber auch erforderlich, dass eine solche Mitarbeit im Sinne der allgemeinen Erlassregelung als unbillige Härte anerkannt wird, wenn sie sich im Einzelfall nachteilig auf den Fortgang des Studiums ausgewirkt und unvermeidbar zu dessen Verlängerung geführt hat.


BVerwG 6 C 8.09 - Urteil vom 15.12.2010

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, VGH 2 S 1527/08 - Urteil vom 16.02.2009 -

VG Karlsruhe, VG 7 K 1499/07 - Urteil vom 16.04.2008 -

BVerwG 6 C 9.09 - Urteil vom 15.12.2010

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, VGH 2 S 1855/07 - Urteil vom 16.02.2009 -

VG Freiburg, VG 1 K 2324/06 - Urteil vom 20.06.2007 -

BVerwG 6 C 10.09 - Urteil vom 15.12.2010

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, VGH 2 S 2833/07 - Urteil vom 16.02.2009 -

VG Karlsruhe, VG 7 K 3075/06 - Urteil vom 11.07.2007 -

BVerwG 6 C 11.09 - Urteil vom 15.12.2010

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, VGH 2 S 2544/07 - Urteil vom 16.02.2009 -

VG Karlsruhe, VG 7 K 2966/06 - Urteil vom 11.07.2007 -


Urteil vom 15.12.2010 -
BVerwG 6 C 8.09ECLI:DE:BVerwG:2010:151210U6C8.09.0

Urteil

BVerwG 6 C 8.09

  • VGH Baden-Württemberg - 16.02.2009 - AZ: VGH 2 S 1527/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren nach dem baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG BW).

2 Der Kläger leistete von September 2002 bis Juni 2003 Zivildienst. Im Wintersemester 2003/2004 nahm er an der beklagten Hochschule ein Studium im Diplomstudiengang Elektro-/Informationstechnik auf, für das er fortlaufend und noch im Wintersemester 2008/2009 eingeschrieben war.

3 Mit auf §§ 3, 5 Abs. 1 LHGebG BW gestütztem Gebührenbescheid vom 10. November 2006 verpflichtete die Beklagte den Kläger, ab dem Sommersemester 2007 für die weitere Dauer seines Studiums eine Studiengebühr von 500 € je Semester zu bezahlen. Mit Schreiben vom 29. März 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Studiengebühren für zwei Semester auszusetzen, da er aufgrund seines Zivildienstes erst ein Jahr später mit dem Studium habe beginnen können und daher nunmehr zwei Semester länger Studiengebühren bezahlen müsse, als wenn er keinen Zivildienst geleistet hätte. Mit Bescheid vom 5. April 2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.

4 Mit seiner auf die Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2007 gerichteten Klage ist der Kläger vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils zu verpflichten, ihn von der Studiengebührenpflicht für zwei Semester zu befreien. Zur Begründung hat er zum einen auf eine seiner Ansicht nach gegebene gebührenrechtliche Benachteiligung wegen der Nichtberücksichtigung geleisteten Wehr- und Zivildienstes verwiesen sowie zum anderen einen Verstoß der landesrechtlichen Gebührenregelungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG sowie den Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) geltend gemacht.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe auf den Antrag des Klägers vom 29. März 2007, ohne sich auf die Bestandskraft des Gebührenbescheids vom 10. November 2006 zu berufen, mit ihrem Bescheid vom 5. April 2007 erneut über die Verpflichtung des Klägers entschieden, für die weitere Dauer seines Studiums Studiengebühren zu bezahlen, und diese zu Recht bejaht. Der Kläger erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren nach dem Landeshochschulgebührengesetz. Dieses Gesetz stehe sowohl mit Verfassungsrecht als auch mit einfachem Bundesrecht in Einklang. Die Einführung der Abgaben, die als Benutzungsgebühren für die individuelle Inanspruchnahme der Hochschulen als staatlicher Infrastruktureinrichtungen geschuldet würden, habe in der Kompetenz des Landesgesetzgebers gelegen, der hierdurch nicht gegen seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen habe. Den Bestimmungen des Art. 2 Abs. 1 und des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c IPwskR lasse sich weder ein striktes Gebot zur Abschaffung von Studiengebühren noch ein striktes Verbot ihrer (Wieder-)Einführung entnehmen. Der in der Gebührenerhebung liegende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausbildungsfreiheit genüge selbst den Maßstäben, nach denen eine subjektive Beschränkung der Berufswahl gerechtfertigt sei. Der Landesgesetzgeber habe die Studiengebührenpflicht auch - insbesondere durch die Einräumung eines Anspruchs auf ein Studiengebührendarlehen in § 7 LHGebG BW - derart ausgestaltet, dass sie nicht zu einer unüberwindlichen sozialen Barriere für die Aufnahme eines Studiums werde. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes werde nicht verletzt. Zwar entfalte die allgemeine Gebührenpflichtigkeit des Studiums insoweit eine sog. unechte Rückwirkung, als sie nicht nur Studienanfänger sondern auch Studierende erfasse, die bei Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen über ihre Einführung bereits an einer Hochschule des Landes eingeschrieben gewesen seien. Deren Erwartung, das Studium ohne Gebührenbelastung abschließen zu können, sei jedoch nicht geschützt. Die vorgesehene Übergangszeit bis zur ersten Gebührenerhebung im Sommersemester 2007 habe ihnen ausreichend Zeit gewährt, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. Ein weiter gehender Vertrauensschutz komme auch Studierenden nicht zu, die Zeitverluste durch einen vor ihrem Studium geleisteten Wehr- oder Zivildienst erlitten hätten. Für diese Gruppe von Studierenden habe der Landesgesetzgeber zudem weder aus Gründen des sonstigen Verfassungsrechts - Art. 12a Abs. 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG - noch aus Gründen des einfachen Bundesrechts - § 34 Satz 1 Nr. 1 HRG - Befreiungstatbestände oder eine längere Übergangsfrist vorsehen müssen. Auch im Übrigen sei in den baden-württembergischen Regelungen zur Erhebung der Studiengebühren ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht angelegt.

