Verfahrensinformation



Die Kläger, eine Gemeinde, ein Wasserbeschaffungsverband und mehrere im Bereich Sport, Freizeit und Tourismus tätige Unternehmen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 18. März 2024 für das Vorhaben "ABS/NBS Hamburg - Lübeck - Puttgarden PFA 6" in der Gemeinde Fehmarn im Landkreis Ostholstein Bahn-km 74,049 bis 85,450 der Strecke 1100 Lübeck-Puttgarden, einen Abschnitt der Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ). Der Ausbau der Eisenbahn-Hinterlandanbindung der FFBQ in der Bundesrepublik Deutschland ist sowohl Bestandteil des Staatsvertrages mit dem Königreich Dänemark über eine FFBQ als auch des Kernnetzes des transeuropäischen Verkehrsnetzes.


Die Kläger rügen im Wesentlichen, dass die Planungen der Beigeladenen für eine neue Fehmarnsundquerung nicht berücksichtigt worden seien. Daher befasse sich der Planfeststellungsbeschluss nicht mit den kumulativen Auswirkungen der jeweiligen Planungen. Die Kläger befürchten eine erhebliche Beeinträchtigung des Tourismus, insbesondere durch Lärmbeeinträchtigungen. Die Aufgabe der Beschaffung und Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser könne bei Realisierung des genehmigten Vorhabens nicht mehr hinreichend erfüllt werden.


Beschluss vom 04.04.2025 -
BVerwG 7 A 5.24ECLI:DE:BVerwG:2025:040425B7A5.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.04.2025 - 7 A 5.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:040425B7A5.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 A 5.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2025
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

Der vom Richter am Bundesverwaltungsgericht T. mit dienstlicher Erklärung vom 27. Januar 2025 angezeigte Sachverhalt begründet die Besorgnis der Befangenheit.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes betreffend einen Abschnitt der Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung. Die beigeladene Vorhabenträgerin wird in dem Rechtsstreit vor dem erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht durch die Kanzlei c. Rechtsanwälte vertreten.

2 Mit dienstlicher Erklärung vom 27. Januar 2025 hat das Senatsmitglied Richter am Bundesverwaltungsgericht T. angezeigt, dass zwischen ihm und dem bei c. Rechtsanwälte als Of Counsel tätigen Rechtsanwalt W. eine enge Freundschaft bestehe, in deren Rahmen regelmäßige Kontakte und Treffen auch unter Einschluss der Ehepartnerinnen stattfänden. Darüber hinaus seien Herr W. und er als Bearbeiter für denselben Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz tätig.

3 Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen. Die Beigeladene hat ausgeführt, dass Herr W. als Of Counsel lediglich beratend tätig und in die Bearbeitung des Verfahrens nicht eingebunden sei. Er werde die Beigeladene nicht vertreten und nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Aus diesen Gründen hält auch die Beklagte eine Besorgnis der Befangenheit nicht für begründet. Die Kläger haben demgegenüber den Schein fehlender richterlicher Unvoreingenommenheit gerügt.

II

4 Der Senat entscheidet anlässlich der Selbstanzeige eines Senatsmitglieds über dessen Befangenheit gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 48 und 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des betreffenden Richters in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO).

5 Wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 1 BvR 471/10 u. a. - BVerfGE 135, 248 Rn. 23). Solche Zweifel können sich aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder - wie hier in Rede stehend - zu den Prozessbeteiligten ergeben. Maßgeblich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2024 - 2 VR 9.23 - juris Rn. 5 m. w. N.). Eine enge Freundschaft zwischen Richter und Beteiligtem kann ein Umstand sein, der Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen kann. An die Qualität und Intensität eines als Ablehnungsgrund in Betracht kommenden Freundschaftsverhältnisses zu dem Prozessvertreter eines Beteiligten sind höhere Anforderungen zu stellen als an ein solches Näheverhältnis zu einem Beteiligten bzw. einem seiner Mitarbeiter selbst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2023 - 10 C 4.22 - ‌juris Rn. 6 m. w. N.).

6 Nach diesen Maßstäben ist hier die enge Freundschaft zwischen einem Senatsmitglied und dem Of Counsel der die Beigeladene vertretenden Rechtsanwaltskanzlei geeignet, den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu begründen. Zwar tritt Herr W. im hiesigen Rechtsstreit bisher nicht auf. Seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist nicht beabsichtigt. Er ist jedoch in dem von der Kanzlei verwendeten Vollmachtsformular (Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 14. Juni 2024) namentlich genannt, weswegen die von dem Vertreter der Beigeladenen unterzeichnete Vollmacht für die Kanzlei auch Herrn W. zu ihrer Vertretung im Rahmen des Mandats ermächtigt. Es handelt sich zudem bei c. Rechtsanwälte nicht um eine Großkanzlei mit verschiedenen, voneinander mehr oder weniger unabhängigen Geschäftsbereichen. Nach ihrem Internetauftritt sind derzeit sieben Rechtsanwälte für die Kanzlei tätig. Die gesamte Kanzlei ist danach im Wesentlichen auf die Beratung von Infrastrukturprojekten (unter anderem Schiene) spezialisiert. Als Richter am Bundesverwaltungsgericht hat Herr W. bis zu seinem Ausscheiden im Jahr ... die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Eisenbahnrechts maßgeblich mitgeprägt. Die Annahme der Kläger, dass seine Expertise in eisenbahnrechtlichen Verfahren in der anwaltlichen Praxis gefragt sei, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch ihre Vermutung, dass Herr W. im hiesigen Planfeststellungsverfahren beratend tätig war oder ist, erscheint nicht unberechtigt. Es könnte zudem der Anschein entstehen, dass im Rahmen der engen Freundschaft aufgrund der beruflichen Interessen der ehemaligen Kollegen am Bundesverwaltungsgericht auch Rechtsgespräche zu fachlichen Problemen miteinander geführt werden. Dies gilt umso mehr als beide gemeinsam mit zwei anderen Autoren einen Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz bearbeiten, in dem Herr W. unter anderem für das Planfeststellungsverfahren zuständig ist. Dies mag den Eindruck einer fachlichen Einflussnahme auf den erkennenden Richter entstehen lassen. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Richter über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, ist es einem Beteiligten in einem solchen Fall nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben wird, und den Richter erst dann abzulehnen, wenn dies doch geschieht und ihr das bekannt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17 - NJW 2019, 516 Rn. 14 f.). Nach allem sind aus der Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten die von den Klägern zum Ausdruck gebrachten Bedenken hinsichtlich der Unvoreingenommenheit des Richters am Bundesverwaltungsgericht T. gerechtfertigt. Darauf, ob die Unvoreingenommenheit tatsächlich fehlt, kommt es nicht an.