Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz


Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Die Klä­ge­rin ist Mut­ter von Zwil­lings­töch­tern. Sie be­an­trag­te beim Be­klag­ten die Be­wil­li­gung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für bei­de Kin­der, weil der von ihr ge­trennt le­ben­de Kin­des­va­ter kei­nen Un­ter­halt leis­te­te. Der Be­klag­te lehn­te den An­trag mit der Be­grün­dung ab, die Klä­ge­rin sei nicht al­lein­er­zie­hend im Sin­ne des Ge­set­zes, weil sich die Kin­der vier­zehn­tä­gig von Mitt­woch bis Mon­tag beim Kin­des­va­ter auf­hiel­ten, des­sen An­teil an den Be­treu­ungs­zei­ten bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung bei 36% lie­ge und der an der Er­zie­hung mit­wir­ke. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Kla­ge blieb vor dem Ver­wal­tungs- und dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt er­folg­los. Mit ih­rer vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on macht die Klä­ge­rin ins­be­son­de­re gel­tend, dass für die Fra­ge des Al­lein­er­zie­hens im Sin­ne des Un­ter­halts­vor­schuss­ge­set­zes ent­schei­dend sei, wel­cher der El­tern­tei­le die so­ge­nann­te All­tags­sor­ge wahr­neh­me und die ele­men­ta­ren Le­bens­be­dürf­nis­se des Kin­des nach Pfle­ge, Ver­kös­ti­gung, Klei­dung, ord­nen­der Ge­stal­tung des Ta­ges­ab­laufs und stän­dig ab­ruf­be­rei­ter emo­tio­na­ler Zu­wen­dung vor­ran­gig be­frie­di­ge oder si­cher­stel­le, wes­halb al­lein dem An­teil des an­de­ren El­tern­teils an den Be­treu­ungs­zei­ten kei­ne aus­schlag­ge­ben­de Be­deu­tung zu­kom­me. Dass sie ge­mein­sam mit dem Kin­des­va­ter sor­ge­be­rech­tigt sei, sa­ge über die tat­säch­li­che Aus­übung der All­tags­sor­ge ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nichts aus. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wird vor­aus­sicht­lich dar­über zu ent­schei­den ha­ben, ob und in wel­cher Wei­se die be­reits in sei­nem Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 (- 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306) for­mu­lier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Kind im Sin­ne des Un­ter­halts­vor­schuss­ge­set­zes bei (nur) ei­nem El­tern­teil lebt, wenn der an­de­re El­tern­teil sich an der Kin­des­be­treu­ung be­tei­ligt, zu kon­kre­ti­sie­ren sind.


 


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 92/2023 vom 12.12.2023

Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen bei Mit­be­treu­ung durch den an­de­ren El­tern­teil

Le­ben die El­tern ei­nes Kin­des ge­trennt und leis­tet der bar­un­ter­halts­pflich­ti­ge El­tern­teil den Min­dest­un­ter­halt nicht, be­tei­ligt sich aber an der Be­treu­ung des Kin­des, be­steht ein An­spruch auf Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz nur dann, wenn der Mit­be­treu­ungs­an­teil un­ter 40 vom Hun­dert liegt. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Die Klä­ge­rin be­an­trag­te An­fang 2020 Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für ih­re sie­ben­jäh­ri­gen Zwil­lin­ge. Der Be­klag­te lehn­te die Leis­tung mit der Be­grün­dung ab, die Kin­der leb­ten im Sin­ne des Un­ter­halts­vor­schuss­ge­set­zes (UVG) nicht bei der Klä­ge­rin, weil sie ge­mäß ei­ner fa­mi­li­en­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung vier­zehn­tä­gig von Mitt­woch­nach­mit­tag bis Mon­tag­mor­gen beim Va­ter sei­en, der sie in die­ser Zeit be­treue. Die auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ge­rich­te­te Kla­ge blieb vor dem Ver­wal­tungs- und dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt er­folg­los. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen auf das ge­mein­sa­me Sor­ge­recht der El­tern so­wie dar­auf ab­ge­stellt, dass die­ses auch tat­säch­lich prak­ti­ziert wer­de. Dies zei­ge sich an ei­nem Be­treu­ungs­an­teil des Va­ters, der wäh­rend der Schul­zei­ten 36 vom Hun­dert be­tra­ge und zu ei­ner we­sent­li­chen Ent­las­tung der Klä­ge­rin bei der Be­treu­ung der Kin­der füh­re.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat den Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an die­ses zu­rück­ver­wie­sen. Der An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen setzt ne­ben aus­blei­ben­den oder un­zu­rei­chen­den Un­ter­halts­zah­lun­gen durch den bar­un­ter­halts­pflich­ti­gen El­tern­teil wei­ter vor­aus, dass das Kind bei ei­nem El­tern­teil lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG). Das ver­langt ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te häus­li­che Ge­mein­schaft, in der das Kind auch be­treut wird. Die Vor­schrift knüpft da­mit nach ih­rem auch be­reits in der Ge­set­zes­be­grün­dung zum Aus­druck ge­brach­ten Sinn und Zweck an die durch das Al­lein­er­zie­hen ge­präg­te pre­kä­re Si­tua­ti­on an. Die­se be­steht dar­in, dass das Kind "nur" bei die­sem El­tern­teil lebt, weil haupt­säch­lich er die Be­treu­ung (Pfle­ge und Er­zie­hung) des Kin­des tat­säch­lich wahr­nimmt und hier­mit we­gen des Aus­falls des an­de­ren El­tern­teils be­son­ders be­las­tet ist. Au­ßer in den Fäl­len voll­stän­di­gen Al­lein­er­zie­hens liegt ei­ne sol­che Be­las­tung auch dann vor, wenn der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend bei die­sem El­tern­teil liegt, ob­gleich auch der an­de­re El­tern­teil Be­treu­ungs­leis­tun­gen für das Kind er­bringt. Ei­ne we­sent­li­che Ent­las­tung des ei­nen El­tern­teils, wel­che die fak­ti­sche Ge­samt­la­ge der ge­setz­lich in Be­zug ge­nom­me­nen Al­lein­er­zie­hung und da­mit den An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss aus­schlie­ßt, liegt vor, wenn sich der an­de­re (bar­un­ter­halts­pflich­ti­ge) El­tern­teil in der Wei­se an der Pfle­ge und Er­zie­hung des Kin­des be­tei­ligt, dass sein Be­treu­ungs­an­teil 40 vom Hun­dert er­reicht oder über­schrei­tet. Der durch die Mit­be­treu­ung ein­tre­ten­de Ent­las­tungs­ef­fekt ist ins­be­son­de­re aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit so­wie un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­wal­tungs­prak­ti­ka­bi­li­tät aus­schlie­ß­lich im Hin­blick auf die Zei­ten der tat­säch­li­chen Be­treu­ung zu er­mit­teln, al­so nach den Zei­ten, die das Kind in der Ob­hut des ei­nen oder des an­de­ren El­tern­teils ver­bringt, und zwar oh­ne Wer­tung und Ge­wich­tung ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen. Bei ganz­tä­tig wech­sel­wei­ser Be­treu­ung kommt es ty­pi­sie­rend dar­auf an, wo sich das Kind zu Be­ginn des Ta­ges auf­hält. Dem Be­zug des Kin­der­gel­des so­wie Ver­ein­ba­run­gen zum Um­gangs­recht kann dem­ge­gen­über nur ei­ne in­di­zi­el­le und dem Be­stehen ei­nes ge­mein­sa­men Sor­ge­rechts grund­sätz­lich kei­ne Be­deu­tung zu­kom­men. Da das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu den ma­ß­geb­li­chen tat­säch­li­chen Ver­hält­nis­sen und zur Zah­lung von Un­ter­halt kei­ne hin­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat, war die Sa­che an die­ses zu­rück­zu­ver­wei­sen.


BVer­wG 5 C 9.22 - Ur­teil vom 12. De­zem­ber 2023

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, OVG 12 A 3583/20 - Ur­teil vom 04. Ju­li 2022 -

VG Min­den, VG 6 K 998/20 - Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2020 -

BVer­wG 5 C 10.22 - Ur­teil vom 12. De­zem­ber 2023

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, OVG 12 A 3621/20 - Ur­teil vom 04. Ju­li 2022 -

VG Min­den, VG 6 K 1002/20 - Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2020 -


Ur­teil vom 12.12.2023 -
BVer­wG 5 C 10.22ECLI:DE:BVer­wG:2023:121223U5C10.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 5 C 10.22

  • VG Min­den - 25.11.2020 - AZ: 6 K 1002/20
  • OVG Müns­ter - 04.07.2022 - AZ: 12 A 3621/20

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 5. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12. De­zem­ber 2023
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Stör­mer und die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Sten­gel­hofen-Weiß, Dr. Harms und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Holt­brüg­ge und Preis­ner
für Recht er­kannt:

  1. Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin wird der Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 4. Ju­li 2022 auf­ge­ho­ben. Die Sa­che wird zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das Land Nord­rhein-West­fa­len zu­rück­ver­wie­sen.
  2. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz.

2 Die Klä­ge­rin be­an­trag­te im Fe­bru­ar 2020 die Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz für ih­re sie­ben­jäh­ri­ge Toch­ter J. und de­ren Zwil­lings­schwes­ter S. (BVer­wG 5 C 9.22 ), da die Kin­der bei ihr leb­ten und der Kin­des­va­ter kei­nen Un­ter­halt zah­le. Der Be­klag­te lehn­te den An­trag mit Be­scheid vom 10. März 2020 ab und wies den hier­ge­gen ge­rich­te­ten Wi­der­spruch mit Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16. April 2020 zu­rück. Die Kin­der leb­ten nicht im Sin­ne des Ge­set­zes bei der Klä­ge­rin, weil sie ge­mäß ei­ner fa­mi­li­en­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung vier­zehn­tä­gig von Mitt­woch­nach­mit­tag bis Mon­tag­mor­gen beim Va­ter sei­en, der sie in die­ser Zeit re­gel­mä­ßig be­treue und sie dar­über hin­aus auch wäh­rend ei­nes Kran­ken­haus­auf­ent­halts der Klä­ge­rin an­läss­lich der Ge­burt ih­res drit­ten Kin­des ver­sorgt ha­be. Die auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ge­rich­te­te Kla­ge blieb in bei­den Vor­in­stan­zen er­folg­los. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen dar­auf ab­ge­stellt, die Klä­ge­rin sei seit ei­nem im Ja­nu­ar 2017 ge­stell­ten und be­stands­kräf­tig ab­schlä­gig be­schie­de­nen ers­ten An­trag auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen durch­gän­gig bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des im April 2020 an­ge­sichts der Mit­be­treu­ung durch den Kin­des­va­ter nicht al­lein­er­zie­hend im Sin­ne des Ge­set­zes. Die El­tern sei­en ge­mein­sam sor­ge­be­rech­tigt und prak­ti­zier­ten dies auch. Der Mit­be­treu­ungs­an­teil des Va­ters be­tra­ge schon wäh­rend der Schul­zei­ten 36 vom Hun­dert und füh­re zu ei­ner we­sent­li­chen Ent­las­tung der Klä­ge­rin bei der Be­treu­ung der Kin­der.

3 Mit ih­rer vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on macht die Klä­ge­rin ins­be­son­de­re gel­tend, das ge­mein­sa­me Sor­ge­recht sa­ge nichts über die tat­säch­li­che Be­treu­ung der Kin­der aus. Ein Kind be­fin­de sich in der Ob­hut des­je­ni­gen El­tern­teils, in des­sen Woh­nung es vor­wie­gend le­be und der die ele­men­ta­ren Le­bens­be­dürf­nis­se des Kin­des nach Pfle­ge, Ver­kös­ti­gung, Klei­dung, ord­nen­der Ge­stal­tung des Ta­ges­ab­laufs und stän­dig ab­ruf­be­rei­ter emo­tio­na­ler Zu­wen­dung vor­ran­gig be­frie­di­ge oder si­cher­stel­le. Un­ter­bre­chun­gen durch re­gel­mä­ßi­ge Be­suchs­auf­ent­hal­te in der Woh­nung des an­de­ren El­tern­teils än­der­ten hier­an nichts.