6 Zur Begründung seiner von dem Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision führt der Kläger aus: Dem Landeshochschulgebührengesetz fehle es an einer Befreiungsregelung für Studierende, die vor Einführung der Gebührenpflicht Wehr- oder Zivildienst geleistet hätten. Diese würden im Vergleich mit Studierenden, die einen solchen Dienst nicht absolviert hätten und deshalb ihr Studium ein Jahr früher hätten aufnehmen können, benachteiligt, weil sie zwei Semester länger der Studiengebührenpflicht unterlägen. Dies verstoße gegen § 34 Satz 1 Nr. 1 HRG, der in rechtsgrundsätzlicher Weise ein allgemeines Benachteiligungsverbot zum Ausdruck bringe, sowie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

7 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. April 2008 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Februar 2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2007 zu verpflichten, ihn für zwei Semester von der Studiengebührenpflicht zu befreien.

8 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9 Sie verteidigt das Berufungsurteil.

II

10 Die zulässige Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht in Einklang.

11 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die zulässige Verpflichtungsklage, die der Sache nach auf eine (Teil-)Rücknahme des bestandskräftigen Studiengebührenbescheides der Beklagten vom 10. November 2006 gerichtet ist, als unbegründet erachtet. Er hat dabei auf die Bestimmungen des baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetzes (LHGebG BW) in seiner Fassung durch Art. 1 des am 28. Dezember 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2005 (GBl BW S. 794, ber. GBl BW 2006 S. 15) abgestellt; hiergegen ist aus Gründen des revisiblen Rechts nichts zu erinnern. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, die landesrechtlichen Studiengebührenvorschriften verstießen nicht gegen Bundesrecht, und zwar weder nach ihren allgemeinen Ausgestaltungsmerkmalen (a)) noch im Hinblick auf die Heranziehung von Studierenden, die Wehr- oder Zivildienst geleistet haben (b)).

12 a) Der erkennende Senat hat die grundsätzliche Vereinbarkeit allgemeiner Studienabgaben mit Bundesrecht bereits im Falle der nordrhein-westfälischen Studienbeiträge bejaht (Urteil vom 29. April 2009 - BVerwG 6 C 16.08 - BVerwGE 134, 1 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 165). Für die baden-württembergischen Studiengebühren gelten weithin entsprechende Erwägungen (aa) - gg)).

13 aa) Dem Land Baden-Württemberg stand die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung allgemeiner Studiengebühren an den Hochschulen des Landes zu. Die Regelung allgemeiner Studienabgaben fällt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Diese Abgaben sind zudem nach den Maßstäben, die sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung in Art. 104a ff. GG ergeben, als sog. Vorzugslasten dem Grunde nach bereits durch ihre Ausgleichsfunktion und der Höhe nach jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt, wenn sie - was bei einer Semestergebühr von 500 € selbst im Hinblick auf kostengünstige Studiengänge auf der Hand liegt - nur einen Teil der durch ein Studium entstehenden zurechenbaren Kosten auf die Studierenden überwälzen.

