Pressemitteilung Nr. 43/2024 vom 12.09.2024

Kein presserechtlicher Anspruch auf Auskunft über die Einschätzung des BND zur Ukraine

Den Antrag eines Journalisten, den Bundesnachrichtendienst (BND) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Auskünfte im Zusammenhang mit dessen Öffentlichkeitsarbeit zur militärischen Situation in der Ukraine zu erteilen, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute überwiegend abgelehnt.


Der Antragsteller ist Redakteur einer Tageszeitung. Er begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom BND. Diese betreffen die Durchführung von Presse-Hintergrundgesprächen zur militärischen Situation in der Ukraine im Jahr 2024. Konkreter Anlass für die Anfragen war ein in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 25. Mai 2024 erschienener Artikel, in dem darüber berichtet wurde, dass der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter, MdB, behauptet habe, der Bundesnachrichtendienst verbreite eine bewusst negative Einschätzung der militärischen Situation in der Ukraine, um die öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen, dass Waffenlieferungen nichts (mehr) brächten.


Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Antrag, der insgesamt drei Fragestellungen beinhaltet, nur im Hinblick auf eine Frage stattgegeben. Danach ist der BND verpflichtet, Auskunft über die Anzahl der in diesem Jahr durchgeführten sogenannten vertraulichen Einzelhintergrundgespräche zur militärischen Situation in der Ukraine zu erteilen. Aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt ein presserechtlicher Auskunftsanspruch, der sich auf bei den Bundesbehörden vorhandene Informationen bezieht. Dem Anspruch können überwiegende private oder öffentliche Interessen entgegenstehen, was bezüglich der Anzahl der geführten Gespräche nicht der Fall ist.


Im Hinblick auf die weitere Frage nach den teilnehmenden Medien an solchen Presse-Hintergrundgesprächen hat das Bundesverwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, weil insoweit die Pressefreiheit der von einer solchen Auskunft betroffenen anderen Medien entgegensteht. Die Ermittlung, wessen Pressefreiheit im Einzelfall schwerer wiegt, kann nicht im Eilrechtsschutz, sondern erst im Hauptsacheverfahren geleistet werden.


Der erbetenen Auskunft, ob der BND in den Presse-Hintergrundgesprächen einen militärischen Sieg der Ukraine als schwierig und/oder ausgeschlossen dargestellt hat, stehen öffentliche Interessen in Form des Schutzes der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland entgegen. Der BND hat insoweit plausibel dargelegt, dass die Erteilung der erbetenen Information die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen könnte. Dies dürfte umso mehr für eine vom Antragsteller vermutete suggestiv steuernde Darstellung der militärischen Situation in der Ukraine gelten.


BVerwG 10 VR 1.24 - Beschluss vom 12. September 2024


Beschluss vom 12.09.2024 -
BVerwG 10 VR 1.24ECLI:DE:BVerwG:2024:120924B10VR1.24.0

Presserechtlicher Auskunftsanspruch zur Einschätzung der militärischen Situation in der Ukraine durch den Bundesnachrichtendienst

Leitsatz:

Der Schutz der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann der Erteilung einer presserechtlichen Auskunft als überwiegendes öffentliches Interesse entgegenstehen.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 32, Art. 59 Abs. 1 und 2
    VwGO § 123
    ZPO §§ 294, 920
    IFG § 3 Nr. 1 Buchst. a
    BNDG § 1 Abs. 1 und 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.09.2024 - 10 VR 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:120924B10VR1.24.0]

Beschluss

BVerwG 10 VR 1.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. September 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Löffelbein
beschlossen:

  1. Soweit die Beteiligten die Hauptsache im Hinblick auf die Fragen 1 a), 4 und 5 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
  2. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, in wie vielen der sogenannten vertraulichen Einzelhintergrundgespräche der Bundesnachrichtendienst (BND) seit Jahresanfang 2024 Informationen zur militärischen Situation in der Ukraine an Medienvertreter erteilt hat.
  3. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
  4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 4/5 und die Antragsgegnerin zu 1/5.
  5. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller ist Redakteur einer Tageszeitung. Er begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom Bundesnachrichtendienst. Diese betreffen die Durchführung von Pressehintergrundgesprächen zur militärischen Situation in der Ukraine im Jahr 2024. Konkreter Hintergrund ist ein in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 25. Mai 2024 erschienener Artikel, in dem darüber berichtet wurde, dass der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter, MdB, behauptet haben soll, der Bundesnachrichtendienst verbreite eine bewusst negative Einschätzung der militärischen Situation in der Ukraine, um die öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen, dass Waffenlieferungen nichts (mehr) brächten. Die Auskunftsersuchen sind überwiegend unbeantwortet geblieben.

2 Mit dem Antrag vom 9. Juli 2024 hat der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Auskunft zu den folgenden Fragen zu erteilen, begehrt:
1. In wie vielen der sogenannten vertraulichen
a) Presse-Hintergrundgespräche mit mehreren Beteiligten und
b) vertraulichen Einzelhintergrundgesprächen
hat der Bundesnachrichtendienst (BND) seit Jahresanfang 2024 Informationen zur militärischen Situation in der Ukraine an Medienvertreter erteilt?
2. An welche Medien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich Recherchekooperationen, an denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk beteiligt ist, hat der BND die unter 1. bezeichneten Informationen erteilt?
3. Trifft es zu, dass der BND in mehreren der zu 1. bezeichneten Gespräche zur militärischen Situation in der Ukraine einen militärischen Sieg der Ukraine über Russland als
a) schwierig und/oder
b) ausgeschlossen dargestellt hat?
4. Hat der BND zu den unter 1. und 2. begehrten Informationen eine Anhörung jener Medien oder Medienvertreter durchgeführt, deren verfassungsrechtlich geschütztes Recherche- und Redaktionsgeheimnis nach Ansicht des BND durch das Informationsbegehren betroffen sein soll?
5. Falls ja, wann (Datum) hat der BND die unter 5. [gemeint ist wohl 4.] bezeichnete Anhörung durchgeführt und welche Ergebnisse der Anhörung liegen dem BND vor?

3 Mit Schriftsätzen vom 22. August und vom 5. September 2024 haben die Beteiligten die Hauptsache im Hinblick auf die Fragen 1 a), 4 und 5 übereinstimmend für erledigt erklärt.

4 Ein gegen das Bundeskanzleramt gerichtetes Parallelverfahren (BVerwG 10 VR 2.24 ) hat der Senat mit Beschluss vom 6. August 2024 an das zuständige Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.

II

5 Soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

6 Der danach noch im Hinblick auf die Fragen 1 b), 2 und 3 anhängige Antrag ist zulässig (A.) und teilweise begründet (B.).

7 A. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antrag nicht wegen ihrer mangelnden Vorbefassung mit den Auskunftsersuchen rechtsmissbräuchlich (1.). Außerdem ist er nicht zu unbestimmt (2.).

8 1. Der Einwand mangelnder Vorbefassung, der auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis hindeuten könnte, trägt nicht. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass der Antragsteller mit mehreren Anträgen unterschiedliche Auskunftsersuchen gestellt und zu kurze Fristen zur Bearbeitung gesetzt habe. Zuletzt habe er am Tag vor der Antragstellung bei Gericht erneut Fragen an die Antragsgegnerin gerichtet und eine Frist zur Beantwortung von zwei Stunden gesetzt. Dies sowie die Antragstellung und -begründung am Folgetag bei Gericht zeigten, dass es dem Antragsteller nicht wirklich um eine Beantwortung der Fragen durch die Antragsgegnerin gegangen sei.

