Verfahrensinformation

Disziplinarrechtlicher Verweis bei fehlender Überprüfung der Besoldungsmitteilung


Die Klägerin ist seit 2002 als Lehrerin (BesGr. A 13 LBesO SH) im Dienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. In der Zeit von Februar bis Juli 2016 erhöhte sich der wöchentliche Beschäftigungsumfang der Klägerin von 21 auf 25/27 Unterrichtsstunden. Dementsprechend erhielt die Klägerin ab Februar 2016 erhöhte Besoldungsleistungen. Im Mai 2018 stellte das Dienstleistungszentrum Personal des Landes Schleswig-Holstein fest, dass die Klägerin aufgrund eines Buchungsfehlers über Juli 2016 hinaus bis Mai 2018 monatlich wiederkehrend Dienstbezüge für einen Beschäftigungsumfang von 25/27 Unterrichtstunden erhalten hatte und es hierdurch zu einer Überzahlung von insgesamt 16 338,90 € brutto gekommen war. Der sich daraus ergebende Rückforderungsbetrag wird anteilig von den Dienstbezügen der Klägerin einbehalten.


Mit Disziplinarverfügung vom August 2020 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Verweis aus, weil diese die Richtigkeit ihrer Besoldungsmitteilungen nicht kontrolliert habe. Auf die von der Klägerin erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht die Disziplinarverfügung mit Urteil vom März 2023 auf. Zwar sei die Klägerin verpflichtet, Besoldungsmitteilungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Pflichtverletzung der Klägerin habe jedoch nicht die im Disziplinarrecht geltende Erheblichkeitsschwelle überschritten. Liege die Ursache der Überzahlung im Verantwortungsbereich des Dienstherrn, bedürfe ein disziplinarrechtliches Einschreiten einer zusätzlichen Rechtfertigung.


Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zu den Sorgfaltspflichten des Beamten gehöre es, Besoldungsmitteilungen und Dienstbezüge bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Diese Pflicht habe die Klägerin grob fahrlässig und damit schuldhaft verletzt. Sie habe ihre Besoldungsmitteilungen und Dienstbezüge nicht kontrolliert, obwohl hierfür aufgrund der Reduzierung ihrer Stundenzahl ein konkreter Anlass bestanden habe. Der Umstand, dass der Beamte im Rahmen der Rückforderung der Dienstbezüge einer verschärften Haftung unterliege, sei disziplinarrechtlich nicht relevant. Da die Pflicht zur Überprüfung von Besoldungsmitteilungen und Dienstbezügen den Beamten anlassbezogen treffe, hänge die Annahme eines disziplinarwürdigen Pflichtenverstoßes weder von der Höhe noch von der Dauer der Überzahlung ab. Dass die Überzahlung auf ein Versehen der auszahlenden Stelle zurückgehe, stehe der Annahme grober Fahrlässigkeit nicht entgegen. Erhalte ein Beamter trotz besoldungsrechtlich relevanter Änderungen keine Besoldungsmitteilung, treffe ihn die Pflicht, sich diesbezüglich bei der auszahlenden Stelle zu erkundigen.


Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


Pressemitteilung Nr. 62/2024 vom 05.12.2024

Beamte sind anlassbezogen zur Überprüfung von Besoldungsmitteilungen verpflichtet

Zu den Dienstpflichten eines Beamten zählt, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Pflichtverletzungen sind jedoch nur bei Vorsatz disziplinarwürdig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin ist verbeamtete Lehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. In der Zeit von Februar bis Juli 2016 erhöhte sich ihr wöchentlicher Beschäftigungsumfang um vier Unterrichtsstunden. Dementsprechend erhöhte sich ab Februar 2016 die Besoldung der Klägerin. Erst im Mai 2018 stellte das Dienstleistungszentrum Personal des Landes Schleswig-Holstein fest, dass die Klägerin aufgrund eines Buchungsfehlers zu Unrecht über Juli 2016 hinaus erhöhte Besoldungsleistungen erhalten hatte und es hierdurch zu einer Überzahlung in Höhe von ca. 16 000 € brutto gekommen war. Der Rückforderungsbetrag wird seitdem anteilig von den Dienstbezügen der Klägerin einbehalten.


Mit Disziplinarverfügung vom August 2020 sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Verweis aus, weil diese die Überzahlung nicht angezeigt habe. Das Verwaltungsgericht hat die Disziplinarverfügung aufgehoben, wohingegen das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre Dienstpflichten grob fahrlässig und damit schuldhaft verletzt, weil sie ihre Dienstbezüge nach Reduzierung des Beschäftigungsumfangs nicht auf Überzahlungen überprüft habe. Blieben Besoldungsmitteilungen trotz besoldungsrelevanter Änderungen aus, träfen den Beamten Erkundigungspflichten.


Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine disziplinare Ahndung von Verstößen gegen Dienstpflichten setzt nicht deren ausdrückliche gesetzliche Normierung voraus. Aufgrund des besonderen beamtenrechtlichen Treueverhältnisses zählt es zu den Dienstpflichten eines Beamten, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Disziplinarwürdigkeit der Pflichtverletzung ist aber nur bei Vorsatz zu bejahen. Darüber hinaus besteht eine Erkundigungspflicht des Beamten nur dann, wenn die Besoldungshöhe offenkundig fehlerhaft ist. Dies ist bei einer Abweichung von 20 % regelmäßig der Fall. Eine solche Abweichung lag im Fall der Klägerin nicht vor.


BVerwG 2 C 3.24 - Urteil vom 05. Dezember 2024

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, OVG 14 LB 2/23 - Urteil vom 04. Oktober 2023 -

VG Schleswig, VG 17 A 7/20 - Urteil vom 16. März 2023 -