Verfahrensinformation
Rechtmäßigkeit der Betretung und Durchsuchung von Flüchtlingsunterkünften
Die Frage der Rechtmäßigkeit des Betretens und der Durchsuchung von Flüchtlingsunterkünften ist Gegenstand zweier Revisionsverfahren.
Die Antragsteller in dem Normenkontrollverfahren BVerwG 1 CN 1.22 waren als Asylbewerber nach ihrer Ankunft im Bundesgebiet zunächst in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg untergebracht. Sie wenden sich unter anderem gegen Regelungen der bis zum 15. Dezember 2021 geltenden Hausordnung über die Durchführung von Zutritts- und Zimmerkontrollen durch Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Freiburg und private Dienstleister. Die Antragsteller haben ihre Anträge auch nach ihrem Auszug aus der LEA aufrechterhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat den Antrag mangels tiefgreifenden Grundrechtseingriffs für unzulässig erklärt, soweit er gegen in der Hausordnung geregelte Kontrollen am Eingang und auf dem Gelände der LEA gerichtet war. Soweit sich der Antrag gegen die Befugnisse zum Betreten und Kontrollieren der Zimmer der Bewohner richtete, hat der Verwaltungsgerichtshof den Antrag für zulässig gehalten und die Unwirksamkeit der entsprechenden Regelungen der Hausordnung festgestellt. Weder die im Flüchtlingsaufnahmegesetz noch die Hausordnung enthaltenen Regelungen oder das gewohnheitsrechtlich anerkannte Hausrecht genügten den Anforderungen für den Eingriff in das Grundrecht der Wohnung. Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft seien Wohnzwecken gewidmet, so dass im Gesetz selbst die Befugnis zum Betreten und der Betretenzweck zu regeln seien. Daran fehle es vorliegend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers in Fällen wie dem vorliegenden fortbesteht. Das beklagte Land hat Revision, die Kläger Anschlussrevision eingelegt. Sie verfolgen ihre jeweiligen Begehren - umfassende Rechtmäßigkeit der Kontrollen (Land), umfassende Rechtswidrigkeit aller Kontrollen (Antragsteller) - weiter.
Der Kläger in dem Verfahren BVerwG 1 C 10.22 wendet sich gegen das Betreten seines Zimmers in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen durch den Polizeivollzugsdienst zur Nachtzeit anlässlich seiner Abschiebung nach Italien am 20. Juni 2018. Am 21. Dezember 2018 reiste der Kläger erneut ins Bundesgebiet ein.
Mit dem Begehren, die Rechtswidrigkeit des Betretens des von ihm bewohnten LEA-Zimmers feststellen zu lassen, ist der Kläger erst- und zweitinstanzlich gescheitert. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat das Betreten des Zimmers als Teil einer spezialgesetzlich geregelten Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung ohne vorherige richterliche Durchsuchungsanordnung für zulässig erachtet. Bei dem Betreten habe es sich um keine Durchsuchung gehandelt. Das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz ermächtige als besondere gesetzliche Vorschrift zum Betreten des Zimmers auch zur Nachtzeit durch Polizeivollzugsbeamte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob es für die Prüfung eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus Art. 13 Abs. 2 GG darauf ankommt, ob die Behörde subjektiv und ex ante betrachtet eine Durchsuchung in Betracht zieht, oder ob maßgeblich ist, ob objektiv und ex post betrachtet tatsächlich eine Durchsuchung stattfand. Der Kläger verfolgt sein Begehren im Revisionsverfahren weiter.
Pressemitteilung Nr. 48/2023 vom 15.06.2023
Rechtmäßigkeit des Betretens von Räumen in Flüchtlingsunterkünften
Das bloße Betreten des Zimmers einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge durch den Polizeivollzugsdienst zum Zweck der Überstellung eines ausreisepflichtigen Ausländers ist keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Antragsteller in dem Normenkontrollverfahren BVerwG 1 CN 1.22 waren als Asylbewerber nach ihrer Ankunft im Bundesgebiet zunächst in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg untergebracht. Sie wenden sich unter anderem gegen Regelungen der damals geltenden Hausordnung über die Durchführung von Zimmerkontrollen durch Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Freiburg und private Dienstleister. Die Antragsteller haben ihre Anträge auch nach Verlassen der LEA aufrechterhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag, soweit er sich gegen die Befugnisse zum Betreten und Kontrollieren der Zimmer der Bewohner richtete, für zulässig gehalten und die Unwirksamkeit der entsprechenden Regelungen der Hausordnung festgestellt.
Der Kläger in dem Verfahren BVerwG 1 C 10.22 wendet sich gegen das Betreten seines Zimmers in der LEA in Ellwangen durch den Polizeivollzugsdienst zur Nachtzeit anlässlich seiner Überstellung nach Italien im Juni 2018. Das Begehren, die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme feststellen zu lassen, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Betreten des Zimmers als Teil einer spezialgesetzlich geregelten Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung ohne vorherige richterliche Durchsuchungsanordnung für zulässig erachtet. Bei dem Betreten habe es sich um keine Durchsuchung gehandelt. Das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz ermächtige zum Betreten des Zimmers durch Polizeivollzugsbeamte auch zur Nachtzeit.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat im Verfahren BVerwG 1 CN 1.22 auf die Revision des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs geändert und den Normenkontrollantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses der nicht mehr in der LEA wohnenden Antragsteller als unzulässig abgelehnt. Im Verfahren BVerwG 1 C 10.22 hat der Senat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Bei dem vom Kläger bewohnten Zimmer in der LEA handelte es sich um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG. Zu dem nächtlichen Betreten dieses Zimmers war der Polizeivollzugsdienst nach § 6 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes befugt. Da es nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz über das bloße Betreten des Zimmers hinaus zu keiner Durchsuchungshandlung im Sinne eines ziel- und zweckgerichteten Suchens nach etwas Verborgenem kam, bedurfte die Maßnahme keiner vorherigen richterlichen Durchsuchungsanordnung (Art. 13 Abs. 2 GG). Das Betreten des Zimmers war des Weiteren zur Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach Art. 13 Abs. 7 GG erforderlich, weil es galt, den vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger noch am selben Tag nach Italien zu überstellen.
BVerwG 1 CN 1.22 - Urteil vom 15. Juni 2023
Vorinstanz:
VGH Mannheim, VGH 12 S 4089/20 - Urteil vom 02. Februar 2023 -
BVerwG 1 C 10.22 - Urteil vom 15. Juni 2023
Vorinstanzen:
VGH Mannheim, VGH 1 S 1265/21 - Urteil vom 28. März 2022 -
VG Stuttgart, VG 1 K 9602/18 - Urteil vom 18. Februar 2021 -
Urteil vom 15.06.2023 -
BVerwG 1 C 10.22ECLI:DE:BVerwG:2023:150623U1C10.22.0
Wohnungsbetretung zwecks Überstellung im Dublin III-Verfahren
Leitsätze:
1. Ein in einer Aufnahmeeinrichtung (§ 47 Abs. 1 AsylG) dem Ausländer zugewiesenes Zimmer ist in der Regel eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG.