9 Hierdurch wird ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht aufgezeigt. Er hat die Antragsgegnerin lange vor der Antragstellung bei Gericht mit den entsprechenden Fragestellungen konfrontiert, ohne dass insoweit Auskünfte erteilt wurden. Der erneute Antrag am Tag vor der Befassung des Gerichts fasst inhaltlich bereits früher gestellte und nicht beantwortete Anträge lediglich zusammen und präzisiert bzw. beschränkt diese.

10 Frage 1 ist der Sache nach bereits in den Fragen 1 und 2 der Anfrage vom 29. Mai 2024 enthalten. Die dortige Frage 1 hat die Antragsgegnerin zwar mit E-Mail vom 17. Juni 2024 beantwortet, indem sie bestätigt hat, dass Hintergrundgespräche zur militärischen Lage in der Ukraine stattgefunden hätten. Offen ist noch die Frage nach der Anzahl solcher Gespräche, welche sich nunmehr in der Frage 1 wiederfindet. Frage 2 ist auch in Frage 2 vom 29. Mai 2024 enthalten, nur dass dort allgemeiner formuliert wurde, "an welche Medien/welche Medienvertreter" Informationen erteilt wurden, während nunmehr beschränkend nur nach öffentlich-rechtlichen Medien gefragt wird. Frage 3 entspricht sogar weitgehend dem Wortlaut nach der Frage 3 vom 29. Mai 2024 bzw. ihrer Konkretisierung vom 18. Juni 2024. Keines der noch streitgegenständlichen Auskunftsersuchen ist bislang beantwortet worden.

11 Nicht zutreffen dürfte in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Antragsgegnerin, ihr stünden pauschal immer drei bis fünf Wochen zur Beantwortung presserechtlicher Auskunftsersuchen zur Verfügung. Maßgeblich sind insoweit vielmehr Kriterien wie die journalistische Dringlichkeit einerseits sowie Aufwand und Komplexität der Beantwortung andererseits. Hier sind keine Hinweise dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht bereits vor Antragstellung bei Gericht möglich gewesen ist.

12 2. Der Antrag ist auch nicht zu unbestimmt. Soweit die Antragsgegnerin meint, die Formulierung "militärischer Sieg der Ukraine über Russland" könne auf unterschiedliche Weise verstanden werden, mag das zutreffen. Das macht das Auskunftsersuchen jedoch nicht in rechtlich unzulässiger Weise unbestimmt, sondern allenfalls weit gefasst, was im Rahmen journalistischer Recherchetätigkeit, zu deren Wesen es gehört, dass konkrete Informationen am Anfang der Recherche noch nicht bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 2021 - 6 VR 1.21 - NVwZ-RR 2021, 663 Rn. 13), zulässig ist.

13 B. Der Antrag ist nur im Hinblick auf Frage 1 b) begründet.

14 Das gemäß § 123 Abs. 2 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuständige Bundesverwaltungsgericht kann die begehrte einstweilige Anordnung erlassen, wenn der Antragsteller insoweit einen Anordnungsgrund (1.) und einen Anordnungsanspruch (2.) glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO).

15 1. Ein Anordnungsgrund ist bezüglich jeglicher der noch anhängigen Fragen gegeben. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestattet dem Gericht, eine vorläufige Regelung in Bezug auf ein Rechtsverhältnis zu erlassen, wenn dies u. a. zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes muss der Antragsteller eine besondere Eilbedürftigkeit der Sache deutlich machen, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar macht. Da das Gesetz nur eine vorläufige Regelung durch das Gericht erlaubt, sind Regelungen, die die Hauptsache vorwegnehmen und nicht umkehrbar sind, dem Grunde nach ausgeschlossen. Etwas Anderes kann nur gelten, wenn dies etwa zur Wahrung der Grundrechte des Antragstellers erforderlich erscheint. In presserechtlichen Auskunftsverfahren führt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Wege der einstweiligen Anordnung regelmäßig zur Vorwegnahme der Hauptsache. Dies ist gleichwohl mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, zulässig, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Der Verweis auf das Hauptsacheverfahren darf nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2021 - 6 VR 1.21 -‌ NVwZ-RR 2021, 663 Rn. 12 m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 - ZUM-RD 2015, 148 Rn. 28 ff.).

