Verfahrensinformation
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung im Abschnitt Asbeck - Haddorfer See. Die Leitung ist rund 33,5 km lang und gehört zum südlichen Teil des Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein. Das im Außenbereich der Gemeinde Metelen belegene Grundstück der Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 15.20 ist nur etwa 70 m von der Leitungstrasse entfernt. Sie machen – ebenso wie die Gemeinde Metelen (Verfahren BVerwG 4 A 16.20) – geltend, dass die Trassenwahl im Bereich Metelen abwägungsfehlerhaft sei. Eine großräumigere östliche Umgehung des Siedlungsbereichs von Metelen oder eine Erdkabelvariante seien vorzugswürdig. Der Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 17.20 ist Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke im Bereich Wettringen, die für Maststandorte und Schutzstreifen der Leitung in Anspruch genommen werden. Er wendet sich gegen die konkrete Art und Weise der Trassenführung im Bereich seiner Grundstücke. Die Parallelführung der geplanten und einer bereits vorhandenen 380-kV-Leitung belaste ihn übermäßig; demgegenüber sei eine gemeinsame Führung der beiden Leitungen auf den neu zu errichtenden Masten geboten.
Pressemitteilung Nr. 67/2022 vom 10.11.2022
Klagen gegen Höchstspannungsfreileitung im Bereich Metelen und Wettringen erfolglos
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute Klagen gegen eine Höchstspannungsfreileitung abgewiesen.
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss genehmigt die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung im Abschnitt Asbeck - Haddorfer See. Die Leitung ist rund 33,5 km lang und gehört zum südlichen Teil des Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein.
Die Gemeinde Metelen und dort im Außenbereich in der Nähe der geplanten Leitung wohnende Kläger konnten mit ihren Einwänden gegen die Trassenwahl im Bereich Metelen nicht durchdringen. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich frei von beachtlichen Abwägungsfehlern gegen eine großräumigere östliche Umgehung des Siedlungsbereichs von Metelen oder eine Erdkabelvariante entschieden. Der Kläger, der in Wettringen Landwirtschaft mit Direktvermarktung ab Hof betreibt, kann nicht verlangen, dass im Bereich seiner Grundstücke auf eine Parallelführung der geplanten mit einer bereits vorhandenen 380-kV-Leitung verzichtet wird und beide Leitungen gemeinsam auf den neu zu errichtenden Masten geführt werden.
BVerwG 4 A 15.20 - Urteil vom 10. November 2022
BVerwG 4 A 16.20 - Urteil vom 10. November 2022
BVerwG 4 A 17.20 - Urteil vom 10. November 2022
Urteil vom 10.11.2022 -
BVerwG 4 A 15.20ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A15.20.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 10.11.2022 - 4 A 15.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A15.20.0]
Urteil
BVerwG 4 A 15.20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
am 10. November 2022 für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe
I
1 Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.
2 Der Beschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See durch die beigeladene Übertragungsnetzbetreiberin fest. Die Trasse ist rund 33,5 km lang; auf ihr sollen 87 Masten neu errichtet werden. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des ca. 150 km langen Vorhabens Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer <Bl.> 4201). Dabei handelt es sich um den südlichen Teil des 181 km langen Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein, das in Nr. 5 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG - und darin zugleich als ein Pilotvorhaben für die Erdkabeltechnologie aufgeführt ist. Teilstrecken des Gesamtvorhabens sind dementsprechend bereits als Erdkabel verwirklicht worden bzw. planfestgestellt.
3 Die planfestgestellte Freileitung verläuft zunächst von Mast 115 bis Mast 170 in nördlicher, dann nordöstlicher Richtung und nutzt dabei im Wesentlichen den Trassenraum der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel/Niederrhein - Ibbenbüren (Bl. 2304). Der Rückbau dieser 1928 errichteten Leitung ist aufgrund des (Ersatz-)Neubaus auf etwa 28 km Länge erforderlich. Er wird im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt, dort aber vorausgesetzt, und ist zum großen Teil schon vor dessen Erlass erfolgt. Die alte Leitungstrasse wird zur Entlastung von Hofstellen verschiedentlich kleinräumig verschoben. Ab Mast 148, nordöstlich der Ortslage Metelen, verschwenkt die Leitung in Richtung Nordosten, um Wohngebäude zu umgehen und Überspannungen zu vermeiden. Danach durchquert sie die Metelener Heide an deren Rand. Ab Mast 150 läuft sie gegen Norden wieder auf die vorhandene Trasse zu. Nach einer weiteren Ausschwenkung in nördlicher Richtung kehrt die Leitung ab Mast 158 zur Bestandstrasse zurück. Ab Mast 170 verlässt die Leitung den vorhandenen Trassenraum in nördlicher Richtung, von Mast 175 bis Mast 202 wird sie im Wesentlichen parallel mit der 380-kV-Freileitung Hanekenfähr - Gersteinwerk (Bl. 4307) zunächst nach Nordwesten und später nach Norden geführt.
4 Für den Bereich der Gemeinde Metelen ließ die Beigeladene sieben Freileitungsvarianten - darunter die die Kläger schonende Variante "Metelen II" – und vier Erdkabelvarianten - darunter die Erdkabelvariante 2 - näher untersuchen. In einem Ergänzungspapier wurde eine weitere Freileitungsvariante geprüft, die eine gegenüber der ursprünglich beantragten Variante leicht veränderte und Waldflächen in geringerem Umfang in Anspruch nehmende Trassenführung im Bereich von Mast 148 bis Mast 152 (Variante "Metelen I <modifiziert II>") vorsieht. Diese Variante liegt dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde. Die mit dieser Trassenführung verworfene Variante "Metelen II" umgeht den Siedlungsbereich von Metelen großräumiger bereits ab Mast 141 und durchschneidet die Metelener Heide. Die Erdkabelvariante 2 verläuft wie auch alle übrigen untersuchten Erdkabelvarianten im Bereich der Masten 138 und 153 zwischen den Kabelübergabestationen Süd und Nord.
5 Die Kläger sind Miteigentümer eines im Außenbereich der Gemeinde Metelen belegenen Grundstücks. Die Leitung verläuft dort mit einem geringen Versatz zu ihren Gunsten in der Bestandstrasse in einem Abstand von ca. 70 bis 76 m zum Wohngebäude. Die Entfernung zum Mast ... beträgt ca. 150 bis 155 m, die zum Mast ... ca. 240 m.
6 Die Kläger machen geltend, die Variantenprüfung im Bereich Metelen sei rechtswidrig. Sowohl die Variante "Metelen II" als auch die Erdkabelvariante 2 erwiesen sich angesichts der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Rechtspositionen als eindeutig vorzugswürdig. Abzuwägende Belange seien unzutreffend erfasst und die Vorgaben aus § 2 Abs. 2 EnLAG nicht berücksichtigt worden.
7
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 aufzuheben, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft,
hilfsweise
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft.
8
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
9 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
II
10 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten; sie können folglich weder dessen Aufhebung noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
11 1. Die Kläger, deren Grundstücke vom Planfeststellungsbeschluss nicht mit enteignungsgleicher Vorwirkung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG) in Anspruch genommen werden, haben keinen aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch), sondern können nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen privaten Belange rügen (BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 und vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13). Maßgeblich für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).
12 2. Der Planfeststellungsbeschluss leidet zu Lasten der Kläger nicht an den von ihnen geltend gemachten Mängeln der Abwägung bei der Variantenprüfung für den Bereich Metelen.
13 a) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 17).
14 Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, und sich deshalb der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48).
15 b) Eine nach diesen Maßstäben insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung können die nicht enteignungsbetroffenen Kläger nicht verlangen. Sie sind grundsätzlich, wie bereits oben ausgeführt, auf die Rüge beschränkt, ihre geschützten Belange seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Diese gerichtliche Kontrolle kann allerdings zum einen hinsichtlich fremder Belange eine Ausdehnung in der Weise erfahren, als gleichgerichtete Interessen benachbarter Anlieger, die sinnvollerweise nur einheitlich mit den entsprechenden Belangen eines Betroffenen gewichtet werden können, in die Prüfung einzubeziehen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 9 B 14.06 - Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 11 Rn. 18; Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 128 und vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 47; zuletzt Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 28). Die Rügebefugnis umfasst zum anderen wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung auch eine Überprüfung der den eigenen (Privat-)Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Belange (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 279, vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 18 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 38). Dabei kann auch der Verstoß gegen eine Vorschrift von Bedeutung sein, die nicht den Interessen des Betroffenen, sondern insbesondere öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist. Zwar kann dies für sich genommen nicht zum Erfolg der Klage führen; denn der Kläger kann nicht geltend machen, dass die getroffene Entscheidung zu seinen Lasten gegen zwingendes objektives Recht verstößt. Mit dieser Feststellung hat es allerdings nicht sein Bewenden: Ein solcher Fehler kann nämlich materiell-rechtlich die Variantenprüfung infizieren, weil die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet und mit der daraus folgenden Fehlgewichtung den geschützten Belangen des Betroffenen gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 53 f. und vom 24. November 2011 - 9 A 24.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 220 Rn. 29). Demnach sind im Allgemeinen nur solche Belange auch bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung auszuklammern, deren Geltendmachung ausschließlich einer Person zugewiesen ist, die sie im Prozess als eigene verteidigen kann; insoweit kann nichts anderes gelten als bei der Rügebefugnis von Enteignungsbetroffenen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 ff.).
16 3. Der Planfeststellungsbeschluss hat die Variantenprüfung in der Weise strukturiert, dass zunächst die Vor- und Nachteile der Antragstrasse im Vergleich zu anderen Freileitungstrassen geprüft, sodann - nach Bejahung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 EnLAG für einen ca. 6,6 km langen Leitungsabschnitt im Osten des Siedlungsbereichs von Metelen - mehrere Erdkabeltrassen der Antragstrasse gegenübergestellt werden, und zuletzt eine abschließende Gesamtabwägung unter besonderer Beachtung der als vorzugswürdig identifizierten Erdkabelvariante 2 vorgenommen wird.
17 a) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und den übrigen Freileitungsvarianten ermittelt der Planfeststellungsbeschluss - maßgeblich gestützt auf den im Auftrag der Beigeladenen erarbeiteten Variantenvergleich (Planunterlagen, Planänderung 5, Nr. 1.2 D5 <Variantenvergleich im Bereich Metelen>, Nr. 1.3 D5 <Ergänzungspapier - Variantenvergleich im Bereich Metelen mit Variante "Metelen I [modifiziert II]">) – zunächst für eine Reihe von Kriterien, nämlich technisch-wirtschaftliche Daten, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, kommunale Planungen, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz sowie Schutzgut Boden, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt sodann eine Gesamtabwägung.
18 Die Kläger rügen, dass insbesondere das Schutzgut Mensch, die Gesichtspunkte der Landesplanung und des Artenschutzes sowie die technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkte fehlerhaft - nicht zuletzt durch eine Beschränkung auf eine Grobprüfung - ermittelt und bewertet worden seien, was auf die Gesamtabwägung durchschlage. In deren Rahmen habe sich die von ihnen bevorzugte Trassenvariante "Metelen II" insbesondere bei zutreffender Bewertung des Schutzguts Mensch aufdrängen müssen.
19 aa) Eine Abwägungsfehleinschätzung durch eine fehlerhafte Ermittlung und Bewertung abwägungserheblicher Umstände ist durch das Vorbringen der Kläger nicht dargetan.
20 (1) Dies gilt zunächst für das Schutzgut Mensch.
21 (1.1) Die Kläger rügen zuvörderst, dass es dem Planfeststellungsbeschluss an einer nachvollziehbaren Bewertung hinsichtlich der Quantität und Qualität der Beeinträchtigungen der betroffenen Anwohner infolge der Unterschreitung des 200-Meter-Abstands nach Ziel Ziff. 8.2-4 Abs. 1 Spiegelstrich 2 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - (GV. NRW. 2017 S. 122) fehle. Danach sind neue Höchstspannungsfreileitungen auf neuen Trassen so zu planen, dass ein Abstand von 200 m zu Wohngebäuden eingehalten wird, die im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB liegen. Zu Unrecht stelle der Planfeststellungsbeschluss lediglich einen zahlenmäßigen Vergleich an.
22 Diese Abstandsregel im Landesentwicklungsplan hat der Planfeststellungsbeschluss ebenso wie den auf im Innenbereich gelegene Wohngebäude und Anlagen vergleichbarer Sensibilität bezogenen Mindestabstand von 400 m nach Ziel Ziff. 8.2-4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 LEP NRW herangezogen, obwohl diese im Rahmen der landesplanerischen Bewertung keine Anwendung finden, weil die bei der Antragstrasse gegebene Nutzung vorhandener Trassen nicht als Trassenneubau im Sinne des Grundsatzes Ziff. 8.2-1 LEP NRW zu werten sei. Denn der Planfeststellungsbeschluss (S. 249 f., 348 f.) billigt diesen Abständen jedenfalls eine indizielle Bedeutung für die Qualität des Wohnumfelds zu; sie treten insoweit neben den fachrechtlich durch das Immissionsschutzrecht normierten Gesundheitsschutz.
