Beschluss vom 14.08.2024 -
BVerwG 7 B 5.24ECLI:DE:BVerwG:2024:140824B7B5.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.08.2024 - 7 B 5.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:140824B7B5.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 5.24

  • OVG Bremen - 28.09.2023 - AZ: 1 D 72/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. August 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 28. September 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für den Betrieb einer Windenergieanlage im Gebiet der Beklagten.

2 Die Beklagte erteilte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zunächst eine Genehmigung vom 9. April 2018 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage an einem Standort rund 550 m von dem in Niedersachsen gelegenen Haus des Klägers entfernt und sodann eine Genehmigung für die Änderung des Anlagentyps (Änderungsgenehmigung) vom 23. Juli 2021. Der gegen die Änderungsgenehmigung eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat die anschließend erhobene Klage abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler seien nicht gegeben. Insbesondere greife die Rüge des Klägers nicht durch, die in einem gesonderten Verfahren zuvor erteilte wasserrechtliche Plangenehmigung vom 10. Juli 2018, mit der die für den Bau einer Zuwegung zu der Windenergieanlage notwendige Verrohrung eines Grabens zugelassen werde, sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die auf diese Plangenehmigung bezogene Feststellung des Fehlens nachteiliger Umweltauswirkungen sei gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 UVPG fehlerfrei bekannt gegeben worden. Unabhängig davon könne ein solcher Verfahrensfehler die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Änderungsgenehmigung nicht berühren. Auch materiell sei diese nicht zu beanstanden. Gründe für die Zulassung der Revision lägen nicht vor.

4 Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

5 Die allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

6 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 7 B 10.23 - juris Rn. 7). Anhand dieses Maßstabs rechtfertigt das Beschwerdevorbringen des Klägers keine Zulassung der Revision.

7 1. Die Bezugnahme des Klägers auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2020 - 4 B 22.20 -, mit dem die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen wurde, weil das Revisionsverfahren voraussichtlich Gelegenheit bieten könne, die Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles bei einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für einen Windpark, insbesondere in Bezug auf den Artenschutz zu klären, genügt schon nicht den aufgezeigten Darlegungsanforderungen. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich insoweit schon keine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts entnehmen, die sich aus diesem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in dem hier von dem Kläger angestrebten Revisionsverfahren stellen soll. Angesichts dessen vermag der Senat ebenso wenig ansatzweise Anhaltspunkte für eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erkennen, die der Kläger mit seiner Beschwerde in diesem Zusammenhang in den Raum stellt.

8 Kein anderes Ergebnis folgt aus dem Ansatz des Klägers, es seien die Gesamtauswirkungen des Vorhabens, mithin der wasserrechtlichen und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, in den Blick zu nehmen. Sein dieser Auffassung zugrundeliegender Vortrag, die durch die wasserrechtliche Plangenehmigung zugelassene Verrohrung des Grabens führe zu einer verstärkten Inanspruchnahme seines Grundstücks als Retentionsfläche bei Überschwemmungen, widerspricht den Annahmen des Oberverwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht. Danach ist das Grundstück des Klägers von Hochwassern mittlerer Wahrscheinlichkeit nicht betroffen, sein Haus auch nicht bei Hochwassern geringerer Wahrscheinlichkeit. Veränderungen durch die Verrohrung hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Zudem hat die Beklagte nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts überzeugend in der dortigen mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Vernässungen des klägerischen Grundstücks nicht auf die bereits errichtete Zuwegung zurückzuführen, sondern vielmehr Folge einer schlechten Wartung des Grabensystems seien.

9 2. Mit seiner Beschwerde wirft der Kläger in Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Feststellung des Fehlens nachteiliger Umweltauswirkungen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 UVPG fehlerfrei bekannt gegeben sei, die Fragen auf,
"ob die Bekanntmachung der Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf einer Internetseite des Senators für Bau und Umwelt Bremen für eine niedersächsische Öffentlichkeit und den Beschwerdeführer ausreicht",
"ob die Bekanntmachung auf einer Internetseite, ausschließlich dort, des Senators für Bauen und Umwelt überhaupt eine öffentliche Bekanntmachung darstellt"
und
"ob im konkreten Fall es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, dass nur auf einer Internetseite der ausstellenden Behörde die Bekanntmachung der UVP Entscheidung erfolgt, der einen Teilaspekt des Gesamtvorhabens betrachtet, wenn die betroffene Öffentlichkeit in einem anderen Bundesland lebt und sich bereits mit schriftlichen und mündlichen Einwendungen an die betroffene Behörde gewandt hat".

10 Abgesehen davon, dass die letztgenannte Fragestellung auf den Einzelfall bezogen und nicht rechtsgrundsätzlich klärungsfähig ist, können sämtliche Fragen eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen, weil sich diese in einem Revisionsverfahren nicht in entscheidungserheblicher Weise stellen würden. Denn das Oberverwaltungsgericht hat selbständig tragend darauf abgestellt, dass selbst bei einer verfahrensfehlerhaften Bekanntgabe der Feststellung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 UVPG in dem wasserrechtlichen Plangenehmigungsverfahren dieser Verfahrensfehler die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Änderungsgenehmigung nicht berührt. Ist hiernach die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt worden, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der selbständig tragenden Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 7 B 19.21 - NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 11). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger mit seiner Beschwerdebegründung nicht, da er hinsichtlich dieser weiteren tragenden Erwägung des Oberverwaltungsgerichts mit seiner Beschwerdebegründung keine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige Frage grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt (siehe unter 3.).

11 3. Das Oberverwaltungsgericht hat die Unerheblichkeit eines unterstellten Verfahrensfehlers im wasserrechtlichen Plangenehmigungsverfahren für die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung darauf gestützt, dass beide Genehmigungen in rechtlicher Hinsicht voneinander unabhängig seien. Die Annahme des Klägers, ein Fehler der wasserrechtlichen Plangenehmigung könne auf die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung "durchschlagen" und wegen des sachlichen Zusammenhangs sei das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auch auf die Änderungsgenehmigung anwendbar, sei unzutreffend. Insbesondere sei der Begriff des "Vorhabens" in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nicht so zu verstehen, dass ihm beide Maßnahmen im Sinne eines einheitlichen Vorhabens unterfallen würden. Die Regelung erfasse lediglich in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallende Zulassungsentscheidungen, zu denen die streitgegenständliche Änderungsgenehmigung nicht gehöre.

12 Zwar hat der Kläger in Bezug auf diese selbständig tragende Begründung die Frage formuliert,
ob "eine Umweltverträglichkeitsvorprüfungsentscheidung einer wasserrechtlichen Plangenehmigung die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung nicht berührt, auch wenn beide Genehmigungen dieselbe WEA betreffen und nur zusammen den Bau und Betrieb ermöglichen".

13 Mit seinem Beschwerdevorbringen legt er aber nicht ansatzweise dar, in Bezug auf welche Rechtsnorm oder welchen Rechtssatz des revisiblen Rechts sich diese Frage in entscheidungserheblicher Weise stellen soll. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Änderungsgenehmigung keine Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG sei und damit nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG falle. Es ist daher nicht erkennbar, auf welche im revisiblen Recht verankerte Grundlage der Kläger seine Auffassung stützt.

14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.