16 Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf die Fragen 1 b) bis 3 vor. Am deutlichsten treten das gesteigerte öffentliche Interesse und der starke Gegenwartsbezug bei Frage 3 hervor, in der es um die Einschätzung des BND zur militärischen Situation in der Ukraine und seine diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit geht. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist weltweit eines der am meisten beachteten aktuellen Themen in der Berichterstattung. Auf nationaler Ebene und zumindest im Bereich der NATO-Mitgliedstaaten unterliegen Waffenlieferungen durch die Antragsgegnerin und die hierzu geführten politischen Debatten höchster öffentlicher Aufmerksamkeit (vgl. zuletzt etwa Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 18. August 2024, S. 1: Kein neues Geld mehr für die Ukraine). An dem Recherchegegenstand des Antragstellers, der darauf abzielt herauszufinden, ob der BND in Hintergrundgesprächen auf entsprechende Darstellungen in den Medien einwirkt bzw. diese durch vertrauliche Informationserteilung mitbeeinflusst, um im Sinne des Bundeskanzleramts zu suggerieren, dass die militärische Situation in der Ukraine aussichtslos sei und eine militärische Unterstützung nichts mehr bringe, besteht ein besonderes öffentliches Interesse.

17 Gleiches gilt im Ergebnis für die in einem engen Zusammenhang hierzu stehenden Fragen 1 b) und 2.

18 Soweit der Antragsteller geltend macht, dass mit dem Ausscheiden von BND-Mitarbeitern maßgebliches Wissen verloren gehen könnte, ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Argumentation des Antragstellers basiert auf einer Vermutung ins Blaue hinein, die durch nichts näher gestützt wird.

19 2. Ein Anordnungsanspruch besteht nur im Hinblick auf Frage 1 b).

20 Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden. Aufgrund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 18 und vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 12, jeweils m. w. N.).

21 Die Beschränkung auf vorhandene Informationen schließt solche Informationen von dem presserechtlichen Auskunftsanspruch aus, die die Behörde sich erst verschaffen bzw. durch Untersuchungen generieren muss. Allerdings kann ein gewisser Aufwand bei der Ermittlung und Zusammenstellung von Informationen von der informationspflichtigen Behörde verlangt werden, insbesondere ist der Auskunftsanspruch nicht auf verschriftlichte Informationen beschränkt (BVerwG, Urteil vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 14 f., m. w. N.).

22 Bei den vom Antragsteller begehrten Informationen handelt es sich um solche, die bei der Antragsgegnerin vorhanden sind. Sie beziehen sich sämtlich auf deren Öffentlichkeitsarbeit und können durch internes Sammeln und Strukturieren ohne größeren Aufwand zusammengestellt werden.

23 a) Im Hinblick auf die durch Frage 1 b) erbetenen bloßen Zahlenangaben ist kein Ausschlussgrund erkennbar, der der Preisgabe der Informationen entgegenstehen könnte. Diese Informationen sind auch noch nicht erteilt worden. Die Antragsgegnerin hat mit E-Mail vom 17. Juni 2024 lediglich bestätigt, dass entsprechende Gespräche stattgefunden haben. Sie hat keine Angaben zu deren Anzahl gemacht.

