Beschluss vom 07.01.2021 -
BVerwG 1 B 48.20ECLI:DE:BVerwG:2021:070121B1B48.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.01.2021 - 1 B 48.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:070121B1B48.20.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 48.20

  • VG Köln - 10.04.2018 - AZ: VG 7 K 7283/17
  • OVG Münster - 24.09.2020 - AZ: OVG 11 A 1805/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Januar 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2020 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 A. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2 B. Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg, weil sie bezüglich beider Zulassungsgründe nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

3 1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

4 Die Beschwerde wendet sich im Wesentlichen gegen die Rechtsprechung des Senats, wonach die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auf Aufnahmebewerber, die nach Ablehnung, aber vor bestandskräftigem Abschluss eines auf einen Härtefall gestützten Aufnahmeverfahrens in die Aussiedlungsgebiete zurückkehren, um das Aufnahmeverfahren von dort aus weiterzuführen, nur dann entsprechende Anwendung findet, wenn der Aufnahmebewerber bei Verlagerung des Wohnsitzes in das Bundesgebiet - abgesehen von der fehlenden Einreise im Wege eines Aufnahmeverfahrens - alle weiteren Voraussetzungen als Spätaussiedler nach der seinerzeit geltenden Rechtslage erfüllte und nur über das Vorliegen eines Härtefalls irrte (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 - 1 C 47.18 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 30 Rn. 25). Allein der Umstand, dass die Beschwerde diese Rechtsauffassung für unzutreffend hält, gibt keine Veranlassung zu einer Änderung der Rechtsprechung und begründet keine besondere Bedeutung der Rechtssache. Soweit eine offensichtliche Verletzung des Art. 3 GG gerügt wird, wird im Übrigen verkannt, dass es für die Spätaussiedlereigenschaft eines ununterbrochenen Wohnsitzes in den Aussiedlungsgebieten bedarf und der Kläger im Gegensatz zu einem ununterbrochen in den Aussiedlungsgebieten verbliebenen Aufnahmebewerber seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten zu einem Zeitpunkt aufgegeben hat, in dem er keinen Aufnahmeanspruch hatte.

5 2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe einen in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers rechtsfehlerhaft abgelehnt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

6 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten - wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt - zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. September 2020 - 2 BvR 854/20 - EuGRZ 2020, 660 Rn. 26).

7 Vorliegend hat das Berufungsgericht den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten "Hilfsbeweisantrag" auf Vernehmung seiner Mutter als Zeugin zum Beweis der Tatsache, dass er bei der Beantragung seines ersten Inlandspasses im Jahr 1991 die Eintragung der deutschen Nationalität beantragt hat, dies jedoch vom zuständigen Passbeamten abgelehnt worden ist, im Urteil als unzulässigen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Begründet hat es dies vor allem damit, dass nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Tatsache spreche. Die Beschwerde legt nicht schlüssig dar, inwiefern dies prozessrechtlich zu beanstanden ist.

8 Während sich die Voraussetzungen für die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrages aus § 86 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO ergeben, wird mit einem nur hilfsweise gestellten Beweisantrag lediglich die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302 und vom 19. August 2010 - 10 B 22.10 , 10 PKH 11.10 - juris Rn. 10). Die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages kann daher grundsätzlich nur mit der Aufklärungsrüge angegriffen werden. Diese ist nur dann begründet, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 1 B 6.14 - juris Rn. 3).

9 Der mithin der Sache nach von der Beschwerde geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht ist nicht dargelegt. Die Beschwerde setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht das Fehlen einer wenigstens gewissen Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Tatsache vor allem damit begründet hat, dass der Kläger im November 1991 wenige Monate nach der Passbeantragung seine Volkszugehörigkeit, Muttersprache und seinerzeitige Umgangssprache in der Familie im Aufnahmeantrag mit "russisch" angegeben und damit selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich zum damaligen Zeitpunkt - im Gegensatz zu seiner Mutter, deren Volkszugehörigkeit er im Aufnahmeantrag mit "deutsch" angegeben hat - (noch) nicht als deutscher Volkszugehöriger angesehen hat.