23 Sowohl mit dem Wohnumfeld - insbesondere durch eine optisch bedrängende Wirkung - als auch mit der menschlichen Gesundheit sind private Belange angesprochen, deren Geltendmachung - wie oben ausgeführt - grundsätzlich dem jeweils Betroffenen vorbehalten ist. Allerdings können sich die Kläger insoweit auf eine Ausweitung ihres Rügepotenzials berufen, als benachbarte Anwohner in gleicher Weise von den negativen Auswirkungen des Vorhabens betroffen sind. Daraus folgt aber nicht, dass zugunsten der Kläger die Belange all derjenigen Anwohner zu berücksichtigen wären, die von Abstandsunterschreitungen auf dem gesamten vom Variantenvergleich erfassten Teilabschnitt des Vorhabens betroffen sind. Die insoweit berücksichtigungsfähige Nachbarschaft erstreckt sich vielmehr nur auf die Anwohner im Annäherungsabschnitt 7 von Mast 141 bis zum Mast 147. Nur bis zu diesem Mast ist der Verlauf aller Varianten deckungsgleich, während erst danach unterschiedliche Streckenvarianten geprüft worden sind. Diesen Endpunkt legt der Planfeststellungsbeschluss (S. 131) auch zugrunde, während der Beginn beim Mast 135 im Annäherungsabschnitt 6 zu früh ansetzt, denn die Variante "Metelen II" zweigt erst beim Mast 141 ab.
24 Ein Ermittlungsmangel ist nach Maßgabe dieses Prüfumfangs nicht ersichtlich. Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohnumfelds werden im Planfeststellungsbeschluss quantitativ durch die Gegenüberstellung der von Abstandsunterschreitungen durch die Antragstrasse einerseits und die Trassenvariante andererseits betroffenen Wohngebäude erfasst (PFB S. 131). Eine zu Lasten der Kläger nachteilige Bewertung liegt dem nicht zugrunde, wenn dabei festgestellt wird, dass die Anzahl der Abstandsunterschreitungen bei der Antragstrasse die bei der Trassenvariante um ein Mehrfaches übersteigt. Auch qualitativ werden solche Beeinträchtigungen, deren Gewicht mit der Nähe zur Leitung zunimmt, durch die in der Umweltstudie aufgeführten genauen Entfernungsangaben angemessen erfasst (PFB S. 215 f.).
25 Eine optisch bedrängende Wirkung als spezieller Ausschnitt einer visuellen Beeinträchtigung des allgemeinen Wohnumfelds kann allerdings allein durch den Hinweis darauf, dass insbesondere Leitungsmasten nur in Extremfällen eine erdrückende Wirkung hätten (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 69, 73), noch nicht als unbeachtlich eingestuft werden (so PFB S. 399). Denn die optisch bedrängende Wirkung ist bereits im Vorfeld einer erdrückenden Wirkung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 90 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 70). Zu ihrer Minimierung soll gerade auch die Abstandsregelung generalisierend beitragen. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 131) hat das erkannt, indem er eine Belastung schon durch die Nähe und deutliche Sichtbarkeit der Leitung samt Masten annimmt. Vor diesem Hintergrund hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 215 f.) eine Trassenführung, die den Abstand zu Wohnhäusern soweit möglich vergrößert, nachweislich als abwägungserheblich eingestuft. Denn gerade in dem Bereich, in dem die Antragstrasse sich eng an der Bestandstrasse orientiert, sind Verschwenkungen vorgenommen worden, durch die eine Optimierung der Entfernungen der Trassenachse zu den benachbarten Wohnhäusern erreicht werden soll (PFB S. 370 f.). Damit wird für die weit überwiegende Anzahl der betroffenen Gebäude der Abstand vergrößert.
26 Diese Sachverhaltsermittlungen waren entgegen der Auffassung der Kläger, die sich gegen eine Beschränkung auf eine Grobprüfung wenden, ausreichend. Auch im Bereich der Planungsalternativen muss die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt nur soweit klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Demnach ist sie befugt, Alternativen, die sich aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem früheren Verfahrensstadium auszuscheiden und bereits im Vorfeld einer solchen Entscheidung die angemessene Ermittlungstiefe zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 69 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 20, jeweils m. w. N.). Die Grobprüfung, die der Planfeststellungsbeschluss für die Prüfung dieser Trassenvariante für sich in Anspruch nimmt und für ausreichend erachtet, beschreibt keinen abstrakten Maßstab, sondern erfordert die je gesonderte Betrachtung der jeweils in Rede stehenden Prüfungspunkte. Sind die jeweils angestellten Ermittlungen geeignet, das Abwägungsergebnis zu tragen, ist die Bezeichnung des Prüfungsumfangs ohne Bedeutung.
27 Soweit die Wahrung eines angemessenen Abstands zur Leitungstrasse mit der Beeinträchtigung durch Lärmimmissionen und durch elektrische und magnetische Felder auch den Gesundheitsschutz im Blick hat, ist ein Ermittlungsdefizit gleichfalls nicht ersichtlich.
28 Die Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm für Koronageräusche und die Grenzwerte der 26. BImSchV für elektrische und magnetische Felder (5 kV/m bzw. 100 µT) sind eingehalten (PFB S. 266 f. und 254). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 254) geht allerdings zu Recht davon aus, dass das Interesse an der Verschonung von jeglicher Belastung mit diesen Immissionen abwägungserheblich ist. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je mehr die Belastung an die Grenzwerte heranreicht und umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 39 und vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 - BVerwGE 159, 121 Rn. 53). Das hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 402, 253 f.) zutreffend erkannt und im Annäherungsabschnitt 7 bei dem Wohnhaus mit dem geringsten Abstand zur Leitung und folglich der höchsten Belastung die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte ermittelt. Die elektrische Feldstärke liegt mit 0,02 kV/m nur wenig über der Nachweisgrenze, und die magnetische Flussdichte, die sich mit zunehmendem Abstand vom Leiterseil überproportional verringert, erreicht mit 3,73 µT nicht einmal ein Zwanzigstel des Grenzwerts (PFB S. 132 Fn. 64). Die daraus folgende geringe Belastung der betroffenen Anwohner bedurfte keiner weiteren detaillierten Prüfung mehr und musste als solche nicht als maßgebliche Beeinträchtigung des Schutzguts Mensch gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 44 f.). Bei der Anwendung des der Vorsorge dienenden und als solches nicht drittschützenden Minimierungsgebots des § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV (BVerwG, Urteil vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 48; siehe dazu PFB S. 258 ff.) ist insoweit nach Nr. 3.1 Abs. 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.
29 Zu Recht hat der Planfeststellungsbeschluss bei der Bewertung dieser Beeinträchtigungen auch die Vorbelastung durch die bislang schon im Trassenraum verlaufende Hochspannungsfreileitung berücksichtigt. Die Planfeststellungsbehörde ist verpflichtet, in ihrer Abwägung tatsächliche und rechtliche Vorbelastungen in den Blick zu nehmen und zu bewerten, ohne dass sie sich in der Abwägung zwingend für eine vorbelastete Trasse entscheiden müsste. Die Vorbelastung reduziert im Grundsatz die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Schutzgüter aufgrund des bisherigen tatsächlichen Zustands und deren Gewicht in der Abwägung. Insbesondere schließt der Wegfall der plangegebenen Vorbelastung die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung als Abwägungselement nicht aus, welche die Situationsgebundenheit der betroffenen Grundstücke mitbestimmt. Denn die tatsächliche Gebietsprägung entfällt nicht durch die Veränderung der rechtlichen Situation (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74 m. w. N.). Es kommt folglich nicht darauf an, dass die Bestandsleitung bereits einige Jahre vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses außer Betrieb genommen und jedenfalls teilweise schon abgebaut worden war. Die Betriebseinstellung hat auf die genehmigungsrechtliche Lage keinen Einfluss. Auch in Bezug auf die tatsächliche Situation ist sie ohne Bedeutung, weil sie nichts daran ändert, dass die Leitung und insbesondere die Masten als ein das Landschaftsbild und das Wohnumfeld mitbestimmendes und störendes Element weiterhin vorhanden sind (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - a. a. O. Rn. 75). In welchem Umfang auch die Masten bereits beseitigt waren, ist unbeachtlich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, inwieweit sich die bisherige Trasse weiterhin im Landschaftsbild - etwa durch deutlich erkennbare Schutzstreifen in Waldgebieten - abbildet und insoweit noch Raumwirkung entfaltet oder nicht. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die planfestgestellte Leitung während der gesamten langjährigen Planung als Ersatzneubau für die Leitung Bl. 2304 vorgesehen war. Auch wenn der Rückbau dieser Leitung im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt ist, war ein Konnex zwischen Rückbau und Neubau gleichwohl immer offensichtlich, sodass - abgesehen von dem jedenfalls nur kurzen Zeitraum zwischen Abbau der alten Leitung und neuer Planfeststellung - auch aus der Perspektive eines betroffenen Anwohners niemals der Eindruck entstehen bzw. dieser eine berechtigte Erwartung hegen konnte, mit der Betriebseinstellung und dem Rückbau der alten Leitung sei die Umgebung der bisherigen Trasse in einen hiervon gänzlich unberührten Zustand zurückversetzt worden. Für eine rechtlich beachtliche Zäsur fehlt es daher an jeglichem Anhaltspunkt.
30 (1.2) Soweit der Planfeststellungsbeschluss (S. 132) beim Variantenvergleich darauf abstellt, dass die Variante "Metelen II" wegen der größeren Inanspruchnahme privaten Eigentums infolge der längeren Trasse und der größeren Anzahl an Maststandorten der Antragstrasse insoweit unterlegen sei, folgt auch daraus kein Rechtsverstoß zu Lasten der Kläger. Die mit dem Verzicht auf eine Trassenvariante verbundene Schonung privater Rechtsgüter stärkt das Gewicht der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange, und eine hierauf bezogene Fehleinschätzung kann demnach im Wege der Abwägungskontrolle von den Betroffenen gerügt werden.
31 Die von den Klägern beanstandete Zuordnung dieser Belastungen zum Schutzgut Mensch ist dabei in der Sache ohne Bedeutung. Die Berücksichtigung der Inanspruchnahme privaten Eigentums geht zwar über die Begrifflichkeiten des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung hinaus, an die der Planfeststellungsbeschluss zumindest terminologisch anknüpft (siehe PFB S. 64). § 2 Abs. 1 Nr. 1 UVPG stellt die menschliche Gesundheit zwar in den Vordergrund des Schutzguts Mensch, beschränkt sich darauf aber nicht. Auch sonstige soziale oder ökonomische Folgen, die sich unterhalb der Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung auf das Wohlbefinden des Menschen auswirken, sind von Bedeutung. Dies gilt insbesondere für soziale Beziehungen, soweit sie sich in städtebaulichen Strukturen niederschlagen (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 bis 4 BauGB; siehe hierzu Appold, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, § 2 UVPG Rn. 33 ff.). Die hier in Rede stehenden Eigentumsbeeinträchtigungen dürften in dieser Hinsicht irrelevant sein. An diese rechtlichen Vorgaben ist die Planfeststellungsbehörde bei der Strukturierung des Abwägungsmaterials im Rahmen der Variantenprüfung aber nicht gebunden. Im Übrigen ändert sich an der Abwägung allein durch eine andere Einordnung und die Verwendung eines eigenständigen Prüfungspunktes nichts.
32 (1.3) Bei der Gegenüberstellung der mit den Varianten jeweils verbundenen Belastungen verkennt der Planfeststellungsbeschluss keine rechtlichen Maßstäbe, wenn er die Variante "Metelen II" beim Schutzgut Mensch als (nur) leicht vorteilhaft einstuft. Diese Wertung ist Teil seiner planerischen Gestaltungsfreiheit.
33 (2) Gegen die Bewertung im Planfeststellungsbeschluss, die Antragstrasse sei der Trassenvariante unter raumordnerischen und landesplanerischen Gesichtspunkten vorzuziehen, wenden sich die Kläger ebenfalls ohne Erfolg.
34 (2.1) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 129) stellt darauf ab, dass die von den Klägern bevorzugte Trassenvariante gegen den Grundsatz der Bündelung und Nutzung vorhandener Leitungstrassen verstößt (Ziff. 8.2-1 LEP NRW) und darüber hinaus wegen der damit verbundenen erstmaligen Abstandsunterschreitung zu Wohngebäuden in Konflikt mit dem Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW gerät. Unbeachtlich ist insoweit, dass der vom beigeladenen Vorhabenträger vorgelegte Variantenvergleich Ziff. 8.2-1 LEP NRW zu Unrecht als Ziel bezeichnet. Denn der insoweit maßgebliche Planfeststellungsbeschluss (S. 401) geht von der zutreffenden Einordnung aus. Was das Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW betrifft, geht der Einwand fehl, es habe im Hinblick auf die dort eröffneten Ausnahmemöglichkeiten einer vertieften Untersuchung bedurft. Dies gilt insbesondere für die von den Klägern ohne jegliche Substantiierung behauptete - und auch sonst nicht ersichtliche - Gewährleistung eines gleichwertigen vorsorgenden Schutzes der Wohnumfeldqualität. Denn die Feststellung, die Antragstrasse, für die Ziff. 8.2-4 LEP NRW wegen der Errichtung in einem bestehenden Trassenraum nicht einschlägig ist (PFB S. 129, 249 f.), sei insoweit konfliktärmer, ist nicht zu beanstanden.
35 (2.2) Bei den landesplanerischen Vorgaben in Ziff. 7.2-3 und 7.3 -1 LEP NRW, die die möglichste Schonung von Gebieten zum Schutz der Natur und das Gebot der Walderhaltung vorgeben, hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 13o) ausgehend von den erforderlichen Querungslängen in den jeweiligen Gebieten die Antragstrasse wiederum als vorzugswürdig bewertet, weil deren Trassenführung geringere Einbußen an den geschützten Landschaftsbestandteilen zur Folge hat. Mit dem Einwand, diese Bewertung sei schon deswegen nicht tragfähig, weil es an einer näheren Betrachtung der Qualität der Eingriffe fehle, dringen die Kläger nicht durch. Denn zum einen ist nichts dafür ersichtlich, dass insoweit Quantität und Qualität einer Beeinträchtigung geschützter Gebiete bzw. von Waldflächen nicht korrelieren (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 37). Zum anderen ist die Beeinträchtigung von Waldflächen ungeachtet einer weiteren Qualifizierung derselben zu minimieren. Auch mit dem Verweis auf Ausführungen im Erläuterungsbericht (Planunterlagen Anl. 1) zur Betroffenheit von Natur und Landschaft (Abschnitt 10.3.21.2, S. 117 f.) wird eine unzulängliche Ermittlung und Bewertung nicht aufgezeigt. Soweit dort im Zusammenhang mit Eingriffen in Wald- und Gehölzbestände sowie in das Landschaftsbild die Möglichkeit einer Kompensation erwähnt wird, bleibt festzuhalten, dass die Kompensation von Eingriffen durch Ersatz- oder Ausgleichsmaßnahmen oder Ersatz in Geld gegenüber der Vermeidung oder der Minimierung des Eingriffs immer nachrangig ist. Dies ist bei der Abwägungsentscheidung im Rahmen der Variantenprüfung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <348 f.>).