14 bb) Der Landesgesetzgeber hat die ihm zustehende Gesetzgebungskompetenz nicht unter Verletzung seiner Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten wahrgenommen.

15 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs besteht kein Anhaltspunkt für einen Verdrängungseffekt der baden-württembergischen Studiengebühren dergestalt, dass Studierende durch sie zum Besuch von Hochschulen außerhalb des Landes bewogen werden. Entsprechend ist nichts dafür ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber mit einer derartigen Verdrängung rechnen musste oder eine solche gar beabsichtigt haben könnte (vgl. dazu allgemein: BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 - 2 BvF 1/03 - BVerfGE 112, 226 <246 f.>; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 - BVerwGE 115, 32 <34 f.> = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 158 S. 22).

16 Ebenso wenig hat der Landesgesetzgeber mit dem von ihm geschaffenen System allgemeiner Studiengebühren die mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz verfolgten Förderzwecke unterlaufen. Das landesrechtliche und das bundesrechtliche Vorschriftenwerk beziehen sich auf jeweils unterschiedliche Regelungsgegenstände und verfolgen keine widersprüchlichen Regelungsansätze (zu diesem Maßstab allgemein: BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <118 f.>). Es kann auch sonst keine Rede davon sein, dass der Landesgesetzgeber, wie es die Annahme eines Verstoßes gegen den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten in jedem Fall voraussetzen würde (BVerfG, Urteile vom 19. Oktober 1982 - 2 BvF 1/81 - BVerfGE 61, 149 <205> und vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - BVerfGE 81, 310 <337>, Beschlüsse vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <243> und vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 <52>), seine Kompetenz zur Regelung des Rechts der Studiengebühren in missbräuchlicher Weise wahrgenommen hätte. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen der in § 9 Abs. 4 und Abs. 6 Satz 2 LHGebG BW festgelegten Kappungsgrenze und der durch § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG vorgesehenen Darlehensdeckelung.

17 Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG ist die Verpflichtung, den als Staatsdarlehen gewährten Teil der Ausbildungsförderung zurückzuzahlen, auf einen Gesamtbetrag von 10 000 € beschränkt. Das baden-württembergische Studiengebührenrecht gewährt Studienbewerbern und Studierenden nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 LHGebG BW einen Anspruch gegen die L-Bank als Förderbank des Landes auf Gewährung eines privatrechtlichen Darlehens zur Finanzierung der Studiengebühren. Gemäß § 9 Abs. 4 LHGebG BW übernimmt der als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts eingerichtete Studienfonds auf Antrag und Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Darlehen die Zahlung an den Darlehensgeber, soweit das unverzinsliche Staatsdarlehen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG und das Darlehen für Studiengebühren zuzüglich Zinsen zusammen die Höchstgrenze von 15 000 € überschreiten. Nach § 9 Abs. 6 Satz 2 LHGebG BW besteht ein Anspruch des Darlehensnehmers gegenüber dem Studienfonds auf Erlass der abgetretenen Schuld.

18 Die bundesrechtliche Vorschrift dient der Begrenzung der Verschuldung, die aus der darlehensweise geleisteten Förderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung (§ 11 Abs. 1 BAföG) herrührt. Die dargestellten landesrechtlichen Bestimmungen stellen durch das garantierte Studiengebührendarlehen sicher, dass die aufgrund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bereitgestellten Mittel nicht zweckwidrig für die Finanzierung der Studiengebühren verwandt werden und dass auch die mit der Inanspruchnahme des Darlehens verbundene zusätzliche Belastung für die Studierenden limitiert wird. Der Landesgesetzgeber will ebenso wie der Bundesgesetzgeber vermeiden, dass studierfähige junge Menschen durch einen drohenden Schuldenberg von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt werden (vgl. BTDrucks 14/4731 S. 26, 36 einerseits und LTDrucks 13/4858 S. 40, 43, 57, 69 andererseits). Das Landesrecht nimmt dabei vorausschauend auf die Auswirkungen Bedacht, die sich für die Betroffenen aus dem Bundesrecht ergeben. Die Festlegung einer niedrigeren landesrechtlichen Kappungsgrenze hätte eine wesentliche Einschränkung der Anwendungsbreite und Wirksamkeit des Studiengebührensystems zur Folge gehabt, zu deren Hinnahme der Landesgesetzgeber kompetenzrechtlich nicht verpflichtet war.