2. Die Durchsuchung einer Wohnung (Art. 13 Abs. 2 GG) erschöpft sich nicht in deren Betreten, sondern umfasst als zweites Element die Vornahme von Handlungen in den Räumen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung; vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 1974 - 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <35 ff.> und vom 25. August 2004 - 6 C 26.03 - BVerwGE 121, 345 <349>).
3. Betreten behördliche Bedienstete eine Wohnung zum Zwecke der Durchführung einer Überstellung nach Art. 29 VO (EU) Nr. 604/2013, kann dies nach Art. 13 Abs. 7 GG zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verfassungsrechtlich zulässig sein.
-
Rechtsquellen
GG Art. 13 Abs. 1, 2 und 7 VwGO § 43 Abs. 1 AufenthG § 58 AsylG § 47 Abs. 1 FlüAG BW §§ 6, 9 VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 27, 29 RL 2013/33/EU Art. 7, 18 -
Instanzenzug
VG Stuttgart - 18.02.2021 - AZ: 1 K 9602/18
VGH Mannheim - 28.03.2022 - AZ: 1 S 1265/21
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 15.06.2023 - 1 C 10.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:150623U1C10.22.0]
Urteil
BVerwG 1 C 10.22
- VG Stuttgart - 18.02.2021 - AZ: 1 K 9602/18
- VGH Mannheim - 28.03.2022 - AZ: 1 S 1265/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger
und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl
für Recht erkannt:
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. März 2022 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der nach seinen Angaben 1989 geborene Kläger ist Staatsangehöriger Kameruns. Er reiste nach einem Voraufenthalt in Italien im Dezember 2017 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Daraufhin wurde er der vom Beklagten betriebenen Landeserstaufnahmeeinrichtung in ... zugewiesen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 14. März 2018 als unzulässig ab, stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten fest und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Unter dem 11. April 2018 teilte das Bundesamt der Landeserstaufnahmeeinrichtung mit, Italien habe einer Überstellung des Klägers zugestimmt, die montags bis freitags mit einer Ankunftszeit zwischen 8.00 Uhr und 14.00 Uhr auf dem Luftweg zu erfolgen habe.
2 Die Überstellung des Klägers wurde am 20. Juni 2018 durchgeführt. Die Maßnahme begann um 4.00 Uhr morgens. Zwei Polizeivollzugsbeamte begaben sich zunächst zu dem dem Kläger zur Mitnutzung zugewiesenen Zimmer in der Einrichtung, wo sich der Kläger aber nicht aufhielt. Die Beamten trafen den Kläger sodann in den öffentlich zugänglichen Bereichen bei den Sanitäranlagen an. Sie erfragten seinen Namen und begleiteten ihn in das Zimmer. Dort händigte der Kläger den Beamten seinen Ausweis aus und packte seine persönlichen Gegenstände. Im Folgenden wurde der Kläger aus der Einrichtung zum Flughafen ... und dort in das um 10.50 Uhr nach Italien abfliegende Flugzeug verbracht.
3 Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit mehrerer seitens des Beklagten ihm gegenüber durchgeführter Maßnahmen begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betretens des Zimmers am 20. Juni 2018 gerichtet gewesen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Das Betreten des Zimmers des Klägers sei nach § 6 Abs. 1 und 2 LVwVG BW ohne vorherige richterliche Anordnung zulässig gewesen. Das dem Kläger zugewiesene Zimmer sei eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG. Die Polizeivollzugsbeamten hätten dieses Zimmer jedoch nicht durchsucht. Das Betreten des Zimmers habe den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine solche Maßnahme genügt.
4 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das Betreten des Zimmers stelle eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG dar und sei daher ohne vorherige richterliche Anordnung nicht zulässig gewesen. Selbst wenn man eine Durchsuchung verneine, habe die Maßnahme gegen Art. 13 Abs. 1 GG verstoßen.
5 Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
6 Die Vertreterin des Bundesinteresses unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten.
II
7 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die angegriffene Maßnahme sei rechtmäßig gewesen, steht im Ergebnis im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
8 1. Dem Berufungsurteil liegt die Auffassung zugrunde, die seitens der Bediensteten des Beklagten am 20. Juni 2018 durchgeführten Maßnahmen fänden ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG BW) vom 12. März 1974 (GBl. 1974, 93) in der seit dem 23. Februar 2017 unveränderten Fassung (GBl. S. 99, 100). Dabei komme es nicht darauf an, ob sich eine weitere Person, der das Zimmer ebenfalls zur Mitnutzung zugewiesen gewesen sei, in dem Zimmer aufgehalten habe. Die Maßnahmen seien auch dann von § 6 Abs. 1 Satz 1 LVwVG BW gedeckt, wenn weitere Personen Mitbesitz an dem Zimmer gehabt hätten, deren Einwilligung nicht erforderlich gewesen sei. An diese Anwendung und Auslegung des irrevisiblen Landesrechts ist das Revisionsgericht gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO).
9 2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht dabei angenommen, dass es sich bei dem Zimmer, das dem Kläger in der Aufnahmeeinrichtung zugewiesen war, um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG handelte (a). Die getroffenen Maßnahmen stellten aber keine Durchsuchung dieser Wohnung dar, sodass eine vorherige richterliche Anordnung (Art. 13 Abs. 2 GG) nicht erforderlich war (b). Das im Streit stehende Vorgehen der Bediensteten des Beklagten war nach Art. 13 Abs. 7 GG verfassungsrechtlich zulässig (c).
10 a) Bei dem von dem Kläger am 20. Juni 2018 mitgenutzten Zimmer in der Aufnahmeeinrichtung ... handelt es sich um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG.
11 aa) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird den Einzelnen im Hinblick auf ihre Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In ihren Wohnräumen haben die Einzelnen das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Art. 13 Abs. 1 GG gewährt ein Abwehrrecht zum Schutz der räumlichen Privatsphäre und soll Störungen vom privaten Leben fernhalten (BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 130). Das Grundrecht schützt den räumlich-gegenständlichen Bereich der Privatsphäre und gewährt einen absoluten Schutz des Verhaltens in den Wohnräumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt. Für diese benötigt jeder Mensch ein räumliches Substrat, in dem er für sich sein und sich nach selbstgesetzten Maßstäben frei entfalten, also die Wohnung bei Bedarf als "letztes Refugium" zur Wahrung seiner Menschenwürde nutzen kann (BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 - BVerfGE 156, 63 Rn. 228). Der Begriff der Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG ist daher weit auszulegen (BVerwG, Urteil vom 25. August 2004 - 6 C 26.03 - BVerwGE 121, 345 <348>; vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - BVerfGE 32, 54 <69 ff.>).