4 Der Be­klag­te tritt der Re­vi­si­on un­ter Hin­weis dar­auf ent­ge­gen, dass es auf ei­ne ex­ak­te zeit­li­che Gren­ze der Be­treu­ungs­an­tei­le nicht an­kom­me, ent­schei­dend sei ei­ne Ein­zel­fall­be­trach­tung, ob und in wel­chem Um­fang die Mit­be­treu­ung ei­ne Ent­las­tung des haupt­be­treu­en­den El­tern­teils be­wir­ke.

II

5 Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin ist be­grün­det. Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­ruht auf ei­ner Ver­let­zung re­vi­si­blen Rechts (§ 137 Abs. 1 Vw­GO) (1.). Der Se­nat kann man­gels aus­rei­chen­der Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz nicht in der Sa­che selbst ent­schei­den (2.). Das Ur­teil ist da­her ge­mäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO auf­zu­he­ben und die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (3.).

6 1. Der Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­ruht so­wohl auf ei­ner Ver­let­zung des § 88 Vw­GO (a) als auch des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Ge­set­zes zur Si­che­rung des Un­ter­halts von Kin­dern al­lein­ste­hen­der Müt­ter und Vä­ter durch Un­ter­halts­vor­schüs­se oder -aus­fall­leis­tun­gen (Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz - UVG) vom 17. Ju­li 2007 (BGBl. I S. 1446), zu­letzt ge­än­dert durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) des Ge­set­zes vom 21. De­zem­ber 2007 (BGBl. I S. 3194) (b).

7 a) Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss ver­letzt § 88 Vw­GO, so­weit das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt auch über ei­nen An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020 ent­schie­den hat. Ein Ver­stoß ge­gen § 88 Vw­GO ist ein im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren auch oh­ne Ver­fah­rens­rü­ge von Amts we­gen zu be­ach­ten­der Ver­fah­rens­man­gel (BVer­wG, Ur­teil vom 5. Mai 1983 - 5 C 34.82 - Buch­holz 436.0 § 39 BSHG Nr. 2 S. 3). Ge­mäß § 88 Vw­GO darf das Ge­richt über das Kla­ge­be­geh­ren nicht hin­aus­ge­hen, ist aber an die Fas­sung der An­trä­ge nicht ge­bun­den. Es hat viel­mehr das tat­säch­li­che Rechts­schutz­be­geh­ren zu er­mit­teln. Ma­ß­ge­bend für des­sen Um­fang ist nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts das aus dem ge­sam­ten Par­tei­vor­brin­gen, ins­be­son­de­re der Kla­ge­be­grün­dung, zu ent­neh­men­de wirk­li­che Rechts­schutz­ziel. In­so­weit sind die für die Aus­le­gung von Wil­lens­er­klä­run­gen gel­ten­den Grund­sät­ze (§§ 133, 157 BGB) her­an­zu­zie­hen. Ent­schei­dend ist der ge­äu­ßer­te Par­tei­wil­le, wie er sich aus der pro­zes­sua­len Er­klä­rung und den sons­ti­gen Um­stän­den er­gibt; der Wort­laut der Er­klä­rung tritt hin­ter de­ren Sinn und Zweck zu­rück. Ist der Klä­ger im Ver­wal­tungs­pro­zess an­walt­lich ver­tre­ten, kommt der Fas­sung des Kla­ge­an­trags bei der Er­mitt­lung des tat­säch­lich Ge­woll­ten zwar ei­ne ge­stei­ger­te Be­deu­tung zu. Weicht das wirk­li­che Kla­ge­ziel von der An­trags­fas­sung je­doch ein­deu­tig ab, darf auch im Fal­le an­walt­li­cher Ver­tre­tung die Aus­le­gung vom An­trags­wort­laut ab­wei­chen (BVer­wG, Be­schluss vom 23. No­vem­ber 2022 - 6 B 22.22 - NVwZ-RR 2023, 342 Rn. 19 m. w. N.).

8 Hier er­fasst das vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt selbst zu er­mit­teln­de (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 12. Ja­nu­ar 2022 - 5 C 6.20 - BVer­w­GE 174, 328 Rn. 8; Wö­ckel, in: Eyer­mann, Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung, 16. Aufl. 2022, § 88 Rn. 13) Kla­ge­be­geh­ren ein­deu­tig nur An­sprü­che auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab Fe­bru­ar 2020. Dies er­gibt sich aus der in den erst- und zweit­in­stanz­lich ge­stell­ten An­trä­gen ent­hal­te­nen Be­zug­nah­me auf die an­ge­foch­te­nen Be­schei­de so­wie der Kla­ge- bzw. Be­ru­fungs­be­grün­dung. Der von der Klä­ge­rin an­ge­grif­fe­ne Ab­leh­nungs­be­scheid vom 10. März 2020 so­wie der Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16. April 2020 be­fas­sen sich aus­schlie­ß­lich mit dem von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab An­trag­stel­lung im Fe­bru­ar 2020. Das er­gibt ih­re am Emp­fän­ger­ho­ri­zont (§§ 133, 157 BGB) ori­en­tier­te Aus­le­gung, die das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt man­gels ent­spre­chen­der Aus­le­gung durch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt selbst vor­neh­men kann (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 23). Der Aus­gangs­be­scheid vom 10. März 2020 be­zieht sich aus­drück­lich auf den im Fe­bru­ar 2020 ge­stell­ten An­trag auf Be­wil­li­gung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen. Das von der Klä­ge­rin aus­ge­füll­te An­trags­for­mu­lar ent­hält in der Spal­te "Da­tum Be­ginn be­an­trag­te Leis­tungs­ge­wäh­rung" kei­ne Ein­tra­gung und da­mit kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne zeit­lich rück­wir­ken­de An­trag­stel­lung, die über­dies we­gen § 4 Halbs. 1 UVG, wo­nach ei­ne Un­ter­halts­zah­lung rück­wir­kend längs­tens für den letz­ten Mo­nat vor dem An­trags­mo­nat ge­zahlt wird, nur sehr be­grenzt mög­lich ge­we­sen wä­re. Die in dem Be­scheid vom 10. März 2020 ent­hal­te­ne For­mu­lie­rung, die letz­ten An­trä­ge der Klä­ge­rin auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen sei­en mit Be­schei­den vom 27. Ja­nu­ar und 27. Ju­li 2017 ab­ge­lehnt wor­den, der Be­klag­te hal­te an die­ser Ent­schei­dung wei­ter­hin fest, da sich (in Be­zug auf die Be­treu­ungs­si­tua­ti­on) kei­ne Än­de­run­gen er­gä­ben hät­ten, die zu ei­ner an­de­ren Ent­schei­dung füh­ren könn­ten, ent­hält vor die­sem Hin­ter­grund le­dig­lich das (zen­tra­le) Be­grün­dungs­ele­ment, bringt aber bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung nicht zum Aus­druck, der Be­klag­te ha­be über zu­rück­lie­gen­de Zeit­räu­me (ein­schlie­ß­lich sol­cher in 2017, 2018 und 2019, für die nach be­stands­kräf­ti­ger Ab­leh­nung über­haupt kein neu­er Leis­tungs­an­trag ge­stellt wor­den war) ei­ne (er­neu­te bzw. erst­ma­li­ge) Sach­ent­schei­dung tref­fen wol­len. Eben­so we­nig ent­hält der Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16. April 2020 An­halts­punk­te für ei­ne be­hörd­li­che Ent­schei­dung über An­sprü­che der Klä­ge­rin auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen seit Ja­nu­ar 2017. Dem­entspre­chend lässt sich auch dem Kla­ge- und Be­ru­fungs­vor­brin­gen der Klä­ge­rin nichts da­für ent­neh­men, dass sich der kla­ge­wei­se gel­tend ge­mach­te An­spruch auch auf den Zeit­raum Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020 er­stre­cken sol­le. Viel­mehr hat die Klä­ge­rin im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren (le­dig­lich) klar­ge­stellt, dass sie Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für ih­re Kin­der kla­ge­wei­se erst ab Fe­bru­ar 2020 (Schrift­satz vom 1. Sep­tem­ber 2022, S. 1) bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des im April 2020 (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 11 ff.) gel­tend macht.

9 Über die­ses Kla­ge­be­geh­ren hin­aus hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt auch be­züg­lich des An­spruchs auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für die Zeit von Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020 ent­schie­den. Dies er­gibt sich zwar nicht un­mit­tel­bar aus dem Te­nor sei­ner Ent­schei­dung, mit dem es die Be­ru­fung der Klä­ge­rin ge­gen das kla­ge­ab­wei­sen­de erst­in­stanz­li­che Ur­teil zu­rück­ge­wie­sen hat. Die­ser Te­nor gibt aus sich selbst her­aus kei­ne Aus­kunft, wel­cher Kla­ge­an­spruch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­folg­los ge­blie­ben ist. Zu sei­ner Kon­kre­ti­sie­rung sind da­her die Ent­schei­dungs­grün­de her­an­zu­zie­hen und aus­zu­le­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 7. Au­gust 2008 - 7 C 7.08 - BVer­w­GE 131, 346 Rn. 18; Wö­ckel, in: Eyer­mann, Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung, 16. Aufl. 2022, § 121 Rn. 21). Da­nach hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hier für den von ihm un­ter­stell­ten Fall, der an­ge­foch­te­ne Be­scheid tref­fe auch ei­ne Re­ge­lung für den Zeit­raum Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020, ein­deu­tig auch über ei­nen An­spruch der Klä­ge­rin auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für die­se Zeit ent­schie­den und die­sen ver­neint. Es hat dar­auf er­kannt, dass ein An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen seit der ers­ten, im Jah­re 2017 er­folg­ten An­trag­stel­lung bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des im April 2020 nicht be­stan­den ha­be (BA S. 7: "für den ge­sam­ten Zeit­raum aus­ge­schlos­sen"; BA S. 8: "war und ist die Klä­ge­rin je­den­falls seit Ja­nu­ar 2017 nicht al­lein­er­zie­hend").

10 b) Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss ver­letzt dar­über hin­aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, so­weit er ei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für den Zeit­raum Fe­bru­ar bis April 2020 mit der Be­grün­dung ver­neint, die Toch­ter le­be nicht im Sin­ne des Ge­set­zes bei der Klä­ge­rin. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat sei­ner Ent­schei­dung ei­nen un­zu­tref­fen­den recht­li­chen Maß­stab zu­grun­de ge­legt. Die Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss setzt bei Mit­be­treu­ung des Kin­des durch den an­de­ren El­tern­teil vor­aus, dass der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend, d. h. zu mehr als 60 vom Hun­dert bei dem den Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil liegt (aa). Die Be­mes­sung der (Mit-)Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern­tei­le und da­mit der durch die Mit­be­treu­ung ein­tre­ten­de Ent­las­tungs­ef­fekt ist oh­ne Wer­tung und Ge­wich­tung ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen aus­schlie­ß­lich im Hin­blick auf die Zei­ten der tat­säch­li­chen Be­treu­ung zu er­mit­teln (bb). Die auf die El­tern­tei­le ent­fal­len­den Zeit­an­tei­le sind nicht mo­nats­wei­se, son­dern für län­ge­re Zeit­räu­me zu er­mit­teln (cc). Da­bei sind wei­te­re Ein­zel­hei­ten zu be­ach­ten (dd).

