Beschluss vom 01.07.2024 -
BVerwG 11 B 3.23ECLI:DE:BVerwG:2024:010724B11B3.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 01.07.2024 - 11 B 3.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:010724B11B3.23.0]
Beschluss
BVerwG 11 B 3.23
- OVG Bautzen - 06.09.2023 - AZ: 4 C 61/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Dieterich und Dr. Hammer
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2023 ergangenen Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
2 I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist.
4 Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 27. Februar 2024 - 10 B 12.23 - juris Rn. 4). Es genügt nicht darauf hinzuweisen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zu einer Frage noch nicht geäußert hat. Vielmehr ist darzulegen, dass die Antwort, die die Vorinstanz gegeben hat, mindestens zu Bedenken Anlass gibt und es deshalb im Interesse der Rechtssicherheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer revisionsgerichtlichen Klärung bedarf. Das zwingt zu einer Auseinandersetzung mit der Lösung und der Argumentation im angefochtenen Urteil (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 - NJW 1993, 2825 <2826>, vom 31. Januar 2013 - 4 BN 29.12 - BRS 81 Nr. 48 S. 350 und vom 15. Mai 2013 - 4 BN 1.13 - juris Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
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1. Die Frage
welche Anforderungen sich aus § 43 Abs. 1 Satz 1 EnWG an die Zuweisung der Zuständigkeit als Planfeststellungsbehörde durch Landesrecht ergeben,
führt nicht zur Zulassung der Revision, weil das Energiewirtschaftsgesetz insofern auf das nicht revisible Landesrecht verweist, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Frage betrifft auch nicht deshalb revisibles Recht, weil die Beschwerde geltend macht, bei Anwendung des Landesrechts seien die Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG maßgeblich. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, die Auslegung und Anwendung von Landesrecht verstoße gegen Bundesrecht, ist näher darzulegen, inwiefern die bundesrechtliche Norm, die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführt wird, ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschlüsse vom 24. März 2021 - 4 BN 46.20 - juris Rn. 4, vom 29. Juni 2021 - 4 B 7.21 - juris Rn. 5 und vom 25. August 2021 - 4 B 3.21 - juris Rn. 5 m. w. N.). Die Beschwerde legt nicht dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass die Auslegung der in Bezug genommenen Vorschrift des Grundgesetzes eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft. Vielmehr wendet sie sich gegen die Auslegung der Art. 59, 83 der Sächsischen Verfassung durch das Oberverwaltungsgericht.
6 2. Die Ausführungen der Beschwerde zu § 7 EnWG und dessen Auswirkungen auf die Antragstellung führen nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde kritisiert in weiten Teilen die angegriffene Entscheidung im Stile eines zulassungsfreien Rechtsmittels, formuliert aber keine bestimmte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Das genügt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.
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Soweit sich der Beschwerdebegründung die Frage entnehmen lässt,
ob ein Verteilnetzbetreiber einen Antrag für ein Energieleitungsbauprojekt wirksam als Vertreter eines anderen, ihm im Konzern übergeordneten Transportnetzbetreibers stellen kann oder ob dem ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB entgegensteht,
fehlt es an der Darlegung, weshalb das Gebot gesellschaftsrechtlicher Entflechtung nach § 7 EnWG eine rechtsgeschäftliche Vertretung verbieten sollte. Mit den entsprechenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts setzt die Beschwerde sich nicht auseinander.
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3. Die Fragen nach
Inhalt und Reichweite des § 43h EnWG, insbesondere die daraus resultierenden Pflichten des Vorhabenträgers und die Parameter eines Kostenvergleichs beziehungsweise - korrespondierend - die Mindestanforderungen, die die Planfeststellungsbehörde an die vom Antragsteller vorzulegenden Unterlagen stellen muss,
würden sich in dem angestrebten Revisionsverfahren in dieser Allgemeinheit nicht stellen.
9 Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, warum im vorliegenden Fall für den Kostenvergleich zwischen Freileitung und Erdkabelvariante die gewählte Trasse zugrunde gelegt werden durfte. Es hat außerdem dargelegt, aus welchen Gründen das von der Planfeststellungsbehörde angesichts stark abweichender Kalkulationen des Vorhabenträgers und verschiedener Einwender in Auftrag gegebene Gutachten eine taugliche Grundlage für die Prüfung der Voraussetzungen des § 43h Satz 1 EnWG darstellt.
