Pressemitteilung Nr. 27/2025 vom 10.04.2025
Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle bei Wahl von hauptamtlichen kommunalen Beigeordneten
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt einem Bewerber bei der Wahl eines Beigeordneten durch den Gemeinderat einen gerichtlich überprüfbaren Anspruch auf chancengleiche Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger bewarb sich neben fünf weiteren Personen, darunter der Beigeladene, bei der beklagten baden-württembergischen Stadt für die Stelle des Ersten Beigeordneten. Der Gemeinderat wählte mit 15 Stimmen den Beigeladenen, der Kläger erhielt keine, ein weiterer Bewerber sieben Stimmen. Über den Ausgang der Wahl wurde der Kläger unmittelbar im Anschluss informiert. Einen Tag später bestellte die Beklagte den Beigeladenen unter Aushändigung der Ernennungsurkunde zum Ersten Beigeordneten.
Hiergegen hat der Kläger im Folgemonat Widerspruch und später Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Ernennung des Beigeladenen zum Ersten Beigeordneten aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Besetzung der Stelle mit dem Beigeladenen verletze den Kläger in seinem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch. Zwar sei die eigentliche Wahl des Beigeordneten einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Ausgestaltung des Stellenbesetzungsverfahrens unterliege aber einer gerichtlichen Überprüfung. Im vorliegenden Fall sei die Grenze zur unzulässigen Voreingenommenheit und damit zur Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens überschritten. Schon bei der Schaffung und Ausgestaltung der Stelle des Beigeordneten habe für die Mehrheit des Gemeinderats festgestanden, dass der Beigeladene die Stelle erhalten solle.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zwar beruht die Wahl zum Beigeordneten auf einem Akt demokratischer Willensbildung, weshalb der Wahlakt selbst einer inhaltlichen Kontrolle durch die Gerichte entzogen ist. Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich aber ein Anspruch des Bewerbers auf chancengleiche Ausgestaltung der der Wahl vorgelagerten Verfahrensschritte. Verfahrensgestaltungen, die ohne sachlichen Grund eine unterschiedliche Behandlung des Bewerberfeldes vorsehen, verletzen den Bewerbungsverfahrensanspruch des benachteiligten Bewerbers. Die Einhaltung des Gebots der Chancengleichheit ist von den Gerichten auch daraufhin zu überprüfen, ob in der Person des (Mit-)Bewerbers gesetzlich bestimmte Voraussetzungen für das Wahlamt vorliegen und ob er ein etwaig zwingendes Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle erfüllt.
Ausgehend hiervon hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf chancengleiche Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens nicht verletzt. Aus dem Zuschnitt der neu geschaffenen Stelle eines Beigeordneten lässt sich grundsätzlich noch keine "Voreingenommenheit" des Gemeinderats ableiten. Auch eine auf (kommunal-)politischen Erwägungen beruhende Willensbildung im Gemeinderat ist nicht zu beanstanden, wenn die formalen Anforderungen an ein rechtsstaatliches und dem Grundsatz der Chancengleichheit entsprechendes Verfahren gewahrt werden.
BVerwG 2 C 12.24 - Urteil vom 10. April 2025
Vorinstanzen:
VG Sigmaringen, VG 2 K 2218/21 - Urteil vom 30. März 2023 -
VGH Mannheim, VGH 4 S 1511/23 - Urteil vom 23. April 2024 -