12 bb) Wer Träger des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG ist, entscheidet sich nicht nach der Eigentumslage, sondern grundsätzlich danach, wer Nutzungsberechtigter der im jeweiligen Einzelfall betroffenen Wohnung ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juni 2018 - 2 BvR 1562/17 - NJW 2018, 2395 Rn. 38 m. w. N.), unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die Nutzung beruht (BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279 <326>).
13 In diesem Sinne Nutzungsberechtigter ist bei einem Zimmer in einer Aufnahmeeinrichtung der Ausländer, dem das Zimmer zur alleinigen Nutzung oder zur Mitnutzung zugewiesen wurde. Er ist nicht nur dazu verpflichtet, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (vgl. § 47 Abs. 1 AsylG), sondern - wie der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung irrevisiblen Landesrechts (§ 6 FlüAG BW) erkannt hat - während des für die Dauer der Erstaufnahme bestehenden öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses auch berechtigt, die ihm in der Einrichtung zugewiesene Unterkunft als privaten Rückzugsraum zu widmen und zu nutzen. Dem steht, wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgeführt hat, § 47 Abs. 1 AsylG nicht entgegen. Die Vorschrift zielt nicht darauf, den betroffenen Ausländer gänzlich aus dem persönlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG auszuschließen.
14 Dies widerspräche auch unionsrechtlichen Vorgaben. Für die Unterbringung von Schutzsuchenden ist bei der Auslegung des Art. 13 Abs. 1 GG insbesondere die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 S. 96, im Folgenden: RL 2013/33/EU) zu beachten. Diese Richtlinie beansprucht Anwendung "in allen Räumlichkeiten und Einrichtungen für die Unterbringung von Antragstellern [auf internationalen Schutz] und so lange, wie sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen" (Erwägungsgrund 8). Sie beruht auf der Überlegung, dass "Normen für die Aufnahme von Antragstellern festgelegt werden [sollten], die diesen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten." (Erwägungsgrund 11). Nach Art. 7 Abs. 1 RL 2013/33/EU dürfen sich Antragsteller grundsätzlich "im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats oder in einem ihnen von diesem Mitgliedstaat zugewiesenen Gebiet frei bewegen. Das zugewiesene Gebiet darf die unveräußerliche Privatsphäre nicht beeinträchtigen und muss hinreichenden Raum dafür bieten, dass Gewähr für eine Inanspruchnahme aller Vorteile aus dieser Richtlinie gegeben ist". Das Unionsrecht steht zwar der Einrichtung von "Unterbringungszentren" (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b RL 2013/33/EU) und auch räumlichen Beschränkungen nicht entgegen (vgl. Art. 7 Abs. 2 RL 2013/33/EU: "Beschluss über den Aufenthaltsort"). Es setzt aber voraus, dass dort ein "angemessene[r] Lebensstandard" gewährleistet ist (Art. 18 Abs. 1 Buchst. b RL 2013/33/EU) und dass das "zugewiesene Gebiet" – solange der Ausländer nicht ausnahmsweise in Haft genommen wurde – "die unveräußerliche Privatsphäre nicht beeinträchtig[t]" (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 RL 2013/33/EU). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben, die auch bei der Auslegung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes zu berücksichtigen sind (vgl. § 1 FlüAG BW; zum Gebot, unionsrechtlichen Vorschriften volle Wirksamkeit zu verschaffen, vgl. EuGH, Große Kammer, Urteil vom 19. November 2019 - C-624/18 u. a. [ECLI:EU:C:2019:982] - Rn. 157 ff.), wäre es nicht zu vereinbaren, § 47 Abs. 1 AsylG oder § 6 FlüAG BW dahin auszulegen, dass es Ausländern, die einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen wurden, von vornherein untersagt sei, den ihnen im Rahmen des öffentlich-rechtlich begründeten Nutzungsverhältnisses zugewiesenen Raum zum Rückzugsort für die Ausübung ihrer "unveräußerlichen Privatsphäre" zu widmen.
15 cc) Hieran gemessen stellte das dem Kläger in der Aufnahmeeinrichtung ... zur Mitnutzung zugewiesene Zimmer eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG dar. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger als der für den zugewiesenen Raum Nutzungsberechtigte diesen ausdrücklich oder konkludent zum Rückzugsbereich der privaten Lebensgestaltung in dem Sinne gemacht, dass ihm dort ein abgrenzbarer elementarer Lebensraum und ein Mindestmaß an persönlicher Sphäre zur Verfügung stand.
16 b) Die mit der Klage angegriffenen Maßnahmen stellten keine Durchsuchung (Art. 13 Abs. 2 GG) der Wohnung des Klägers dar und bedurften daher keiner vorherigen richterlichen Anordnung.
17 aa) Eine Durchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung nicht von sich aus offenlegen oder herausgeben will (BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 2020 - 2 BvE 2/19 - BVerfGE 154, 354 Rn. 33 m. w. N.). Die Durchsuchung erschöpft sich nicht in einem Betreten der Wohnung, sondern umfasst als zweites Element die Vornahme von Handlungen in den Räumen (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1987 - 1 BvR 1202/84 - BVerfGE 76, 83 <89>). Die gesetzlich zulässigen Durchsuchungen dienen als Mittel zum Auffinden und Ergreifen einer Person, zum Auffinden, Sicherstellen oder zur Beschlagnahme einer Sache oder zur Verfolgung von Spuren. Begriffsmerkmal der Durchsuchung ist somit die Suche nach Personen oder Sachen oder die Ermittlung eines Sachverhalts in einer Wohnung. Eine solche Maßnahme ist mit dem Betreten einer Wohnung durch Träger hoheitlicher Gewalt nicht notwendigerweise verbunden. Eine Wohnung kann auch zur Vornahme anderer Amtshandlungen betreten werden. So ist beispielsweise die Besichtigung einer Wohnung zur Feststellung, ob der Inhaber seinen Beruf ordnungsgemäß ausübt, keine Durchsuchung der Wohnung. Kennzeichnend für die Durchsuchung ist demgegenüber die Absicht, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen kann. Demgemäß macht die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen den Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer Durchsuchung. Auch die bloße Aufforderung an die sich in einer Wohnung aufhaltenden Personen, den Raum zu verlassen, stellt keine Durchsuchung der Wohnung dar, weil damit die öffentliche Gewalt nicht in der für Durchsuchungen typischen Weise in das private Leben des Bürgers und in die räumliche Sphäre, in der es sich entfaltet, eindringt (BVerwG, Urteile vom 6. September 1974 - 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <35 ff.> und vom 25. August 2004 - 6 C 26.03 - BVerwGE 121, 345 <349>).