36 (3) In Bezug auf den Natur- und Artenschutz macht der Planfeststellungsbeschluss (S. 132 f.) die Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse ebenfalls - wie bereits in Bezug auf die Landesplanung - an der unterschiedlichen Querungslänge in Waldbereichen und in Bereichen zum Schutz der Natur sowie der Anzahl der durchquerten gesetzlich geschützten Biotope und der Biotope des LANUV-Biotopkatasters fest. Er verweist auf die größere Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen, bei der längeren Querung von Waldbereichen insbesondere wegen der dort nachgewiesenen Fledermausarten, im Bereich der Offenlandquerung wegen deutlich mehr kollisionsgefährdeter Vogelarten; demgegenüber sei das Konfliktpotenzial bei der Antragstrasse bei wenigen und konzentrierten Fundpunkten um den Bereich des Baggersees bei Mast 148 deutlich geringer. Der Planfeststellungsbeschluss verkennt zwar nicht, dass die Verbotstatbestände nicht zwingend eintreten würden; träfe das zu, schiede die Trassenvariante wegen eines Verstoßes gegen zwingendes Recht von vornherein aus. Ohne Rechtsverstoß geht er jedoch davon aus, dass es einer vertieften Betrachtung der Machbarkeit von und des Aufwands für Vermeidungsmaßnahmen nicht bedurfte. Denn wie schon bei der landesplanerischen Bewertung gilt auch hier, dass die Minimierung artenschutzrechtlicher Risiken Vorrang hat.
37 (4) Schließlich machen die Kläger zu Unrecht geltend, dass entgegen der Auffassung im Planfeststellungsbeschluss (S. 129) unter technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht von einer deutlichen Nachteiligkeit der Trassenvariante auszugehen sei. Bezogen auf die Gesamtlänge des planfestgestellten Abschnitts fielen weder die Mehrlänge dieser Trasse noch die erhöhte Anzahl von Masten ins Gewicht. Diese Argumentation verkennt, dass sich die Bewertung des Trassenvergleichs jedenfalls in der Regel nur auf den Bereich beziehen kann, in dem sich die Trassenverläufe unterscheiden. Ob ausnahmsweise anderes zu gelten hat, wenn der betroffene Bereich - anders als hier - bezogen auf das gesamte planfestgestellte Vorhaben von völlig untergeordneter Bedeutung ist, kann dahinstehen.
38 bb) Die Gesamtabwägung ist auf dieser Grundlage von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die gegenteilige Ansicht der Kläger beruht letztlich auf einer Gewichtung des Schutzguts Mensch, die alle gegenläufigen Belange in den Hintergrund zu drängen geeignet ist; das ist allerdings rechtlich nicht zwingend vorgegeben. Die Trassenvariante "Metelen II" drängt sich schon bei einem ersten Blick auf das Kartenwerk nicht als diejenige auf, die eindeutig alle Belange zum schonendsten Ausgleich bringt; dagegen spricht schon die erstmalige Inanspruchnahme naturnaher Gebiete in einem nicht unbeträchtlichen Umfang.
39 cc) Vor diesem Hintergrund dringen die Kläger auch nicht mit ihrer Rüge durch, der Planfeststellungsbeschluss habe eine geringe Modifikation der Variante "Metelen II" durch Verschwenkung aus der Bestandstrasse zwischen Mast 143 und 144, die eine erstmalige Annäherung an bislang unbelastete Wohngebäude vermeide, nicht geprüft. Zu den einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören allerdings neben den vom Vorhabenträger eingebrachten und den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Planfeststellungsverfahrens vorgeschlagen werden (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <342>; Beschluss vom 24. April 2009 - 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986 Rn. 5). Auf eine vertiefte Prüfung konnte die Planfeststellungsbehörde hier aber verzichten. Dahinstehen kann folglich, auf welche auch technischen Schwierigkeiten eine solche Variante stieße und ob sie - abgesehen vom Konflikt mit dem Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW - jegliche neue Belastung von Anwohnern vermeiden könnte. Denn der Planfeststellungsbeschluss (S. 401) stellt nachvollziehbar darauf ab, dass sich allein durch eine Einstufung der Vorteilhaftigkeit der Variante in Bezug auf das Schutzgut Mensch angesichts der ansonsten unveränderten Bewertung der übrigen Belange an der Gesamtabwägung nichts ändert.
40 b) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und der unter vier Erdkabelvarianten als vorzugswürdig ermittelten Erdkabelvariante 2 (PFB S. 194 ff.) stellt der Planfeststellungsbeschluss wiederum die zum Vergleich anstehenden Trassen zunächst hinsichtlich verschiedener Kriterien - technisch-wirtschaftliche Gesichtspunkte, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz, Boden, Wasser, Landschaftsschutz, Kultur und sonstige Sachgüter - gegenüber und bewertet jeweils, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt eine Gesamtabwägung (PFB S. 166 ff.).
41 Die Kläger machen ohne Erfolg geltend, dass bei zutreffender Bewertung von einer deutlichen Vorzugswürdigkeit der Erdkabelvariante 2 auszugehen sei.
42 aa) Hinsichtlich des Schutzguts Mensch hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 169 ff.) die Belastung der Anwohner der Antragstrasse - soweit die Kläger sich hierauf berufen können - und daraus im Gegenschluss folgend deren Entlastung bei Verwirklichung der Erdkabelvariante 2 zutreffend erkannt. Dem stellt der Planfeststellungsbeschluss allerdings Gesichtspunkte gegenüber, die zu Lasten der Erdkabelvariante 2 ins Feld geführt werden können. Soweit der Planfeststellungsbeschluss länger anhaltende und großflächig auftretende baubedingte Schallemissionen bei der Erdkabelvariante 2 erwähnt, ist nicht ersichtlich, dass diese bei der Bewertung des Schutzguts Mensch maßgeblich ins Gewicht fallen. Denn der Planfeststellungsbeschluss (S. 170) hält ausdrücklich fest, dass bei beiden Varianten die erheblich unter den maßgeblichen Grenz- bzw. Richtwerten liegenden Immissionen für die Betroffenen zumutbar seien.
43 Was die Inanspruchnahme privater Grundflächen angeht, bringen die Kläger gegen die Feststellung, dass für die Antragstrasse 2 025 m² für Maststandorte, für die Erdkabelvariante 2 zur Errichtung der Kabelübergabestationen demgegenüber 11 000 m² Fläche in Anspruch genommen werden (PFB S. 170), in der Sache nichts vor. Der vom Planfeststellungsbeschluss (S. 170 f.) vorgenommenen unterschiedlichen Gewichtung der Nutzungsbeschränkungen in den Schutzstreifen für Freileitungen einerseits und für Erdkabel andererseits setzen die Kläger substantiiert ebenso wenig etwas entgegen. Sie ziehen nicht in Zweifel, dass eine Überbauung eines Erdkabels von vornherein ausscheidet. Die Bebauungsmöglichkeiten im Schutzstreifen einer Freileitung stellen sich indessen durch die Ausgestaltung der Dienstbarkeit und Unterbauungsvereinbarungen flexibler dar.
44 Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die angesichts der anerkannten Entlastungswirkung vorgenommene Einstufung der Erdkabelvariante 2 als - lediglich – "vorzugswürdig" unangemessen ist und nur eine "deutliche" Vorzugswürdigkeit der objektiven Bedeutung der verschiedenen Belange gerecht wird.
45 bb) In Bezug auf den Natur- und Artenschutz, wozu auch die Waldinanspruchnahme zählt, stuft der Planfeststellungsbeschluss (S. 171 ff.) die Antragstrasse "potenziell" als vorzugswürdig ein. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
46 Der Einwand der Kläger gegen die Bewertung in Bezug auf die Waldinanspruchnahme ist insoweit unbeachtlich. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 172 f.) legt dar, dass insoweit zwischen quantitativer und qualitativer Inanspruchnahme zu unterscheiden ist. Die Erdkabelvariante 2 nimmt zwar eine geringere Waldfläche in Anspruch als die Antragstrasse, gleichwohl geht mit der Erdverkabelung dauerhaft mehr Wald verloren. Dessen ungeachtet bleibt es bei einer qualitativen Betrachtungsweise insoweit bei der Einstufung der Erdkabelvariante 2 als vorteilhaft; denn diese Eingriffe konzentrieren sich auf kleinere und nicht auf größere zusammenhängende Waldbereiche.
47 Bei der artenschutzrechtlichen Betrachtung geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 173) davon aus, dass bei der Erdkabelvariante 2 höhere Beeinträchtigungen während der Bauphase zu erwarten seien. Entgegen der Auffassung der Kläger ist nicht davon auszugehen, dass der Planfeststellungsbeschluss diese temporäre Beeinträchtigung gegenüber der Anfluggefahr für Vögel bei der Antragstrasse überbewertet hat. Die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss sind vielmehr so zu verstehen, dass die Anfluggefahr durch die bauzeitlichen Beeinträchtigungen bei der vergleichenden Bewertung ausgeglichen wird und insoweit ein Gleichstand zwischen den Varianten gegeben ist.
48 Eine inkonsistente und methodisch angreifbare Bewertung ist schließlich nicht darin zu sehen, dass die Auswirkungen der Bauzeitbeschränkung als einer artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahme in die Bewertung einfließen (so PFB S. 173). Denn eine Maßnahme, mit der eine artenschutzrechtliche Konfliktlage bewältigt werden soll, und die zugleich die Umsetzung des Vorhabens erschwert, ist nicht nur bei den technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten einzustellen - wie auch hier geschehen –, sondern wirkt sich zugleich auf die Gewichtung der Variante aus. Eine unzulässige "Doppelverwertung" liegt darin nicht.
49 Die daraus folgende Einschätzung, die Antragstrasse sei "potenziell" als vorzugswürdig anzusehen (PFB S. 173), ist noch hinreichend bestimmt. Angesichts der Ausführungen, dass beide Varianten insoweit eng beieinanderliegen, soll die gewählte Formulierung ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass die Antragsvariante insoweit leicht vorzugswürdig ist.
50 cc) In raumordnungsrechtlicher und landesplanerischer Hinsicht stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 167 ff.) als Fazit fest, dass die Erdkabelvariante 2 insoweit gegenüber der Antragstrasse insgesamt keine Vorzüge aufweist. Sie gehe mit geringeren Beeinträchtigungen von Waldbereichen und Bereichen zum Schutz der Natur einher. Allerdings sei sie aufgrund von erheblichen Nachteilen im technisch-wirtschaftlichen Bereich sowie aufgrund von Konflikten mit weiteren Belangen keine verträgliche und verhältnismäßige Alternative; die Erdkabelvariante 2 sei somit weniger geeignet als die Antragstrasse.
51 Die Kläger beanstanden, dass damit entgegen der ausdrücklich als Ziele der Raumordnung bezeichneten Vorgaben nach Ziff. 7.3-1 und 7.2 -3 LEP NRW die Inanspruchnahme der geschützten Bereiche unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG weggewogen werde. Der Berücksichtigung dieses Einwands steht allerdings nicht entgegen, dass die Kläger sich mangels Drittschutzes der landesplanerischen Bestimmungen auf eine Verletzung dieser Vorschriften - gegebenenfalls als zwingendes Recht - nicht berufen können. Im Rahmen der Abwägungskontrolle können sie deren Berücksichtigung bei der Prüfung der das Vorhaben stützenden Belange indessen verlangen.
52 Der Einwand der Kläger, dass der Planfeststellungsbeschluss die Verbindlichkeit der landesplanerischen Vorschriften mit ihren zielförmigen Festlegungen verkenne, geht fehl. Beide Bestimmungen erlauben ausnahmsweise einen Eingriff in die geschützten Flächen und Gebiete bei Beschränkung auf das unbedingt erforderliche Maß unter der Voraussetzung, dass die Planung nicht an anderer Stelle realisierbar ist. Ob es sich dabei um Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG handelt, die abschließend abgewogen sind und folglich durch Abwägung nicht überwunden werden können (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 56 ff. und vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301 Rn. 7), richtet sich nach dem materiellen Gehalt der Planaussage. Dabei können auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erfüllen, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen einer Ausnahme mit hinreichender Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit selbst festlegt (BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - a. a. O. Rn. 8 und vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 88). Diesen Anforderungen an eine verbindliche Zielvorgabe werden die Bestimmungen nicht gerecht. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind ungeachtet der zunächst strikt scheinenden Formulierung ("nicht realisierbar", "unbedingt erforderliche Maß") gerade mit dem Verweis auf eine anderweitige Realisierbarkeit des Vorhabens auf Verhältnismäßigkeitserwägungen bezogen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass jeweils allein die technische Machbarkeit unter Beachtung zwingenden Rechts den Ausschlag geben soll. Dies wird durch die Erläuterungen zum Landesentwicklungsplan bestätigt. Danach darf eine angestrebte Nutzung nicht innerhalb eines regionalplanerisch festgelegten Waldbereichs oder eines anderweitig geschützten Gebiets realisiert werden, wenn für den mit der Planung verfolgten Zweck eine zumutbare Alternative besteht (LEP NRW, Erläuterungen zu Ziff. 7.2-3 Abs. 2, zu Ziff. 7.3-1 Abs. 11). Diese Zumutbarkeitserwägungen sprechen für die Einordnung als Grundsatz der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG, der in der Abwägungsentscheidung (nur) zu berücksichtigen ist (vgl. zur Vorgängervorschrift OVG Münster, Urteile vom 22. September 2015 - 10 D 82/13.NE - ZfBR 2016, 52 <54> und vom 17. Januar 2019 - 2 D 63/17.NE - juris Rn. 91).