24 b) Der Beantwortung von Frage 2 steht das von der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recherchegeheimnis der betroffenen Medien entgegen. Die Pressefreiheit umfasst auch den Vorgang der Informationsbeschaffung. Hierzu gehört gegebenenfalls die Teilnahme von Medien und ihrer Vertreter an Hintergrundgesprächen des BND. Die Pressefreiheit des Antragstellers steht somit in einem Konflikt mit der Pressefreiheit der von seiner Anfrage betroffenen Medien. Dieser kann nur durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Interessen beider Inhaber der Pressefreiheit gelöst werden. Maßgeblich ist hierbei, ob die Offenlegung der begehrten Informationen einen hinreichend konkreten Bezug zu den Recherchen der betroffenen Medien herstellen kann, der die Annahme einer Gefahr der Aufdeckung der Recherche durch Dritte rechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 22 ff., m. w. N.). Eine solche Gefahr erscheint nicht fernliegend und als in einem Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig, zumal ein konkretes Recherche-Thema in Rede steht. Um die in Konflikt stehenden Interessen bewerten zu können, kann es zudem in verfahrensmäßiger Hinsicht geboten sein, die betroffenen Medien anzuhören. Allerdings weist die Antragsgegnerin nachvollziehbar darauf hin, dass bereits aus früheren Verfahren des Antragstellers (auch gerichts-)bekannt sei, dass die betroffenen Medien einer Offenbarung ihrer Teilnahme an Hintergrundgesprächen unter Berufung auf ihr Recherchegeheimnis widersprochen hätten. Eine entsprechende Reaktion betroffener Medien wäre - bei Gleichartigkeit der Anfragen - daher voraussichtlich auch hier zu erwarten. Der Antragsteller hat keine weiteren Informationen glaubhaft gemacht, die darauf schließen lassen, dass die Interessenlage nunmehr anders ist. Auch das Gericht kann im Verfahren der einstweiligen Anordnung diesbezüglich keine weitere Aufklärung betreiben. Nach allem ist ein Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

25 c) Auch im Hinblick auf Frage 3 ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.

26 aa) Allerdings trägt die Annahme der Antragsgegnerin nicht, die entsprechenden Informationen seien wegen ihres Charakters als sogenannte Eigeninformationen nicht von dem presserechtlichen Auskunftsanspruch erfasst. Dieser vermittle keinen Anspruch darauf, dass eine Behörde Angaben wiederhole, die sie bei einem Hintergrundgespräch gegenüber anderen Journalisten gemacht habe (vgl. insoweit OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2022 - 6 B 1/21 -‌ ZUM-RD 2022, 726 <731>, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - 1 C 30.71 - BVerwGE 47, 247 <252>). Unbeschadet einer näheren rechtlichen Einordnung sogenannter Eigeninformationen bilden solche nicht den Gegenstand des Auskunftsbegehrens des Antragstellers. Dieser zielt nicht darauf ab, dieselben Informationen über die militärische Situation in der Ukraine zu erhalten wie die Teilnehmer an den Hintergrundgesprächen. Ihm geht es vielmehr darum herauszufinden, ob der BND Hintergrundgespräche zur militärischen Situation in der Ukraine suggestiv steuernd durchführt. Nicht die militärische Situation in der Ukraine, sondern die Öffentlichkeitsarbeit des BND bilden den Kern seiner Recherche.

27 bb) Dem Auskunftsanspruch stehen insoweit aber überwiegende öffentliche Interessen in Form des Schutzes der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland entgegen. Da der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht positiv-rechtlich normiert ist, fehlt insoweit zwar eine ausformulierte Regelung, die - wie beispielsweise § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG - den Informationszugang sperrt, wenn das Bekanntwerden bestimmter Informationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland haben kann. Schon deren Nennung an erster Stelle der Aufzählung besonderer öffentlicher Belange in § 3 IFG unterstreicht den hohen Stellenwert des Schutzes der auswärtigen Beziehungen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 6 S 22/16 - ZD 2017, 489 Rn. 9), die unbeschadet einfachrechtlicher Positivierung zu wahren sind.