19 cc) Das baden-württembergische Studiengebührenrecht verletzt nicht das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG statuierten Sozialstaatsprinzip ableitbare Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen. Der Landesgesetzgeber hat durch die Einführung allgemeiner Studiengebühren keine unüberwindlichen sozialen Barrieren für die Ergreifung oder Weiterführung eines Studiums errichtet.

20 Der Landesgesetzgeber war sich, wie die Gesetzesmaterialien (LTDrucks 13/4858 S. 35 ff.) belegen, der Problematik bewusst, dass allgemeinen Studiengebühren grundsätzlich eine abschreckende oder verdrängende Wirkung insbesondere im Hinblick auf Studienberechtigte aus einkommensschwachen Bevölkerungsschichten und bildungsfernen Elternhäusern zukommen kann. Er hat dieser Gefahr durch die Ausgestaltung des Studiengebührenrechts in einer Weise entgegengewirkt, die unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative und des Gestaltungsspielraums, die ihm zustehen, bundesrechtlich nicht beanstandet werden kann.

21 Eine Studiengebühr von 500 € pro Semester ist im Gesamtzusammenhang einerseits der von Ort zu Ort unterschiedlichen Lebenshaltungskosten und andererseits der Kosten und Vorteile eines Hochschulstudiums von der Höhe her moderat (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 a.a.O. S. 245). Für die zur Zahlung der Gebühr Verpflichteten stellt sie sich gleichwohl als spürbare Zusatzbelastung dar. Der Landesgesetzgeber hat diese Belastung jedoch in mehrfacher Hinsicht in sozialverträglicher Weise abgemildert.

22 Die Regelungen des § 3 LHGebG BW und des § 6 LHGebG BW schränken die Gebührenpflicht für besondere Fallgestaltungen und Lebenssituationen der Studierenden in beachtlichem Umfang ein. Hervorzuheben ist die in § 6 Abs. 3 Satz 1 LHGebG BW i.V.m. § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 2 LGebG BW enthaltene allgemeine Erlass- bzw. Härtefallvorschrift, die im Hinblick auf die bei Nichtentrichtung der Gebühr drohende Nichteinschreibung bzw. Exmatrikulation (§ 60 Abs. 5 Nr. 2, § 62 Abs. 2 Nr. 3 LHG BW) von Art. 12 Abs. 1 GG gefordert wird (vgl. dazu: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 - juris Rn. 35 und - 1 BvR 1771/01 - juris Rn. 29, 32; BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2009 - BVerwG 6 B 15.09 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 168 Rn. 6 und vom 3. September 2010 - BVerwG 6 B 29.09 - juris Rn. 11). Auf der Grundlage der gesetzlichen Einschränkungen der Gebührenpflicht blieben etwa im Sommersemester 2007 nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs achtzehn Prozent der Studierenden von der Gebührenerhebung verschont.

23 Das wichtigste Instrument zur Sicherung der Sozialverträglichkeit der Studiengebühren stellt der Anspruch auf Gewährung eines zeitlich begrenzten, verzinslichen Studiengebührendarlehens dar, den § 7 LHGebG BW den Studierwilligen gegenüber der L-Bank einräumt und der unabhängig von einer bestimmten Bonität oder einer Sicherheitsleistung ist. Hierdurch hat der Landesgesetzgeber sichergestellt, dass in dem durch das Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen geschützten zeitlichen Umfang grundsätzlich niemand von einem Studium absehen oder ein begonnenes Studium abbrechen muss, weil ihm die finanziellen Mittel zur Erfüllung der Studiengebührenpflicht nicht zur Verfügung stehen.