53 Danach begegnen die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses keinen rechtlichen Bedenken. Stehen zwei Varianten zur Wahl, die jeweils geschützte Gebiete beanspruchen, kommt es auf den Größenvergleich erst dann maßgeblich an, wenn die Alternativen nicht in eine Rangfolge gebracht werden können. Die Realisierbarkeit des Vorhabens ist wiederum wertend zu bestimmen, um so eine verträgliche und verhältnismäßige Alternative zu ermitteln. Folglich ist dem Grunde nach nichts dagegen zu erinnern, wenn der Planfeststellungsbeschluss (S. 168) den Längenvergleich nicht als entscheidendes Kriterium heranzieht, sondern auch andere Gesichtspunkte einfließen lässt, wobei mit "weiteren" – hier unbenannten - Belangen ersichtlich die im Variantenvergleich erörterten Belange gemeint sind. Diese Möglichkeit der Bewältigung des Zielkonflikts ist in den entsprechenden Vorschriften angelegt.
54 dd) Schließlich zeigen die Kläger nicht auf, dass die Bewertung der Variante im Planfeststellungsbeschluss (S. 174) als "zu bevorzugen" in Bezug auf den Schutz der Landschaft und die landschaftsorientierte Erholung rechtsfehlerhaft ist. Nach ihrer Auffassung ist die Erdkabelvariante 2 in dieser Hinsicht vielmehr unter diesem Gesichtspunkt als "deutlich vorzugswürdig" einzustufen. Die Berücksichtigung sowohl der Vorbelastung als auch der Belastung durch die Kabelübergabestationen erweist sich jedoch insoweit nicht als unvertretbar.
55 c) Bei der Gesamtabwägung hat die Planfeststellungsbehörde die Antragstrasse sowohl gegenüber der Variante "Metelen II" als auch gegenüber der Erdkabelvariante als vorzugswürdig eingeschätzt (PFB S. 196 f.). Zur Begründung hat sie sich auf die bereits zuvor bei der vergleichenden Betrachtung aufgezeigten Erkenntnisse bezogen. Sie hat dabei hervorgehoben, dass die beantragte Freileitungsvariante aus technisch-wirtschaftlichen Aspekten deutlich vorteilhafter sei, mit der Realisierung der Erdkabelvarianten keine deutlichen Vorteile für das Schutzgut Mensch verbunden seien, sich mit Blick auf den Natur- und Artenschutz durch die Erdkabelvarianten umfangreiche Beeinträchtigungen ergäben, und schließlich mit den Erdkabelvarianten ganz erhebliche Eingriffe in die Schutzgüter Boden und Wasser einhergingen. Beide Varianten lägen in der Bewertung nicht weit voneinander entfernt. Da sich die Antragstrasse am verträglichsten darstelle und die Erdkabelvariante 2 im direkten Vergleich insgesamt keine zwingenden Vorteile mit sich bringe, habe sich die Planfeststellungsbehörde für die Antragstrasse entschieden.
56 Gegen diese Erwägungen wenden sich die Kläger ohne Erfolg. Sie sind der Auffassung, dass die Abwägung den in § 2 Abs. 2 EnLAG zum Ausdruck kommenden Vorgaben nicht gerecht werde; der gezielten Auswahl der Auslösekriterien in § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG sei die Wertung zu entnehmen, dass wohnhausnahe oder landschaftlich besonders wertvolle Bereiche erdverkabelt werden sollten. Dem ist so nicht zu folgen.
57 Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG ist im Falle des Neubaus auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bei einem Vorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG eine Höchstspannungsleitung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel zu errichten und zu betreiben, wenn - u. a. – bestimmte Abstände zu Wohngebäuden im Bebauungsplanbereich oder im unbeplanten Innenbereich - 400 m – (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnLAG) bzw. zu Wohngebäuden im Außenbereich - 200 m – (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG) unterschritten werden. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, entscheidet die Planfeststellungsbehörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber, ob statt einer Freileitung eine Erdverkabelung vom Vorhabenträger verlangt wird. Die Norm eröffnet nur die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG nicht gegebene Möglichkeit, auch die Errichtung, den Betrieb oder die Änderung eines Erdkabels planfeststellen zu können; darin erschöpft sich grundsätzlich ihr Regelungsgehalt (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 95). Dieses Ermessen ist nicht in der Weise intendiert, dass das Auslösekriterium im Zusammenwirken mit dem Erfordernis eines geeigneten Abschnitts nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EnLAG in der Regel die Entscheidung für ein Erdkabel nach sich ziehen müsste. Vielmehr gebietet § 2 Abs. 2 EnLAG eine offene Abwägung, in die alle abwägungserheblichen Belange Eingang finden müssen. Diese Abwägung muss jedoch dem Gesetzeszweck Rechnung tragen. Wenn danach in bestimmten Pilotprojekten Erdkabel im Drehstrombereich auf Höchstspannungsebene ungeachtet der mit ihnen verbundenen Erschwernisse und Nachteile erprobt werden sollen, um sie als technische Alternative zu etablieren, dürfen Argumente, die allgemein gegen das Erdkabel vorgebracht werden können, nicht ein solches Gewicht erhalten, dass der Erprobungszweck letztlich infrage gestellt würde. Dies gilt insbesondere für das Kostenargument. Denn dem Gesetzgeber stand vor Augen, dass ein Erdkabel deutlich teurer als eine Freileitung ist, und er hat deswegen u. a. die Ausgleichsregelung nach § 2 Abs. 5 EnLAG geschaffen (vgl. auch Füßer/Gresse, NVwZ 2021, 1094 <1099>). Die höheren Kosten können - ebenso wie etwa der größere zeitliche Aufwand für die Errichtung eines Erdkabels - nur dann ins Feld geführt werden, wenn für die Erprobung gleichwohl Raum bleibt.
58 Hiernach ist die Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden. Sie benennt die grundsätzlich gegen eine Erdverkabelung sprechenden Argumente wie den größeren Zeit- und Kostenaufwand zwar an erster Stelle und betont deren Bedeutung ("insbesondere"). Gleichwohl kann nicht festgestellt werden, dass die Planfeststellungsbehörde damit die gesetzlichen Vorgaben verfehlt. Zum einen ist die Ermöglichung der Erprobung von Erdkabeln nicht beschränkt auf die jeweils einzelnen Abschnitte eines gesetzlich benannten Pilotvorhabens, sondern auf das Gesamtvorhaben - hier die Leitung Dörpen/West - Niederrhein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnLAG) – bezogen. Bislang sind bei dieser Leitung in anderen Planfeststellungsabschnitten bereits drei Erdkabelstrecken festgesetzt worden. Im Abschnitt 2 (Bredenwinkel - Borken Süd) und im Abschnitt 3 (Borken Süd - Nordvelen) sind jeweils mehr als 3 km lange Erdkabeltrassen fertiggestellt und im Probebetrieb. Im Abschnitt 5A (Legden Süd - Pkt. Asbeck) ist ein etwa 5 km langer Erdkabelabschnitt als sogenannte Hybridlösung (ca. 2 km Tunnelbauwerk und anschließend Verlegung in offener Bauweise) im Bau. Die Planfeststellungsbehörde hat sich folglich dem gesetzlichen Anliegen nicht verschlossen. Zum anderen hat die Planfeststellungsbehörde nicht allein auf die technisch-wirtschaftlichen Aspekte abgestellt, sondern in einer Gesamtbetrachtung weitere Gesichtspunkte herangezogen, die - wie nicht zuletzt die beim Schutzgut Wasser aufgezeigten Schwierigkeiten (PFB S. 174) – in Anknüpfung an die konkreten örtlichen Gegebenheiten gegen eine zusätzliche Erprobung gerade im angefochtenen Planfeststellungsabschnitt sprechen.
59 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Urteil vom 10.11.2022 -
BVerwG 4 A 16.20ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A16.20.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 10.11.2022 - 4 A 16.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A16.20.0]
Urteil
BVerwG 4 A 16.20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
am 10. November 2022 für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe
I
1 Die klagende Gemeinde wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.
2 Der Beschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See durch die beigeladene Übertragungsnetzbetreiberin fest. Die Trasse ist rund 33,5 km lang; auf ihr sollen 87 Masten neu errichtet werden. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des ca. 150 km langen Vorhabens Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer <Bl.> 4201). Dabei handelt es sich um den südlichen Teil des 181 km langen Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein, das in Nr. 5 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG - und darin zugleich als ein Pilotvorhaben für die Erdkabeltechnologie aufgenommen ist. Teilstrecken des Gesamtvorhabens sind dementsprechend bereits als Erdkabel verwirklicht worden bzw. planfestgestellt.
3 Die planfestgestellte Freileitung verläuft zunächst von Mast 115 bis Mast 170 in nördlicher, dann nordöstlicher Richtung und nutzt dabei im Wesentlichen den Trassenraum der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel/Niederrhein - Ibbenbüren (Bl. 2304). Der Rückbau dieser 1928 errichteten Leitung ist aufgrund des (Ersatz-)Neubaus auf etwa 28 km Länge erforderlich. Er wird im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt, dort aber vorausgesetzt, und ist zum großen Teil schon vor dessen Erlass erfolgt. Die alte Leitungstrasse wird zur Entlastung von Hofstellen verschiedentlich kleinräumig verschoben. Ab Mast 148, nordöstlich der Ortslage Metelen, verschwenkt die Leitung in Richtung Nordosten, um Wohngebäude zu umgehen und Überspannungen zu vermeiden. Danach durchquert sie die Metelener Heide an deren Rand. Ab Mast 150 läuft sie gegen Norden wieder auf die vorhandene Trasse zu. Nach einer weiteren Ausschwenkung in nördlicher Richtung kehrt die Leitung ab Mast 158 zur Bestandstrasse zurück. Ab Mast 170 verlässt die Leitung den vorhandenen Trassenraum in nördlicher Richtung, von Mast 175 bis Mast 202 wird sie im Wesentlichen parallel mit der 380-kV-Freileitung Hanekenfähr - Gersteinwerk (Bl. 4307) zunächst nach Nordwesten und später nach Norden geführt.
4 Für den Bereich der Klägerin ließ die Beigeladene sieben Freileitungsvarianten - darunter die insoweit von der Klägerin bevorzugte Variante "Metelen II" – und vier Erdkabelvarianten - darunter die Erdkabelvariante 2 - näher untersuchen. In einem Ergänzungspapier wurde eine weitere Freileitungsvariante geprüft, die eine gegenüber der ursprünglich beantragten Variante leicht veränderte und Waldflächen in geringerem Umfang in Anspruch nehmende Trassenführung im Bereich von Mast 148 bis Mast 152 (Variante "Metelen I <modifiziert II>") vorsieht. Diese Variante liegt dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde. Die mit dieser Trassenführung verworfene Variante "Metelen II" umgeht den Siedlungsbereich von Metelen großräumiger bereits ab Mast 141 und durchschneidet die Metelener Heide. Die Erdkabelvariante 2 verläuft wie alle untersuchten Erdkabelvarianten im Bereich der Masten 138 und 153 zwischen den Kabelübergabestationen Süd und Nord.
5 Die Klägerin ist insoweit von der planfestgestellten Leitung betroffen, als der Planfeststellungsbeschluss mehrere in ihrem Eigentum stehende Grundstücke für Schutzstreifen und Zuwegungen in Anspruch nimmt. Des Weiteren hat sie im Dezember 2019 die Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Wohngebiet beschlossen, das sich der Leitungstrasse annähert.
6 Die Klägerin wendet sich gegen die Variantenprüfung im Bereich Metelen. Sowohl die Variante "Metelen II" als auch die Erdkabelvariante 2 erwiesen sich angesichts der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Rechtspositionen aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und ihres Eigentumsrechts als eindeutig vorzugswürdig. Abzuwägende Belange seien unzutreffend erfasst und die Vorgaben aus § 2 Abs. 2 EnLAG nicht berücksichtigt worden.
7
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 aufzuheben, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft,
hilfsweise
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft.
8
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
9 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
II
10 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie kann folglich weder dessen Aufhebung noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
11 1. a) Die Klägerin als von einer Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche, mangels Grundrechtsträgerschaft der Klägerin nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasste Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Eine Gemeinde ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auch nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger geltend zu machen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 16 m. w. N.). Sie kann nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange rügen (BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 und vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13). Maßgeblich für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).
12 b) Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben die Klage gemäß § 6 Satz 1 UmwRG fristgerecht begründet (BVerwG, Urteile vom 20. Januar 2021 - 4 A 4.19 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 12 Rn. 17 und vom 5. Juli 2022 - 4 A 13.20 - ZNER 2022, 639 Rn. 12) und sich in zwei Schriftsätzen mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinandergesetzt. Im zweiten Schriftsatz verweisen sie darüber hinaus pauschal auf eine "umweltfachlich-methodische Bewertung der Alternativenprüfung" durch einen Gutachter, die dem Schriftsatz beigefügt war, und "machen sie vollumfänglich zum Gegenstand unseres Vortrags". Dieses Vorgehen genügt nicht den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO. Danach muss der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte den Vortrag im gerichtlichen Verfahren sichten und rechtlich durchdringen. Die pauschale Bezugnahme auf die Stellungnahme eines Dritten reicht nicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 47 und vom 7. Juli 2022 - 9 A 1.21 - juris Rn. 15). Dies gilt umso mehr, als diese Stellungnahme auch rechtliche Argumente verarbeitet; bei den naturschutzfachlichen Argumenten lässt der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten die präzise Angabe vermissen, auf welche Ausführungen im Einzelnen Bezug genommen wird. Eine solche Zuordnung ist nicht Aufgabe des Senats.