11 aa) Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz tra­gen der dop­pel­ten Be­las­tung mit Er­zie­hung und Un­ter­halts­ge­wäh­rung Rech­nung (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20). Sie die­nen der Be­he­bung oder zu­min­dest Mil­de­rung ei­ner ge­gen­wär­ti­gen Not­la­ge, die nach der Wer­tung des Ge­set­zes durch die al­lei­ni­ge Be­treu­ungs­leis­tung ei­nes El­tern­teils ei­ner­seits und aus­blei­ben­de oder nur un­zu­rei­chen­de Un­ter­halts­zah­lun­gen des bar­un­ter­halts­pflich­ti­gen an­de­ren El­tern­teils an­de­rer­seits ge­kenn­zeich­net ist (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 19). Der An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tung setzt dem­ge­mäß ne­ben un­zu­rei­chen­den Un­ter­halts­zah­lun­gen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG) ge­mäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG vor­aus, dass das Kind "bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le lebt". Ein Kind lebt im Sin­ne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le, wenn es mit ihm ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te häus­li­che Ge­mein­schaft un­ter­hält, in der es auch be­treut wird. Das Tat­be­stands­merk­mal knüpft da­mit nach sei­nem Wort­laut, der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG: "El­tern­teil, bei dem er [das Kind] nicht lebt") und dem in der Ge­set­zes­be­grün­dung (BT-Drs. 8/1952 S. 6) zum Aus­druck ge­brach­ten Sinn und Zweck an die durch das Al­lein­er­zie­hen ge­präg­te pre­kä­re Si­tua­ti­on an. Die­se be­steht dar­in, dass das Kind "nur" bei die­sem El­tern­teil lebt, weil er die Be­treu­ung (Pfle­ge und Er­zie­hung) des Kin­des tat­säch­lich wahr­nimmt und hier­mit we­gen des Aus­falls des an­de­ren El­tern­teils be­son­ders be­las­tet ist. Au­ßer in den Fäl­len voll­stän­di­gen Al­lein­er­zie­hens liegt ei­ne sol­che Be­las­tung dann vor, wenn - wo­von auch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt aus­ge­gan­gen ist - nach den Um­stän­den des Ein­zel­fal­les auch an­ge­sichts der Be­treu­ungs­leis­tun­gen des an­de­ren El­tern­teils der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend bei dem Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil liegt, der des­halb bei wer­ten­der Be­trach­tung der Ge­samt­si­tua­ti­on tat­säch­lich die al­lei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für die Sor­ge und Er­zie­hung des Kin­des trägt (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20 f.).

12 Dies ist an­zu­neh­men, wenn des­sen Be­treu­ungs­an­teil mehr als 60 vom Hun­dert be­trägt. Um­ge­kehrt ist ei­ne we­sent­li­che Ent­las­tung die­ses El­tern­teils, wel­che die fak­ti­sche Ge­samt­la­ge der ge­setz­lich in Be­zug ge­nom­me­nen Al­lein­er­zie­hung und da­mit den An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss aus­schlie­ßt, ge­ge­ben, wenn sich der an­de­re (bar­un­ter­halts­pflich­ti­ge) El­tern­teil in der Wei­se an der Pfle­ge und Er­zie­hung des Kin­des be­tei­ligt, dass sein Be­treu­ungs­an­teil 40 vom Hun­dert er­reicht oder über­schrei­tet. Die pro­zen­tua­le Zu­ord­nung von Be­treu­ungs­an­tei­len trägt dem im Ge­set­zes­wort­laut ("bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le lebt"), der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG: "El­tern­teil, bei dem er [das Kind] nicht lebt") so­wie dem in der Ge­set­zes­be­grün­dung zum Aus­druck ge­brach­ten un­ter­halts­vor­schuss­recht­li­chen Ge­wäh­rungs­grund des Al­lein­er­zie­hens Rech­nung, der dar­in liegt, dass der be­tref­fen­de El­tern­teil bei Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des im We­sent­li­chen auf sich al­lein ge­stellt ist. Die Ge­set­zes­be­grün­dung (BT-Drs. 8/1952 S. 6) be­nennt aus­drück­lich "al­lein­er­zie­hen­de El­tern­tei­le" und ver­gleicht ("ähn­li­che Be­las­tung") de­ren Si­tua­ti­on mit der­je­ni­gen beim Tod des an­de­ren El­tern­teils. Um­ge­kehrt er­kennt sie die dop­pel­te Be­las­tung mit Er­zie­hungs- und Ver­sor­gungs­auf­ga­ben nicht mehr an, wenn der al­lein­er­zie­hen­de El­tern­teil ei­nen an­de­ren als den leib­li­chen El­tern­teil hei­ra­tet. Aus­schlag­ge­bend hier­für ist un­ge­ach­tet der un­ter­halts­recht­li­chen La­ge die "fak­ti­sche Ge­samt­la­ge", für die re­gel­mä­ßig kenn­zeich­nend ist, dass sich auch der Stief­eltern­teil an Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des be­tei­ligt. Bei ei­ner Mit­be­treu­ung durch den an­de­ren El­tern­teil kann von ei­nem Al­lein­er­zie­hen so­mit - wie das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20) be­reits aus­ge­führt hat –, nur dann die Re­de sein, wenn der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend, al­so zu deut­lich mehr als der Hälf­te, bei dem El­tern­teil liegt, der Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen be­an­sprucht. Der Ge­sichts­punkt des Al­lein­er­zie­hens als der für die Leis­tung ge­setz­li­che An­knüp­fungs­punkt des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG blie­be dem­ge­gen­über in sei­ner Be­deu­tung un­be­rück­sich­tigt, wenn erst ein noch hö­he­rer (et­wa an die Hälf­te her­an­rei­chen­der) Mit­be­treu­ungs­an­teil des an­de­ren El­tern­teils die Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen aus­schlie­ßen wür­de. An­de­rer­seits lässt sich die mit­un­ter ver­tre­te­ne An­nah­me, be­reits bei ei­nem Mit­be­treu­ungs­an­teil von (nur) ei­nem Drit­tel lie­ge kein Al­lein­er­zie­hen mehr vor, vor dem Hin­ter­grund, dass die Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern­tei­le aus­schlie­ß­lich nach Zeit­an­tei­len zu er­mit­teln sind (hier­zu so­gleich), be­reits mit dem Wort­laut wie auch dem auf­ge­zeig­ten Sinn und Zweck des Ge­set­zes nicht ver­ein­ba­ren. So legt die Re­ge­lung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG schon nach ih­rem Wort­sinn na­he, dass ein zu zwei Drit­teln von ei­nem El­tern­teil be­treu­tes Kind auch im Sin­ne des Ge­set­zes "bei" die­sem lebt. Die­ses Ver­ständ­nis ge­bie­tet auch der Ge­wäh­rungs­grund des Un­ter­halts­vor­schus­ses, der schwie­ri­gen La­ge des im Hin­blick auf All­tag und Er­zie­hung weit­ge­hend auf sich ge­stell­ten El­tern­teils bei Aus­fall von Un­ter­halts­leis­tun­gen durch die Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen Rech­nung zu tra­gen.

13 bb) Die Be­mes­sung der (Mit-)Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern rich­tet sich - wie der Se­nat be­reits ent­schie­den hat (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20) – nach der tat­säch­li­chen Be­treu­ungs­si­tua­ti­on (vgl. BT-Drs. 8/1952 S. 6: "fak­ti­sche Ge­samt­la­ge"). Hier­über sagt die Er­brin­gung von in § 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG ei­gens ge­re­gel­ten Un­ter­halts­zah­lun­gen nichts aus. Dies gilt eben­so für ein ge­mein­sa­mes Sor­ge­recht der El­tern, aus dem sich nicht er­gibt, in wel­chem Um­fang die El­tern­tei­le sich je­weils tat­säch­lich um Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des küm­mern. Dem­ge­gen­über be­trifft ei­ne Ver­ein­ba­rung der El­tern­tei­le oder ei­ne fa­mi­li­en­ge­richt­li­che Ent­schei­dung zur Auf­tei­lung der Be­treu­ung die künf­ti­ge tat­säch­li­che Si­tua­ti­on, wes­halb ihr in­di­zi­el­le Be­deu­tung zu­kommt, die wi­der­legt wer­den kann, wenn sie tat­säch­lich nicht prak­ti­ziert wird. Die­sel­be (blo­ße) In­di­z­wir­kung hat we­gen der An­knüp­fung in § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an das Ob­huts­prin­zip (BFH, Ur­teil vom 23. März 2005 - III R 91/03 - BFHE 209, 338) der Be­zug des Kin­der­gel­des (an­ders noch BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 21: "we­sent­li­cher Ge­sichts­punkt").

14 Der durch die Mit­be­treu­ung ein­tre­ten­de Ent­las­tungs­ef­fekt ist oh­ne Wer­tung und Ge­wich­tung ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen aus­schlie­ß­lich im Hin­blick auf die Zei­ten der tat­säch­li­chen Be­treu­ung zu er­mit­teln, al­so da­nach, wel­che Zeit­an­tei­le das Kind tat­säch­lich in der Ob­hut des ei­nen oder des an­de­ren El­tern­teils ver­bringt (an­ders zum Un­ter­halts­recht BGH, Be­schluss vom 5. No­vem­ber 2014 - XII ZB 599/13 - FamRZ 2015, 236 Rn. 21). Das Un­ter­halts­vor­schuss­recht ist als So­zi­al­leis­tung (vgl. § 68 Nr. 14 SGB I) auf ei­ne um­ge­hen­de Hil­fe in ei­ner ak­tu­el­len Not­la­ge, wie sie oben be­schrie­ben wor­den ist, aus­ge­rich­tet. Die­ser Zweck der Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ge­bie­tet es, de­ren Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen und ins­be­son­de­re das Merk­mal des Le­bens bei ei­nem El­tern­teil im Sin­ne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG mög­lichst schnell, un­kom­pli­ziert und ver­läss­lich fest­zu­stel­len. Aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit so­wie un­ter Be­rück­sich­ti­gung der nach die­ser Zweck­set­zung ge­bo­te­nen mög­lichst prak­ti­ka­blen Hand­ha­bung so­wohl für die El­tern als auch für die Ver­wal­tung ist da­her für die Er­mitt­lung der Be­treu­ungs­an­tei­le al­lein auf die Zeit­an­tei­le ab­zu­stel­len, in de­nen der ei­ne oder der an­de­re El­tern­teil Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des ge­währ­leis­tet. Die­ses Kri­te­ri­um setzt le­dig­lich ei­ne Auf­lis­tung der Be­treu­ungs­zei­ten vor­aus, die im Be­darfs­fall oh­ne all­zu gro­ßen Auf­wand rechts­si­cher über­prüft wer­den kann. Im Un­ter­schied zu ei­ner auf den Ent­las­tungs­ef­fekt ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen be­zo­ge­nen qua­li­ta­ti­ven Be­wer­tung ist es - auch im Hin­blick auf das Ver­hält­nis der El­tern­tei­le zu­ein­an­der - we­ni­ger streit­an­fäl­lig und ver­mei­det un­ter­schied­li­che Be­wer­tun­gen ver­gleich­ba­rer Sach­ver­hal­te. Ei­ne ein­fa­che Fest­stel­lung des Tat­be­stands­merk­mals des Le­bens bei ei­nem El­tern­teil ist schlie­ß­lich auch des­halb ge­bo­ten, weil der Staat zu­min­dest nach der Ge­set­zes­la­ge viel­fach nur vor­läu­fig und nicht end­gül­tig leis­tet. Ein be­stehen­der Un­ter­halts­an­spruch des Kin­des ge­gen den an­de­ren El­tern­teil geht viel­mehr auf das Land über, das auch künf­ti­ge Un­ter­halts­an­sprü­che ge­richt­lich gel­tend ma­chen kann, wenn die Un­ter­halts­leis­tung vor­aus­sicht­lich auf län­ge­re Zeit ge­währt wer­den muss (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 UVG). Der Se­nat ver­mag sich da­her der in der Recht­spre­chung (vgl. die ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung zu­sam­men­fas­send VG Frei­burg, Be­schluss vom 6. April 2020 - 4 K 345/20 - ju­ris Rn. 31 f. m. w. N.; OVG Baut­zen, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 2021 - 3 A 1251/19 - FamRZ 2022, 187 Rn. 21 ff.; VGH Mün­chen, Be­schluss vom 27. März 2023 - 12 ZB 22.12 89 - ju­ris Rn. 7 ff.), vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend (Richt­li­ni­en zur Durch­füh­rung des Un­ter­halts­vor­schuss­ge­set­zes, Fas­sung vom 1. Ja­nu­ar 2020, Zif­fer 1.3) und der Li­te­ra­tur (Schrei­er, in: Schle­gel/Vo­elz­ke, ju­ris­PK-SGB So­zi­al­recht Be­son­de­rer Teil, Stand: 15. April 2023, § 1 Rn. 23 ff; von Kop­pen­fels-Spies, in: Knick­rehm/Kreike­bohm/‌Wal­ter­mann, Kom­men­tar zum So­zi­al­recht, 7. Aufl. 2021, § 1 UVG Rn. 7; En­gel-Bo­land, in: Rolfs/Gie­sen/Me­ß­ling/Ud­sching, Be­ck­OK So­zi­al­recht, 68. Edi­ti­on, Stand: 1. März 2023, § 1 UVG Rn. 12; Gru­be, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 59 f.; Hoh­ei­sel-Gru­ler, An­wZert FamR 5/2022 Anm. 2; vgl. auch Con­rad­is, in: Ran­cke/Pep­pin, Mut­ter­schutz/El­tern­geld/El­tern­zeit/Be­treu­ungs­geld, 6. Aufl. 2022, § 1 UVG Rn. 18) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung nicht an­zu­schlie­ßen, die Be­treu­ungs­leis­tun­gen der El­tern­tei­le sei­en (ggf. ab Er­rei­chen ei­nes zeit­li­chen Schwel­len­werts der Mit­be­treu­ung) qua­li­ta­tiv dar­auf­hin zu be­ur­tei­len, ob der Schwer­punkt der Be­treu­ung bei dem Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil lie­ge. So­fern die Aus­füh­run­gen des Se­nats im Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - (BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20) in die­sem Sin­ne zu ver­ste­hen sein könn­ten, wä­re hier­an nicht fest­zu­hal­ten.