24 Die Studierenden, die zur Finanzierung der Studiengebühren das Studiengebührendarlehen in Anspruch genommen haben, hat der Landesgesetzgeber in der Phase der Rückzahlung des verzinsten Darlehens durch mehrere Maßnahmen entlastet. So muss mit der Rückzahlung in monatlichen Raten von mindestens 50 € und höchstens 150 € regelmäßig erst zwei Jahre nach dem Abschluss des Studiums begonnen werden. Bei niedrigem Einkommen, Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsverzug besteht die Möglichkeit der Stundung, gegebenenfalls auch der Niederschlagung oder des Erlasses der Schuld. Hinzu kommt die bereits erwähnte Kappungsgrenze nach § 9 Abs. 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 2 LHGebG BW, die nach der bindenden Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof - im Sinne der später durch § 9 Abs. 4 Satz 2 und 3 LHGebG BW in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3. Dezember 2008 (GBl BW S. 435) vorgenommenen Klarstellung - gebietet, dass die Schulden aus dem Studiengebührenkredit einschließlich der Zinsen dauerhaft gekürzt werden, sobald und soweit sie zusammen mit den Schulden aus dem Darlehen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz die Höchstgrenze von 15 000 € überschreiten.

25 Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Verschuldung in dieser Höhe für die Betroffenen dann als drückend erweisen kann, wenn sich für sie infolge eines Studienabbruchs oder aus anderen Gründen die besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die mit einem - überwiegend durch öffentliche Mittel geförderten - Studium regelmäßig verbunden sind, nicht realisieren. Dies gilt umso mehr, als ein erheblicher Teil der Schuld aus aufgelaufenen Zinsen bestehen kann. Der Zinssatz für Studiengebührendarlehen ist zwar nach der begründeten Erwartung des Landesgesetzgebers (LTDrucks 13/4858 S. 16) schon wegen der Absicherung des Darlehens durch den Studienfonds günstiger als die Verzinsung eines marktüblichen Kredits, eine strikte gesetzliche Zinsobergrenze enthält die nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs auf den vorliegenden Fall anwendbare Fassung des Landeshochschulgebührenrechts jedoch nicht. Hieraus ergibt sich gleichwohl keine nicht mehr hinnehmbare abschreckende Wirkung der Studiengebühren. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs führt bereits die Anwendung der Kappungsgrenze nach § 9 Abs. 4 und Abs. 6 Satz 2 LHGebG BW dazu, dass ein erheblicher Teil der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten und damit nach typisierender Betrachtung unter sozialen Gesichtspunkten besonders schutzwürdigen Studierenden von einer Zinsbelastung für das Studiengebührendarlehen freigestellt wird. Unabhängig davon fordert das Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen nicht, dass Erschwernisse, die mit der Erhebung von Studiengebühren verbunden sind, stets vollständig oder weitestgehend durch soziale Begleitmaßnahmen kompensiert werden. Diese Maßnahmen müssen nur hinreichend sicher verhindern, dass die Gebührenerhebung zu unüberwindlichen sozialen Barrieren für die Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums oder zu einer sozialen Unverträglichkeit führt. Diesen Anforderungen werden die darlehensfinanzierten baden-württembergischen Studiengebühren auch unter Berücksichtigung der Regelungen über die Verzinsung der Studiengebührendarlehen bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise - noch - gerecht.

26 Den Landesgesetzgeber trifft allerdings die Pflicht, die Problematik einer ins Gewicht fallenden abschreckenden Wirkung des Studiengebührensystems unter Beobachtung zu halten und gegebenenfalls durch eine Korrektur Abhilfe zu schaffen. Dass das Land Baden-Württemberg sich dieser Verpflichtung bewusst ist, belegen die Einrichtung eines unabhängigen Beirats zum Monitoring der Studiengebühren durch das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und die - auch auf Empfehlung dieses Beirats (vgl. dessen Zwischenbericht vom 26. Mai 2008) - durch das Änderungsgesetz vom 3. Dezember 2008 eingeführten neuen Regelungen zur Steigerung der Sozialverträglichkeit des Studiengebührensystems, unter anderem die Festlegung einer verbindlichen Zinsobergrenze von 5,5 Prozent in § 9 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Nr. 9 LHGebG BW n.F.

27 dd) Die baden-württembergischen Studiengebühren sind mit Art. 12 Abs. 1 GG auch in seiner Funktion als Freiheits- bzw. Abwehrrecht vereinbar. Allgemeine Studienabgaben haben den Rechtscharakter von Berufsausübungsregelungen. Sie gestalten die Studienbedingungen in bestimmter Weise aus, treffen aber nicht vergleichbar einer Berufswahlregelung Bestimmungen über den Zugang zum Hochschulstudium. Dies folgt daraus, dass Studierende, die über ausreichende eigene Mittel zur Zahlung der Studiengebühren nicht verfügen, ihren Zugang zum oder ihren Verbleib im Studium durch die Inanspruchnahme des gesetzlich garantierten Studiengebührendarlehens erreichen können.