10 Dass vor diesem Hintergrund weitergehender Klärungsbedarf besteht, zeigt die Beschwerde nicht auf. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, abstrakte Rechtsfragen unabhängig von den tatsächlichen Umständen des zu entscheidenden Rechtsstreits im Stil einer Kommentierung für alle denkbaren nicht festgestellten Sachverhaltsvarianten aufzuarbeiten (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2017 - 4 BN 27.17 - juris Rn. 7, vom 12. Juni 2018 - 4 BN 28.17 - juris Rn. 13 und vom 13. April 2021 - 4 BN 51.20 - juris Rn. 3).
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4. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage
ob der in Planfeststellungsverfahren (im Hinblick auf die UVP-Pflicht eines Vorhabens) vorzulegende UVP-Bericht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UVPG als Teil der "vernünftigen Alternativen" und der "wesentlichen Gründe für die getroffene Wahl" auch Ausführungen zu Erdkabelvarianten und deren Bewertung enthalten muss,
war nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage offengelassen und angenommen, dass ein möglicher Verfahrensfehler jedenfalls nach § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i. V. m. § 46 VwVfG unbeachtlich wäre.
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Die Frage
ob das Fehlen oder die Unzulänglichkeit einschlägiger Angaben nicht nur einen Verfahrensfehler im Sinne von § 4 UmwRG, § 46 VwVfG darstellt, sondern auch eine Verletzung der Anforderungen aus § 43h EnWG sowie des Gebots angemessener Abwägung nach § 43 Abs. 3 EnWG,
wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie einen Sachverhalt unterstellt, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
13 Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Erdkabelvariante zwar nicht im UVP-Bericht, aber im Erläuterungsbericht dargestellt wurde und dort auch Ausführungen zu den Umweltauswirkungen gemacht wurden. Vor diesem Hintergrund hat es einen Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen des § 43h und § 43 Abs. 3 EnWG geprüft und verneint.
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5. Die Frage nach dem
grundrechtlich geforderten Mindestmaß an effektivem Rechtsschutz für durch das Vorhaben in ihren (Eigentums-)Grundrechten beeinträchtigte Personen speziell im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (in Verbindung mit dem Energiewirtschaftsgesetz und dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung),
führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist schon nicht hinreichend bestimmt, um in einem Revisionsverfahren geklärt werden zu können.
15 Soweit der Beschwerdeführer sich der Sache nach gegen die Anwendbarkeit des § 6 Satz 2 UmwRG wendet, ist diese Frage überdies nicht entscheidungserheblich. Es ist weder dargelegt, noch ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht Vorbringen des Klägers in Anwendung der Präklusionsregelung unberücksichtigt gelassen hat.
16 Im Übrigen geht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass die Anwendung des § 6 UmwRG auf Klagen eigentumsbetroffener Privater mit Art. 14, 19 Abs. 4 GG vereinbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2021 - 9 A 8.20 - UPR 2021, 348 Rn. 15, 18). Dies gilt auch für die Fachplanung von Energieleitungen (BVerwG, Urteil vom 21. März 2023 - 4 A 9.21 - juris Rn. 14). Inwieweit diese Rechtsauffassung der Korrektur bedürfen könnte, legt die Beschwerde nicht dar.
17 II. Mit der Beschwerde wird kein Verfahrensmangel geltend gemacht, der vorliegt und auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
18 Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m. w. N.). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist dabei vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 2017 - 4 BN 11.17 - BRS 85 Nr. 184 S. 1214 m. w. N.). Sinn der Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln ist die Kontrolle des Verfahrensgangs, nicht der Rechtsfindung. Inhaltliche Kritik an der Entscheidung vermag das Vorliegen von Verfahrensfehlern nicht darzulegen (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2020 - 4 BN 16.20 - juris Rn. 6 m. w. N.).
19 1. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Verstöße gegen § 86 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor.
20 Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Hat der Beschwerdeführer nicht bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, muss dargelegt werden, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 29. Januar 2019 - 4 BN 15.18 - juris Rn. 14).
