Verfahrensinformation

Glücksspielrechtliche Sperrungsanordnung gegen „Reseller" (Weiterverkäufer) von Telekommunikationsleistungen


Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer glücksspielrechtlichen Sperrungsanordnung.


Die Klägerin bietet Telekommunikationsdienstleistungen an, ohne über eine eigene Netzinfrastruktur zu verfügen. Hierzu verkauft sie die von Telekommunikationsnetzbetreibern erbrachten Vorleistungen an ihre Endkunden weiter (sog. "Reseller"). Die beigeladenen Unternehmen mit Sitz in der Republik Malta betreiben verschiedene von der Bundesrepublik Deutschland aus erreichbare Internetseiten, auf denen diverse Glücksspiele angeboten werden. Wegen dieser Glücksspielangebote ergingen bereits gegen die Rechtsvorgänger der Beigeladenen von deutschen Behörden seit dem Jahr 2014 mehrere Untersagungsverfügungen, die den Beigeladenen durch die beklagte Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder im Jahr 2020 bekannt gemacht wurden.


Mit Bescheid vom Oktober 2022 ordnete die Beklagte unter Fristsetzung und Zwangsgeldandrohung gegenüber der Klägerin an, im einzelnen benannte Internetseiten der Beigeladenen, auf denen unerlaubte Glücksspielangebote vermittelt oder veranstaltet würden, im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler für den Zugriff aus Deutschland zu sperren. Gleiches verfügte die Beklagte zudem im Hinblick auf künftig von ihr mitzuteilende Internetseiten, auf denen nach Art und Umfang wesentlich deckungsgleiche unerlaubte Glücksspielangebote (sog. Mirror-Pages) der Beigeladenen oder deren Rechtsnachfolger vermittelt oder veranstaltet würden.


Das Verwaltungsgericht Koblenz hat der hiergegen gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Weder im Glücksspielrecht noch im allgemeinen Ordnungsrecht finde sich eine taugliche Rechtsgrundlage für die gegenüber der Klägerin erlassene Anordnung. Zwar könne die Beklagte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021) unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen zur Sperrung von Glücksspielangeboten gegen verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes (TMG) ergreifen. Bei der Klägerin handele es sich jedoch nicht um einen Diensteanbieter in diesem Sinne. Die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 GlüStV 2021 bestimme sich auch nicht aus der Norm selbst ohne Rückgriff auf das Telemediengesetz. Die Sperrungsanordnung lasse sich nicht hilfsweise auf § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 stützen. Einer Anwendung dieser allgemeinen Auffangermächtigung stehe die spezialgesetzliche Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entgegen. Sie enthalte eine abschließende Regelung zu den als Störer in Anspruch zu nehmenden Diensteanbietern. Die Sperrungsanordnung finde auch keine Grundlage in den allgemeinen ordnungsrechtlichen Befugnissen für die Inanspruchnahme von Nichtstörern. § 9 Abs. 1 GlüStV treffe eine besondere Regelung zur Abwehr von Gefahren durch unerlaubte Glücksspielangebote im Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags 2021. Diese schließe einen Rückgriff auf die allgemeinen Eingriffsermächtigungen aus.


Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.


Pressemitteilung Nr. 17/2025 vom 19.03.2025

Anforderungen an glücksspielrechtliche Sperranordnungen

Nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV) kann ein Internetzugangsvermittler nur bei Verantwortlichkeit nach § 8 des Telemediengesetzes (TMG) verpflichtet werden, den Zugang zu Internetseiten zu sperren, auf denen in Deutschland unerlaubtes Glücksspiel angeboten wird. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin vermittelt für ihre Kunden den Zugang zum Internet. Die beigeladenen Unternehmen mit Sitz in der Republik Malta betreiben mehrere Internetseiten, auf denen in Deutschland nicht erlaubte Glücksspiele angeboten werden. Im Oktober 2022 verfügte die beklagte Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder gegenüber der Klägerin, die näher bezeichneten Internetseiten der Beigeladenen im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Sperranordnungen dürften nur gegenüber Zugangsvermittlern ergehen, die nach § 8 TMG verantwortlich seien. Daran fehle es hier.


Die Revision der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die einschlägige Ermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV auf die Verantwortlichkeit nach § 8 TMG verweist. Die zwischenzeitliche Aufhebung des Telemediengesetzes ändert hieran nichts, da die Verweisung die bei Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags geltende Fassung des § 8 TMG in Bezug nimmt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV dürfen Sperranordnungen ausdrücklich nur gegen "im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes verantwortliche Diensteanbieter" gerichtet werden; für Zugangsvermittler ist § 8 TMG einschlägig. Die Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrags zeigt, dass die Staatsvertragsparteien auf das im Telemediengesetz normierte System abgestufter Verantwortlichkeit verschiedener Arten von Diensteanbietern zurückgreifen wollten. Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich nichts anderes. Der Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigt keine Auslegung gegen den Wortlaut. Unionsrecht steht der Anwendung der Verweisung auf § 8 TMG nicht entgegen. Nach dieser Regelung ist die Klägerin nicht verantwortlich. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte, noch wählt sie diese oder deren Adressaten aus. Es liegt auch kein kollusives Zusammenwirken zwischen ihr und den Beigeladenen vor. Andere Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass einer Sperranordnung stehen wegen des speziellen, abschließenden Charakters des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV nicht zur Verfügung.


BVerwG 8 C 3.24 - Urteil vom 19. März 2025

Vorinstanzen:

VG Koblenz, VG 2 K 1026/22 - Urteil vom 10. Mai 2023 -

OVG Koblenz, OVG 6 A 10998/23 - Urteil vom 22. April 2024 -