18 Nicht zu folgen ist der Auffassung der Revision, von einem insoweit einzunehmenden ex-ante-Standpunkt aus sei stets allein auf den Zweck des Auffindens einer Person abzustellen, unabhängig davon, ob auch nur die geringste Suchhandlung stattgefunden hat (vgl. in diesem Sinne OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. März 2021 - OVG 3 M 143/20 u. a. - juris, dort auch zum mit Art. 13 Abs. 2 GG übereinstimmenden Begriff der Durchsuchung im Sinne von § 58 Abs. 6 AufenthG; OVG Hamburg, Urteil vom 18. August 2020 - 4 Bf 160/19 - NVwZ-RR 2021, 322). Ein derartiges Verständnis ebnete die vom Verfassungsgeber mit Blick auf die unterschiedliche Eingriffsintensität nach Art. 13 Abs. 2 und 7 GG vorgenommene Unterscheidung zwischen Betreten und Durchsuchen ein. Diese Differenzierung liegt im Übrigen auch einschlägigen gesetzlichen Regelungen wie etwa § 58 Abs. 5 ff. AufenthG und § 6 Abs. 1 Satz 1 LVwVG BW zugrunde.
19 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es im Rahmen der Wahrnehmung von Aufgaben der Verwaltungsvollstreckung jeweils von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängen kann, ob eine Behörde eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG durchführen muss. Wenn die Behörde mit der Durchführung einer Abschiebung oder einer anderen Vollstreckungsmaßnahme beginnt, ohne zuvor eine richterliche Durchsuchungsanordnung beantragt zu haben, geht sie das Risiko ein, die Maßnahme vor Ort abbrechen zu müssen, weil es sich als erforderlich erweist, eine Durchsuchung durchführen zu müssen.
20 bb) Nach diesen Maßstäben und auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist es in der Nacht des 20. Juni 2018 zu keinem Zeitpunkt zu einer Durchsuchung des dem Kläger zur Nutzung zugewiesenen Zimmers in der Aufnahmeeinrichtung Ellwangen gekommen. Dem Blick der Polizeivollzugsbeamten in das dem Kläger zugewiesene Zimmer (erster Handlungsabschnitt) fehlte es am Merkmal der ziel- und zweckgerichteten Suche nach Personen oder Sachen, die sich im Verborgenen aufhalten; insoweit blieb es bei einer bloßen Kenntnisnahme der tatsächlichen Gegebenheiten. Der - verwirklichte - Zweck des Betretens des Zimmers durch die Beamten in Begleitung des Klägers (zweiter Handlungsabschnitt) erschöpft sich in der dort stattfindenden Entgegennahme der Identitätspapiere, die sich nach den Angaben des Klägers dort befinden sollten und die der zu diesem Zeitpunkt noch kooperative Kläger auf Aufforderung selbst ausgehändigt hat. Auch insoweit mangelt es an einer behördlichen Suchhandlung.
21 c) Im Ergebnis zu Recht (§ 144 Abs. 4 VwGO) hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die mit der Klage angegriffenen Maßnahmen verfassungsrechtlich zulässig waren.
22 aa) Diese bemessen sich allerdings nicht nach den Grundsätzen, die für das Betreten von Betriebs- und Geschäftsräumen gelten. Derartige behördliche Maßnahmen stellen wegen des hierbei verringerten grundrechtlichen Schutzbedürfnisses keine Eingriffe und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG dar. Die bezeichneten Räume sind nach ihrer Zweckbestimmung durch eine größere Offenheit nach außen gekennzeichnet. Sie sind zur Aufnahme sozialer Kontakte bestimmt und damit in gewissem Umfang aus der privaten Intimsphäre entlassen. Da dies nach dem Willen des Inhabers selbst erfolgt, ist das Schutzbedürfnis bei derartigen Räumlichkeiten gemindert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - BVerfGE 32, 54 <75 f.> und Urteil vom 17. Februar 1998 - 1 BvF 1/91 - BVerfGE 97, 228 <266>). Bei Zimmern in einer Erstaufnahmeeinrichtung greifen diese Erwägungen nicht ein. Sie stellen vielmehr typischerweise die einzige Möglichkeit für die Bewohner dar, eine räumliche Privatsphäre zu schaffen und zu erhalten, und sind damit gerade nicht zur Kontaktaufnahme nach außen bestimmt. Bei ihnen greift vielmehr der Schutzzweck des Art. 13 Abs. 1 GG voll durch, dem Einzelnen das Recht zu sichern, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - BVerfGE 32, 54 <75 f.>).
23 bb) Die Maßnahmen waren indes nach Art. 13 Abs. 7 GG zulässig. Danach dürfen Eingriffe und Beschränkungen in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung unter anderem aufgrund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die angegriffenen Maßnahmen erfüllt.
24 Die hiernach erforderliche dringende Gefahr besteht nicht schon bei einer bevorstehenden oder drohenden Gefahr im polizeirechtlichen Sinne, aber auch nicht erst bei einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr. Die dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung braucht nicht bereits eingetreten zu sein. Es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde. Eine dringende Gefahr im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG liegt daher vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiven zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges Rechtsgut schädigen wird; dabei ist mit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine große Bandbreite von Schutzgütern angesprochen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich ferner, dass in die Wohnungsfreiheit nur eingegriffen werden darf, wenn und soweit die Maßnahme zur Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich ist, und dass im Einzelfall die rechtsstaatliche Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung abgewogen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 146 und Urteil vom 13. Februar 1964 - 1 BvL 17/61 u. a. - BVerfGE 17, 232 <251 f.>; BVerwG, Urteil vom 6. September 1974 - 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <40>).
25 cc) Die erforderliche spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. März 2018 - 2 BvR 253/18 - NJW 2018, 2185 Rn. 21) ist mit dem Verwaltungsgerichtshof in § 6 Abs. 1 Satz 1 LVwVG BW zu sehen. Danach ist der Vollstreckungsbeamte befugt, das Besitztum des Pflichtigen zu betreten, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Die Vorschrift genügt den verfassungsrechtlichen Bestimmungsanforderungen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 - BVerfGE 130, 1 <32>), da sie für das Betreten der Wohnung eine Erforderlichkeit nach dem Zweck der Vollstreckung verlangt. In diesem Sinne erforderlich kann die Maßnahme nur sein, wenn die jeweiligen verfassungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse - hier die Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG - gegeben sind.