21 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie ist der Auffassung, das Oberverwaltungsgericht hätte aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO die für den Kostenvergleich maßgeblichen Positionen näher untersuchen, mögliche Erdkabeltrassen und - zur Beurteilung einer Befangenheit der Gutachter - die interne gesellschaftsrechtliche Organisation des beauftragten Unternehmens aufklären sowie der Vorhabenträgerin Nachermittlungen aufgeben müssen. Schließlich hätte das Oberverwaltungsgericht der zutreffenden Bestimmung des Kreises der "Öffentlichkeit" im Verwaltungsverfahren weiter nachgehen müssen.
22 Diese Rügen gehen daran vorbei, dass es der vermissten Sachverhaltsaufklärung nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht bedurfte. Die Beschwerde kleidet im Wesentlichen ihre materiell-rechtliche Kritik an der Rechtsfindung des Oberverwaltungsgerichts in das Gewand von Aufklärungsrügen. Abgesehen davon legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass er vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat oder dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.
23 2. Eine Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor.
24 a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei im angegriffenen Urteil unter Verstoß gegen § 117 Abs. 2 und 3 VwGO nicht auf die sachliche Unzuständigkeit der Landesdirektion Sachsen als Planfeststellungsbehörde, die Unwirksamkeit der Bevollmächtigung einer Tochtergesellschaft der Beigeladenen zum Zwecke der Antragstellung, die Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf Sachverständige und einen unzureichenden räumlichen Umfang der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren eingegangen, zeigt keine Gehörsverletzung auf.
25 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Solche Umstände fehlen. Das Oberverwaltungsgericht hat die in Bezug genommenen Gesichtspunkte ausführlich im Parallelverfahren 4 C 63/21 behandelt, in dem sie von Anfang an vorgetragen worden waren. Nach dem Eintritt des Klägerbevollmächtigten auch in das hiesige Verfahren hat er lediglich pauschal auf den Vortrag im Parallelverfahren Bezug genommen.
26 b) Es liegt auch kein Verfahrensfehler darin, dass das Oberverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung auf den Antrag des Klägers nicht wiedereröffnet hat. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung steht grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht ausnahmsweise dann, wenn nur auf diese Weise das Recht auf rechtliches Gehör gewahrt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 1989 - 9 C 55.88 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 23 S. 6; Beschlüsse vom 3. Dezember 2008 - 10 B 13.08 - juris Rn. 7 und vom 22. Juli 2013 - 6 B 3.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 55 Rn. 19) oder nur so die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfüllt werden kann, den Sachverhalt umfassend aufzuklären (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Oktober 2004 - 7 B 98.04 - juris Rn. 5 m. w. N., vom 6. März 2015 - 6 B 41.14 - juris Rn. 10 und vom 25. Januar 2016 - 2 B 34.14 - NVwZ-RR 2016, 428 Rn. 28).
27 Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestand kein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Kläger bezieht sich darauf, dass er das Oberverwaltungsgericht erst im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. September 2023 auf "zwei relevante Urteile" hingewiesen habe und gibt gleichzeitig an, die damit dargelegten Umstände seien im Urteil erörtert worden. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und im Urteil verarbeitet. Den Anforderungen des rechtlichen Gehörs ist damit Genüge getan. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, es habe an einem Rechtsgespräch zu diesem Punkt gefehlt. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er an ausreichendem Vortrag in der mündlichen Verhandlung gehindert war und sich kein rechtliches Gehör verschaffen konnte.
28 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Beschluss vom 18.09.2024 -
BVerwG 11 B 2.24ECLI:DE:BVerwG:2024:180924B11B2.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 18.09.2024 - 11 B 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:180924B11B2.24.0]
Beschluss
BVerwG 11 B 2.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. September 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Dieterich und Dr. Hammer
beschlossen:
- Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 1. Juli 2024 - 11 B 3.23 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Gründe
1 Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6. September 2023 ergangenen Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung des Beschwerdeverfahrens nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO, da er durch den Beschluss des Senats vom 1. Juli 2024 nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird.