28 Als Berufsausübungsregelungen genügen die Studiengebührenvorschriften den Anforderungen des Regelungsvorbehalts in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs bezweckt der Landesgesetzgeber mit der Einführung der allgemeinen Studiengebührenpflicht, den Hochschulen zusätzliche Einnahmen zu verschaffen, dadurch die Studienbedingungen und die Qualität der Lehre zu verbessern und zugleich die Studierenden zu einem effizienten Studium mit dem Ergebnis kürzerer Studienzeiten anzuhalten. Sämtlichen Zielen liegt das legitime Gemeinwohlanliegen zugrunde, die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Lehre an den Hochschulen des Landes zu sichern. Die Erhebung allgemeiner Studienabgaben stellt ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel dar, um die bezeichneten Ziele zu erreichen (vgl. dazu im Einzelnen: Urteil vom 29. April 2009 a.a.O. Rn. 36 ff.).

29 ee) Die prägenden Ausgestaltungsmerkmale der baden-württembergischen Studiengebühren stehen nicht in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 GG, der im Abgabenrecht vor allem in Gestalt des Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit und der daraus ableitbaren Forderung der Belastungsgleichheit zur Anwendung gelangt. Insbesondere darf eine Semesterabgabe in der in Rede stehenden, an die tatsächlichen Kosten in keinem Fall heranreichenden Höhe ohne Differenzierung nach der Kostenintensität der einzelnen Studiengänge oder der in ihnen erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen erhoben werden. Weiter führt die Zinsbelastung, die sich als Folge der Inanspruchnahme des garantierten Studiengebührendarlehens ergibt, nicht zu einer mit dem Gleichheitssatz unvereinbaren unangemessenen Belastung der Darlehensnehmer gegenüber Studierenden, die die Studiengebühren bei Fälligkeit unter Inanspruchnahme von ihnen anderweitig zur Verfügung stehenden Mitteln begleichen. Die Zinspflicht beugt Darlehensanforderungen aus sachfremden Gründen vor und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die aus der Gebührenpflicht resultierende finanzielle Belastung nicht sofort bei ihrem Entstehen während des Studiums, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt unter der Voraussetzung einer hinreichenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen realisiert.

30 ff) Der Landesgesetzgeber war nicht durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) an der Einführung allgemeiner Studiengebühren gehindert. Aus dieser Vorschrift könnten selbst im Fall ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit keine Rechte hergeleitet werden, die nicht bereits auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts durch das - hier gewahrte - Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen gewährleistet sind. Da der Landesgesetzgeber durch die Einführung der allgemeinen Studiengebühren das System einer von finanziellen Ausgrenzungen freien Hochschulbildung nicht verlassen hat, scheidet auch ein Verstoß gegen ein etwa aus Art. 2 Abs. 1 IPwskR ableitbares Verbot regressiver Maßnahmen aus.

31 gg) Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat bei der Einführung der allgemeinen Studiengebührenpflicht im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits immatrikulierten Studierenden nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit in der Form des Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes verstoßen.

32 Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des am 28. Dezember 2005 in Kraft getretenen Gesetzes vom 19. Dezember 2005, das die allgemeine Studiengebührenpflicht in das Landeshochschulgebührengesetz einführte, wurden diese Abgaben erstmals für das Sommersemester 2007 erhoben. Der Gebührenpflicht kommt eine sog. unechte Rückwirkung zu, da sie nach Ablauf der Übergangszeit nicht nur Studierende erfasst, die ihr Studium erst nach dem Inkrafttreten der Neuregelung begonnen haben, sondern auch diejenigen, die sich - wie der Kläger - bereits in vorhergehenden Semestern an einer Hochschule des Landes eingeschrieben hatten, jedoch noch nicht der bereits seinerzeit bestehenden Pflicht zur Zahlung von Langzeitstudiengebühren unterfielen. Eine solche unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gilt unter Berücksichtigung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dann, wenn die Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen durften und dieses Vertrauen schutzwürdiger ist als die mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen verfolgten Anliegen; um die Grenzen der Zumutbarkeit zu wahren, muss der Gesetzgeber gegebenenfalls geeignete Übergangsregelungen vorsehen, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200 <242 f.> und vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/93 - BVerfGE 96, 330 <340>, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239 <263>, Kammerbeschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 - a.a.O. Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 a.a.O. S. 48 bzw. S. 32).

