Beschluss vom 06.11.2024 -
BVerwG 4 BN 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:061124B4BN3.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 06.11.2024 - 4 BN 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:061124B4BN3.24.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 3.24
- OVG Berlin-Brandenburg - 16.11.2023 - AZ: 10 A 15.19
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. November 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:
- Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. November 2023 wird aufgehoben. Die Revision wird zugelassen.
- Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
1 1. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Antragsgegner die am 6. Februar 2024 abgelaufene Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch das am 5. Februar 2024 an das Oberverwaltungsgericht übermittelte elektronische Dokument gewahrt.
2 Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Regelung gilt in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 253 Abs. 4 ZPO auch für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und deren Begründung (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 2023 - 9 B 23.22 - NVwZ 2023, 1422 Rn. 2 und vom 21. Dezember 2023 - 2 B 2.23 - NVwZ 2024, 595 Rn. 7).
3 Gemäß § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten Signatur der verantwortenden Person versehen oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Auf diese Weise soll die Authentizität des Dokuments, d. h. die Verknüpfung des Erklärungsinhalts mit der Identität des Absenders als der verantwortenden Person, nachgewiesen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 8 C 4.21 - Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 5 Rn. 5). Diesen Anforderungen ist hier Genüge getan.
4 Die elektronisch übermittelte Beschwerdebegründung war zwar ausweislich des Prüfvermerks des Oberverwaltungsgerichts nicht nach der ersten Alternative mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen; anderes wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Das mit der maschinenschriftlichen Angabe des Namens des Prozessbevollmächtigten auf dem Schriftsatz ordnungsgemäß einfach signierte Dokument (BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2022 - 20 F 15.22 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 100 Rn. 8; BAG, Beschluss vom 14. September 2020 - 5 AZB 23/20 - BAGE 172, 186 Rn. 14 f.; BGH, Beschluss vom 30. November 2023 - III ZB 4/23 - NJW-RR 2024, 331 Rn. 10 und BSG, Beschluss vom 15. Mai 2024 - B 8 SO 3/22 R - juris Rn. 5) wurde aber über das besondere elektronische Anwaltspostfach und die elektronische Poststelle des Gerichts und damit auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne der zweiten Alternative eingereicht (§ 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. §§ 31a f. BRAO und der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer - RAVPV -).
5 Die ordnungsgemäße Einreichung auf diesem sicheren Übermittlungsweg setzt voraus, dass die das Dokument signierende und damit verantwortende Person, d. h. der Rechtsanwalt, dieses selbst versendet; die Versendung durch einen Dritten genügt nicht (BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 8 C 4.21 - Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 5 Rn. 4; BAG, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 10 AZN 53/20 - BAGE 171, 28 Rn. 14 ff.; BSG, Beschluss vom 27. September 2023 - B 2 U 1/23 R - juris Rn. 17 sowie BGH, Beschluss vom 5. Juni 2024 - 4 StR 157/24 - NStZ-RR 2044, 254). Demnach bestimmt § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV, dass das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu versenden, nicht auf Dritte übertragen werden kann; § 26 RAVPV legt dem Postfachinhaber die Verpflichtung auf, den unbefugten Zugriff auf sein Postfach durch die erforderlichen Maßnahmen zu verhindern.