28 Die Pflege auswärtiger Beziehungen fällt innerhalb des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik Deutschland von der Verbandskompetenz her dem Bund zu (Art. 32 Abs. 1 GG), beim Bund - soweit nicht andere Verfassungsorgane etwa über Art. 59 Abs. 1 und 2 GG ausdrücklich damit betraut werden - zuvörderst der Bundesregierung. Nur diese verfügt in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen (BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1984 - 2 BvE 13/83 - BVerfGE 68, 1 <87 f.>). Deswegen steht ihr in diesem Bereich auch ein weit bemessener Spielraum eigener Gestaltung zu (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 -‌ BVerfGE 121, 135 <158>), der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 15). Bei der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen bedient sich die Bundesregierung u. a. des BND, welcher gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Erkenntnisse sammelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Hierbei untersteht er der Aufsicht des Bundeskanzleramts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG; vgl. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG Rn. 9). Vor diesem Hintergrund erscheint die Einschätzung der Antragsgegnerin nachvollziehbar, dass Informationen über etwaige Beurteilungen des BND zur militärischen Situation in der Ukraine gegenüber Medienvertretern in Hintergrundgesprächen wie auch über eine Einschätzung des BND zur Aussicht auf einen "Sieg der Ukraine über Russland" die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen könnten. Dies dürfte sogar verstärkt für eine vom Antragsteller vermutete Mitbeeinflussung der Darstellung der militärischen Situation in der Ukraine in den Medien gelten. Vor diesem gravierenden öffentlichen Interesse muss im Einzelfall das von der Pressefreiheit des Antragstellers getragene Auskunftsinteresse zurückstehen.

29 Die Kostenentscheidung folgt im Hinblick auf die Fragen 1 b), 2 und 3 aus § 154 Abs. 1 VwGO.

30 Bezüglich der Kosten betreffend den in der Hauptsache erledigten Teil entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Insoweit sind die Kosten im Hinblick auf Frage 1 a) der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und unter Berücksichtigung dessen, was bereits zu Frage 1 b) ausgeführt wurde, ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses insoweit ein Anordnungsgrund und -anspruch gegeben waren. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass dieser Teil der Frage bereits mit der E-Mail vom 17. Juni 2024, und damit vor Antragstellung bei Gericht, beantwortet war. Mit dieser E-Mail hat die Antragsgegnerin sich lediglich bejahend zu der Frage eingelassen, ob sogenannte Einzelhintergrundgespräche stattgefunden hatten. Darüber, ob das Schweigen zu Presse-Hintergrundgesprächen mit mehreren Beteiligten in dieser E-Mail ein konkludenter Hinweis darauf gewesen sein könnte, dass solche nicht stattgefunden hatten, kann nur spekuliert werden. Dies genügt nicht, um von einer Erledigung des Auskunftsbegehrens vor Antragstellung bei Gericht auszugehen. Ebenso kann insoweit nicht auf die E-Mail vom 27. Mai 2024 abgestellt werden, aus der sich ergibt, dass im Jahr 2024 noch keine "Hintergrundrunde" stattgefunden hat. Diese E-Mail erfasst nicht den vollständigen Zeitraum bis zum 9. Juli 2024.

31 Anders zu bewerten sind die Fragen 4 und 5. Insoweit sind die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen, weil ein Anordnungsgrund nicht hinreichend dargelegt ist. Diese Fragen haben im Kern keinen direkten Bezug zu dem oben im Hinblick auf die Fragen 1 bis 3 beschriebenen öffentlichen Interesse. Ihre Verbindung zu dem Fragenkomplex, welcher sich mit vermeintlich suggestiv steuernder Öffentlichkeitsarbeit befasst, besteht allenfalls in Gestalt von Verfahrensfragen beim Umgang der Antragsgegnerin mit den Anfragen des Antragstellers. Diesbezüglich kann jedenfalls ein gesteigertes öffentliches Interesse nicht erkannt werden. Es fehlen hinreichende Darlegungen, die deutlich machen, dass der Antragsteller nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zuwarten kann.

32 Die Fragen 1 bis 5 werden jeweils mit einem Fünftel bei der Kostenverteilung gewichtet, wobei das auf Frage 1 entfallende Fünftel gleichmäßig auf die Unterfragen a) und b) aufzuteilen ist.

33 Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Von der regelmäßigen Halbierung dieses Werts im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde abgesehen, weil der Antragsteller der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.