Verfahrensinformation

Die Klägerin ist die Ehefrau des Beigeladenen zu 2. Beide sind Staatsangehörige der Arabischen Republik Syrien. Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihr ein Visum zum Zwecke des Ehegattennachzugs zu erteilen.


Die Klägerin und der Beigeladene zu 2. reisten eigenen Angaben zufolge in den Jahren 2014 beziehungsweise 2013 aus der Arabischen Republik Syrien in die Libanesische Republik ein. Im August 2019 schlossen sie in Syrien einen Ehevertrag. Die Ehe wurde im Dezember 2020 amtlich bekräftigt und in das syrische Eheregister eingetragen.


Der Beigeladene zu 2. verließ den Libanon im August 2020 und reiste Ende November 2020 in das Bundesgebiet ein. Im Februar 2021 erkannte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den subsidiären Schutzstatus zu. Er ist im Besitz einer hieran anknüpfenden Aufenthaltserlaubnis.


Im August 2021 beantragte die Klägerin bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Beirut die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Ehegattennachzuges. Nachdem die Ausländerbehörde des Beigeladenen zu 1. ihre Zustimmung zur Erteilung des Visums versagt hatte, lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut die Erteilung des beantragten Visums im Februar 2022 wegen der Erfüllung des Regelausschlussgrundes des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ab, dem zufolge die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis in der Regel ausgeschlossen ist, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde.


Mit dem angegriffenen Urteil vom 28. August 2023 hat das Verwaltungsgericht der hierauf erhobenen Klage stattgegeben. Sofern die eheliche Lebensgemeinschaft nicht in einem Drittstaat hergestellt werden könne, sei eine mehr als drei Jahre währende Trennung unzumutbar, wenn der im Bundesgebiet lebende subsidiär schutzberechtigte Ehegatte den Lebensunterhalt der Familie sichere und ausreichenden Wohnraum vorhalte.


Das Bundesverwaltungsgericht wird im Rahmen der durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision zu klären haben, ob die Lebensunterhaltssicherung und das Vorhalten von Wohnraum als Aspekte der Integration des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen der Feststellung einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.


Pressemitteilung Nr. 50/2024 vom 24.10.2024

Keine Verkürzung der Trennungszeit beim Ehegattennachzug durch Sicherung von Lebensunterhalt und Vorhalten von Wohnraum

Die Sicherung des Lebensunterhalts und das Vorhalten von Wohnraum rechtfertigen keine Verkürzung der Trennungszeit, die ein subsidiär Schutzberechtigter und sein Ehegatte, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, bis zu dessen Nachzug zum Zwecke der Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet hinnehmen müssen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin und ihr Ehemann sind syrische Staatsangehörige. Sie reisten eigenen Angaben zufolge in den Jahren 2014 bzw. 2013 aus Syrien in den Libanon ein. Im August 2019 schlossen sie während eines Kurzaufenthalts in Syrien die Ehe. Der Ehemann suchte im Dezember 2020 im Bundesgebiet um Asyl nach. Im Februar 2021 erkannte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den subsidiären Schutzstatus zu. Nach der Absolvierung eines Integrationskurses trat er im Februar 2023 in ein unbefristetes und ungekündigtes Vollzeitarbeitsverhältnis ein. Im Juli 2023 begründete er zusätzlich ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis. Er ist im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis und bewohnt eine Wohnung mit einer Größe von etwa 50 m2 .


Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut lehnte die Erteilung des von der Klägerin beantragten Visums auf der Grundlage von § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ab. Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil stattgegeben. Eine Ausnahme von dem für den Fall einer nicht bereits vor der Flucht erfolgten Eheschließung vorgesehenen Regelausschlussgrund sei anzunehmen, wenn die Ehegatten seit mehr als drei Jahren räumlich voneinander getrennt lebten, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht in einem Drittstaat wiederhergestellt werden könne, der im Bundesgebiet lebende subsidiär Schutzberechtigte den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen vermöge und ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehe.


Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegten Sprungrevision der Beklagten stattgegeben.


Die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Ehegattennachzuges zum subsidiär Schutzberechtigten scheidet gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG in der Regel aus, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen einer Ausnahme von diesem Regelausschlussgrund mit einer Begründung bejaht, die Bundesrecht verletzt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund für den Fall, dass die (Wieder-)Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des nachzugswilligen Ehegatten - wie hier - auf unabsehbare Zeit ausscheidet, regelmäßig bei einer mehr als vier Jahre andauernden Trennung der Ehegatten anzunehmen. Dieser Ausgleich der Interessen ist unter den Vorbehalt besonderer Umstände des Einzelfalles gestellt. Wegen der Bedeutung der einem Familiennachzug widerstreitenden Interessen der Bundesrepublik Deutschland müssen solche atypischen Umstände des Einzelfalles geeignet sein, dem Regelausschlussgrund einer nach der Flucht geschlossenen Ehe schon vor dem Ablauf der genannten Fristen ausnahmsweise kein ausschlaggebendes Gewicht beizumessen. Von einer derartigen Atypik kann indes weder im Falle der Sicherstellung des Lebensunterhalts der Bedarfsgemeinschaft noch im Falle des Vorhaltens ausreichenden Wohnraums ausgegangen werden. Allein derartige migrationstypische Sachverhalte vermögen besondere Umstände des Einzelfalles im vorstehenden Sinne nicht zu begründen, zumal der Gesetzgeber ihre Berücksichtigung allein im Rahmen von § 36a Abs. 2 Satz 4 AufenthG vorgesehen hat.


Mangels hinreichender Feststellungen zu etwaigen anderen hier berücksichtigungsfähigen Besonderheiten hat der Senat das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.


BVerwG 1 C 17.23 - Urteil vom 24. Oktober 2024

Vorinstanz:

VG Berlin, VG 8 K 81/22 V - Urteil vom 28. August 2023 -