6 Die Nutzung des sicheren Übermittlungswegs durch die berechtigte Person wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) bestätigt. Der vHN, der beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach durch die Bundesrechtsanwaltskammer sicherzustellen ist (§ 20 Abs. 3 RAVPV), ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die nachweist, dass der Postfachinhaber mit seiner persönlichen Kennung bei seinem Verzeichnisdienst angemeldet war und dass dieser Verzeichnisdienst ihn als Inhaber eines sicheren Übermittlungswegs ausweist (BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 8 C 4.21 - Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 5 Rn. 6 f.; BAG, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 10 AZN 53/20 - BAGE 171, 28 Rn. 27). Ob das eingegangene Dokument auf einem solchen Übermittlungsweg versandt worden ist, lässt sich anhand des Prüfvermerks, des Transfervermerks oder des Prüfprotokolls erkennen. Diese visualisieren den vHN, während auf dem eingegangenen Dokument selbst sich kein verlässlicher Hinweis auf den Übermittlungsweg befindet. Auf dem Transfervermerk, dem Prüfvermerk oder dem Prüfprotokoll in der EGVP-Empfangskomponente der Justiz lässt sich das Vorhandensein eines vHN bei den "Informationen zum Übermittlungsweg" durch den Eintrag: "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach" erkennen (siehe BRAK, beA-Anwenderhandbuch, November 2024, S. 152, 154). Hierdurch wird der Übermittlungsweg im Sinne des § 298 Abs. 2 und 3 ZPO aktenkundig gemacht (vgl. Müller, in: Ory/Werth, jurisPK-ERV, Band 3, 2. Aufl. 2022, § 55a VwGO Rn. 215 f., 220). Fehlt es demgegenüber am vHN, wird je nach festgestelltem Mangel und abhängig von der Art des genutzten vHN (siehe zum vHN 2, Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (vHN) 2, Spezifikation, Version 2.2, Stand 9. Dezember 2021, verfügbar unter https://www.egvp.justiz.de/Drittprodukte) vermerkt: "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach. Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt." bzw. "Keine Übermittlung über einen sicheren Übermittlungsweg, weil die Prüfung des Herkunftsnachweises des besonderen Anwaltspostfachs zu dem Ergebnis ‛ungültig’ führte." oder "Diese Nachricht wurde per EGVP versandt.", dies ggfs. mit der Ergänzung "Die Prüfung des Herkunftsnachweises führte zu dem Ergebnis ‛ungültig’." (siehe BRAK, a. a. O., S. 155 f.). An einer abschließenden - positiven oder negativen - Feststellung zum Vorliegen eines vHN fehlt es hier indessen. Im Prüfprotokoll des Oberverwaltungsgerichts wird vielmehr darauf hingewiesen, dass die "Prüfung des sicheren Übermittlungswegs zum Prüfungszeitpunkt nicht möglich" sei. Damit wird dokumentiert, dass das Ergebnis der Signaturprüfung unbestimmt ist (vgl. BRAK, a. a. O., S. 152, 154). Dies kann seine Ursache in Störungen des Intermediärs (siehe Tiedemann, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024, § 46c ArbGG Rn. 44) oder der Nichterreichbarkeit des Verifikationsservers haben (BRAK, a. a. O., S. 157).
7 Die Frage der ordnungsgemäßen Erhebung der Beschwerde hat der Senat im Wege des Freibeweises aufzuklären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2020 - 2 B 14.19 - Buchholz 310 § 56 VwGO Nr. 14 Rn. 10 m. w. N.; BAG, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 10 AZN 53/20 - BAGE 171, 28 Rn. 31). Im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens sieht der Senat von der Anordnung weiterer technischer Prüfungen ab. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Oberverwaltungsgericht gegebene Begründung für einen Verzicht auf eine nochmalige Prüfung - eine solche sei angesichts der noch verwendeten, mittlerweile aber überholten GO§A-Version mit vertretbarem Aufwand nicht möglich - ohne Weiteres als tragfähig anerkannt werden kann. Denn der Senat kann sich schon anhand des vom Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners vorgelegten Prüfprotokolls, das dem Rechtsanwalt eine verlässliche Ausgangskontrolle ermöglicht (siehe BGH, Beschluss vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22 - NJW 2023, 1668 Rn. 23), davon überzeugen, dass ein vHN vorhanden ist. Das Prüfprotokoll vermerkt unter "Informationen zum Übermittlungsweg" – "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach." und weist den vHN auf der Grundlage der hierfür erforderlichen Dateien - vhn.xml und vhn.xml.p7s - nach (vgl. Müller, in: Ory/Werth, jurisPK-ERV, Band 3, 2. Aufl. 2022, § 55a VwGO Rn. 250 ff.; vHN 2, Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (vHN) 2, Spezifikation, Version 2.2, Stand 9. Dezember 2021, verfügbar unter https://www.egvp.justiz.de/Drittprodukte, S. 3). Als Gesamtprüfergebnis wird unter "Zusammenfassung und Struktur" darin wiedergegeben, dass sämtliche durchgeführten Prüfungen ein positives Ergebnis lieferten; beim Autor wird vermerkt: "Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis beA" – dies wird im Prüfprotokoll mit der "Ampelfarbe" grün unterlegt - sowie: "Die Signatur ist gültig. Alle notwendigen Prüfungen sind positiv verlaufen." (siehe auch hierzu BRAK, beA-Anwenderhandbuch, November 2024, S. 156 f.). Hiernach spricht viel dafür, dass der fehlende Hinweis auf den vHN beim Eingang im elektronischen Postfach des Oberverwaltungsgerichts auf einem technischen Fehler beruht.
8 2. Die Beschwerde ist begründet. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
9 Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, welche Auswirkungen die Einschränkung der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde auf den Lauf der Planungsschadensfrist nach § 42 Abs. 2 und 3 BauGB hat.
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Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 CN 3.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.