Verfahrensinformation

Ersatzpflicht der Eltern bei überhöhter Ausbildungsförderung wegen Falschangaben trotz Mitverschuldens des Förderungsamts?


Die Klägerin ist die Mutter einer Studentin, der für den Zeitraum von Oktober 2016 bis September 2017 Ausbildungsförderung bewilligt wurde. Bei der Antragstellung reichte die Tochter einen Einkommensteuerbescheid ein, aus dem sich für die Klägerin neben geringen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für das maßgebliche Berechnungsjahr 2014 nennenswerte Einkünfte aus einer privaten Rentenversicherung (sog. Leibrente) ergaben. In der zu dem Antrag gehörenden Einkommenserklärung der Klägerin selbst war diese Leibrente aber nicht angegeben. Im Oktober 2017 zog das Förderungsamt die Klägerin zu Ersatzleistungen nach § 47a BAföG heran, da sie ihre Einkünfte nicht vollständig erklärt habe und deshalb zu viel Ausbildungsförderung an die Tochter gezahlt worden sei. Widerspruch und Anfechtungsklage blieben weitgehend erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht war der Auffassung, dass zwar ein Mitverschulden des Förderungsamtes hinsichtlich der zu Unrecht erfolgten Zahlungen gegeben sei, weil dieses das richtige Einkommen selbst habe feststellen können. Ihm falle aber nur eine leichte Fahrlässigkeit zur Last. In einem solchen Fall sei für die Anwendung der Mitverschuldensregel (des § 254 BGB) kein Raum. Mit ihrer von der Vorinstanz wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


Pressemitteilung Nr. 25/2025 vom 27.03.2025

Mitverschulden des BAföG-Amtes kann dessen ausbildungsförderungsrechtlichen Schadensersatzanspruch mindern

Besteht gegen die Eltern eines Auszubildenden ein Schadensersatzanspruch des Förderungsamtes nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wegen zu Unrecht gewährter Förderung, kann ein Mitverschulden des Förderungsamtes bei der Bearbeitung des Antrags diesen Anspruch mindern. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin ist die Mutter einer Studentin, der Ausbildungsförderungsleistungen bewilligt wurden. Dem von der Tochter gestellten Förderantrag war ein Einkommensteuerbescheid für ihre Eltern beigefügt, in dem für das maßgebliche Jahr nicht zu versteuernde Einkünfte der Klägerin aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (Leibrente) ausgewiesen waren. Die von der Klägerin nachgereichte Einkommenserklärung zum Antrag (Formblatt 3) enthielt jedoch keine Angaben zu diesem Einkommen aus Rentenzahlungen. Dieses nicht angegebene Einkommen, das im Falle seiner Berücksichtigung den BAföG-Anspruch der Tochter ganz oder teilweise ausgeschlossen hätte, wurde bei der Bewilligung nicht in Ansatz gebracht. Ein Jahr später zog der Beklagte die Klägerin zum Schadensersatz (nach § 47a BAföG) für zu Unrecht an ihre Tochter gewährte Förderungsleistungen in Höhe von 5 460 € heran. Die hiergegen erhobene Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos.


Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Nicht zu beanstanden ist zwar die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klägerin zum Schadensersatz nach § 47a BAföG herangezogen werden konnte, weil sie ihre Renteneinkünfte im Formblatt 3 nicht angegeben hatte. Hierzu war sie förderungsrechtlich verpflichtet (Formblattzwang). Der Schadensersatzanspruch war aber - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - entsprechend der Mitverschuldensregel (des § 254 Abs. 1 BGB) zu mindern. Die Anwendung dieser Regel ist bei einer Verletzung der Rechtspflicht des Förderungsamtes zur Sachverhaltsaufklärung nicht ausgeschlossen. Eine solche liegt hier vor. Das Förderungsamt durfte sich auf die Angaben der Klägerin zu deren Einkommensverhältnissen im Formblatt 3 nicht verlassen, weil es ihre privaten Renteneinkünfte dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid entnehmen konnte. Diesen hatte es vollständig auszuwerten, weil das Formblatt 3 dem Steuerbescheid nicht nur eine Beweisfunktion, sondern in Teilen auch einen Erklärungswert zuweist. Da Verursachungsbeitrag und das Maß des Verschuldens hier auf beiden Seiten im Wesentlichen gleich gewichtig waren, war der Schadenersatzanspruch um die Hälfte zu mindern.


BVerwG 5 C 8.23 - Urteil vom 27. März 2025

Vorinstanzen:

VG Chemnitz, VG 1 K 348/19 - Urteil vom 22. September 2022 -

OVG Bautzen, OVG 5 A 523/22 - Urteil vom 16. August 2023 -