13 2. Der Planfeststellungsbeschluss leidet zu Lasten der Klägerin nicht an den nach den vorstehenden Maßgaben prozessordnungsgemäß geltend gemachten Mängeln der Abwägung bei der Variantenprüfung für den Bereich Metelen.
14 a) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 17).
15 Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, und sich deshalb der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48).
16 b) Eine nach diesen Maßstäben insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung kann die nicht im Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG enteignungsbetroffene Klägerin nicht verlangen. Sie ist grundsätzlich, wie bereits ausgeführt, auf die Rüge beschränkt, ihre geschützten Belange seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Diese gerichtliche Kontrolle kann allerdings zum einen hinsichtlich fremder Belange eine Ausdehnung in der Weise erfahren, als gleichgerichtete Interessen benachbarter Anlieger, die sinnvollerweise nur einheitlich mit den entsprechenden Belangen eines Betroffenen gewichtet werden können, in die Prüfung einzubeziehen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 9 B 14.06 - Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 11 Rn. 18; Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 128 und vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 47; zuletzt Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 28). Die Rügebefugnis umfasst zum anderen wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung auch eine Überprüfung der den eigenen (Privat-)Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Belange (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 279, vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 18 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 38). Dabei kann auch der Verstoß gegen eine Vorschrift von Bedeutung sein, die nicht den Interessen des Betroffenen, sondern insbesondere öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist. Zwar kann dies für sich genommen nicht zum Erfolg der Klage führen; denn der Kläger kann nicht geltend machen, dass die getroffene Entscheidung zu seinen Lasten gegen zwingendes objektives Recht verstößt. Mit dieser Feststellung hat es allerdings nicht sein Bewenden: Ein solcher Fehler kann nämlich materiell-rechtlich die Variantenprüfung infizieren, weil die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet und mit der daraus folgenden Fehlgewichtung den geschützten Belangen des Betroffenen gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 53 f. und vom 24. November 2011 - 9 A 24.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 220 Rn. 29). Demnach sind im Allgemeinen nur solche Belange auch bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung auszuklammern, deren Geltendmachung ausschließlich einer Person zugewiesen ist, die sie im Prozess als eigene verteidigen kann; insoweit kann nichts anderes gelten als bei der Rügebefugnis von Enteignungsbetroffenen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 ff.).
17 3. Der Planfeststellungsbeschluss hat die Variantenprüfung in der Weise strukturiert, dass zunächst die Vor- und Nachteile der Antragstrasse im Vergleich zu anderen Freileitungstrassen geprüft, sodann mehrere Erdkabeltrassen der Antragstrasse gegenübergestellt werden, und zuletzt eine abschließende Gesamtabwägung unter besonderer Beachtung der als vorzugswürdig identifizierten Erdkabelvariante 2 vorgenommen wird.
18 a) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und den übrigen Freileitungsvarianten ermittelt der Planfeststellungsbeschluss - maßgeblich gestützt auf den im Auftrag der Beigeladenen erarbeiteten Variantenvergleich - zunächst für eine Reihe von Kriterien, nämlich technisch-wirtschaftliche Daten, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, kommunale Planungen, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz sowie Schutzgut Boden, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt sodann eine Gesamtabwägung, die sich für zwei der untersuchten Varianten - darunter die von der Klägerin bevorzugte Variante "Metelen II" – auf die Ergebnisse einer als Grobprüfung bezeichneten Betrachtung stützt.
19 Die Klägerin rügt, dass die von ihr bevorzugte Trassenvariante "Metelen II" zu Unrecht schon im Rahmen einer Grobprüfung wegen Nachteilen im Bereich der Landesplanung und wegen artenschutzrechtlicher Konflikte abgeschichtet worden sei. Die Ermittlung und Gewichtung hier zu berücksichtigender Belange sei ebenso zu beanstanden wie auch hinsichtlich der Schutzgüter Mensch und Boden sowie bei den technisch-wirtschaftlichen Aspekten.
20 aa) Das Vorbringen der Klägerin führt nicht auf einen rechtserheblichen Fehler bei der Würdigung der Eignung der Trassen in Bezug auf Vorgaben der Landesplanung und der Raumordnung.
21 (1) Die Klägerin beanstandet, dass die Bewertung der Konflikte mit der Landesplanung in Teilen zirkelschlüssig sei. Die - nur ausnahmsweise zulässige - Inanspruchnahme von Waldgebieten durch die Trassenvariante werde vom Planfeststellungsbeschluss (S. 130) gemäß Ziff. 7.3-1 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - (GV. NRW. 2017 S. 122) mangels Erforderlichkeit abgelehnt, weil mit der Antragstrasse eine besser geeignete Variante zur Verfügung stehe, wobei die bessere Eignung wiederum auf die Konflikte mit der Landesplanung gestützt werde. Dieser Einwand greift nicht durch. Die Planfeststellungsbehörde hat nicht gegen die landesplanerischen Festlegungen verstoßen.
22 Die im Landesentwicklungsplan ausdrücklich als Ziel der Raumordnung bezeichnete Vorgabe ist allerdings als ein der Abwägung zugänglicher Grundsatz einzuordnen. Ziff. 7.3-1 LEP NRW erlaubt ausnahmsweise einen Eingriff in geschützte Waldgebiete bei Beschränkung auf das unbedingt erforderliche Maß unter der Voraussetzung, dass die Planung nicht an anderer Stelle realisierbar ist. Nach dem materiellen Gehalt dieser Planaussage handelt es sich nicht um ein Ziel der Raumordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, das abschließend abgewogen ist und folglich durch Abwägung nicht überwunden werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 56 ff. und vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301 Rn. 7). Zwar können auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erfüllen, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen einer Ausnahme mit hinreichender Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit selbst festlegt (BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - a. a. O. Rn. 8 und vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 88). Diesen Anforderungen an eine verbindliche Zielvorgabe wird die Bestimmung aber nicht gerecht. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind ungeachtet der zunächst strikt scheinenden Formulierung ("nicht realisierbar", "unbedingt erforderliche Maß") gerade mit dem Verweis auf eine anderweitige Realisierbarkeit des Vorhabens auf Verhältnismäßigkeitserwägungen bezogen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass jeweils allein die technische Machbarkeit unter Beachtung zwingenden Rechts den Ausschlag geben soll. Dies wird durch die Erläuterungen zum Landesentwicklungsplan bestätigt. Danach darf eine angestrebte Nutzung nicht innerhalb eines regionalplanerisch festgelegten Waldbereichs realisiert werden, wenn für den mit der Planung verfolgten Zweck eine zumutbare Alternative besteht (LEP NRW, Erläuterungen zu Ziff. 7.3-1 Abs. 11). Diese Zumutbarkeitserwägungen sprechen für die Einordnung als Grundsatz der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG, der in der Abwägungsentscheidung (nur) zu berücksichtigen ist (vgl. zur Vorgängervorschrift OVG Münster, Urteile vom 22. September 2015 - 10 D 82/13.NE - ZfBR 2016, 52 <54> und vom 17. Januar 2019 - 2 D 63/17.NE - juris Rn. 91).
23 Die Bewertung der Antragstrasse ist hiernach nicht zu beanstanden. Stehen zwei Varianten zur Wahl, die jeweils geschützten Wald in Anspruch nehmen, kommt es auf einen Größenvergleich dann maßgeblich an, wenn die Alternativen nicht in eine Rangfolge gebracht werden können. Die Realisierbarkeit des Vorhabens ist wiederum wertend zu bestimmen, um so eine verträgliche und verhältnismäßige Alternative zu ermitteln. Folglich ist dem Grunde nach nichts dagegen zu erinnern, wenn der Planfeststellungsbeschluss hierbei auch andere Gesichtspunkte einfließen lässt, wobei mit weiteren (allen) – hier unbenannten - Belangen ersichtlich die im Variantenvergleich erörterten Belange gemeint sind.
24 (2) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt der landesplanerischen Bewertung eine vergleichende Betrachtung der Waldbeeinträchtigung zugrunde. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 130) geht zutreffend davon aus, dass die Trassenvariante den Wald auf einer deutlich längeren Strecke mit einer größeren Anzahl an Masten quert; damit geht zugleich eine größere qualitative Beeinträchtigung des Waldes einher. Denn es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die von der Trassenvariante in Anspruch genommenen Waldbereiche etwa eine rechtlich beachtliche geringere Wertigkeit in naturschutzfachlicher Hinsicht aufweisen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 37). Ein unterschiedliches Schutzstreifenmanagement (siehe dazu PFB S. 357), das für die Bewertung der Trassenvarianten von Bedeutung sein könnte, hat der Planfeststellungsbeschluss nicht zugrunde gelegt.
25 (3) In raumordnungsrechtlicher Hinsicht hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 129) die Antragstrasse als konfliktärmer eingestuft. Das versteht sich angesichts des Umstands von selbst, dass das Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW mit den dort in Abs. 1 geregelten Mindestabständen zur Wohnbebauung auf die Antragstrasse nicht anwendbar ist (PFB S. 249 f.). Denn die Leitung, die nach Grundsatz Ziff. 8.2-1 Abs. 2 LEP NRW die Bündelungsoption mit einer Bestandstrasse nutzt, wird nicht, wie in Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW vorausgesetzt, auf einer neuen Trasse errichtet. Gegen diese vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Einordnung ist nichts zu erinnern. Ungeachtet der bereits vor einigen Jahren erfolgten Einstellung der Nutzung und des 2019 begonnenen Rückbaus der Bestandsleitung war für die Planfeststellung weiterhin von einer bestehenden Trasse auszugehen. Denn zum einen endet die faktische Prägung eines Trassenraums nicht unmittelbar mit dem Rückbau der Leitung; hier gilt nichts anderes als bei der Frage der Fortdauer einer Vorbelastung (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74 f. m. w. N.). Zum anderen war die planfestgestellte Leitung während der gesamten langjährigen Planung als Ersatzneubau für die Leitung Bl. 2304 vorgesehen. Auch wenn der Rückbau dieser Leitung im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt ist, war ein Konnex zwischen Rückbau und Neubau gleichwohl immer offensichtlich. Für eine rechtlich beachtliche Zäsur fehlt es daher an jeglichem Anhaltspunkt.
26 Eine abweichende Wertung wäre im Übrigen auch dann nicht angezeigt, wenn hinsichtlich der Abstandsunterschreitungen auf der Trassenvariante - wie von der Klägerin ohne weitere Substantiierung behauptet - eine Ausnahme in Betracht zu ziehen wäre. Denn der Konflikt mit den allgemeinen Vorgaben der Ziff. 8.2-4 LEP NRW wird dadurch nicht beseitigt. Soweit schließlich den Abstandsvorschriften - über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus - auch Anhaltspunkte für einen angemessenen Schutz des Wohnumfelds entnommen werden können, sind diese Belange dem Schutzgut Mensch zuzuordnen (vgl. PFB S. 131).
27 bb) Auch in Bezug auf artenschutzrechtliche Konflikte kann sich die Bewertung im Planfeststellungsbeschluss auf eine hinreichend ermittelte Tatsachengrundlage stützen.
28 Wenn der Planfeststellungsbeschluss hier wiederum darauf abstellt, dass die Antragstrasse insbesondere wegen des Vorkommens von Brutvogelarten konfliktträchtige Gebiete auf einer kürzeren Strecke quert als die Trassenvariante, und daraus auf die Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse schließt, ist dies nicht zu beanstanden. Dem stehen mögliche Maßnahmen zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nicht entgegen. Die Anbringung von Erdseilmarkierungen setzt das Anflugrisiko für Vögel zwar herab; ein artspezifisch unterschiedliches Risiko ist damit aber nicht von vornherein unbeachtlich (siehe BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2022 - 4 A 13.20 - ZNER 2022, 639 Rn. 24 ff.). Der Verweis auf Vergrämungs- und Umsetzungsmaßnahmen zur Bewältigung baubedingter Beeinträchtigungen führt nicht weiter, denn auch diese können artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirklichen (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 125). Darüber hinaus ist in diesem Verfahrensstand eine umfangreiche artenschutzrechtliche Prüfung nicht veranlasst, vielmehr tragen schon die von der Planfeststellungsbehörde angestellten Erwägungen die Bewertung.
29 cc) Die der landesplanerischen und artenschutzrechtlichen Bewertung zugrunde liegenden Sachverhaltsermittlungen sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unzureichend, obwohl die Planfeststellungsbehörde sich nach eigenem Bekunden auf eine Grobprüfung beschränkt hat. Auch im Bereich der Planungsalternativen muss die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt nur soweit klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Demnach ist sie befugt, Alternativen, die sich aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem früheren Verfahrensstadium auszuscheiden und bereits im Vorfeld einer solchen Entscheidung die angemessene Ermittlungstiefe zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 69 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 20, jeweils m. w. N.). Die Grobprüfung, die der Planfeststellungsbeschluss für die Prüfung dieser Trassenvariante für sich in Anspruch nimmt und für ausreichend erachtet, beschreibt keinen abstrakten Maßstab, sondern erfordert die je gesonderte Betrachtung der jeweils in Rede stehenden Prüfungspunkte. Sind - wie hier - die jeweils angestellten Ermittlungen geeignet, das Abwägungsergebnis zu tragen, ist die Bezeichnung des Prüfungsumfangs ohne Bedeutung.
30 dd) Mit ihrer Kritik am Variantenvergleich in Bezug auf das Schutzgut Mensch dringt die Klägerin ebenso wenig durch. Sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Bewertung der Trassenvariante als "leicht vorzugswürdig" sei zu ihren Lasten unzutreffend.