26 dd) Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lag hier eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor. Ohne die angegriffenen Maßnahmen wäre die für den 20. Juni 2018 vorgesehene Überstellung des Klägers nach Italien nicht möglich gewesen. Deren Fehlschlag hätte zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung mehrerer Rechtsgüter geführt. Er hätte nicht nur die Durchführung der nach § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 34a Abs. 1 AsylG gesetzlich gebotenen und nicht ins Ermessen des Beklagten gestellten Abschiebung verhindert. Vielmehr bestand darüber hinaus die Gefahr, dass der Beklagte seinen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden Pflichten nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31 - VO (EU) Nr. 604/2013), namentlich deren Art. 29, nicht hätte nachkommen können.
27 Nach dem vierten und fünften Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 sollte das gemeinsame Europäische Asylsystem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen. Eine solche Formel sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden. Diese unionsrechtlichen Vorgaben sind auch im Rahmen einer Überstellung gemäß Art. 29 VO (EU) Nr. 604/2013 von erheblicher Bedeutung: Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 erfolgt die Überstellung des Betroffenen aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem in der Vorschrift näher bestimmten Zeitpunkt. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (Art. 29 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013), ohne dies von irgendeiner Reaktion des zuständigen Mitgliedstaats abhängig zu machen. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem im fünften Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 erwähnten Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz, indem sie bei einer verzögerten Durchführung des Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahrens gewährleistet, dass der Antrag auf internationalen Schutz in dem Mitgliedstaat geprüft wird, in dem sich der Antragsteller aufhält, damit die Prüfung nicht weiter aufgeschoben wird (EuGH, Große Kammer, Urteil vom 25. Oktober 2017 - C-201/16 [ECLI:EU:C:2017:805], Shiri - Rn. 30 f.).
28 Soweit zudem Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gestellt haben, sich veranlasst sehen könnten, sich in andere Mitgliedstaaten zu begeben und somit Sekundärmigration zu bewirken, will die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 dies gerade verhindern, indem sie einheitliche Mechanismen und Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats einführt. Ein zentraler Grundsatz der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 besteht überdies nach ihrem Art. 3 Abs. 1 darin, dass ein Antrag auf internationalen Schutz nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird (vgl. EuGH, Große Kammer, Urteil vom 2. April 2019 - C-582/17 und C-583/17 [ECLI:EU:C:2019:280] - Rn. 77 f.).
29 Bei den genannten Zielsetzungen handelt es sich um Elemente der gemeinsamen Asylpolitik der Mitgliedstaaten und damit eines wesentlichen Bestandteils des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offensteht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen (vgl. den zweiten Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013). Damit droht bei einem Fehlschlag einer Überstellung auf der Grundlage von Art. 29 VO (EU) Nr. 604/2013 eine Beeinträchtigung erheblicher Rechtsgüter von hohem Rang.
30 ee) Die angegriffenen Maßnahmen wurden zur Verhütung einer dringenden Gefahr für die genannten Rechtsgüter und damit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgenommen. Wären sie unterblieben, hätte dies zum Scheitern der rechtlich gebotenen Aufenthaltsbeendigung des Klägers und damit zugleich dazu geführt, dass die Ziele der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht umgesetzt worden wären. Ein fortdauernder Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland hätte eine zügige Bearbeitung des Schutzsuchens des Klägers im zuständigen Mitgliedstaat - Italien - gehindert und dadurch der nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zu verhindernden Sekundärmigration Vorschub geleistet.
31 ff) Aus den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich, dass der Eingriff in das Wohnungsgrundrecht geeignet und erforderlich war, um die insoweit drohende Schädigung zu verhindern. Die Maßnahmen stellten, wie der Verwaltungsgerichtshof revisionsrechtlich fehlerfrei und unter Heranziehung des einschlägigen irrevisiblen Landesrechts dargelegt hat, zweckmäßige und grundrechtsschonende Mittel der Gefahrenabwehr dar. Dies gilt angesichts der seitens des italienischen Staats mitgeteilten zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme des Klägers auch deswegen, weil damit der unionsrechtlichen Vorgabe Rechnung getragen wurde, die Überstellung gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften durchzuführen, sobald dies praktisch möglich ist (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013). Den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass den Bediensteten des Beklagten eine weniger stark in die Grundrechtsposition des Klägers eingreifende Vorgehensweise zur Verfügung gestanden hätte. Die Maßnahmen erschöpften sich in einem suchenden Blick in das Zimmer und in dessen kurzfristigem Betreten im Einvernehmen mit dem Kläger und belasteten diesen daher für sich genommen nicht übermäßig.
32 Damit überwog das öffentliche Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung im vorliegenden Fall das private Schutzinteresse des Klägers. Letzteres stand von Beginn an unter dem Vorbehalt der Beendigung des Aufenthalts des Klägers in der Aufnahmeeinrichtung und in dem Zimmer. Diese Zuweisung war von vornherein grundsätzlich auf Befristung angelegt, wie sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylG ergibt. Der Kläger musste nach dem Verfahrensverlauf vor den in Rede stehenden Maßnahmen damit rechnen, unter Verlust seiner Nutzungsberechtigung an dem Zimmer und damit seiner Grundrechtsposition aus Art. 13 Abs. 1 GG nach Italien überstellt zu werden. Dem stand das hochrangige öffentliche Interesse an der Überstellung gegenüber. Dieses konnte im vorliegenden Fall nur mittels der angegriffenen Maßnahmen, die eine geringe Eingriffsintensität aufweisen, verwirklicht werden.
33 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Urteil vom 15.06.2023 -
BVerwG 1 CN 1.22ECLI:DE:BVerwG:2023:150623U1CN1.22.0
Leitsatz:
Das Rechtsschutzinteresse für einen Normenkontrollantrag besteht trotz Erledigung der angegriffenen Rechtsvorschrift dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Das ist nicht der Fall bei der Hausordnung einer Flüchtlingsunterkunft, die nicht auf eine kurzfristige Geltungsdauer angelegt ist und deren Regelungen nicht als unmittelbar geltende Gebote und Verbote in die Rechtspositionen der Betroffenen eingreifen.
-
Rechtsquellen
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 AsylG § 47 GG Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 -
Instanzenzug
VGH Mannheim - 02.02.2022 - AZ: 12 S 4089/20
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 15.06.2023 - 1 CN 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:150623U1CN1.22.0]
Urteil
BVerwG 1 CN 1.22
- VGH Mannheim - 02.02.2022 - AZ: 12 S 4089/20
In der Normenkontrollsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger und
Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl
für Recht erkannt:
- Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Februar 2022 wird geändert, soweit es dem Antrag stattgibt. Der Antrag wird auch insoweit abgelehnt.