15 cc) Die auf die El­tern­tei­le ent­fal­len­den Zeit­an­tei­le sind, so­fern nicht das Leis­tungs­be­geh­ren von vorn­her­ein nur auf ei­nen Mo­nat oder ei­nen noch kür­ze­ren Zeit­raum be­schränkt ist, nicht mo­nats­wei­se, son­dern - ab­hän­gig vom In­halt des An­trags - für län­ge­re Zeit­räu­me zu er­mit­teln. Dies er­gibt sich aus Fol­gen­dem: Dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz liegt als kenn­zeich­nen­der Grund­satz das Prin­zip der mo­nats­wei­sen Be­trach­tung zu­grun­de, was län­ger an­dau­ern­de, ggf. auch zeit­lich of­fe­ne Be­wil­li­gungs­zeit­räu­me (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG) al­ler­dings nicht aus­schlie­ßt (BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 15 f.). Die mo­nats­wei­se Be­trach­tung ver­langt nicht, dass das Vor­lie­gen je­der Leis­tungs­vor­aus­set­zung auch mo­nats­wei­se ge­son­dert fest­zu­stel­len wä­re. Dies hängt viel­mehr vom je­wei­li­gen Tat­be­stands­merk­mal ab. Das Merk­mal "bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le lebt" (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG) ist be­reits nach sei­nem Wort­laut ("lebt") auf ei­ne ge­wis­se Dau­er und Kon­ti­nui­tät an­ge­legt. Ge­set­zes­sys­te­ma­tisch un­ter­schei­det es sich da­mit struk­tu­rell von den an­de­ren Tat­be­stands­merk­ma­len des § 1 Abs. 1 UVG (Al­ter des Kin­des, Per­so­nen­stand des al­lein­er­zie­hen­den El­tern­teils, Un­ter­halts­zah­lun­gen des an­de­ren El­tern­teils), de­ren Vor­lie­gen oder Nicht­vor­lie­gen je­weils ta­ges­ge­nau fest­ge­stellt wer­den kann. Dem­ge­gen­über lässt sich die Fra­ge, ob ein El­tern­teil die Be­treu­ung ei­nes Kin­des ganz über­wie­gend wahr­nimmt und er so­mit die al­lei­ni­ge bzw. ma­ß­geb­li­che Ver­ant­wor­tung hier­für trägt, je­den­falls bei Mit­be­treu­ung durch den an­de­ren El­tern­teil sinn­vol­ler­wei­se nur über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum hin­weg be­ur­tei­len. Die­se Be­trach­tungs­wei­se trägt auch dem Sinn und Zweck des Merk­mals Rech­nung, die be­son­de­re Be­las­tungs­si­tua­ti­on des Al­lein­er­zie­hens ab­zu­mil­dern, die auch dann et­wa durch Vor­hal­ten von Wohn­raum für das Kind und hier­durch an­fal­len­de Kos­ten so­wie et­wai­ge Ein­schrän­kun­gen in der Be­rufs­tä­tig­keit fort­be­stehen kann, wenn sich das Kind bei­spiels­wei­se wäh­rend der Schul­fe­ri­en für ei­nen län­ge­ren, in­ner­halb ei­nes Ka­len­der­mo­nats fal­len­den Zeit­raum bei dem an­de­ren El­tern­teil auf­hält. Schlie­ß­lich er­gibt sich auch aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en (BT-Drs. 8/1952 und 8/2774), dass der Ge­setz­ge­ber selbst da­von aus­ging, das Merk­mal des Le­bens bei ei­nem El­tern­teil wech­se­le nicht in kur­zen, et­wa mo­nat­li­chen Zeit­ab­stän­den zwi­schen den El­tern­tei­len hin und her.

16 Der für die Be­ur­tei­lung, ob in Mit­be­treu­ungs­fäl­len das Kind bei dem Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil lebt, in den Blick zu neh­men­de Zeit­raum rich­tet sich nach dem je­wei­li­gen An­trag. Un­ab­hän­gig da­von, ob die Be­hör­de über den An­trag nur bis zur letz­ten Be­hör­den­ent­schei­dung be­fin­det oder ob ih­re Ent­schei­dung ei­nen dar­über hin­aus­ge­hen­den Zeit­raum ab­deckt (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 22), hat sie die Be­treu­ungs­an­tei­le den El­tern­tei­len im Rah­men ei­ner auf die­sen Zeit­raum be­zo­ge­nen Ge­samt­be­trach­tung zu­zu­ord­nen. Die­ser Be­trach­tung hat sie hin­sicht­lich des im Ent­schei­dungs­zeit­punkt be­reits ver­gan­ge­nen Zeit­raums die fest­ge­stell­te tat­säch­li­che Be­treu­ungs­si­tua­ti­on zu­grun­de zu le­gen. Den vom An­trag er­fass­ten künf­ti­gen Zeit­raum hat sie an­hand des von den El­tern be­ab­sich­tig­ten Be­treu­ungs­kon­zepts pro­gnos­tisch ein­zu­be­zie­hen. Für ei­nen zeit­lich un­be­grenz­ten und mit­hin zu­kunfts­of­fe­nen An­trag auf Un­ter­halts­vor­schuss gilt das Glei­che mit der Ma­ß­ga­be, dass der pro­gnos­ti­schen Be­ur­tei­lung aus Prak­ti­ka­bi­li­täts­er­wä­gun­gen ein Zwölf­mo­nats­zeit­raum zu­grun­de zu le­gen ist. Die glei­che Ge­samt­be­trach­tung ist im Zu­ge et­waig nach­fol­gen­der Leis­tungs­über­prü­fun­gen oder in Rück­for­de­rungs­fäl­len vor­zu­neh­men.

17 dd) Für die Er­mitt­lung der den El­tern­tei­len je­weils zu­zu­ord­nen­den Zeit­an­tei­le kommt es bei ganz­tä­gig wech­sel­wei­ser Be­treu­ung ty­pi­sie­rend dar­auf an, bei wel­chem El­tern­teil sich das Kind zu Be­ginn des Ta­ges auf­hält. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist fach­lich an­er­kannt (vgl. Schu­mann, Gut­ach­ten zum 72. Deut­schen Ju­ris­ten­tag 2018, S. 102; Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rat für Fa­mi­li­en­fra­gen beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend, Gut­ach­ten "Ge­mein­sam ge­trennt er­zie­hen" vom 10. März 2021, S. 86; Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz, Eck­punk­te zur Mo­der­ni­sie­rung des Un­ter­halts­rechts vom 24. Au­gust 2023, S. 6) und über­dies so­wohl für die El­tern als auch die Be­hör­de prak­ti­ka­bel. Ob bei ei­nem Be­treu­ungs­mo­dell, in dem sich das Kind täg­lich oder na­he­zu täg­lich stun­den­wei­se in der Ob­hut des an­de­ren El­tern­teils be­fin­det, eben­falls ei­ne ty­pi­sie­ren­de Be­trach­tungs­wei­se mög­lich und ge­bo­ten ist oder die frag­li­chen Zei­ten "spitz" zu er­mit­teln sind, be­darf hier kei­ner Ent­schei­dung. Zei­ten, in de­nen das Kind von Drit­ten (et­wa Gro­ß­el­tern, Nach­barn) be­treut wird oder sich in ei­ner Kin­der­ta­ges­stät­te oder Schu­le be­fin­det, sind dem El­tern­teil zu­zu­ord­nen, dem die Be­treu­ung nach dem Be­treu­ungs­kon­zept ob­liegt. Fer­ner sind Ur­laubs­auf­ent­hal­te bei dem an­de­ren (bar­un­ter­halts­pflich­ti­gen) El­tern­teil wäh­rend der (Schul-)Fe­ri­en in die Er­mitt­lung der Be­treu­ungs­an­tei­le ein­zu­be­zie­hen. Sol­che Auf­ent­hal­te sind als Be­stand­teil ei­nes von den El­tern prak­ti­zier­ten Be­treu­ungs­kon­zepts üb­lich und kön­nen in ei­ner Ge­samt­be­trach­tung zur Ent­las­tung des haupt­be­treu­en­den El­tern­teils bei­tra­gen (a. A. OVG Baut­zen, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 2021 - 3 A 1251/19 - ju­ris Rn. 23). An­ders ver­hält es sich hin­ge­gen mit vom Be­treu­ungs­kon­zept nicht er­fass­ten sin­gu­lä­ren Be­treu­ungs­si­tua­tio­nen, wenn et­wa der an­de­re El­tern­teil die Kin­des­be­treu­ung für ei­nen be­grenz­ten Zeit­raum au­ßer­plan­mä­ßig über­nimmt, weil der haupt­be­treu­en­de El­tern­teil vor­über­ge­hend aus­fällt (et­wa we­gen ei­nes sta­tio­nä­ren Kran­ken­haus­auf­ent­halts oder aus be­ruf­li­chen Grün­den). Ei­ne sol­che Be­treu­ungs­über­nah­me durch den an­de­ren El­tern­teil gibt un­ge­ach­tet ih­rer punk­tu­el­len Ent­las­tungs­wir­kung ei­nem Al­lein­er­zie­hen, das durch die über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum be­stehen­den Ver­hält­nis­se ge­kenn­zeich­net ist, kein an­de­res Ge­prä­ge.

18 2. Der Se­nat kann nicht in der Sa­che selbst ent­schei­den. Ei­ne Zu­rück­wei­sung der Re­vi­si­on ge­mäß § 144 Abs. 4 Vw­GO we­gen Er­geb­nis­rich­tig­keit der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung kommt eben­so we­nig in Be­tracht wie um­ge­kehrt ein Zu­spre­chen der be­an­trag­ten Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat - von sei­nem Rechts­stand­punkt aus­ge­hend - kei­ne Fest­stel­lun­gen zu den nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ma­ß­geb­li­chen zeit­li­chen Be­treu­ungs­an­tei­len der Klä­ge­rin und des Kin­des­va­ters un­ter Ein­be­zie­hung ei­nes Zwölf­mo­nats­zeit­raums ein­schlie­ß­lich der Fe­ri­en­zei­ten ge­trof­fen, auf den hier we­gen des zeit­lich un­be­fris­te­ten An­trags auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab­zu­stel­len ist. Fer­ner hat es nicht fest­ge­stellt, ob und in wel­chem Um­fang der Kin­des­va­ter im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum Fe­bru­ar bis April 2020 Un­ter­halts­zah­lun­gen er­bracht hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG).

19 3. Die Sa­che ist un­ter Auf­he­bung des vor­in­stanz­li­chen Be­schlus­ses zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO), um es die­sem zu er­mög­li­chen, die un­ter­blie­be­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen und recht­li­chen Wür­di­gun­gen nach­zu­ho­len.