31 Die Klägerin bemängelt zum einen eine unzutreffende Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigungen des Wohnumfelds von betroffenen Anwohnern im Bereich von Mast 148 bis Mast 151 sowie möglicher Immissionen, auch unter Berücksichtigung der Vorbelastung. Damit macht sie fremde Belange geltend, die ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen können. Die Klägerin als Grundstückseigentümerin im Bereich der Antragstrasse könnte sich zwar auf die Abwehrinteressen von Mietern oder Pächtern berufen. Sie behauptet jedoch nicht, dass auf landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die in ihrem Eigentum stehen und die neben einer Vielzahl von gemeindeeigenen Wegegrundstücken im Trassenbereich belegen sind, Wohngebäude errichtet sind. Somit fehlt von vornherein ein Ansatzpunkt für eine Ausweitung der Rügebefugnis auf die Belange von in der Nachbarschaft in gleicher Weise betroffenen Anwohnern.
32 Zum anderen wendet sich die Klägerin gegen die Ausführungen zur Eigentumsbetroffenheit. Soweit sie rügt, dass die diesbezüglichen Beeinträchtigungen als ein Element des Schutzguts Mensch behandelt worden sind, und hierin einen gesondert zu betrachtenden privaten Belang sieht, kommt es auf diese Zuordnung entscheidungstragend nicht an. Das Gewicht der jeweils erfassten privaten Belange ändert sich dadurch nicht.
33 Soweit die Klägerin in der Sache die Auffassung vertritt, der Gesamtumfang der Eigentumsbetroffenheit sei unrichtig eingeschätzt worden, besteht kein Anlass für eine Ausweitung des Rügepotenzials auf die Interessen einer wie auch immer umschriebenen Nachbarschaft. Die Rechtsprechung, die auch die Belange anderer Betroffener berücksichtigt, bezieht sich auf die Sondersituation immissionsbetroffener Nachbarn. Die Geltendmachung der Eigentumsbelange wegen Beeinträchtigung der Bewirtschaftungsmöglichkeiten ist jedoch dem jeweiligen Eigentümer vorbehalten (siehe auch BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 20). Auch auf eine im Übrigen nicht weiter substantiierte Beeinträchtigung der Belange der Landwirtschaft als eines öffentlichen Belangs kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen.
34 Einen beachtlichen Fehler zeigt sie im Übrigen insoweit bezogen auf ihre eigene Betroffenheit nicht auf. Zwar führt der Rückbau einer Bestandsleitung auch dann zum Erlöschen einer bestehenden Dienstbarkeit für einen Schutzstreifen, wenn in der Trasse eine neue Leitung errichtet werden soll, sodass für diese Leitung gegebenenfalls neue Dienstbarkeiten zu bestellen sind (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - UPR 2014, 106 Rn. 27). Die faktische Vorbelastung eines Grundstücks ist dessen ungeachtet zu berücksichtigen. Denn die Ausweisung von Schutzstreifen zugunsten einer neuen Leitung setzt auf den bisher ausgewiesenen Schutzstreifen auf und führt nur dort zu einer neuen Belastung, wo bisher kein Schutzstreifen ausgewiesen war oder vorhandene Schutzstreifen aufgeweitet werden müssen (BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 54 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74). Dass eine Aufweitung von Schutzstreifen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen oder bei der Überspannung von Gehölzbeständen zu einer beachtlichen Einschränkung der Bewirtschaftungsmöglichkeiten führt, macht die Klägerin nicht geltend. Bei den Wegegrundstücken ist eine Beeinträchtigung der durch die Widmung geprägten Eigentümerbefugnisse von vornherein ausgeschlossen. Daraus mag sich auch erklären, dass die Klägerin unter den geringeren Beeinträchtigungen ihrer Rechtspositionen bei Verzicht auf die Antragstrasse ihr Grundeigentum nicht erwähnt, sondern lediglich auf verbesserte städtebauliche Entwicklungsperspektiven und ihr Selbstgestaltungsrecht verweist.
35 ee) Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, dass entgegen der im Planfeststellungsbeschluss (S. 129) vertretenen Ansicht unter technisch-wirtschaftlichen Aspekten nicht von einer deutlichen Nachteiligkeit der Trassenvariante auszugehen sei. Bezogen auf die Gesamtlänge des planfestgestellten Abschnitts fielen weder die Mehrlänge dieser Trasse noch die erhöhte Anzahl von Masten kostenmäßig ins Gewicht. Diese Argumentation verkennt, dass sich die Bewertung des Trassenvergleichs jedenfalls in der Regel nur auf den Bereich beziehen kann, in dem sich die Trassenverläufe unterscheiden. Ob ausnahmsweise anderes zu gelten hat, wenn der betroffene Bereich - anders als hier - bezogen auf das gesamte planfestgestellte Vorhaben von völlig untergeordneter Bedeutung ist, kann dahinstehen.
36 ff) Schließlich legt der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des Schutzguts Boden die ohne weiteres nachvollziehbare Annahme zugrunde, dass aufgrund der mit einer größeren Trassenlänge verbundenen höheren Anzahl von Maststandorten deutlich mehr sowohl dauerhafte als auch temporäre Eingriffe in den Boden stattfinden (PFB S. 133 und 78). Anlass für eine differenzierende ("qualifizierte") Betrachtung wegen einer vermeintlich unterschiedlichen Wertigkeit der Böden bestand nicht.
37 gg) Auf der Grundlage der nicht zu beanstandenden Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Antragstrasse einerseits und der Trassenvariante "Metelen II" andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Trassenvariante der Planfeststellungsbehörde als die vorzugswürdige Lösung aufdrängen musste.
38 b) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und der unter vier Erdkabelvarianten als vorzugswürdig ermittelten Erdkabelvariante 2 stellt der Planfeststellungsbeschluss wiederum die zum Vergleich anstehenden Trassenvarianten zunächst hinsichtlich verschiedener Kriterien - technisch-wirtschaftliche Gesichtspunkte, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz, Boden, Wasser, Landschaftsschutz, Kultur und sonstige Sachgüter - gegenüber und bewertet jeweils, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt eine Gesamtabwägung (PFB S. 166 ff.).
39 Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, dass bei einer richtigen Bewertung der Belange und unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe von einer Vorzugswürdigkeit der Erdkabelvariante 2 auszugehen sei.
40 aa) Wie schon bei der Abwägung mit der Freileitungsvariante geht auch hier die Berufung auf eine unzulängliche Würdigung des Schutzguts Mensch fehl.
41 Zum einen macht die Klägerin das Interesse der Nutzer des im Bereich von Mast 149 bis Mast 152 gelegenen Ferienhausgebiets geltend, von jeglichen elektromagnetischen Feldern - auch unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV - verschont zu bleiben. Auf die privaten Belange Dritter kann die Klägerin sich aber nicht berufen. Folglich geht auch der Vortrag ins Leere, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Auslösekriteriums nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnLAG eine Regelvermutung zugunsten eines Erdkabels im Interesse der Gewährleistung eines ungestörten Wohnumfelds bestehe, und die Planfeststellungsbehörde eine besondere Begründungs- und Rechtfertigungslast treffe, wenn sie gleichwohl im Rahmen ihrer Abwägung von der Anordnung eines Erdkabels absehe. Ob auch Ferienhäuser unter den Begriff des Wohngebäudes im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG fallen, kann demnach dahinstehen.
42 Die Klägerin beanstandet zum anderen hinsichtlich der Flächeninanspruchnahme insbesondere durch Schutzstreifen und den damit einhergehenden Eigentumsbeeinträchtigungen eine unzureichende Ermittlung der insgesamt - ungeachtet einer Vorbelastung - erstmals betroffenen Grundstücke und eine unzureichende Bewertung der bei Freileitungen einerseits, Erdkabeln andererseits zu beachtenden Nutzungsbeschränkungen. Auch damit werden verallgemeinernd Interessen Dritter geltend gemacht, zu deren Wahrnehmung die Klägerin nicht befugt ist.
43 bb) In Bezug auf den Natur- und Artenschutz, wozu auch die Waldinanspruchnahme zählt, stuft der Planfeststellungsbeschluss die Antragstrasse "potenziell" als vorzugswürdig ein. Das ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
44 (1) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 171 f.) geht davon aus, dass beide Varianten geschützte Gebiete verschiedenster Quantität und Qualität berührten, und beide Varianten hinsichtlich des Grades der Beeinträchtigung eng beieinanderliegen. Die Planfeststellungsbehörde geht "insbesondere" wegen der Inanspruchnahme des unmittelbar westlich der Kabelübergabestation Nord gelegenen Naturschutzgebiets "Am Waldhof" von einer leichten Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse aus, da Meidungen bestimmter Vogelarten nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnten. Die Klägerin erachtet dies als bloße Behauptung. Vielmehr sei eine Verschiebung der Kabelübergabestation im Suchraum, der im Übrigen durch eine Bundesstraße vom Naturschutzgebiet getrennt sei, zu erwägen. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum nicht auch die Freileitung negative Auswirkungen habe. Der Beklagte verweist unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Fachgutachters auf die im Vergleich zu einer Freileitung größere Wirkintensität aufgrund der größeren Flächeninanspruchnahme durch eine Kabelübergabestation und der am Übergang niedriger geführten Leiterseile; das baubedingte Störungspotenzial sei wesentlich höher einzuschätzen als die bestehende Vorbelastung durch die Bundesstraßen B 70 und B 54. Die so begründete Gefahr eines Meideverhaltens der in § 2 Abs. 2 Buchst. a der Schutzgebietsverordnung (Ordnungsbehördliche Verordnung der Bezirksregierung Münster zur Ausweisung des Gebietes "Am Waldhof", im Gebiet der Stadt Ochtrup, Kreis Steinfurt, im Regierungsbezirk Münster als Naturschutzgebiet vom 16. Juli 2015, Abl. Bez.Reg. Münster S. 269) genannten Wiesen- und Offenlandvögel ist noch nachvollziehbar dargetan, wobei auch zu beachten ist, dass diese Einschätzung nur zu einer "leichten" Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse führt. Ob das erstmals in der Klageerwiderung vorgebrachte Argument einer Gefährdung des Wasserhaushalts bei einer Erdkabelbaustelle trägt, kann dahinstehen.
45 (2) Was die Waldinanspruchnahme angeht, stuft der Planfeststellungsbeschluss (S. 172 f.) die Erdkabelvariante 2 als leicht vorteilhaft gegenüber der Antragstrasse ein. Die dauerhafte Waldinanspruchnahme bzw. der Waldverlust sei bei einem Erdkabel deutlich höher als bei der Antragstrasse, obwohl dort insbesondere durch Schutzstreifen mehr Waldflächen in Anspruch genommen würden. Jedoch konzentrierten sich die Eingriffe bei der Erdkabelvariante 2 auf kleinere Waldbereiche und nicht auf größere zusammenhängende Bereiche. Diese qualitative Bewertung wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch infrage gestellt, dass bei der Gesamtabwägung nur noch das quantitative Element einer dauerhaften Inanspruchnahme erwähnt wird (PFB S. 197). Schließlich ist gegen die quantitative Bemessung einer nicht nur temporären, sondern dauerhaften Waldinanspruchnahme nichts zu erinnern. Es ist nicht ersichtlich, dass ein wie auch immer geartetes Schutzstreifenmanagement bei einer Verlegungstiefe eines Erdkabels von etwa 1,5 m dazu beitragen könnte, dass dort ein Wald heranwächst. Vielmehr geht der Planfeststellungsbeschluss zutreffend davon aus, dass bei offener Bauweise im Schutzstreifen eines Erdkabels die Nutzung der Fläche als Wald ausgeschlossen ist.
46 (3) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Wertung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 173), die Erdkabelvariante 2 sei in artenschutzrechtlicher Hinsicht insgesamt nachteiliger als die Antragstrasse.
47 Die Klägerin ist der Ansicht, dass lediglich bauzeitliche Beeinträchtigungen, wie sie bei der Errichtung des Erdkabels zu verzeichnen seien, gegenüber dauerhaften Beeinträchtigungen wie der Anfluggefahr für Vögel bei Freileitungen zurücktreten müssten. Darüber hinaus werde die Notwendigkeit von Bauzeitbeschränkungen vom Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht doppelt eingestellt.
48 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht davon auszugehen, dass der Planfeststellungsbeschluss diese temporäre Beeinträchtigung gegenüber der Anfluggefahr für Vögel bei der Antragstrasse überbewertet hat. Die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss sind vielmehr so zu verstehen, dass die Anfluggefahr durch die bauzeitlichen Beeinträchtigungen bei der vergleichenden Bewertung ausgeglichen wird und insoweit ein Gleichstand zwischen den Varianten gegeben ist.
49 Eine inkonsistente und methodisch angreifbare Bewertung ist schließlich nicht darin zu sehen, dass die Auswirkungen der Bauzeitbeschränkung als einer artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahme in die Bewertung einfließen. Denn eine Maßnahme, mit der eine artenschutzrechtliche Konfliktlage bewältigt werden soll, und die die Umsetzung des Vorhabens erschwert, ist nicht nur - wie auch hier geschehen - bei den technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten einzustellen, sondern wirkt sich zugleich auf die Gewichtung der Variante aus. Eine unzulässige "Doppelverwertung" liegt darin nicht.
50 Die daraus folgende Einschätzung, die Antragstrasse sei "potenziell" als vorzugswürdig anzusehen, ist noch hinreichend bestimmt. Angesichts der Ausführungen, dass beide Varianten insoweit eng beieinanderliegen, soll die gewählte Formulierung ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass die Antragsvariante insoweit leicht vorzugswürdig ist.
