Verfahrensinformation
Die Beteiligten streiten darum, ob eine nicht durch amtliche Dokumente oder Nachweise geklärte Identität einer als Flüchtling anerkannten Einbürgerungsbewerberin einer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband auch dann entgegensteht, wenn eine weitergehende Klärung ihrer Identität unmöglich bzw. aussichtlos ist.
Die Klägerin ist eigenen Angaben zufolge chinesischer Staatsangehörigkeit tibetischer Volkszugehörigkeit. Sie habe im Kindesalter in einem tibetischen Nonnenkloster Aufnahme gefunden und keine Erkenntnisse über die Identität und den Aufenthalt ihrer Eltern. Im Jahr 2012 wurden ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt. Seit Mai 2015 befindet sie sich im Besitz einer auf der Grundlage des § 26 Abs. 3 AufenthG erteilten Niederlassungserlaubnis. Im September 2016 beantragte sie ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer Mehrstaatigkeit. Antrag und Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Antrages blieben ohne Erfolg.
Ihre Klage hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf ihre ungeklärte und nicht aufklärbare Identität abgewiesen. Die Notwendigkeit einer Identitätsprüfung bestehe auch bei der Einbürgerung anerkannter Flüchtlinge. Sei die Beschaffung von Identitätsnachweisen nicht möglich, unzumutbar oder aussichtslos, so gehe dies zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers.
Mit ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin u.a. geltend, vom Erfordernis des vollständigen Nachweises der Identität durch amtliche Urkunden oder Nachweise seien bei Einbürgerungsbewerbern Abstriche zu machen, deren Identitätsklärung von vornherein unmöglich, unzumutbar oder aussichtslos sei und welche sämtliche erforderlichen zumutbaren Anstrengungen zur Identitätsklärung erfolglos unternommen hätten.
Pressemitteilung Nr. 53/2020 vom 23.09.2020
Klärung der Identität im Einbürgerungsrecht in Ausnahmefällen auch ohne amtliche Ausweispapiere möglich
Die Klärung der Identität eines Einbürgerungsbewerbers i.S.d. § 10 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes kann in Fällen, in denen feststeht, dass amtliche Ausweispapiere nicht vorgelegt oder zumutbar vom Einbürgerungsbewerber beschafft werden können, auch auf andere Art, insbesondere durch Vorlage nichtamtlicher Dokumente, erfolgen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin ist nach ihren Angaben chinesische Staatsangehörige tibetischer Volkszugehörigkeit. Sie habe als Kleinkind Aufnahme in ein tibetisches Nonnenkloster gefunden und sei dort ordiniert worden. Ihr Name sei ihr Ordinationsname; ihren Geburtsnamen kenne sie nicht. Sie wisse nicht, wer ihre Eltern seien und ob sie weitere Familienangehörige habe. Ihr Geburtsdatum sei von den Nonnen geschätzt worden. Ein staatliches Identitätsdokument habe sie nie besessen. Ob sie in China offiziell registriert sei, wisse sie nicht. Nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilte ihr die Ausländerbehörde zuletzt eine Niederlassungserlaubnis.
Im September 2016 beantragte sie ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer Mehrstaatigkeit. Zum Nachweis ihrer Identität reichte sie eine Bescheinigung des Klosters, eine Geburtsbestätigung des Büros des Repräsentanten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und eine Bestätigung des Vereins der Tibeter in Deutschland e.V. ein. Antrag und Widerspruch blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen. Eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband scheide aus, da ihre Identität nicht geklärt sei. Lägen ein gültiger und anerkannter ausländischer Pass oder ausländischer Passersatz nicht vor, so könne die Identität nur durch andere geeignete amtliche Dokumente nachgewiesen werden.
Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Einbürgerungserfordernis geklärter Identität dient gewichtigen Sicherheitsbelangen und der Prüfung der weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen. Zugleich muss einem bis zur Grenze der Unzumutbarkeit umfassend mitwirkenden Einbürgerungsbewerber aber die ihm abverlangte und obliegende Klärung seiner Identität auch objektiv möglich sein. Diese Belange sind durch ein Stufenmodell zum Ausgleich zu bringen. Zuvörderst und im Regelfall ist für den Nachweis der Identität des Einbürgerungsbewerbers die Vorlage eines Passes oder eines anerkannten Passersatzpapieres erforderlich. Ausnahmefällen objektiv bestehender Beweisnot ist in dem durch diese gebotenen Umfang durch eine abgestufte Erweiterung der zur Identitätsklärung zuzulassenden Nachweismittel Rechnung zu tragen; diese müssen ein in sich schlüssiges und glaubhaftes Vorbringen des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und dem Unvermögen zur Beibringung aussagekräftigerer Dokumente stützen. Kann mithin ein Pass oder ein Passersatzpapier nicht vorgelegt oder zumutbar beschafft werden, sind für den Nachweis andere geeignete amtliche Urkunden zuzulassen, bei deren Ausstellung die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name überprüft worden ist. Sind auch solche Dokumente für den Einbürgerungsbewerber zumutbar nicht zu erreichen oder reichen sie zur Identitätsklärung für sich allein nicht aus, kann - allein oder ergänzend - hierfür auch auf andere aussagekräftige Beweismittel, insbesondere auf die Vorlage sonstiger amtlicher und nichtamtlicher Urkunden oder auf Zeugenaussagen Dritter zurückgegriffen werden. Ist auch dies dem Einbürgerungsbewerber objektiv nicht möglich und sind alle Möglichkeiten einer Ermittlung von Amts wegen ausgeschöpft, können in besonderen Ausnahmefällen zur Klärung der Identität auf einer letzten Stufe auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung eines schlüssigen und glaubhaften Vorbringens allein die Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Überzeugungsbildung sein.
BVerwG 1 C 36.19 - Urteil vom 23. September 2020
Vorinstanz:
VG Stuttgart, 11 K 8033/18 - Urteil vom 20. September 2019 -
Urteil vom 23.09.2020 -
BVerwG 1 C 36.19ECLI:DE:BVerwG:2020:230920U1C36.19.0
Gestufte Prüfung zur Klärung der Identität des Einbürgerungsbewerbers
Leitsatz:
Die dem Erfordernis der geklärten Identität in § 10 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 1 StAG zugrunde liegenden sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das grundrechtlich geschützte Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311).
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Rechtsquellen
AufenthG § 82 Abs. 1 GFK Art. 34 Satz 1 und 2 GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 PStG § 9 Abs. 2 Satz 2 StAG § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 1 Satz 2 VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1 VwVfG § 24 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 27 Abs. 1 Satz 1 -
Instanzenzug
VG Stuttgart - 20.09.2019 - AZ: VG 11 K 8033/18
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 - 1 C 36.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230920U1C36.19.0]
Urteil
BVerwG 1 C 36.19
- VG Stuttgart - 20.09.2019 - AZ: VG 11 K 8033/18
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
für Recht erkannt:
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. September 2019 aufgehoben.
- Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
- Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Die Klägerin ist eigenen Angaben zufolge chinesische Staatsangehörige tibetischer Volks- und buddhistischer Glaubenszugehörigkeit. Sie begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
2 Nach ihrem Vortrag reiste die Klägerin Anfang 2009 in das Bundesgebiet ein. Zur Begründung eines im März 2009 gestellten Asylantrags trug sie im Kern vor, sie habe in Tibet in einem Nonnenkloster gelebt, in dem sie im Alter von etwa fünf Jahren Aufnahme gefunden habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt keine Familie mehr besessen. Als Name führe sie ihren Ordinationsnamen; ihren Geburtsnamen kenne sie nicht. Ihr Geburtsdatum sei von den Nonnen geschätzt worden. In ihrem Kloster habe ein Nonnenausweis existiert. Einen Personalausweis habe sie nie besessen. Ob sie in China offiziell registriert sei, wisse sie nicht. Ende Juli 2010 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag mit der Begründung ab, die Identität der Klägerin habe nicht eindeutig geklärt werden können. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie chinesische Staatsangehörige tibetischer Volkszugehörigkeit sei und aus China stamme. Im asylgerichtlichen Verfahren reichte die Klägerin eine Bestätigung des Nonnenklosters ein, der zufolge sie "von klein auf in dem Kloster ordiniert" worden und als Nonne im Register des Klosters eingetragen sei. Im März 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart die Bundesrepublik Deutschland zur Feststellung, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug auf die Volksrepublik China vorlägen. Zur Begründung führte es unter anderem aus, die Herkunft der Klägerin aus China erscheine ihm hinreichend bewiesen. Daraufhin stellte das Bundesamt im Mai 2012 fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Bezug auf die Volksrepublik China vorliegen. In den der Klägerin ausgestellten Reiseausweis für Flüchtlinge wurde der Hinweis eingetragen, dass die Personendaten auf ihren eigenen Angaben beruhten. Der Klägerin wurde Ende Mai 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und Ende Mai 2015 eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG erteilt.