- Die Anschlussrevision wird zurückgewiesen.
- Die Antragsteller tragen die Kosten des Revisionsverfahrens und des Normenkontrollverfahrens, soweit letzteres sie betrifft.
Gründe
I
1 Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen Vorschriften der Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg in der vom 1. Januar 2020 bis zum 15. Dezember 2021 geltenden Fassung (im Folgenden: Hausordnung). Nach den im Revisionsverfahren noch im Streit stehenden Regelungen wird das Recht, gemeinsame Zimmerkontrollen durchzuführen, in der Regel zusätzlich auf die Alltagsbetreuung und den Sicherheitsdienst im Rahmen von § 11 dieser Hausordnung übertragen (§ 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 der Hausordnung). § 11 Abs. 1 der Hausordnung berechtigt den Sicherheitsdienst zu Kontrollen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie sonstiger Personen beim Betreten der Einrichtung und auf dem Gelände auf das Mitführen bestimmter Gegenstände. Nach § 11 Abs. 3 der Hausordnung dürfen die Einrichtungsleitung und deren Beauftragte die Zimmer der Bewohnerinnen und Bewohner nach Aufforderung oder zu vorher angekündigten Terminen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung betreten. Nach § 11 Abs. 4 der Hausordnung können die Beschäftigten des Regierungspräsidiums, des Sicherheitsdienstes und der Alltagsbetreuung unter bestimmten Voraussetzungen die Zimmer auch in Abwesenheit der betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner öffnen und betreten.
2 Während die Antragsteller in der Aufnahmeeinrichtung untergebracht waren, haben sie gegen diese Vorschriften im Dezember 2020 das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Der Antragsteller zu 2 hat die Aufnahmeeinrichtung im September 2021, der Antragsteller zu 5 hat sie im Oktober 2021 verlassen.
3 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 2. Februar 2022 festgestellt, dass § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 sowie § 11 Abs. 3 und 4 der Hausordnung unwirksam gewesen seien, und den gegen § 11 Abs. 1 der Hausordnung gerichteten Antrag abgelehnt. Bei den angegriffenen Normen handele es sich um im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Soweit sich der Antrag gegen § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 sowie § 11 Abs. 3 und 4 der Hausordnung richte, stehe deren Außerkrafttreten der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Antragsteller die Aufnahmeeinrichtung verlassen hätten. Sie hätten vor diesen Ereignissen im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie aus Art. 13 Abs. 1 GG geltend machen können. Auch nach Beendigung des Aufenthalts in der Aufnahmeeinrichtung könnten sie sich auf ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung berufen. Art. 19 Abs. 4 GG gebiete die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen tiefgreifender oder gewichtiger Grundrechtseingriffe, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache kaum erlangen könne. Zwar sei die Hausordnung nicht auf eine kurze Geltungsdauer angelegt, doch sei der Zeitraum, in dem die Bewohner der Einrichtung von der Hausordnung betroffen seien, von Gesetzes wegen auf eine vorübergehende Zeitspanne ausgerichtet, während derer eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache typischerweise nicht zu erreichen sei. Unzulässig sei der Antrag hingegen, soweit er sich gegen § 11 Abs. 1 der Hausordnung richte. Hierdurch seien die Antragsteller nicht derart tiefgreifend und schwerwiegend in ihren Grundrechten eingeschränkt worden, dass im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse begründet sei. Im Umfang seiner Zulässigkeit sei der Antrag auch begründet, da die angegriffenen Vorschriften einer hinreichend bestimmten normativen Grundlage entbehrten.
4 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Antragsgegner geltend, der Antrag sei insgesamt unzulässig. Das Verlassen der Einrichtung sei der Sphäre der Antragsteller zuzurechnen und führe zum Wegfall ihres Rechtsschutzinteresses. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht einen sich typischerweise kurzfristig erledigenden, tiefgreifenden und schweren Grundrechtseingriff angenommen.
5 Die Antragsteller verteidigen das angefochtene Urteil. Zur Begründung ihrer Anschlussrevision tragen sie vor, das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses bei einem Grundrechtseingriff, der sich typischerweise schnell erledige, erfordere wegen der objektiven Klärungsfunktion des Normenkontrollverfahrens nicht, dass dieser Eingriff schwerwiegend oder tiefgreifend gewesen sei. Im Übrigen sei diese Voraussetzung im Hinblick auf § 11 Abs. 1 der Hausordnung auch erfüllt gewesen.
6 Der Antragsgegner tritt der Anschlussrevision entgegen.
II
7 Die zulässige Revision des Antragsgegners ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 sowie § 11 Abs. 3 und 4 der Hausordnung unter Verstoß gegen Bundesrecht die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags bejaht, der daher auch insoweit abzulehnen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Zwar richtet sich der Normenkontrollantrag gegen Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (1.), doch fehlt den Antragstellern insgesamt das Rechtsschutzinteresse (2.). Aus diesem Grunde ist die Anschlussrevision unbegründet (3.).
8 1. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Normenkontrollgerichts, die angegriffenen Regelungen seien Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Dessen Anwendung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt revisionsgerichtlicher Kontrolle, obwohl die Norm nur eine Ermächtigung an den Landesgesetzgeber enthält, den Normenkontrollantrag für andere im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften zu öffnen. Davon hat Baden-Württemberg durch § 4 AGVwGO BW Gebrauch gemacht; allein diese Vorschrift kommt als unmittelbare Rechtsgrundlage der Statthaftigkeit eines Normenkontrollverfahrens in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat indessen die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags am Maßstab beider Vorschriften geprüft, ohne zwischen ihnen zu differenzieren. Sein Verständnis der landesrechtlichen Vorschrift beruht auf der Auslegung der revisiblen Norm des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, an die er sich gebunden gefühlt hat. § 4 AGVwGO BW hat danach mit dem Begriff der "Rechtsvorschrift" den entsprechenden bundesrechtlichen Begriff in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO übernommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 CN 1.15 - BVerwGE 154, 247 Rn. 13 f.).