51 cc) Ein erheblicher Abwägungsfehler folgt schließlich nicht daraus, dass der Planfeststellungsbeschluss beim Vergleich die Auswirkungen der beiden Varianten auf die kommunale Planungshoheit nicht erwähnt. Im Gegensatz hierzu führt der Planfeststellungsbeschluss (S. 131) bei der Gegenüberstellung der Freileitungsvarianten aus, dass sich die Trassenvariante wegen eines größeren Abstands zum Gemeindekerngebiet (Siedlungsbereich) hinsichtlich der kommunalen Entwicklungsmöglichkeiten/Siedlungsentwicklung tendenziell als positiver darstellt.
52 Der Planfeststellungsbeschluss hat damit bei der Gesamtabwägung keinen abwägungserheblichen Belang übersehen. Denn bei der Erörterung der Einwendungen der Klägerin führt der Planfeststellungsbeschluss (S. 379 f.) ausdrücklich aus, dass sie durch das planfestgestellte Vorhaben nicht unverhältnismäßig in ihrer Siedlungsentwicklung gehindert ist. Er stützt sich dabei insbesondere auf die Einschätzung der zuständigen Regionalplanungsbehörde, wonach der Klägerin noch genug Wohnbauflächenreserven zur Verfügung stehen und auch eine Ausweisung eines neuen Wohngebiets durch den im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplan Nr. 44, der den Mindestabstand von 400 m zur planfestgestellten Höchstspannungsfreileitung nicht in allen Teilen einhält, am Grundsatz Ziff. 8.2-3 LEP NRW nicht scheitern muss. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
53 Es ist im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich, dass der Planfeststellungsbeschluss insoweit das Gewicht der kommunalen Planungshoheit verkannt hat. Diese vermittelt der Gemeinde eine wehrfähige Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn ein Vorhaben eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden (BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 85). Ob eine hinreichende Konkretisierung der gemeindlichen Planungsabsichten hinsichtlich des Bebauungsplans Nr. 44 im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses bereits wegen des Aufstellungsbeschlusses vom 9. Dezember 2019 anzunehmen war, obwohl eine Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht stattgefunden hatte (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 27. August 1997 - 11 A 18.96 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24 S. 30), kann dahinstehen. Denn nach dem Prioritätsgrundsatz musste die Klägerin ihrerseits auf die nach Auslegung der Planunterlagen im Jahr 2018 verfestigte Fachplanung Rücksicht nehmen (BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - a. a. O. Rn. 85). Auf eine Planungssperre zu Lasten der Fachplanung kann die Klägerin sich demnach keinesfalls berufen.
54 dd) Schließlich beeinträchtigt das planfestgestellte Vorhaben nicht das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin. Abwehransprüche erwachsen aus diesem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden Recht allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 62, vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 59 und vom 27. April 2017 - 9 A 30.15 - BVerwGE 159, 1 Rn. 29). Angesichts der örtlichen Verhältnisse - die planfestgestellte Leitung verläuft deutlich außerhalb der geschlossenen Ortslage im Bereich einer Bestandstrasse - wird die Erheblichkeitsschwelle im Sinne einer Beeinträchtigung des Ortsbildes ungeachtet der im Vergleich zur Leitung Bl. 2304 deutlich höheren Masten nicht erreicht.
55 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Urteil vom 10.11.2022 -
BVerwG 4 A 17.20ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A17.20.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 10.11.2022 - 4 A 17.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A17.20.0]
Urteil
BVerwG 4 A 17.20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
am 10. November 2022 für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.
2 Der Beschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See durch die beigeladene Übertragungsnetzbetreiberin fest. Die Trasse ist rund 33,5 km lang; auf ihr sollen 87 Masten neu errichtet werden. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des ca. 150 km langen Vorhabens Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer <Bl.> 4201). Dabei handelt es sich um den südlichen Teil des 181 km langen Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein, das in Nr. 5 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG - und darin zugleich als ein Pilotvorhaben für die Erdkabeltechnologie aufgeführt ist.
3 Die planfestgestellte Freileitung mit zwei 380-kV-Stromkreisen verläuft zunächst von Mast 115 bis Mast 170 in nördlicher, dann nordöstlicher Richtung und nutzt dabei auf einer Strecke von über 26 km Länge im Wesentlichen den Trassenraum der zurückzubauenden und überwiegend bereits zurückgebauten 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel/Niederrhein - Ibbenbüren (Bl. 2304). Ab Mast 170 (Pkt. Wettringen) verlässt die Leitung den vorhandenen Trassenraum in nördlicher Richtung, von Mast 175 bis Mast 202 (Pkt. Haddorfer See) wird sie - abgesehen von einer Verschwenkung von Mast 189 bis Mast 194 - parallel mit der 380-kV-Freileitung Hanekenfähr - Gersteinwerk (Bl. 4307; belegt mit zwei 380-kV-Stromkreisen und je einem 220-kV- und 110-kV-Stromkreis) zunächst nach Nordwesten und später nach Norden geführt.
4 Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Wettringen im Norden des Planfeststellungsabschnitts. Er baut Sonderkulturen wie Spargel und Erdbeeren an, die er direkt ab Hof an Endverbraucher und über den Handel vermarktet. Mehrere in seinem Eigentum stehende Grundstücke werden im Bereich von Mast 191 bis Mast 196 von der Leitung überspannt sowie für Schutzstreifen und für die Errichtung von Masten in Anspruch genommen. Über seine Grundstücke verlaufen außerdem die 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Bl. 4307, eine Mittelspannungsfreileitung und drei unterirdische Hochdruck-Gasleitungen; auch stehen dort bereits mehrere Masten. Im Bereich der Masten ... und ... soll die geplante Leitung zwischen seiner Hofstelle und der Bestandsleitung Bl. 4307 geführt werden. Die Leitung verläuft in einer Entfernung von 182 m zum Wohngebäude. Der Mast ... ist etwa 200 m entfernt.
5 Der Kläger wendet sich gegen die Trassenführung im Bereich seiner Grundstücke. Er rügt Beeinträchtigungen seines Eigentums und seiner betrieblichen Belange durch eine übermäßige Belastung aufgrund weiterer Überspannungen und Maststandorte. Im betreffenden Abschnitt sei eine gemeinsame Führung ("Einspurigkeit") der Trassen Bl. 4201 und Bl. 4307 mit allen auf diesen geführten Stromkreisen auf den neu zu errichtenden Masten der Bl. 4307 möglich und zur Schonung seiner Belange auch geboten.
6
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 aufzuheben, soweit er den Bereich von Mast 191 bis Mast 196 betrifft,
hilfsweise
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er den Bereich von Mast 191 bis Mast 196 betrifft.
7
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
8 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
II
9 Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger ist durch die Inanspruchnahme von Grundflächen für Maststandorte und für Schutzstreifen enteignungsbetroffen, sodass ihm ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) zusteht, soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seiner Grundstücke kausal ist (BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24, vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 12 und vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff., 34 ff.). Der Kläger trägt mit seiner Antragstellung dieser Einschränkung Rechnung; denn die Trassenführung im Bereich Metelen, die Gegenstand der Verfahren - BVerwG 4 A 15.20 - und - BVerwG 4 A 16.20 - ist, wirkt sich auf seine Betroffenheit nicht aus.
10 Der Kläger kann im beantragten Umfang weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in der Fassung der im Laufe des Gerichtsverfahrens erlassenen Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen. Denn der Planfeststellungsbeschluss verletzt - nach Maßgabe des durch den gemäß § 6 Satz 1 UmwRG fristgerechten Vortrag bestimmten Prozessstoffs (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2022 - 4 A 13.20 - ZNER 2022, 639 Rn. 12) – den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
11 1. Der Kläger wendet sich allein gegen die Trassenführung im Bereich seiner Grundstücke, insbesondere bei seiner Hofstelle. Er ist der Auffassung, dass die Mitführung der vorhandenen Stromkreise der Bestandsleitung auf den in der Bestandstrasse neu zu errichtenden Masten ("Ersatzneubau der Bl. 4307") die vorzugswürdige räumlich-technische Alternative sei.
12 Die Abwägungsentscheidung zugunsten der planfestgestellten Parallelführung der beiden Höchstspannungsleitungen ist indessen nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Klägers führt nicht auf einen rechtserheblichen Fehler des Abwägungsvorgangs oder des Abwägungsergebnisses. Der Planfeststellungsbeschluss hat die abwägungserheblichen Belange zutreffend erfasst; die auf dieser Grundlage erfolgte Gesamtabwägung hat von Rechts wegen Bestand.
13 Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 47 m. w. N.).
14 Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Die Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit unterliegt rechtlichen Bindungen. Die Wahl einer Trassenvariante ist rechtsfehlerhaft, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Darüber hinaus ist die Abwägungsentscheidung auch dann fehlerhaft, wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48 m. w. N.). Gleiches gilt für die Auswahl unter technischen Varianten (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 128 ff.).
15 2. Der Kläger teilt die Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 199), dass eine Mitführung der geplanten zwei 380-kV-Stromkreise auf den bestehenden Masten der Leitung Bl. 4307 (Variante 1) wegen technischer Undurchführbarkeit nicht in Betracht kommt, weil die Bestandsleitung aus statischen Gründen nicht um die dann erforderlichen zusätzlichen Traversen nachgerüstet werden kann. Auch soweit der Planfeststellungsbeschluss (S. 201 f.) unter Verweis auf technische und betriebliche Risiken die Variante 3 verwirft, bei der die Leitung Bl. 4201 die Leitung Bl. 4307 kreuzt, sodass die neue Leitung im Bereich des Hofs des Klägers auf der diesem abgewandten Ostseite der Bestandsleitung geführt wird, macht der Kläger Abwägungsmängel nicht geltend.
16 Das Führen aller sechs Stromkreise auf einem Gestänge ist nach der im Planfeststellungsbeschluss vertretenen und vom Kläger, gestützt durch ein Sachverständigengutachten, geteilten Auffassung technisch-konstruktiv auf hierfür nach Statik und Größe ausgelegten Masten mit dann vier Traversen möglich und wird nach Aussage des Beklagten in der mündlichen Verhandlung insbesondere in Ballungsräumen wegen der dort beengten Platzverhältnisse auch praktiziert.
17 a) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 199 f.) sieht jedoch gravierende betriebliche Nachteile durch Risiken und Unwägbarkeiten bei nur einer Leitung. Bei Wartungen und Störungen könne es wegen der räumlichen Nähe der Stromkreise nötig werden, auch die anderen Stromkreise freizuschalten und so den Stromfluss auf der ganzen Linie einzustellen. Bei Störungen seien infolge einer dann gegebenenfalls erfolgenden automatischen Freischaltung aller Leitungen kritische Netzsituationen zu befürchten. Dies sei deswegen zu vermeiden, weil die Leitungen Bl. 4201 und Bl. 4307 zu windstarken Zeiten mit dem Stromtransport von Nord nach Süd vergleichbaren Zwecken dienten.
18 Diese Feststellungen und Einschätzungen werden vom Vorbringen des Klägers nicht widerlegt. Es ist nachvollziehbar dargetan, dass durch die - vom Kläger nicht infrage gestellte - gebotene Freischaltung der anderen auf der betroffenen Mastseite geführten Leitungen bei Wartungsarbeiten bzw. Reparaturen an einem Stromkreis wegen der Unterbrechung des gesamten Stromflusses der verlässliche Betrieb des Stromnetzes erschwert wird. Dass bei Störfällen kritische Netzsituationen mit höherer Wahrscheinlichkeit entstehen können als bei einer getrennten Leitungsführung, ist ebenfalls plausibel.
19 Wenn der Gutachter des Klägers hiergegen auf der Grundlage verschiedener Übersichten über die Häufigkeit von Störungen in Stromnetzen einwendet, dass im betreffenden Abschnitt bei Führung von sechs Stromkreisen auf einem Gestänge eine Störung statistisch nur alle 21 Jahre auftrete, bei den bestehenden vier Stromkreisen alle 32 Jahre, mag dahinstehen, ob das so zutrifft. Denn ein Bestreben nach Minimierung der betrieblichen Risiken durch die getrennte Führung der Stromkreise wird dadurch nicht infrage gestellt. Dass auch solche seltenen, nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auftretenden Ereignisse nicht zuletzt aufgrund des mit ihnen verbundenen Schadenspotenzials ohne weiteres Anlass für eine hieran ausgerichtete Optimierung sein können, belegen etwa Hochwasserschutzmaßnahmen, die sich an großzügigen zeitlichen Horizonten - etwa einem 50-jährlichen oder einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ 50 oder HQ 100) – orientieren können (vgl. etwa § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG).
20 Schließlich beruht die Wertung des Planfeststellungsbeschlusses, dass die mit einer gemeinsamen Leitungsführung verbundenen betrieblichen Risiken zu vermeiden seien, nicht deswegen auf einer unzutreffenden Sachverhaltsannahme, weil er ausführt, die Leitungen dienten mit dem Stromtransport von Nord nach Süd vergleichbaren Zwecken, was - so die Konsequenz - die Auswirkungen einer Unterbrechung des Stromflusses umso gravierender erscheinen lässt. Der Verweis des Sachverständigengutachtens auf die bei der Errichtung der Leitung Bl. 4307 verfolgte Zwecksetzung einer Stabilisierung der Stromversorgung im Münsterland belegt nicht die Unrichtigkeit der Aussage im Planfeststellungsbeschluss. Denn diese bezieht sich (nur) auf die Konstellation, dass zu den windstarken Zeiten überschüssige Windenergie aus Norddeutschland zu Lastschwerpunkten im Ruhrgebiet und weiter südlich transportiert wird. Diese Aufgabe ist der Leitung Bl. 4307 erst nach ihrer Errichtung im Jahre 1968 im Laufe der Zeit durch den Ausbau der Windenergie zugewachsen. Das Anliegen, gerade wegen dieser Aufgabe die Störanfälligkeit zu minimieren, durfte der Planfeststellungsbeschluss in seine Abwägung einstellen.