20 Der Se­nat weist für den Fall, dass der von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­te An­spruch im (bis zur Ent­schei­dung über den Wi­der­spruch im April 2020 rei­chen­den) streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum ganz oder teil­wei­se be­stehen soll­te, vor­sorg­lich dar­auf hin, dass der Be­klag­te in die­sem Fall noch über Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab Mai 2020 zu ent­schei­den ha­ben dürf­te. Dies er­gibt sich zu­nächst im We­ge der Aus­le­gung des von der Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­hör­de zeit­lich un­be­schränkt ge­stell­ten An­trags auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen. Ein sol­cher An­trag er­fasst bei ver­stän­di­ger, am Emp­fän­ger­ho­ri­zont (§§ 133, 157 BGB) ori­en­tier­ter Aus­le­gung re­gel­mä­ßig und so auch hier nicht nur das Be­geh­ren, Leis­tun­gen bis zum Er­lass ei­nes Wi­der­spruchs­be­schei­des zu ge­wäh­ren, son­dern auch für den sich dar­an an­schlie­ßen­den Zeit­raum, wenn die Ab­leh­nungs­ent­schei­dung der Be­hör­de an­ge­grif­fen wird und sich als rechts­wid­rig er­weist. Dass sich der auf den wei­te­ren Zeit­raum er­stre­cken­de An­trag nicht durch ei­ne Ab­leh­nungs­ent­schei­dung für den vor­an­ge­gan­ge­nen Zeit­raum er­le­di­gen, son­dern in­so­weit auf­recht­erhal­ten blei­ben soll, ist aus dem Um­stand zu fol­gern, dass der Be­trof­fe­ne - hier die Klä­ge­rin - un­ein­ge­schränkt Rechts­be­hel­fe ge­gen die Ab­leh­nungs­ent­schei­dung ein­legt. Hat die Be­hör­de al­so den An­trag für die Zeit bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des zu Un­recht ab­ge­lehnt und er­zielt der An­trag­stel­ler in ei­nem nach­fol­gen­den ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren auf Leis­tungs­be­wil­li­gung (ganz oder teil­wei­se) mit der Be­hör­de ei­ne zu­spre­chen­de Ver­stän­di­gung oder ob­siegt rechts­kräf­tig, so hat sich da­durch sein zeit­lich un­be­schränkt ge­stell­ter (ur­sprüng­li­cher) An­trag nicht für den Fol­ge­zeit­raum nach Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des er­le­digt, son­dern ist in­so­weit - oh­ne dass es ei­ner wei­te­ren ge­son­der­ten An­trag­stel­lung be­dürf­te - noch zu be­schei­den. Für die­ses Ver­ständ­nis spricht auch der in § 2 Abs. 2 Halbs. 2 SGB I for­mu­lier­te so­wie der Vor­schrift des § 28 SGB X zu­grun­de­lie­gen­de Rechts­ge­dan­ke, ei­ne mög­lichst weit­ge­hen­de Ver­wirk­li­chung so­zia­ler Rech­te si­cher­zu­stel­len. Die Be­hör­de kann bei der Ent­schei­dung über die­sen An­trag - wie auch sonst - den Zeit­raum ei­ner Be­wil­li­gung fest­le­gen und so (be­fris­tet oder un­be­fris­tet) über län­ge­re Zeit­räu­me ent­schei­den. Wir­ken sich dem­ge­gen­über erst nach der letz­ten Be­hör­den­ent­schei­dung ein­tre­ten­de Um­stän­de an­spruchs­be­grün­dend aus, ist re­gel­mä­ßig ein neu­er An­trag er­for­der­lich.

21 4. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Ur­teil vom 12.12.2023 -
BVer­wG 5 C 9.22ECLI:DE:BVer­wG:2023:121223U5C9.22.0

Leit­sät­ze:

1. Die Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss setzt bei Mit­be­treu­ung des Kin­des durch den an­de­ren El­tern­teil vor­aus, dass der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend, d. h. zu mehr als 60 vom Hun­dert bei dem den Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil liegt.

2. Die (Mit-)Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern­tei­le und da­mit der durch die Mit­be­treu­ung ein­tre­ten­de Ent­las­tungs­ef­fekt sind nicht mo­nats­wei­se, son­dern für län­ge­re Zeit­räu­me oh­ne Wer­tung und Ge­wich­tung ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen aus­schlie­ß­lich im Hin­blick auf die Zei­ten der tat­säch­li­chen Be­treu­ung zu er­mit­teln, al­so da­nach, wel­che Zeit­an­tei­le das Kind tat­säch­lich in der Ob­hut des ei­nen oder des an­de­ren El­tern­teils ver­bringt.

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Ur­teil

BVer­wG 5 C 9.22

  • VG Min­den - 25.11.2020 - AZ: 6 K 998/20
  • OVG Müns­ter - 04.07.2022 - AZ: 12 A 3583/20

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 5. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12. De­zem­ber 2023
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Stör­mer und die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Sten­gel­hofen-Weiß, Dr. Harms und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Holt­brüg­ge und Preis­ner
für Recht er­kannt:

  1. Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin wird der Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 4. Ju­li 2022 auf­ge­ho­ben. Die Sa­che wird zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das Land Nord­rhein-West­fa­len zu­rück­ver­wie­sen.
  2. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz.

2 Die Klä­ge­rin be­an­trag­te im Fe­bru­ar 2020 die Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz für ih­re sie­ben­jäh­ri­ge Toch­ter S. und de­ren Zwil­lings­schwes­ter J. (BVer­wG 5 C 10.22 ), da die Kin­der bei ihr leb­ten und der Kin­des­va­ter kei­nen Un­ter­halt zah­le. Der Be­klag­te lehn­te den An­trag mit Be­scheid vom 10. März 2020 ab und wies den hier­ge­gen ge­rich­te­ten Wi­der­spruch mit Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16. April 2020 zu­rück. Die Kin­der leb­ten nicht im Sin­ne des Ge­set­zes bei der Klä­ge­rin, weil sie ge­mäß ei­ner fa­mi­li­en­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung vier­zehn­tä­gig von Mitt­woch­nach­mit­tag bis Mon­tag­mor­gen beim Va­ter sei­en, der sie in die­ser Zeit re­gel­mä­ßig be­treue und sie dar­über hin­aus auch wäh­rend ei­nes Kran­ken­haus­auf­ent­halts der Klä­ge­rin an­läss­lich der Ge­burt ih­res drit­ten Kin­des ver­sorgt ha­be. Die auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ge­rich­te­te Kla­ge blieb in bei­den Vor­in­stan­zen er­folg­los. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen dar­auf ab­ge­stellt, die Klä­ge­rin sei seit ei­nem im Ja­nu­ar 2017 ge­stell­ten und be­stands­kräf­tig ab­schlä­gig be­schie­de­nen ers­ten An­trag auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen durch­gän­gig bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des im April 2020 an­ge­sichts der Mit­be­treu­ung durch den Kin­des­va­ter nicht al­lein­er­zie­hend im Sin­ne des Ge­set­zes. Die El­tern sei­en ge­mein­sam sor­ge­be­rech­tigt und prak­ti­zier­ten dies auch. Der Mit­be­treu­ungs­an­teil des Va­ters be­tra­ge schon wäh­rend der Schul­zei­ten 36 vom Hun­dert und füh­re zu ei­ner we­sent­li­chen Ent­las­tung der Klä­ge­rin bei der Be­treu­ung der Kin­der.

3 Mit ih­rer vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on macht die Klä­ge­rin ins­be­son­de­re gel­tend, das ge­mein­sa­me Sor­ge­recht sa­ge nichts über die tat­säch­li­che Be­treu­ung der Kin­der aus. Ein Kind be­fin­de sich in der Ob­hut des­je­ni­gen El­tern­teils, in des­sen Woh­nung es vor­wie­gend le­be und der die ele­men­ta­ren Le­bens­be­dürf­nis­se des Kin­des nach Pfle­ge, Ver­kös­ti­gung, Klei­dung, ord­nen­der Ge­stal­tung des Ta­ges­ab­laufs und stän­dig ab­ruf­be­rei­ter emo­tio­na­ler Zu­wen­dung vor­ran­gig be­frie­di­ge oder si­cher­stel­le. Un­ter­bre­chun­gen durch re­gel­mä­ßi­ge Be­suchs­auf­ent­hal­te in der Woh­nung des an­de­ren El­tern­teils än­der­ten hier­an nichts.

4 Der Be­klag­te tritt der Re­vi­si­on un­ter Hin­weis dar­auf ent­ge­gen, dass es auf ei­ne ex­ak­te zeit­li­che Gren­ze der Be­treu­ungs­an­tei­le nicht an­kom­me, ent­schei­dend sei ei­ne Ein­zel­fall­be­trach­tung, ob und in wel­chem Um­fang die Mit­be­treu­ung ei­ne Ent­las­tung des haupt­be­treu­en­den El­tern­teils be­wir­ke.

II

5 Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin ist be­grün­det. Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­ruht auf ei­ner Ver­let­zung re­vi­si­blen Rechts (§ 137 Abs. 1 Vw­GO) (1.). Der Se­nat kann man­gels aus­rei­chen­der Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz nicht in der Sa­che selbst ent­schei­den (2.). Das Ur­teil ist da­her ge­mäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO auf­zu­he­ben und die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (3.).

6 1. Der Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­ruht so­wohl auf ei­ner Ver­let­zung des § 88 Vw­GO (a) als auch des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Ge­set­zes zur Si­che­rung des Un­ter­halts von Kin­dern al­lein­ste­hen­der Müt­ter und Vä­ter durch Un­ter­halts­vor­schüs­se oder -aus­fall­leis­tun­gen (Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz - UVG) vom 17. Ju­li 2007 (BGBl. I S. 1446), zu­letzt ge­än­dert durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) des Ge­set­zes vom 21. De­zem­ber 2007 (BGBl. I S. 3194) (b).

7 a) Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss ver­letzt § 88 Vw­GO, so­weit das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt auch über ei­nen An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020 ent­schie­den hat. Ein Ver­stoß ge­gen § 88 Vw­GO ist ein im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren auch oh­ne Ver­fah­rens­rü­ge von Amts we­gen zu be­ach­ten­der Ver­fah­rens­man­gel (BVer­wG, Ur­teil vom 5. Mai 1983 - 5 C 34.82 - Buch­holz 436.0 § 39 BSHG Nr. 2 S. 3). Ge­mäß § 88 Vw­GO darf das Ge­richt über das Kla­ge­be­geh­ren nicht hin­aus­ge­hen, ist aber an die Fas­sung der An­trä­ge nicht ge­bun­den. Es hat viel­mehr das tat­säch­li­che Rechts­schutz­be­geh­ren zu er­mit­teln. Ma­ß­ge­bend für des­sen Um­fang ist nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts das aus dem ge­sam­ten Par­tei­vor­brin­gen, ins­be­son­de­re der Kla­ge­be­grün­dung, zu ent­neh­men­de wirk­li­che Rechts­schutz­ziel. In­so­weit sind die für die Aus­le­gung von Wil­lens­er­klä­run­gen gel­ten­den Grund­sät­ze (§§ 133, 157 BGB) her­an­zu­zie­hen. Ent­schei­dend ist der ge­äu­ßer­te Par­tei­wil­le, wie er sich aus der pro­zes­sua­len Er­klä­rung und den sons­ti­gen Um­stän­den er­gibt; der Wort­laut der Er­klä­rung tritt hin­ter de­ren Sinn und Zweck zu­rück. Ist der Klä­ger im Ver­wal­tungs­pro­zess an­walt­lich ver­tre­ten, kommt der Fas­sung des Kla­ge­an­trags bei der Er­mitt­lung des tat­säch­lich Ge­woll­ten zwar ei­ne ge­stei­ger­te Be­deu­tung zu. Weicht das wirk­li­che Kla­ge­ziel von der An­trags­fas­sung je­doch ein­deu­tig ab, darf auch im Fal­le an­walt­li­cher Ver­tre­tung die Aus­le­gung vom An­trags­wort­laut ab­wei­chen (BVer­wG, Be­schluss vom 23. No­vem­ber 2022 - 6 B 22.22 - NVwZ-RR 2023, 342 Rn. 19 m. w. N.).