33 Nach diesen Maßstäben ist die Erstreckung der allgemeinen Studiengebührenpflicht auf die im Dezember 2005 bereits eingeschriebenen Studierenden nicht zu beanstanden. Das Interesse des Landesgesetzgebers, den neuen Studiengebühren und den damit verfolgten Zielen rasch zu uneingeschränkter Wirksamkeit zu verhelfen und dementsprechend auch die bereits Immatrikulierten möglichst schnell der Gebührenpflicht zu unterwerfen, wiegt schwerer als die Erwartung der Betroffenen, ihr Studium jedenfalls dann, wenn sich eine Veranlagung zu den schon bisher existierenden Langzeitstudiengebühren vermeiden ließ, ohne Gebührenbelastung zum Abschluss bringen zu können.

34 Hätte der Landesgesetzgeber nicht auch die bereits immatrikulierten Studierenden alsbald mit allgemeinen Studiengebühren belastet, hätte er die erstrebten zusätzlichen Finanzmittel zur Steigerung der Qualität von Studium und Lehre für einen ins Gewicht fallenden Zeitraum nur in einem stark eingeschränkten Umfang erschließen können und zudem erhebliche Abstriche im Hinblick auf den Lenkungszweck der Gebühren hinnehmen müssen. Insgesamt hätte seine Grundsatzentscheidung, ein kostenfreies Hochschulstudium nicht mehr anzubieten, an Überzeugungskraft verloren (vgl. Urteil vom 25. Juli 2001 a.a.O. S. 48 bzw. S. 32 f.).

35 Auf der anderen Seite durften die im Dezember 2005 - gegebenenfalls seit geraumer Zeit - bereits an einer Hochschule des Landes Baden-Württemberg immatrikulierten Studierenden nicht darauf vertrauen, in dem bisher gegebenen Rahmen weiterhin gebührenfrei studieren zu können. Zum einen besteht generell kein grundrechtlich gewährleisteter Anspruch auf ein kostenfreies Hochschulstudium (Urteile vom 23. Oktober 1996 - BVerwG 6 C 1.94 - BVerwGE 102, 142 <146 f.> = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 149 S. 56 f., vom 25. Juli 2001 a.a.O. S. 36 f. bzw. S. 23 f. und vom 29. April 2009 a.a.O. Rn. 20). Zum anderen hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Normenkontrollverfahren, das am Anfang des Jahres 2003 unter anderem von der baden-württembergischen Landesregierung anhängig gemacht worden war, mit Urteil vom 26. Januar 2005 (a.a.O. S. 226 ff.) die durch Art. 1 Nr. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 8. August 2002 (BGBl I S. 3138) eingeführte Vorschrift des § 27 Abs. 4 HRG über die Gebührenfreiheit eines grundständigen Studiums für nichtig erklärt. Diese Bestimmung gehörte ihrerseits in den Rahmen einer bereits seit mehreren Jahren zuvor geführten politischen Diskussion über den Nutzen allgemeiner Studiengebühren (vgl. dazu: BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 a.a.O. S. 228 ff.). Vor diesem Hintergrund konnten die Studierenden, die ihr Studium frei von einer allgemeinen Studiengebührenpflicht begonnen hatten, berechtigterweise nur erwarten, dass ihnen eine gesetzliche Neukonzeption des Studiengebührenrechts die Fortsetzung ihres Studiums nicht finanziell unmöglich machen und der Landesgesetzgeber sie nicht unvermittelt und übergangslos mit der Gebührenerhebung konfrontieren würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 a.a.O. S. 341 und Kammerbeschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1323/05 - NVwZ-RR 2007, 569 <571>).

36 Diesem Vertrauen ist der Landesgesetzgeber gerecht geworden. Er hat, wie bereits dargelegt, durch den garantierten Anspruch auf ein Studiengebührendarlehen sichergestellt, dass niemand sein Studium wegen eines finanziellen Unvermögens zur Erfüllung der Gebührenpflicht abbrechen muss. Er hat zudem den bereits Immatrikulierten durch die Übergangsfrist von mehr als einem und einem Viertel Jahr - das heißt durch die Gewährung von zwei weiteren gebührenfreien Semestern zusätzlich zu den bereits absolvierten, von Gebühren unbelasteten Studienhalbjahren - nach den in der Rechtsprechung des erkennenden Senats in vergleichbaren Konstellationen zugrunde gelegten Maßstäben (Urteil vom 25. Juli 2001 a.a.O. S. 47 bzw. S. 32; Beschluss vom 5. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 33.06 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 163 Rn. 5) ausreichend Zeit gewährt, um sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. Der Wegfall der im Rahmen des vormaligen landesrechtlichen Systems von Langzeitstudiengebühren eingerichteten sog. Bildungsguthaben ändert an dieser Beurteilung nichts, denn diese stellten keine staatliche Leistung, sondern nur eine Rechengröße zur Bestimmung des Beginns der Langzeitstudiengebührenpflicht dar (vgl. bereits: Urteil vom 25. Juli 2001 a.a.O. S. 48 bzw. S. 32) und konnten einen stärkeren Vertrauensschutz nicht begründen.

