Pressemitteilung Nr. 7/2025 vom 12.02.2025
Klage des brandenburgischen Landesverbandes der Tierschutzpartei zur Nachwahlberichterstattung im rbb Fernsehen am 1. September 2019 erfolglos
Der Landesverband der Partei Mensch Umwelt Tierschutz - Tierschutzpartei - hatte keinen Anspruch darauf, dass sein bei der Wahl zum Brandenburgischen Landtag im Jahre 2019 (geschätztes) Wahlergebnis iHv. 2,6 % in der Berichterstattung der beklagten Rundfunkanstalt am Wahlabend im Fernsehen - statt der Zusammenfassung mit den Ergebnissen anderer Parteien unter "Andere" - getrennt ausgewiesen wurde. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Am 1. September 2019 fand die Wahl zum Brandenburgischen Landtag statt. Nach Schließung der Wahllokale präsentierte der beklagte Rundfunk Berlin-Brandenburg im rbb Fernsehen in den Sendungen „Brandenburg-Wahl: Die Entscheidung", „Brandenburg aktuell" und „rbb 24" die Wahlergebnisse in Prognosen und Hochrechnungen. Dabei fasste er die (geschätzten) Stimmenanteile des Klägers in Balkendiagrammen sowie in der am unteren Bildrand laufenden Textzeile mit den Ergebnissen anderer Kleinparteien unter "Andere" zusammen. Erst ab einem Stimmenanteil von mehr als 4 % wies er die Ergebnisse der Parteien im Fernsehen gesondert aus.
Die von dem Kläger bei dem Verwaltungsgericht Berlin erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Art der Präsentation hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das erstinstanzliche Urteil geändert und festgestellt, dass der Beklagte in der Nachwahlberichterstattung das (geschätzte) Wahlergebnis des Klägers bei den Präsentationen der Ergebnisse nennen musste und nicht unter die Gruppe „Andere" fassen durfte. Dies folge aus dem Grundsatz der Chancengleichheit unter anderem deshalb, weil das Wahlergebnis des Klägers einen "Achtungserfolg" darstelle. Der redaktionelle Gestaltungsspielraum des Beklagten stehe dem nicht entgegen, da er nur im Randbereich berührt sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beklagten das Urteil des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Auch bei der Nachwahlberichterstattung einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ist der Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien aus Art. 21 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 1 GG betroffen. Zwar ist der Wettbewerb um die Stimmen der Wähler für diese Wahl mit der Schließung der Wahllokale beendet. Jedoch vollzieht sich die politische Meinungs- und Willensbildung im bundesstaatlichen und europäischen Rahmen als kontinuierlicher Prozess. In diesem sind die Wahlergebnisse auch für den Wettbewerb um die Wählerstimmen bei künftigen Wahlen von Bedeutung. Hierzu steht der einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zukommende redaktionelle Spielraum bei der Programmgestaltung, der den Kern ihrer von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit ausmacht, in einem Spannungsverhältnis. Dessen Auflösung verlangt ein redaktionelles Gesamtkonzept der Rundfunkanstalt, welches beiden betroffenen Rechten hinreichend Rechnung trägt. Der Beklagte hat alle Parteien gesondert präsentiert, deren (geschätzter) Stimmenanteil über 4 % lag. Hierbei hat er sich an der Erwartbarkeit des Einzugs der jeweiligen Partei in den Landtag bzw. deren bundespolitischer Bedeutung orientiert. Ergänzend hat er in seinem Internetangebot vertiefende Informationen bereitgehalten.
Dieses Konzept ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat mit ihm den Erwartungen der Zuschauer und seinem Programmauftrag Rechnung getragen. Dass dies mit Einbußen an Sichtbarkeit für kleinere Parteien verbunden war, ist mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar, der Abstufungen nach der Bedeutung der Parteien erlaubt. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, war der Beklagte nicht verpflichtet, konzeptionell Vorkehrungen für eine Berücksichtigung von "Achtungserfolgen" kleinerer Parteien zu treffen. Dem steht bereits die Unbestimmtheit dieses Begriffs entgegen. Überdies könnten sich hierauf auch alle weiteren Kleinparteien berufen. Selbst wenn unterstellt wird, dass eine gesonderte Erwähnung etwaiger "Achtungserfolge" dem Fernsehpublikum den Eindruck vermitteln könnte, die betroffene Partei könne bei künftigen Wahlen noch besser abschneiden bzw. die Chancen für Unterstützer, Mitglieder und Spenden erhöhen sollte, rechtfertigte dies nicht den tiefgreifenden Eingriff in die Programmautonomie, der mit einer Vorgabe verbunden wäre. Das Berufungsgericht hat das Gewicht dieses Eingriffs verkannt.
BVerwG 6 C 5.23 - Urteil vom 12. Februar 2025
Vorinstanzen:
VG Berlin, VG 2 K 74/20 - Urteil vom 30. August 2021 -
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 3 B 43/21 - Urteil vom 25. Mai 2023 -