9 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit Bundesrecht ausgeführt hat, sind nach dem gebotenen weiten Begriffsverständnis auch solche abstrakt-generellen Regelungen der Exekutive als Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO anzusehen, die rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentliche Rechte unmittelbar berühren. Einer Regelung kommt unmittelbare Außenwirkung zu, wenn sie nicht nur binnenrechtlich wirkt, sondern Bindungswirkung auch gegenüber den Bürgern oder anderen Rechtssubjekten entfaltet und durch sie gleichsam als "Schlussstein" die gesetzlichen Vorgaben konkretisiert werden (BVerwG, Beschluss vom 30. November 2017 - 6 BN 1.17 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 212 Rn. 7 m. w. N.). Das hat der Verwaltungsgerichtshof hier angenommen und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass nach seiner irrevisiblen Auslegung des § 6 Abs. 3 FlüAG BW, an die der Senat gebunden ist (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO), § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 sowie § 11 Abs. 3 und 4 der Hausordnung selbstständige, abstrakt-generelle Rechtssätze mit Eingriffsbefugnissen darstellten. Dieses Verständnis ist mit dem bundesrechtlichen Begriff der Rechtsvorschrift vereinbar.
10 2. Den Antragstellern fehlt indessen ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Regelungen, die während der Anhängigkeit des Normenkontrollverfahrens außer Kraft getreten sind.
11 Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zwar geht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vom Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift aus. Ist die angegriffene Norm während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, bleibt er aber zulässig, wenn der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die zur Prüfung gestellte Norm oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt oder verletzt worden zu sein. Darüber hinaus muss er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Rechtsvorschrift unwirksam war (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 9 m. w. N.). An diesem berechtigten Interesse mangelt es den Antragstellern.
12 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen und bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <85 f.> m. w. N.; Kammerbeschlüsse vom 11. April 2018 - 2 BvR 2601/17 - juris Rn. 32 ff. und vom 26. Januar 2021 - 2 BvR 676/20 - juris Rn. 30 f.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 13). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
13 Die Hausordnung stellt bereits keine Maßnahme dar, die sich typischerweise erledigt, bevor gerichtlicher Rechtsschutz dagegen erlangt werden kann. Eine Hausordnung einer Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof richtig erkannt hat, nicht auf eine nur kurzfristige Geltung angelegt, sondern soll grundsätzlich dauerhaft das Benutzungsverhältnis hinsichtlich der Einrichtung regeln. Dies gilt auch für die hier zur Prüfung gestellten Regelungen. Dem entspricht es, dass die Hausordnung zwar das Datum ihres Inkrafttretens, aber nicht den Tag ihres Außerkrafttretens bestimmt (vgl. § 14 der Hausordnung). Sie wurde erst nach knapp zweijähriger Geltungsdauer zum 15. Dezember 2021 durch eine Neuregelung ersetzt.
14 Eine besondere Schutzwürdigkeit des von den Antragstellern geltend gemachten Klärungsinteresses ist ferner deswegen zu verneinen, weil die angegriffenen Regelungen nicht als unmittelbar geltende Gebote und Verbote in die Rechtspositionen der Betroffenen eingreifen. Damit bewirken sie noch keinen Grundrechtseingriff, gegen den nach dem typischen Geschehensablauf gerichtlicher Rechtsschutz nach Erledigung nur im Wege des Normenkontrollverfahrens erlangt werden kann. Daher kommt es entgegen der Auffassung des Normenkontrollgerichts auch nicht darauf an, für welchen Zeitraum sich die asylsuchenden Ausländer nach Maßgabe des § 47 AsylG in der Aufnahmeeinrichtung und damit im räumlichen Geltungsbereich der Hausordnung aufhalten.
15 Die unmittelbare Belastung der Betroffenen tritt vielmehr erst durch die aufgrund der angegriffenen Regelungen getroffenen Maßnahmen ein. Hiergegen stehen den Betroffenen Rechtsschutzmöglichkeiten im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang zur Verfügung.
16 Nach der insoweit bindenden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO) Auslegung der landesrechtlichen Normen durch das Normenkontrollgericht handelt es sich bei diesen um abstrakt-generelle Rechtssätze mit Eingriffsbefugnissen (UA S. 17). Auch wenn diese Rechtssätze nach der Auffassung des Normenkontrollgerichts die subjektive Rechtsstellung der Benutzer der Einrichtung unmittelbar berühren konnten, stellen sie für sich genommen noch keinen direkten Eingriff in subjektive Rechtspositionen dar. Ein solcher erfolgt erst durch die Wahrnehmung dieser Befugnisse gegenüber bestimmten Betroffenen im Einzelfall. Dabei eröffnen die angegriffenen Regelungen zudem, wie sich aus der Verwendung der Worte "in der Regel" (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 der Hausordnung), "dürfen" (vgl. § 11 Abs. 3 der Hausordnung) und "können" (vgl. § 11 Abs. 4 der Hausordnung) ergibt, gewisse Spielräume, von deren Wahrnehmung im Einzelfall Umfang und Intensität des jeweiligen Eingriffs abhängen. Dieses Verständnis der angegriffenen Regelungen als Rechtsgrundlagen für Einzelfallmaßnahmen liegt auch dem Normenkontrollurteil zugrunde, nach dem die in der Einrichtung tätigen Personen die Befugnisse aus der Hausordnung regelmäßig gegenüber den Antragstellern in Anspruch genommen und angewandt haben (UA S. 25 f.).
17 Einzelfallmaßnahmen, für welche die Hausordnung als Rechtsgrundlage herangezogen wird, unterliegen in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, die den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz gewährleistet. Das gilt unabhängig davon, dass sich diese Maßnahmen ihrerseits typischerweise durch ihren Vollzug und damit kurzfristig erledigen. Sie können in diesem Fall - soweit es sich um Verwaltungsakte handelt - mittels der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) und im Übrigen mittels der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) überprüft werden. Namentlich setzt in derartigen Fällen die Zulässigkeit verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelfe nicht voraus, dass sich diese gegen Verwaltungsakte richten. Ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO kann im Hinblick auf die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, zu bejahen sein (BVerwG, Urteil vom 29. April 1997 - 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 7 f.). Auch im Übrigen ist es zumutbar, gerichtlich gegen Einzelmaßnahmen vorzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2016 - 3 BN 1.15 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 210 Rn. 5).
18 Darüber hinaus wird die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes dadurch gesichert, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch vorbeugender Rechtsschutz erlangt werden kann. Zwar stellt die Verwaltungsgerichtsordnung ein System nachgängigen Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich ausreicht. Vorbeugende Rechtsbehelfe sind aber dann zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz - einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes - mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - 6 C 7.13 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 104 Rn. 17 m. w. N.). Ob eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, bedarf der Prüfung im Einzelfall, erscheint aber etwa mit Blick auf Zimmerkontrollen nach Maßgabe von Regelungen, wie sie hier zur Prüfung gestellt sind, nicht von vornherein ausgeschlossen.