37 b) Ein Verstoß gegen Bundesrecht in Gestalt des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsatzes oder des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass das baden-württembergische Studiengebührenrecht keine generellen Vergünstigungen für Studierende vorsieht, die Wehr- oder Zivildienst geleistet haben.

38 Dem Umstand, dass ein Studierender Wehr- oder Zivildienst geleistet hat, kommt für sich genommen nach den Maßstäben des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung keine Bedeutung für die Voraussetzungen einer verfassungsgemäßen Erhebung von Studiengebühren zu. Die Dienstleistung erlangt eine solche Bedeutung auch nicht als Übergangsproblematik im Zusammenhang mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren. Für Studierende, die - wie der Kläger - vor der Einführung oder der erstmaligen Erhebung dieser Gebühren Wehr- oder Zivildienst geleistet haben, ihr Studium wegen der Dienstleistung erst später beginnen konnten und entsprechend länger der Gebührenpflicht unterliegen, war nach den genannten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen keine im Vergleich mit der allgemein vorgesehenen Übergangsfrist weiter ausgreifende Übergangsregelung geboten.

39 Die Wehr- und Zivildienstpflichtigen stehen nach Art. 12a Abs. 1 und Abs. 2 GG in einem besonderen, verfassungsrechtlich verankerten Pflichtenverhältnis (vgl.: BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 83/69 u.a. - BVerfGE 28, 243 <261>, Urteil vom 13. April 1978 - 2 BvF 1/77 u.a. - BVerfGE 48, 127 <161>, Kammerbeschluss vom 17. Mai 2004 - 2 BvR 821/04 - NJW 2004, 2297 <2299>). In Anbetracht dieser Pflichtenstellung ist es ausgeschlossen, die Erfüllung des Wehr- oder Ersatzdienstes als Betätigung des Vertrauens in den bisherigen gebührenrechtlichen Zustand an den baden-württembergischen Hochschulen zu qualifizieren. Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, Studierende, die Wehr- oder Zivildienst geleistet haben, gegenüber Kommilitonen, die ihr Studium gleichzeitig - ohne vorherige Wehr- oder Zivildienstleistung - begonnen haben, im Rahmen der Einführung allgemeiner Studiengebühren besserzustellen bzw. sie denjenigen gleichzustellen, die ihr Studium ohne vorherige Dienstleistung ein Jahr früher beginnen konnten. Das Grundgesetz mutet den Dienstpflichtigen grundsätzlich im staatlichen Interesse die kompensationslose Hinnahme der mit dem Dienst notwendigerweise verbundenen Lasten zu (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Mai 2004 a.a.O. S. 2299; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Bd. II, Stand: April 2010, Art. 12a Rn. 47). Es liegt in dem Entscheidungsspielraum des jeweils verantwortlichen Gesetzgebers, ob er die Nachteile ausgleichen will, die sich in anderen Lebensbereichen an die Erfüllung der Dienstpflicht knüpfen. Sofern entsprechende Regelungen - etwa § 34 Satz 1 Nr. 1 HRG, der Benachteiligungen bei der Zulassung zum Hochschulstudium wegen der Erfüllung von Dienstpflichten nach Art. 12a GG verbietet - erlassen worden sind, kann aus ihnen kein allgemeiner Rechtsgrundsatz abgeleitet werden. Der Landesgesetzgeber hat durch die Nichtberücksichtigung eines geleisteten Wehr- oder Zivildienstes bei der Einführung der allgemeinen Studiengebühren seinen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. Dies gilt umso mehr, als die Frage, inwieweit die Dienstleistung im konkreten Fall einen Studienbeginn tatsächlich verzögert hat, nicht pauschal beantwortet werden kann.

40 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.