10 3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 18.02.2021 -
BVerwG 1 B 8.21ECLI:DE:BVerwG:2021:180221B1B8.21.0

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    BVerwG, Beschluss vom 18.02.2021 - 1 B 8.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:180221B1B8.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 8.21

  • VG Köln - 10.04.2018 - AZ: VG 7 K 7283/17
  • OVG Münster - 24.09.2020 - AZ: OVG 11 A 1805/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Februar 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Januar 2021 - BVerwG 1 B 48.20 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

2 1. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in seinem Beschluss vom 7. Januar 2021 - BVerwG 1 B 48.20 - nicht verletzt.

3 1.1 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.> und Beschlüsse vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6 und vom 1. März 2017 - 6 B 23.17 - juris Rn. 2).

4 1.2 Gemessen an diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Senats nicht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör. Der Senat hat das Vorbringen des Klägers im Beschwerdeverfahren zur Kenntnis genommen, aber in der Sache nicht für durchgreifend erachtet. Wie sich aus § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO eindeutig ergibt, stellt die Anhörungsrüge kein Mittel dar, um darauf hinzuwirken, dass das Gericht die rechtlichen Erwägungen überdenkt, die seine Entscheidung, hier die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde, tragen.

5 a) Soweit der Kläger rügt, der Senat habe sein Vorbringen in Bezug auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht berücksichtigt, vernachlässigt dies die dem Beschluss beigefügte Begründung, in der dargelegt wird, dass und aus welchen Gründen das Beschwerdevorbringen nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes genügt. Dabei hat der Senat in tatsächlicher Hinsicht nicht übersehen, dass der Kläger keinen Folgeantrag gestellt, sondern seinen Wohnsitz während des laufenden Aufnahmeverfahrens nach Ablehnung seines Antrags auf Erteilung eines Härtefallaufnahmebescheids zurückverlegt hat. Soweit der Kläger meint, dass in dieser Konstellation die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG eingreife, wiederholt und vertieft er der Sache nach sein Vorbringen aus dem Beschwerdeverfahren und wendet sich gegen dessen rechtliche Bewertung durch den Senat. Allein der Umstand, dass der Senat die Auffassung des Klägers in rechtlicher Hinsicht nicht teilt, verletzt nicht dessen rechtliches Gehör.

6 b) Die Anhörungsrüge hat auch keinen Erfolg, soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Senat in Bezug auf die mit der Beschwerde geltend gemachte verfahrensfehlerhafte Ablehnung des von ihm im Berufungsverfahren - im Zusammenhang mit der Ausstellung seines ersten Inlandspasses - gestellten Hilfsbeweisantrags rügt. Auch insoweit hat der Senat das Vorbringen des Klägers im Beschwerdeverfahren zur Kenntnis genommen und dargelegt, warum dieses schon nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers genügt. Auch insoweit vertieft und ergänzt der Kläger mit der Anhörungsrüge lediglich sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren, ohne dass sich hieraus eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Senat ergibt. Soweit er dabei darauf hinweist, dass er im Aufnahmeantrag wahrheitsgemäß seinen russischen Nationalitäteneintrag angegeben habe, übergeht er im Übrigen, dass im Antrag nicht nach der im Inlandspass eingetragenen Nationalität, sondern nach der Volkszugehörigkeit gefragt worden ist. Dass ihm seinerzeit bewusst war, dass eine gegen den eigenen Willen im Inlandspass eingetragene Nationalität nicht mit der auch von einem inneren Willen getragenen Volkszugehörigkeit gleichzusetzen ist, ergibt sich schon daraus, dass er die Volkszugehörigkeit seiner seinerzeit ebenfalls noch mit russischer Nationalität eingetragenen Mutter im Aufnahmeantrag mit "deutsch" angegeben hat. Bei dieser Sachlage hätte weitergehender Darlegung bedurft, warum sich dem Berufungsgericht dennoch eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen.

7 c) Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit seinen erfolgreichen Bemühungen um eine nachträgliche Änderung des Nationalitäteneintrags in seinem Inlandspass rügt, vermag dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Senat schon deshalb nicht zu begründen, weil vom Kläger zu diesem Komplex im Beschwerdeverfahren kein Zulassungsgrund geltend gemacht worden ist.

8 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 152a Abs. 4 Satz 4, § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO<analog>).

9 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.