8 Hier er­fasst das vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt selbst zu er­mit­teln­de (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 12. Ja­nu­ar 2022 - 5 C 6.20 - BVer­w­GE 174, 328 Rn. 8; Wö­ckel, in: Eyer­mann, Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung, 16. Aufl. 2022, § 88 Rn. 13) Kla­ge­be­geh­ren ein­deu­tig nur An­sprü­che auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab Fe­bru­ar 2020. Dies er­gibt sich aus der in den erst- und zweit­in­stanz­lich ge­stell­ten An­trä­gen ent­hal­te­nen Be­zug­nah­me auf die an­ge­foch­te­nen Be­schei­de so­wie der Kla­ge- bzw. Be­ru­fungs­be­grün­dung. Der von der Klä­ge­rin an­ge­grif­fe­ne Ab­leh­nungs­be­scheid vom 10. März 2020 so­wie der Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16. April 2020 be­fas­sen sich aus­schlie­ß­lich mit dem von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab An­trag­stel­lung im Fe­bru­ar 2020. Das er­gibt ih­re am Emp­fän­ger­ho­ri­zont (§§ 133, 157 BGB) ori­en­tier­te Aus­le­gung, die das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt man­gels ent­spre­chen­der Aus­le­gung durch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt selbst vor­neh­men kann (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 23). Der Aus­gangs­be­scheid vom 10. März 2020 be­zieht sich aus­drück­lich auf den im Fe­bru­ar 2020 ge­stell­ten An­trag auf Be­wil­li­gung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen. Das von der Klä­ge­rin aus­ge­füll­te An­trags­for­mu­lar ent­hält in der Spal­te "Da­tum Be­ginn be­an­trag­te Leis­tungs­ge­wäh­rung" kei­ne Ein­tra­gung und da­mit kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne zeit­lich rück­wir­ken­de An­trag­stel­lung, die über­dies we­gen § 4 Halbs. 1 UVG, wo­nach ei­ne Un­ter­halts­zah­lung rück­wir­kend längs­tens für den letz­ten Mo­nat vor dem An­trags­mo­nat ge­zahlt wird, nur sehr be­grenzt mög­lich ge­we­sen wä­re. Die in dem Be­scheid vom 10. März 2020 ent­hal­te­ne For­mu­lie­rung, die letz­ten An­trä­ge der Klä­ge­rin auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen sei­en mit Be­schei­den vom 27. Ja­nu­ar und 27. Ju­li 2017 ab­ge­lehnt wor­den, der Be­klag­te hal­te an die­ser Ent­schei­dung wei­ter­hin fest, da sich (in Be­zug auf die Be­treu­ungs­si­tua­ti­on) kei­ne Än­de­run­gen er­gä­ben hät­ten, die zu ei­ner an­de­ren Ent­schei­dung füh­ren könn­ten, ent­hält vor die­sem Hin­ter­grund le­dig­lich das (zen­tra­le) Be­grün­dungs­ele­ment, bringt aber bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung nicht zum Aus­druck, der Be­klag­te ha­be über zu­rück­lie­gen­de Zeit­räu­me (ein­schlie­ß­lich sol­cher in 2017, 2018 und 2019, für die nach be­stands­kräf­ti­ger Ab­leh­nung über­haupt kein neu­er Leis­tungs­an­trag ge­stellt wor­den war) ei­ne (er­neu­te bzw. erst­ma­li­ge) Sach­ent­schei­dung tref­fen wol­len. Eben­so we­nig ent­hält der Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16. April 2020 An­halts­punk­te für ei­ne be­hörd­li­che Ent­schei­dung über An­sprü­che der Klä­ge­rin auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen seit Ja­nu­ar 2017. Dem­entspre­chend lässt sich auch dem Kla­ge- und Be­ru­fungs­vor­brin­gen der Klä­ge­rin nichts da­für ent­neh­men, dass sich der kla­ge­wei­se gel­tend ge­mach­te An­spruch auch auf den Zeit­raum Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020 er­stre­cken sol­le. Viel­mehr hat die Klä­ge­rin im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren (le­dig­lich) klar­ge­stellt, dass sie Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für ih­re Kin­der kla­ge­wei­se erst ab Fe­bru­ar 2020 (Schrift­satz vom 1. Sep­tem­ber 2022, S. 1) bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des im April 2020 (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 11 ff.) gel­tend macht.

9 Über die­ses Kla­ge­be­geh­ren hin­aus hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt auch be­züg­lich des An­spruchs auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für die Zeit von Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020 ent­schie­den. Dies er­gibt sich zwar nicht un­mit­tel­bar aus dem Te­nor sei­ner Ent­schei­dung, mit dem es die Be­ru­fung der Klä­ge­rin ge­gen das kla­ge­ab­wei­sen­de erst­in­stanz­li­che Ur­teil zu­rück­ge­wie­sen hat. Die­ser Te­nor gibt aus sich selbst her­aus kei­ne Aus­kunft, wel­cher Kla­ge­an­spruch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­folg­los ge­blie­ben ist. Zu sei­ner Kon­kre­ti­sie­rung sind da­her die Ent­schei­dungs­grün­de her­an­zu­zie­hen und aus­zu­le­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 7. Au­gust 2008 - 7 C 7.08 - BVer­w­GE 131, 346 Rn. 18; Wö­ckel, in: Eyer­mann, Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung, 16. Aufl. 2022, § 121 Rn. 21). Da­nach hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hier für den von ihm un­ter­stell­ten Fall, der an­ge­foch­te­ne Be­scheid tref­fe auch ei­ne Re­ge­lung für den Zeit­raum Ja­nu­ar 2017 bis Ja­nu­ar 2020, ein­deu­tig auch über ei­nen An­spruch der Klä­ge­rin auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für die­se Zeit ent­schie­den und die­sen ver­neint. Es hat dar­auf er­kannt, dass ein An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen seit der ers­ten, im Jah­re 2017 er­folg­ten An­trag­stel­lung bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des im April 2020 nicht be­stan­den ha­be (BA S. 7: "für den ge­sam­ten Zeit­raum aus­ge­schlos­sen"; BA S. 8: "war und ist die Klä­ge­rin je­den­falls seit Ja­nu­ar 2017 nicht al­lein­er­zie­hend").

10 b) Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss ver­letzt dar­über hin­aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, so­weit er ei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen für den Zeit­raum Fe­bru­ar bis April 2020 mit der Be­grün­dung ver­neint, die Toch­ter le­be nicht im Sin­ne des Ge­set­zes bei der Klä­ge­rin. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat sei­ner Ent­schei­dung ei­nen un­zu­tref­fen­den recht­li­chen Maß­stab zu­grun­de ge­legt. Die Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss setzt bei Mit­be­treu­ung des Kin­des durch den an­de­ren El­tern­teil vor­aus, dass der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend, d. h. zu mehr als 60 vom Hun­dert bei dem den Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil liegt (aa). Die Be­mes­sung der (Mit-)Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern­tei­le und da­mit der durch die Mit­be­treu­ung ein­tre­ten­de Ent­las­tungs­ef­fekt ist oh­ne Wer­tung und Ge­wich­tung ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen aus­schlie­ß­lich im Hin­blick auf die Zei­ten der tat­säch­li­chen Be­treu­ung zu er­mit­teln (bb). Die auf die El­tern­tei­le ent­fal­len­den Zeit­an­tei­le sind nicht mo­nats­wei­se, son­dern für län­ge­re Zeit­räu­me zu er­mit­teln (cc). Da­bei sind wei­te­re Ein­zel­hei­ten zu be­ach­ten (dd).

11 aa) Leis­tun­gen nach dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz tra­gen der dop­pel­ten Be­las­tung mit Er­zie­hung und Un­ter­halts­ge­wäh­rung Rech­nung (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20). Sie die­nen der Be­he­bung oder zu­min­dest Mil­de­rung ei­ner ge­gen­wär­ti­gen Not­la­ge, die nach der Wer­tung des Ge­set­zes durch die al­lei­ni­ge Be­treu­ungs­leis­tung ei­nes El­tern­teils ei­ner­seits und aus­blei­ben­de oder nur un­zu­rei­chen­de Un­ter­halts­zah­lun­gen des bar­un­ter­halts­pflich­ti­gen an­de­ren El­tern­teils an­de­rer­seits ge­kenn­zeich­net ist (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 19). Der An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tung setzt dem­ge­mäß ne­ben un­zu­rei­chen­den Un­ter­halts­zah­lun­gen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG) ge­mäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG vor­aus, dass das Kind "bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le lebt". Ein Kind lebt im Sin­ne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le, wenn es mit ihm ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te häus­li­che Ge­mein­schaft un­ter­hält, in der es auch be­treut wird. Das Tat­be­stands­merk­mal knüpft da­mit nach sei­nem Wort­laut, der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG: "El­tern­teil, bei dem er [das Kind] nicht lebt") und dem in der Ge­set­zes­be­grün­dung (BT-Drs. 8/1952 S. 6) zum Aus­druck ge­brach­ten Sinn und Zweck an die durch das Al­lein­er­zie­hen ge­präg­te pre­kä­re Si­tua­ti­on an. Die­se be­steht dar­in, dass das Kind "nur" bei die­sem El­tern­teil lebt, weil er die Be­treu­ung (Pfle­ge und Er­zie­hung) des Kin­des tat­säch­lich wahr­nimmt und hier­mit we­gen des Aus­falls des an­de­ren El­tern­teils be­son­ders be­las­tet ist. Au­ßer in den Fäl­len voll­stän­di­gen Al­lein­er­zie­hens liegt ei­ne sol­che Be­las­tung dann vor, wenn - wo­von auch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt aus­ge­gan­gen ist - nach den Um­stän­den des Ein­zel­fal­les auch an­ge­sichts der Be­treu­ungs­leis­tun­gen des an­de­ren El­tern­teils der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend bei dem Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil liegt, der des­halb bei wer­ten­der Be­trach­tung der Ge­samt­si­tua­ti­on tat­säch­lich die al­lei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für die Sor­ge und Er­zie­hung des Kin­des trägt (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20 f.).

12 Dies ist an­zu­neh­men, wenn des­sen Be­treu­ungs­an­teil mehr als 60 vom Hun­dert be­trägt. Um­ge­kehrt ist ei­ne we­sent­li­che Ent­las­tung die­ses El­tern­teils, wel­che die fak­ti­sche Ge­samt­la­ge der ge­setz­lich in Be­zug ge­nom­me­nen Al­lein­er­zie­hung und da­mit den An­spruch auf Un­ter­halts­vor­schuss aus­schlie­ßt, ge­ge­ben, wenn sich der an­de­re (bar­un­ter­halts­pflich­ti­ge) El­tern­teil in der Wei­se an der Pfle­ge und Er­zie­hung des Kin­des be­tei­ligt, dass sein Be­treu­ungs­an­teil 40 vom Hun­dert er­reicht oder über­schrei­tet. Die pro­zen­tua­le Zu­ord­nung von Be­treu­ungs­an­tei­len trägt dem im Ge­set­zes­wort­laut ("bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le lebt"), der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG: "El­tern­teil, bei dem er [das Kind] nicht lebt") so­wie dem in der Ge­set­zes­be­grün­dung zum Aus­druck ge­brach­ten un­ter­halts­vor­schuss­recht­li­chen Ge­wäh­rungs­grund des Al­lein­er­zie­hens Rech­nung, der dar­in liegt, dass der be­tref­fen­de El­tern­teil bei Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des im We­sent­li­chen auf sich al­lein ge­stellt ist. Die Ge­set­zes­be­grün­dung (BT-Drs. 8/1952 S. 6) be­nennt aus­drück­lich "al­lein­er­zie­hen­de El­tern­tei­le" und ver­gleicht ("ähn­li­che Be­las­tung") de­ren Si­tua­ti­on mit der­je­ni­gen beim Tod des an­de­ren El­tern­teils. Um­ge­kehrt er­kennt sie die dop­pel­te Be­las­tung mit Er­zie­hungs- und Ver­sor­gungs­auf­ga­ben nicht mehr an, wenn der al­lein­er­zie­hen­de El­tern­teil ei­nen an­de­ren als den leib­li­chen El­tern­teil hei­ra­tet. Aus­schlag­ge­bend hier­für ist un­ge­ach­tet der un­ter­halts­recht­li­chen La­ge die "fak­ti­sche Ge­samt­la­ge", für die re­gel­mä­ßig kenn­zeich­nend ist, dass sich auch der Stief­eltern­teil an Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des be­tei­ligt. Bei ei­ner Mit­be­treu­ung durch den an­de­ren El­tern­teil kann von ei­nem Al­lein­er­zie­hen so­mit - wie das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20) be­reits aus­ge­führt hat –, nur dann die Re­de sein, wenn der Schwer­punkt der Be­treu­ung ganz über­wie­gend, al­so zu deut­lich mehr als der Hälf­te, bei dem El­tern­teil liegt, der Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen be­an­sprucht. Der Ge­sichts­punkt des Al­lein­er­zie­hens als der für die Leis­tung ge­setz­li­che An­knüp­fungs­punkt des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG blie­be dem­ge­gen­über in sei­ner Be­deu­tung un­be­rück­sich­tigt, wenn erst ein noch hö­he­rer (et­wa an die Hälf­te her­an­rei­chen­der) Mit­be­treu­ungs­an­teil des an­de­ren El­tern­teils die Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen aus­schlie­ßen wür­de. An­de­rer­seits lässt sich die mit­un­ter ver­tre­te­ne An­nah­me, be­reits bei ei­nem Mit­be­treu­ungs­an­teil von (nur) ei­nem Drit­tel lie­ge kein Al­lein­er­zie­hen mehr vor, vor dem Hin­ter­grund, dass die Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern­tei­le aus­schlie­ß­lich nach Zeit­an­tei­len zu er­mit­teln sind (hier­zu so­gleich), be­reits mit dem Wort­laut wie auch dem auf­ge­zeig­ten Sinn und Zweck des Ge­set­zes nicht ver­ein­ba­ren. So legt die Re­ge­lung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG schon nach ih­rem Wort­sinn na­he, dass ein zu zwei Drit­teln von ei­nem El­tern­teil be­treu­tes Kind auch im Sin­ne des Ge­set­zes "bei" die­sem lebt. Die­ses Ver­ständ­nis ge­bie­tet auch der Ge­wäh­rungs­grund des Un­ter­halts­vor­schus­ses, der schwie­ri­gen La­ge des im Hin­blick auf All­tag und Er­zie­hung weit­ge­hend auf sich ge­stell­ten El­tern­teils bei Aus­fall von Un­ter­halts­leis­tun­gen durch die Ge­wäh­rung von Leis­tun­gen Rech­nung zu tra­gen.