19 Ein weitergehendes Verständnis des Rechtsschutzinteresses folgt nicht aus der von den Antragstellern ins Feld geführten objektiven Kontrollfunktion der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Diese weist eine doppelte Funktion als subjektives Rechtsschutzverfahren und als objektives Prüfungsverfahren auf. Die erforderliche subjektive Betroffenheit ist als eine Voraussetzung der Zulässigkeit des Verfahrens ausgestaltet. Sie und die weiteren prozessualen Voraussetzungen des Normenkontrollverfahrens bestimmen die Frage, ob und in welcher Hinsicht das Normenkontrollgericht tätig werden darf. Erst wenn das Gericht auf der Grundlage eines in dieser Weise zulässigen Antrags in eine materielle Prüfung der Gültigkeit der angegriffenen Vorschrift eingetreten ist, tritt die Funktion des Normenkontrollverfahrens als eines auch objektiven Verfahrens in den Vordergrund (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991 - 4 NB 3.91 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 59 S. 84). Das Vorliegen der erforderlichen subjektiven Voraussetzungen, zu denen das fortbestehende Rechtsschutzinteresse im Falle der Erledigung der angegriffenen Regelungen gehört, kann daher nicht durch den Verweis auf die objektive Kontrollfunktion ersetzt werden. Dies gilt für die Normenkontrolle auch deswegen, weil die Gewährleistung des Individualrechtsschutzes durch die Neufassung des § 47 VwGO im Rahmen des 6. VwGO-Änderungsgesetzes ein stärkeres Gewicht erhalten hat (BT-Drs. 13/3993 S. 10).
20 Art. 19 Abs. 4 GG erfordert auch im Übrigen nicht, den Fortbestand des Rechtsschutzinteresses der Antragsteller zu bejahen, um ihnen den Zugang zur Normenkontrolle trotz Erledigung der angegriffenen Regelungen zu eröffnen. Das Normenkontrollverfahren ist verfassungsrechtlich nicht geboten, da über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten jedes subjektive Recht durchgesetzt werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 CN 1.15 - BVerwGE 157, 247 Rn. 21 m. w. N.). Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet zudem selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in Grundrechte nicht, ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse anzunehmen, wenn dies nicht zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes erforderlich ist (vgl. zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 31). Schließlich gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG keine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar einen vollständigen Instanzenzug (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 32).
21 Nach diesen Maßstäben bietet die Verwaltungsgerichtsordnung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen behördliches Vorgehen auf der Grundlage von Regelungen wie den hier angegriffenen. Derartige Maßnahmen können verwaltungsgerichtlich überprüft werden; hierfür stehen die Fortsetzungsfeststellungsklage, die Feststellungsklage und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vorbeugende Rechtsbehelfe zur Verfügung. Dabei unterliegen auch die als Rechtsgrundlage in Anspruch genommenen Regelungen der Kontrolle. Einer zusätzlichen Überprüfung nach ihrem Außerkrafttreten im Wege der Normenkontrolle bedarf es daher von Verfassungs wegen nicht. Abgesehen davon betrug die Geltungsdauer der angegriffenen Regelungen nahezu zwei Jahre, so dass während dieser Zeit die Durchführung eines Normenkontrollverfahrens jedenfalls nicht von vornherein typischerweise ausgeschlossen war.
22 3. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Im Ergebnis zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den Normenkontrollantrag für unzulässig erachtet, soweit er sich gegen § 11 Abs. 1 der Hausordnung richtet. Hierfür fehlt den Antragstellern aus den dargelegten Gründen ebenfalls das Rechtsschutzinteresse. Ob dieses darüber hinaus aus den im Normenkontrollurteil angeführten Gründen zu verneinen ist, bedarf daher keiner Entscheidung.
23 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Der Senat hat die offensichtlich unrichtige Bezeichnung der Antragsteller als Kläger und des Normenkontrollverfahrens als Berufungsverfahren in der Urteilsformel, die in der mündlichen Verhandlung verkündet wurde, in entsprechender Anwendung des § 118 VwGO berichtigt.
Beschluss vom 30.11.2023 -
BVerwG 1 C 14.23ECLI:DE:BVerwG:2023:301123B1C14.23.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.11.2023 - 1 C 14.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:301123B1C14.23.0]
Beschluss
BVerwG 1 C 14.23
- VG Stuttgart - 18.02.2021 - AZ: 1 K 9602/18
- VGH Mannheim - 28.03.2022 - AZ: 1 S 1265/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. November 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl
beschlossen:
- Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2023 - BVerwG 1 C 10.22 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Gründe
1 Die Anhörungsrüge ist gemäß § 152a Abs. 2 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in seinem Urteil vom 15. Juni 2023 - BVerwG 1 C 10.22 - nicht verletzt.
2 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2023 - 1 B 77.22 - juris Rn. 3 m. w. N.). Gemessen hieran zeigt der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht auf.
3 Der Kläger beanstandet, der Senat habe nicht zur Kenntnis genommen, dass das Berufungsgericht einzelne Modalitäten der angegriffenen Maßnahmen ausdrücklich offengelassen habe, und das Vorbringen in der Revisionsbegründung hierzu übergangen. Dies führt nicht auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Senat hat seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, dass sich eine Durchsuchung nicht in einem Betreten der Wohnung erschöpft, sondern als zweites Element die Vornahme von Handlungen in Gestalt einer Suche nach Personen oder die Ermittlung eines Sachverhalts erfordert (Rn. 17). Auf die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Beamte des Polizeivollzugsdienstes "einen Schritt in das Zimmer" des Klägers getan und dabei das Licht oder seine Taschenlampe angeschaltet hat (UA S. 49, 52), kam es daher nicht an, da allenfalls ein kurzfristiges Betreten nebst einer Einsichtnahme, aber keine Suchhandlung erfolgte.
4 Der Senat hat auch nicht das Vorbringen des Klägers zu einer - fehlenden - Einwilligung beim gemeinsamen Betreten mit den Beamten des Polizeivollzugsdienstes übergangen. Das Berufungsgericht hat ein kooperatives Verhalten des Klägers zu diesem Zeitpunkt festgestellt (UA S. 51). Dass der Senat hieraus andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als der Kläger, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
5 Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Senat habe sein Vorbringen zur fehlenden Gefahrenlage und zur Erforderlichkeit der Wohnungsbetretung unberücksichtigt gelassen, setzt er lediglich seine Würdigung des Sachverhalts an die Stelle derjenigen des Senats, zeigt aber keine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG auf. Der Senat hat den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entnommen, dass die angegriffenen Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes angesichts der zeitlichen und räumlichen Vorgaben des italienischen Staates für eine Aufnahme des Klägers zweckmäßige und grundrechtsschonende Mittel der Gefahrenabwehr darstellten (Rn. 31), und ist damit der anderweitigen Auffassung der Revision nicht gefolgt.
6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.