21 b) Die Erwägung im Planfeststellungsbeschluss (S. 200), wonach der Rückbau einer noch funktionstüchtigen Bestandsleitung wirtschaftlich nachteilig und mit einem Verstoß gegen das Gebot einer preisgünstigen Stromversorgung (§ 1 Abs. 1 EnWG) verbunden sei, wird durch den Verweis in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten auf die betriebswirtschaftlichen Abschreibungsfristen nicht erschüttert. Das Gleiche gilt für den Hinweis auf die Festsetzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer einer "Freileitung 110 - 380 kV" auf 40 bis 50 Jahre nach Ziff. III.1.1 der Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen vom 25. Juli 2005 (BGBl. I S. 2225), der sich ebenfalls auf kalkulatorische Abschreibungen bezieht. Diese für die Unternehmensbilanz bedeutsame Betrachtung ändert nichts daran, dass die 1968 errichtete Leitung Bl. 4307 das Ende ihrer Lebensdauer noch lange nicht erreicht hat, und deren Rückbau wirtschaftlich folglich nicht angezeigt ist. Die tatsächliche Nutzungsdauer einer Höchstspannungsfreileitung wird allgemein mit durchschnittlich 80 Jahren veranschlagt, und davon geht auch hier der Beklagte aus. Dies wird im vorliegenden Planfeststellungsabschnitt durch den Blick auf die Leitung Bl. 2304 bestätigt, die 1928 errichtet und etwa 2015 außer Betrieb genommen wurde. Darüber hinaus hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass die Masten der Bl. 4307 teilweise - wenn auch nicht im Bereich des Anwesens des Klägers - erhöht und die Leiterseile jedenfalls in Abschnitten im Interesse der Anpassung an höhere Betriebstemperaturen ausgetauscht wurden (siehe zum dort 2009 realisierten Pilot-Einsatz von Hochtemperaturleitern <ACCR-Leiter> Deutsche Energie-Agentur GmbH <dena>, Technologieübersicht. Das deutsche Höchstspannungsnetz: Technologien und Rahmenbedingungen, Stand Juli 2014, S. 44; 3M, Hintergrundinformation zum Netzausbau, Stand 22. November 2011, S. 2, verfügbar auf www.ien-dach.de/uploads/tx_etim/Page_12_3M_27973.pdf). Auch diese auf jeweils längere Zeiträume bezogenen Investitionen sprechen gegen die Annahme des Klägers, die Bl. 4307 müsse in absehbarer Zeit ohnehin ersetzt werden, wobei die doppelten Bauarbeiten zu Lasten der Stromverbraucher gingen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Erwägungen ist schließlich auch zu beachten, dass nicht nur der Rückbau als solcher kostenträchtig ist, sondern die Errichtung einer Leitung, die alle Stromkreise auf ihr Gestänge nehmen kann, wegen einer dann erforderlichen anderen Dimensionierung der Masten die Kosten der planfestgestellten Leitung übersteigt.
22 c) Die mit mehr als 100 m deutlich größere Höhe von Masten mit vier Traversen und deren massivere Bauweise beeinträchtigt nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde das Landschaftsbild in höherem Ausmaß. Diese wegen der Sichtbarkeit in einem größeren Umkreis ohne weiteres nachvollziehbare Wertung, die sich in der Berechnung des Ersatzgeldes nach § 15 BNatSchG in Abhängigkeit von der Masthöhe widerspiegelt (PFB S. 36, 288 f.; siehe Planunterlagen, Planänderung 7, Nr. 3, DB7 Ersatzgeldberechnung, S. 2, Tab. 1; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 49), wird durch das Vorbringen des Klägers nicht infrage gestellt, wenn er von einer "moderate[n, ...] praktisch zu vernachlässigen[den]" Erhöhung spricht. Ausweislich der Masttabelle (Planunterlage Nr. 4.1, S. 4) erreichen die planfestgestellten Masten ... und ... eine Höhe von 67,5 m bzw. 71,5 m. Von einer geringfügigen Erhöhung kann bei einem Größenunterschied von über 30 m nicht die Rede sein. Dass die Masten der Bestandsleitung Bl. 4307 ihrerseits vergleichbar hoch sind, ist nicht dargetan. Die dem Gutachten beigefügten Fotografien zeigen - soweit ersichtlich - einen Mast von üblicher Höhe mit drei Traversen, d. h. etwa 50 bis 70 m. Diese Größenordnung wird des Weiteren durch die Feststellung belegt, dass bei einer Leitungskreuzung die Überspannung der Bestandsleitung Bl. 4307 Masten von 100 m Höhe erforderte (PFB S. 202).
23 d) Schließlich gebieten die rechtlichen Vorgaben zum Klimaschutz entgegen der Auffassung des Klägers keine abweichende Bewertung der Zulässigkeit einer "(Doppel-)Struktur" durch Bestandsleitung und Neubauleitung.
24 Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss vom 11. Oktober 2022 die planerische Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses mit Blick auf § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG und § 6 Klimaanpassungsgesetz Nordrhein-Westfalen - KlAnG - vom 8. Juli 2021 (GV. NRW. S. 910) in verfahrensrechtlich zulässiger Weise um Erwägungen zu den Belangen des Klimaschutzes ergänzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - NVwZ 2022, 1549 Rn. 73). Der Planergänzungsbeschluss geht davon aus, dass das unter Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 EnLAG aufgeführte Vorhaben als Bestandteil des in Übereinstimmung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 stehenden Netzentwicklungsplans dem Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht entgegenstehe. Gegen diese auf die Bewertung von Anlage und Betrieb des Gesamtvorhabens bezogene Einschätzung bringt der Kläger nichts vor. Er wendet sich allein gegen eine vermeintliche Ressourcenverschwendung durch mehrere zeitlich versetzte Baumaßnahmen und durch die umfangreichere Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen. Insoweit entnimmt der Planergänzungsbeschluss dem § 49 Abs. 1 EnWG, der die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Planung und dem Bau von Energieanlagen vorschreibt, das allgemeine Erfordernis der Begrenzung von Energieleitungen auf das notwendige Maß; es fehle jedoch an konkreten Vorschriften zu den Anforderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Der Kläger zeigt weder auf noch ist es sonst ersichtlich, dass es entgegen dieser Annahme verlässliche Vorgaben gibt, um eine unmittelbar auf die CO2-Emissionen von Anlage und Bautätigkeit bezogene saldierende Betrachtung von Trassenvarianten vornehmen zu können. Schon deswegen ist dem Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - NVwZ 2022, 1549 Rn. 76 ff.) jedenfalls dann Genüge getan, wenn die planfestgestellte Trasse nach Maßgabe einer umfassenden Abwägung angemessen und insoweit notwendig ist. Denn dabei sind - wie ausgeführt - auch wirtschaftliche Argumente zu beachten; in geringeren Kosten spiegelt sich - jedenfalls bei langlebigen Investitionsgütern - in aller Regel ein geringerer CO2-relevanter Ressourcen- und Energieverbrauch wider. Auch wird mit der Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen für Maststandorte keine Klimasenke beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - NVwZ 2022, 1549 Rn. 83).
25 e) Ist die Ablehnung der Errichtung einer einzigen Höchstspannungsleitung für die auf den Leitungen Bl. 4201 und Bl. 4307 geführten Stromkreise als technische Alternative nicht zu beanstanden, kommt es auf die Trassenführung für eine solche Leitung nicht mehr an. Es kann deswegen dahinstehen, ob der Bau in einer Bestandstrasse, der den vorherigen Abbau der Bestandsleitung voraussetzt, ohne weiteres unter Hinweis darauf abgelehnt werden kann, dass die bestehende Leitung im Interesse einer gesicherten Stromversorgung erforderlich sei und nicht für einen längeren Zeitraum unterbrochen werden könne (vgl. PFB S. 200 f.), oder ob insoweit die Möglichkeit eines Provisoriums erwogen werden muss.
26 3. Die vom Kläger geltend gemachten Belange hat die Planfeststellungsbehörde in ihre Erwägungen eingestellt.
27 a) Eine höhere Belastung durch elektrische und magnetische Felder infolge der neuen, näher an die Wohnbebauung heranrückenden Leitung hat der Planfeststellungsbeschluss zur Kenntnis genommen. Er hat dabei auch nicht verkannt, dass insoweit Belastungen auch unterhalb der Grenzwerte abwägungsbeachtlich sind, wobei der Belang umso gewichtiger wird, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, und sein Gewicht umso geringer ist, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 39 und vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 - BVerwGE 159, 121 Rn. 53). Am hier maßgeblichen Referenzpunkt des Annäherungsabschnitts 16 - dem der Leitung nächstgelegenen Wohngebäude 16.2 - weist das elektrische Feld eine Stärke von 0,08 kV/m und die magnetische Flussdichte einen Wert von 2,20 µT auf (PFB S. 236 Fn. 202). Angesichts der maßgeblichen Grenzwerte der 26. BImSchV (5 kV/m bzw. 100 µT) ist diese Belastung so gering, dass sie nicht als erheblich angesehen werden musste und der Planfeststellungsbeschluss die verglichenen Varianten insoweit als gleichrangig ansehen durfte.
28 b) Die Belastung des Wohnumfelds wegen der Unterschreitung eines Abstands von 200 m von der Leitungstrasse zu Wohngebäuden im Außenbereich hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 235) ebenfalls erkannt. Insoweit billigt er der Abstandsregel nach Ziel Ziff. 8.2-4 Abs. 1 Spiegelstrich 2 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - (GV. NRW. 2017 S. 122) indizielle Bedeutung für die Qualität des Wohnumfelds zu, auch wenn diese Regel im Rahmen der landesplanerischen Bewertung keine Anwendung findet, weil es wegen der Bündelung der Trassen an einem Trassenneubau im Sinne des Grundsatzes Ziff. 8.2-1 LEP NRW fehle (PFB S. 249 f.). Er hat festgestellt, dass bei dem Wohngebäude 16.1 dieser Abstand zu einer Freileitung mit 182 m erstmals (knapp) unterschritten wird, während bei den Wohngebäuden 16.2, 16.3 und 16.4 der bereits durch die Bestandsleitung Bl. 4307 nicht eingehaltene Abstand sich weiter verringert, und zwar bei dem der Leitung nächstgelegenen Wohngebäude 16.2 auf eine Entfernung von nur noch 95 m, bei den beiden anderen Wohngebäuden auf 109 m bzw. 127 m. Der weiterhin bestehende Abstand sei aber nicht zuletzt wegen der teilweisen Sichtverschattung durch Bäume und andere Gebäude zumutbar. Diese Bewertung ist insbesondere angesichts der Vorbelastung der Grundstücke des Klägers nicht zu beanstanden.
29 c) Schließlich rügt der Kläger weitere betriebliche Beeinträchtigungen unter Verweis darauf, dass seine Grundstücke bereits durch die Bestandsleitung sowie Gashochdruckleitungen in Anspruch genommen werden.
30 Bewirtschaftungserschwernisse wegen der Überspannung durch die Leitungen und die darunter festgesetzten Schutzstreifen sind jedoch nicht ersichtlich. Von Höhenbeschränkungen sind insbesondere die die landwirtschaftliche Produktion des Hofs des Klägers kennzeichnenden Sonderkulturen (Spargel, Erdbeeren) nicht betroffen. Durch die auf dem Grundstück des Klägers Flurstück ..., Flur ... der Gemarkung Wettringen vorgesehenen Masten ... und ... wird er zwar belastet. Schäden durch die erforderlichen Baumaßnahmen sind nach dem Planfeststellungsbeschluss (S. 345) aber nicht zu besorgen. Eine Existenzgefährdung durch dauerhafte Bewirtschaftungserschwernisse und Ertragseinbußen behauptet der Kläger selbst nicht. Solche sind im Übrigen auch im Vorfeld dieser Schwelle in jedem Fall zu entschädigen (PFB S. 393, 372).
31 Schließlich rügt der Kläger nachteilige Folgen einer weiteren Leitung, die vor allem in optischer ("Mastenwald", "Umspannwerk"), akustischer und auch psychologischer Hinsicht ("Strahlenbelastung") die Attraktivität seines Hofs für die Abnehmer seiner selbst vermarkteten Produkte massiv herabsetze. Auch mit diesen - letztlich wenig greifbaren - Befürchtungen hat sich der Planfeststellungsbeschluss (S. 393 f.) auseinandergesetzt. Er verweist darauf, dass es dem Kläger ungeachtet der bereits bestehenden Rahmenbedingungen einer Nachbarschaft zu einer Höchstspannungsfreileitung gelungen sei, seinen Betrieb gerade mit der Ausrichtung auf die Selbstvermarktung wirtschaftlich weiter auszubauen. Wenn der Planfeststellungsbeschluss hieraus den Schluss zieht, es sei nicht ersichtlich, dass eine weitere Leitung daran etwas ändern werde, liegt darin eine vertretbare Wertung. Hierzu kann ergänzend und bestätigend noch darauf hingewiesen werden, dass die Produktionsweise der Sonderkulturen nicht dem Bild einer hergebrachten ("idyllischen") bäuerlichen Landwirtschaft entspricht: Die Spargel wachsen unter schwarzen Plastikfolien und die Erdbeeren werden in großen begehbaren Folientunneln auf Stellagen angebaut, sodass sie - wie auf der Homepage des Klägers besonders betont - nicht schmutzig werden und bequem im Stehen geerntet werden können. Eine Fotografie in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten zeigt, dass schon diese Art des Anbaus landwirtschaftlicher Produkte eine gewisse industrielle Anmutung hat.
32 4. Gegen die abschließende Abwägung zugunsten der planfestgestellten Leitung ist angesichts der nicht zu beanstandenden Ermittlung und Bewertung der widerstreitenden Belange von Rechts wegen nichts zu erinnern.
33 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.