2 I. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind. Dabei sind sie nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Wird die Gehörsrüge darauf gestützt, dass relevantes Vorbringen übergangen worden ist, bedarf es der Darlegung, welches Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vermittelt keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Anhörungsrüge lässt sich auch nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42 und Beschluss vom 28. Dezember 2022 - 5 B 2.22 - juris Rn. 5 ff. m. w. N.). Dabei ist - anders als der Kläger anzunehmen scheint - für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblich, was der jeweilige Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO darlegt, nicht dagegen das Vorbringen in dem, dem angegriffenen Urteil vorausgehenden vorinstanzlichen Verfahren.
3 Gemessen daran liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor.
4 Die Frage, welche Anforderungen § 43 Abs. 1 Satz 1 EnWG an die Zuweisung der Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde stellt, hat der Senat in seinem Beschluss vom 1. Juli 2024 - 11 B 3.23 - dahingehend beschieden, dass die Norm auf das - nicht revisible - Landesrecht verweist. Im Übrigen hat der Senat festgestellt, dass die Beschwerde einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im revisiblen Recht nicht dargelegt habe (BA Rn. 5). Sofern der Kläger der Vorschrift weitergehende bundesrechtliche Voraussetzungen entnehmen will, wiederholt er mit der Anhörungsrüge lediglich seine abweichende materielle Rechtsauffassung.
5 Die Beschwerde hat nicht dargelegt, dass das angegriffene Urteil grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage aufwirft, ob das Gebot gesellschaftsrechtlicher Entflechtung gemäß § 7 EnWG ein gesetzliches Verbot rechtsgeschäftlicher Vertretung nach sich ziehen kann. Mit der Anhörungsrüge wird auf den bisherigen Vortrag verwiesen, ohne aufzuzeigen, dass dieser - anders als vom Senat angenommen (BA Rn. 6) – den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO genügte. Das führt nicht auf einen Gehörsverstoß.
6 Gleiches gilt, sofern der Senat dem Vortrag zu Inhalt und Reichweite des § 43h EnWG keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat, weil sich die aufgeworfene Frage in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde (BA Rn. 9 f.) und soweit die Frage nach dem grundrechtlich geforderten Mindestmaß an effektivem Rechtsschutz speziell im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre (BA Rn. 14 ff.). Auch insofern wiederholt die Anhörungsrüge lediglich die bereits vorgebrachten Gesichtspunkte, ohne aufzuzeigen, inwiefern ein den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO genügender Vortrag unberücksichtigt geblieben wäre.
7 Hinsichtlich des mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz greift die Anhörungsrüge erneut den materiell-rechtlichen Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts an, wonach das eingeholte Gutachten eine hinreichende Entscheidungsgrundlage darstellte. Darauf kann ein Verfahrensfehler und in der Folge ein Gehörsverstoß nicht gestützt werden. Den Vortrag in Bezug auf eine vermeintliche Befangenheit der Gutachter hat der Senat zur Kenntnis genommen und beschieden (BA Rn. 21 f. und 24 f.). Auch insofern ist ein Gehörsverstoß nicht ersichtlich.
8 Der Senat hat die Ausführungen des Klägers zur - aus seiner Sicht fehlerhaft unterlassenen - Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis genommen (BA Rn. 26). Dass der Kläger die Auffassung des Senats nicht teilt, führt nicht auf einen Gehörsverstoß.
9 Aus dem nicht datierten, bei Gericht am 16. August 2024 eingegangenen Schriftsatz des Klägers kann ein Gehörsverstoß nicht folgen, weil die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt bereits an die Beteiligten versandt war (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 22.88 - NVwZ 1989, 860 <861>). Unabhängig davon wären die mitgeteilten gesellschaftsrechtlichen Änderungen für die Entscheidung nicht von Bedeutung gewesen.
10 II. Der Senat kann die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses nicht nach § 152a Abs. 6 i. V. m. § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO einstweilen aussetzen. Die mit der Anhörungsrüge vorgebrachte Anregung verkennt, dass schon die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss nach § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG keine aufschiebende Wirkung hatte. Der Planfeststellungsbeschluss war somit unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vollziehbar, so dass für eine Aussetzung der Vollziehung im Rahmen der Anhörungsrüge kein Raum besteht.
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.