13 bb) Die Be­mes­sung der (Mit-)Be­treu­ungs­an­tei­le der El­tern rich­tet sich - wie der Se­nat be­reits ent­schie­den hat (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20) – nach der tat­säch­li­chen Be­treu­ungs­si­tua­ti­on (vgl. BT-Drs. 8/1952 S. 6: "fak­ti­sche Ge­samt­la­ge"). Hier­über sagt die Er­brin­gung von in § 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG ei­gens ge­re­gel­ten Un­ter­halts­zah­lun­gen nichts aus. Dies gilt eben­so für ein ge­mein­sa­mes Sor­ge­recht der El­tern, aus dem sich nicht er­gibt, in wel­chem Um­fang die El­tern­tei­le sich je­weils tat­säch­lich um Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des küm­mern. Dem­ge­gen­über be­trifft ei­ne Ver­ein­ba­rung der El­tern­tei­le oder ei­ne fa­mi­li­en­ge­richt­li­che Ent­schei­dung zur Auf­tei­lung der Be­treu­ung die künf­ti­ge tat­säch­li­che Si­tua­ti­on, wes­halb ihr in­di­zi­el­le Be­deu­tung zu­kommt, die wi­der­legt wer­den kann, wenn sie tat­säch­lich nicht prak­ti­ziert wird. Die­sel­be (blo­ße) In­di­z­wir­kung hat we­gen der An­knüp­fung in § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an das Ob­huts­prin­zip (BFH, Ur­teil vom 23. März 2005 - III R 91/03 - BFHE 209, 338) der Be­zug des Kin­der­gel­des (an­ders noch BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - BVer­w­GE 144, 306 Rn. 21: "we­sent­li­cher Ge­sichts­punkt").

14 Der durch die Mit­be­treu­ung ein­tre­ten­de Ent­las­tungs­ef­fekt ist oh­ne Wer­tung und Ge­wich­tung ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen aus­schlie­ß­lich im Hin­blick auf die Zei­ten der tat­säch­li­chen Be­treu­ung zu er­mit­teln, al­so da­nach, wel­che Zeit­an­tei­le das Kind tat­säch­lich in der Ob­hut des ei­nen oder des an­de­ren El­tern­teils ver­bringt (an­ders zum Un­ter­halts­recht BGH, Be­schluss vom 5. No­vem­ber 2014 - XII ZB 599/13 - FamRZ 2015, 236 Rn. 21). Das Un­ter­halts­vor­schuss­recht ist als So­zi­al­leis­tung (vgl. § 68 Nr. 14 SGB I) auf ei­ne um­ge­hen­de Hil­fe in ei­ner ak­tu­el­len Not­la­ge, wie sie oben be­schrie­ben wor­den ist, aus­ge­rich­tet. Die­ser Zweck der Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ge­bie­tet es, de­ren Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen und ins­be­son­de­re das Merk­mal des Le­bens bei ei­nem El­tern­teil im Sin­ne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG mög­lichst schnell, un­kom­pli­ziert und ver­läss­lich fest­zu­stel­len. Aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit so­wie un­ter Be­rück­sich­ti­gung der nach die­ser Zweck­set­zung ge­bo­te­nen mög­lichst prak­ti­ka­blen Hand­ha­bung so­wohl für die El­tern als auch für die Ver­wal­tung ist da­her für die Er­mitt­lung der Be­treu­ungs­an­tei­le al­lein auf die Zeit­an­tei­le ab­zu­stel­len, in de­nen der ei­ne oder der an­de­re El­tern­teil Be­treu­ung und Ver­sor­gung des Kin­des ge­währ­leis­tet. Die­ses Kri­te­ri­um setzt le­dig­lich ei­ne Auf­lis­tung der Be­treu­ungs­zei­ten vor­aus, die im Be­darfs­fall oh­ne all­zu gro­ßen Auf­wand rechts­si­cher über­prüft wer­den kann. Im Un­ter­schied zu ei­ner auf den Ent­las­tungs­ef­fekt ein­zel­ner Be­treu­ungs­leis­tun­gen be­zo­ge­nen qua­li­ta­ti­ven Be­wer­tung ist es - auch im Hin­blick auf das Ver­hält­nis der El­tern­tei­le zu­ein­an­der - we­ni­ger streit­an­fäl­lig und ver­mei­det un­ter­schied­li­che Be­wer­tun­gen ver­gleich­ba­rer Sach­ver­hal­te. Ei­ne ein­fa­che Fest­stel­lung des Tat­be­stands­merk­mals des Le­bens bei ei­nem El­tern­teil ist schlie­ß­lich auch des­halb ge­bo­ten, weil der Staat zu­min­dest nach der Ge­set­zes­la­ge viel­fach nur vor­läu­fig und nicht end­gül­tig leis­tet. Ein be­stehen­der Un­ter­halts­an­spruch des Kin­des ge­gen den an­de­ren El­tern­teil geht viel­mehr auf das Land über, das auch künf­ti­ge Un­ter­halts­an­sprü­che ge­richt­lich gel­tend ma­chen kann, wenn die Un­ter­halts­leis­tung vor­aus­sicht­lich auf län­ge­re Zeit ge­währt wer­den muss (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 UVG). Der Se­nat ver­mag sich da­her der in der Recht­spre­chung (vgl. die ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung zu­sam­men­fas­send VG Frei­burg, Be­schluss vom 6. April 2020 - 4 K 345/20 - ju­ris Rn. 31 f. m. w. N.; OVG Baut­zen, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 2021 - 3 A 1251/19 - FamRZ 2022, 187 Rn. 21 ff.; VGH Mün­chen, Be­schluss vom 27. März 2023 - 12 ZB 22.12 89 - ju­ris Rn. 7 ff.), vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend (Richt­li­ni­en zur Durch­füh­rung des Un­ter­halts­vor­schuss­ge­set­zes, Fas­sung vom 1. Ja­nu­ar 2020, Zif­fer 1.3) und der Li­te­ra­tur (Schrei­er, in: Schle­gel/​Vo­elz­ke, ju­ris­PK-SGB So­zi­al­recht Be­son­de­rer Teil, Stand: 15. April 2023, § 1 Rn. 23 ff; von Kop­pen­fels-Spies, in: Knick­rehm/​Kreike­bohm/​Wal­ter­mann, Kom­men­tar zum So­zi­al­recht, 7. Aufl. 2021, § 1 UVG Rn. 7; En­gel-Bo­land, in: Rolfs/​Gie­sen/​Me­ß­ling/​Ud­sching, Be­ck­OK So­zi­al­recht, 68. Edi­ti­on, Stand: 1. März 2023, § 1 UVG Rn. 12; Gru­be, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 59 f.; Hoh­ei­sel-Gru­ler, An­wZert FamR 5/2022 Anm. 2; vgl. auch Con­rad­is, in: Ran­cke/​Pep­pin, Mut­ter­schutz/​El­tern­geld/​El­tern­zeit/​Be­treu­ungs­geld, 6. Aufl. 2022, § 1 UVG Rn. 18) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung nicht an­zu­schlie­ßen, die Be­treu­ungs­leis­tun­gen der El­tern­tei­le sei­en (ggf. ab Er­rei­chen ei­nes zeit­li­chen Schwel­len­werts der Mit­be­treu­ung) qua­li­ta­tiv dar­auf­hin zu be­ur­tei­len, ob der Schwer­punkt der Be­treu­ung bei dem Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil lie­ge. So­fern die Aus­füh­run­gen des Se­nats im Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 - 5 C 20.11 - (BVer­w­GE 144, 306 Rn. 20) in die­sem Sin­ne zu ver­ste­hen sein könn­ten, wä­re hier­an nicht fest­zu­hal­ten.

15 cc) Die auf die El­tern­tei­le ent­fal­len­den Zeit­an­tei­le sind, so­fern nicht das Leis­tungs­be­geh­ren von vorn­her­ein nur auf ei­nen Mo­nat oder ei­nen noch kür­ze­ren Zeit­raum be­schränkt ist, nicht mo­nats­wei­se, son­dern - ab­hän­gig vom In­halt des An­trags - für län­ge­re Zeit­räu­me zu er­mit­teln. Dies er­gibt sich aus Fol­gen­dem: Dem Un­ter­halts­vor­schuss­ge­setz liegt als kenn­zeich­nen­der Grund­satz das Prin­zip der mo­nats­wei­sen Be­trach­tung zu­grun­de, was län­ger an­dau­ern­de, ggf. auch zeit­lich of­fe­ne Be­wil­li­gungs­zeit­räu­me (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG) al­ler­dings nicht aus­schlie­ßt (BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 15 f.). Die mo­nats­wei­se Be­trach­tung ver­langt nicht, dass das Vor­lie­gen je­der Leis­tungs­vor­aus­set­zung auch mo­nats­wei­se ge­son­dert fest­zu­stel­len wä­re. Dies hängt viel­mehr vom je­wei­li­gen Tat­be­stands­merk­mal ab. Das Merk­mal "bei ei­nem sei­ner El­tern­tei­le lebt" (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG) ist be­reits nach sei­nem Wort­laut ("lebt") auf ei­ne ge­wis­se Dau­er und Kon­ti­nui­tät an­ge­legt. Ge­set­zes­sys­te­ma­tisch un­ter­schei­det es sich da­mit struk­tu­rell von den an­de­ren Tat­be­stands­merk­ma­len des § 1 Abs. 1 UVG (Al­ter des Kin­des, Per­so­nen­stand des al­lein­er­zie­hen­den El­tern­teils, Un­ter­halts­zah­lun­gen des an­de­ren El­tern­teils), de­ren Vor­lie­gen oder Nicht­vor­lie­gen je­weils ta­ges­ge­nau fest­ge­stellt wer­den kann. Dem­ge­gen­über lässt sich die Fra­ge, ob ein El­tern­teil die Be­treu­ung ei­nes Kin­des ganz über­wie­gend wahr­nimmt und er so­mit die al­lei­ni­ge bzw. ma­ß­geb­li­che Ver­ant­wor­tung hier­für trägt, je­den­falls bei Mit­be­treu­ung durch den an­de­ren El­tern­teil sinn­vol­ler­wei­se nur über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum hin­weg be­ur­tei­len. Die­se Be­trach­tungs­wei­se trägt auch dem Sinn und Zweck des Merk­mals Rech­nung, die be­son­de­re Be­las­tungs­si­tua­ti­on des Al­lein­er­zie­hens ab­zu­mil­dern, die auch dann et­wa durch Vor­hal­ten von Wohn­raum für das Kind und hier­durch an­fal­len­de Kos­ten so­wie et­wai­ge Ein­schrän­kun­gen in der Be­rufs­tä­tig­keit fort­be­stehen kann, wenn sich das Kind bei­spiels­wei­se wäh­rend der Schul­fe­ri­en für ei­nen län­ge­ren, in­ner­halb ei­nes Ka­len­der­mo­nats fal­len­den Zeit­raum bei dem an­de­ren El­tern­teil auf­hält. Schlie­ß­lich er­gibt sich auch aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en (BT-Drs. 8/1952 und 8/2774), dass der Ge­setz­ge­ber selbst da­von aus­ging, das Merk­mal des Le­bens bei ei­nem El­tern­teil wech­se­le nicht in kur­zen, et­wa mo­nat­li­chen Zeit­ab­stän­den zwi­schen den El­tern­tei­len hin und her.

16 Der für die Be­ur­tei­lung, ob in Mit­be­treu­ungs­fäl­len das Kind bei dem Un­ter­halts­vor­schuss be­an­tra­gen­den El­tern­teil lebt, in den Blick zu neh­men­de Zeit­raum rich­tet sich nach dem je­wei­li­gen An­trag. Un­ab­hän­gig da­von, ob die Be­hör­de über den An­trag nur bis zur letz­ten Be­hör­den­ent­schei­dung be­fin­det oder ob ih­re Ent­schei­dung ei­nen dar­über hin­aus­ge­hen­den Zeit­raum ab­deckt (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 18. De­zem­ber 2017 - 5 C 36.16 - BVer­w­GE 161, 130 Rn. 22), hat sie die Be­treu­ungs­an­tei­le den El­tern­tei­len im Rah­men ei­ner auf die­sen Zeit­raum be­zo­ge­nen Ge­samt­be­trach­tung zu­zu­ord­nen. Die­ser Be­trach­tung hat sie hin­sicht­lich des im Ent­schei­dungs­zeit­punkt be­reits ver­gan­ge­nen Zeit­raums die fest­ge­stell­te tat­säch­li­che Be­treu­ungs­si­tua­ti­on zu­grun­de zu le­gen. Den vom An­trag er­fass­ten künf­ti­gen Zeit­raum hat sie an­hand des von den El­tern be­ab­sich­tig­ten Be­treu­ungs­kon­zepts pro­gnos­tisch ein­zu­be­zie­hen. Für ei­nen zeit­lich un­be­grenz­ten und mit­hin zu­kunfts­of­fe­nen An­trag auf Un­ter­halts­vor­schuss gilt das Glei­che mit der Ma­ß­ga­be, dass der pro­gnos­ti­schen Be­ur­tei­lung aus Prak­ti­ka­bi­li­täts­er­wä­gun­gen ein Zwölf­mo­nats­zeit­raum zu­grun­de zu le­gen ist. Die glei­che Ge­samt­be­trach­tung ist im Zu­ge et­waig nach­fol­gen­der Leis­tungs­über­prü­fun­gen oder in Rück­for­de­rungs­fäl­len vor­zu­neh­men.

17 dd) Für die Er­mitt­lung der den El­tern­tei­len je­weils zu­zu­ord­nen­den Zeit­an­tei­le kommt es bei ganz­tä­gig wech­sel­wei­ser Be­treu­ung ty­pi­sie­rend dar­auf an, bei wel­chem El­tern­teil sich das Kind zu Be­ginn des Ta­ges auf­hält. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist fach­lich an­er­kannt (vgl. Schu­mann, Gut­ach­ten zum 72. Deut­schen Ju­ris­ten­tag 2018, S. 102; Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rat für Fa­mi­li­en­fra­gen beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend, Gut­ach­ten "Ge­mein­sam ge­trennt er­zie­hen" vom 10. März 2021, S. 86; Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz, Eck­punk­te zur Mo­der­ni­sie­rung des Un­ter­halts­rechts vom 24. Au­gust 2023, S. 6) und über­dies so­wohl für die El­tern als auch die Be­hör­de prak­ti­ka­bel. Ob bei ei­nem Be­treu­ungs­mo­dell, in dem sich das Kind täg­lich oder na­he­zu täg­lich stun­den­wei­se in der Ob­hut des an­de­ren El­tern­teils be­fin­det, eben­falls ei­ne ty­pi­sie­ren­de Be­trach­tungs­wei­se mög­lich und ge­bo­ten ist oder die frag­li­chen Zei­ten "spitz" zu er­mit­teln sind, be­darf hier kei­ner Ent­schei­dung. Zei­ten, in de­nen das Kind von Drit­ten (et­wa Gro­ß­el­tern, Nach­barn) be­treut wird oder sich in ei­ner Kin­der­ta­ges­stät­te oder Schu­le be­fin­det, sind dem El­tern­teil zu­zu­ord­nen, dem die Be­treu­ung nach dem Be­treu­ungs­kon­zept ob­liegt. Fer­ner sind Ur­laubs­auf­ent­hal­te bei dem an­de­ren (bar­un­ter­halts­pflich­ti­gen) El­tern­teil wäh­rend der (Schul-)Fe­ri­en in die Er­mitt­lung der Be­treu­ungs­an­tei­le ein­zu­be­zie­hen. Sol­che Auf­ent­hal­te sind als Be­stand­teil ei­nes von den El­tern prak­ti­zier­ten Be­treu­ungs­kon­zepts üb­lich und kön­nen in ei­ner Ge­samt­be­trach­tung zur Ent­las­tung des haupt­be­treu­en­den El­tern­teils bei­tra­gen (a. A. OVG Baut­zen, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 2021 - 3 A 1251/19 - ju­ris Rn. 23). An­ders ver­hält es sich hin­ge­gen mit vom Be­treu­ungs­kon­zept nicht er­fass­ten sin­gu­lä­ren Be­treu­ungs­si­tua­tio­nen, wenn et­wa der an­de­re El­tern­teil die Kin­des­be­treu­ung für ei­nen be­grenz­ten Zeit­raum au­ßer­plan­mä­ßig über­nimmt, weil der haupt­be­treu­en­de El­tern­teil vor­über­ge­hend aus­fällt (et­wa we­gen ei­nes sta­tio­nä­ren Kran­ken­haus­auf­ent­halts oder aus be­ruf­li­chen Grün­den). Ei­ne sol­che Be­treu­ungs­über­nah­me durch den an­de­ren El­tern­teil gibt un­ge­ach­tet ih­rer punk­tu­el­len Ent­las­tungs­wir­kung ei­nem Al­lein­er­zie­hen, das durch die über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum be­stehen­den Ver­hält­nis­se ge­kenn­zeich­net ist, kein an­de­res Ge­prä­ge.

18 2. Der Se­nat kann nicht in der Sa­che selbst ent­schei­den. Ei­ne Zu­rück­wei­sung der Re­vi­si­on ge­mäß § 144 Abs. 4 Vw­GO we­gen Er­geb­nis­rich­tig­keit der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung kommt eben­so we­nig in Be­tracht wie um­ge­kehrt ein Zu­spre­chen der be­an­trag­ten Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat - von sei­nem Rechts­stand­punkt aus­ge­hend - kei­ne Fest­stel­lun­gen zu den nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ma­ß­geb­li­chen zeit­li­chen Be­treu­ungs­an­tei­len der Klä­ge­rin und des Kin­des­va­ters un­ter Ein­be­zie­hung ei­nes Zwölf­mo­nats­zeit­raums ein­schlie­ß­lich der Fe­ri­en­zei­ten ge­trof­fen, auf den hier we­gen des zeit­lich un­be­fris­te­ten An­trags auf Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab­zu­stel­len ist. Fer­ner hat es nicht fest­ge­stellt, ob und in wel­chem Um­fang der Kin­des­va­ter im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum Fe­bru­ar bis April 2020 Un­ter­halts­zah­lun­gen er­bracht hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG).

19 3. Die Sa­che ist un­ter Auf­he­bung des vor­in­stanz­li­chen Be­schlus­ses zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO), um es die­sem zu er­mög­li­chen, die un­ter­blie­be­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen und recht­li­chen Wür­di­gun­gen nach­zu­ho­len.

20 Der Se­nat weist für den Fall, dass der von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­te An­spruch im (bis zur Ent­schei­dung über den Wi­der­spruch im April 2020 rei­chen­den) streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum ganz oder teil­wei­se be­stehen soll­te, vor­sorg­lich dar­auf hin, dass der Be­klag­te in die­sem Fall noch über Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen ab Mai 2020 zu ent­schei­den ha­ben dürf­te. Dies er­gibt sich zu­nächst im We­ge der Aus­le­gung des von der Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­hör­de zeit­lich un­be­schränkt ge­stell­ten An­trags auf Ge­wäh­rung von Un­ter­halts­vor­schuss­leis­tun­gen. Ein sol­cher An­trag er­fasst bei ver­stän­di­ger, am Emp­fän­ger­ho­ri­zont (§§ 133, 157 BGB) ori­en­tier­ter Aus­le­gung re­gel­mä­ßig und so auch hier nicht nur das Be­geh­ren, Leis­tun­gen bis zum Er­lass ei­nes Wi­der­spruchs­be­schei­des zu ge­wäh­ren, son­dern auch für den sich dar­an an­schlie­ßen­den Zeit­raum, wenn die Ab­leh­nungs­ent­schei­dung der Be­hör­de an­ge­grif­fen wird und sich als rechts­wid­rig er­weist. Dass sich der auf den wei­te­ren Zeit­raum er­stre­cken­de An­trag nicht durch ei­ne Ab­leh­nungs­ent­schei­dung für den vor­an­ge­gan­ge­nen Zeit­raum er­le­di­gen, son­dern in­so­weit auf­recht­erhal­ten blei­ben soll, ist aus dem Um­stand zu fol­gern, dass der Be­trof­fe­ne - hier die Klä­ge­rin - un­ein­ge­schränkt Rechts­be­hel­fe ge­gen die Ab­leh­nungs­ent­schei­dung ein­legt. Hat die Be­hör­de al­so den An­trag für die Zeit bis zum Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des zu Un­recht ab­ge­lehnt und er­zielt der An­trag­stel­ler in ei­nem nach­fol­gen­den ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren auf Leis­tungs­be­wil­li­gung (ganz oder teil­wei­se) mit der Be­hör­de ei­ne zu­spre­chen­de Ver­stän­di­gung oder ob­siegt rechts­kräf­tig, so hat sich da­durch sein zeit­lich un­be­schränkt ge­stell­ter (ur­sprüng­li­cher) An­trag nicht für den Fol­ge­zeit­raum nach Er­lass des Wi­der­spruchs­be­schei­des er­le­digt, son­dern ist in­so­weit - oh­ne dass es ei­ner wei­te­ren ge­son­der­ten An­trag­stel­lung be­dürf­te - noch zu be­schei­den. Für die­ses Ver­ständ­nis spricht auch der in § 2 Abs. 2 Halbs. 2 SGB I for­mu­lier­te so­wie der Vor­schrift des § 28 SGB X zu­grun­de­lie­gen­de Rechts­ge­dan­ke, ei­ne mög­lichst weit­ge­hen­de Ver­wirk­li­chung so­zia­ler Rech­te si­cher­zu­stel­len. Die Be­hör­de kann bei der Ent­schei­dung über die­sen An­trag - wie auch sonst - den Zeit­raum ei­ner Be­wil­li­gung fest­le­gen und so (be­fris­tet oder un­be­fris­tet) über län­ge­re Zeit­räu­me ent­schei­den. Wir­ken sich dem­ge­gen­über erst nach der letz­ten Be­hör­den­ent­schei­dung ein­tre­ten­de Um­stän­de an­spruchs­be­grün­dend aus, ist re­gel­mä­ßig ein neu­er An­trag er­for­der­lich.

21 4. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.