3 Ende September 2016 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer Mehrstaatigkeit. Anstelle - ihren Angaben zufolge - nicht vorhandener Personaldokumente reichte sie in Ergänzung der bereits im Asylverfahren eingereichten Klosterbescheinigung eine Geburtsbestätigung des "The Tibet Bureau, Office of the Representative of H. H. the Dalai Lama" sowie eine Bestätigung ihrer Personalangaben durch den Verein der Tibeter in Deutschland e.V. ein. Im Verwaltungsverfahren gab sie an, sie sei im Alter von drei bis fünf Jahren in das Kloster aufgenommen worden. Die Klostermutter habe ihr später erzählt, ihre Eltern seien politisch aktiv gewesen und inhaftiert worden. Es sei aussichtslos, etwas über diese zu erfahren; sie wisse nicht, ob sie noch lebten. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg. Im Klageverfahren hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren von einer Nonne des Klosters erfahren zu haben, dass sie als Kleinkind in einem Korb liegend vor der Klostertür abgelegt worden sei. Der Name ihrer Eltern sei ihr nicht bekannt.
4 Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen. Eine Einbürgerung der Klägerin in den deutschen Staatsverband nach Maßgabe sowohl des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG als auch des § 8 Abs. 1 StAG scheide aus, da ihre Identität weder geklärt noch aufklärbar sei. Geführt werden könne der Nachweis der Identität nur durch einen gültigen und anerkannten ausländischen Pass oder Passersatz oder durch sonstige amtliche Urkunden, deren Ausstellung Gegenstand einer Überprüfung der Richtigkeit der Verbindung von Person und Name ist und die zudem - jedenfalls in der Regel - mit einem Lichtbild versehen sind. Derartige Dokumente habe die Klägerin nicht vorgelegt.
5 Zur Begründung ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. § 10 Abs. 1 StAG verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gegen Art. 20 GG i.V.m. Art. 116 und Art. 3 GG, gegen Art. 8 und Art. 14 EMRK und gegen Art. 34 GFK. Bei Einbürgerungsbewerbern, deren Identitätsklärung von vornherein nicht möglich oder ausgeschlossen sei und welche alle erforderlichen zumutbaren Anstrengungen zur Identitätsklärung erfolglos unternommen hätten, sei entweder von der Klärung der Identität abzusehen oder eine Nachweisführung auch durch nichtamtliche Dokumente zuzulassen. Dessen ungeachtet sei ihre Identität auf der Grundlage der vorlegten Bestätigungen geklärt und ihr eine weitere Klärung ihrer Identität weder möglich noch zumutbar. Insbesondere sei es ihr nicht zumutbar, einen chinesischen Reisepass zu beantragen, da ein solcher Kontakt für sie, aber auch etwaige für noch in Tibet lebende Verwandte und die Nonnen des Klosters eine weitere Gefährdung bedeute.
6 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Identität könne nicht allein durch ein amtliches Ausweisdokument mit Lichtbild, sondern auch durch anderweitige geeignete Dokumente nachgewiesen werden. Zu solchen seien indes nicht durch private Stellen erstellte Bescheinigungen zu rechnen, die die Identität pauschal bestätigten, ohne dass sich nachvollziehen lasse, wie die Identität überprüft worden sei.
7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren. Die Identität könne durch einen Nationalpass oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild, gegebenenfalls auch durch andere geeignete Dokumente aus dem Herkunftsstaat ohne biometrische Merkmale nachgewiesen werden. Flüchtlingen sei es grundsätzlich möglich und zumutbar, sich an Familienangehörige, Verwandte oder Bekannte im Herkunftsland zu wenden, einen Rechts- oder Vertrauensanwalt im Herkunftsland einzuschalten oder dessen Auslandsvertretung im Bundesgebiet zu kontaktieren, um geeignete Nachweise zu beschaffen. Führe die zumutbare Mitwirkung nicht zu einem Nachweis der Identität, so seien auch andere Beweismittel zugelassen. Befinde sich der Einbürgerungsbewerber trotz Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Nachweisen in einer unverschuldeten Beweisnot, so sei dies im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
II
8 Die Sprungrevision der Klägerin hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit dieses annimmt, der Nachweis der Identität im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG und des § 8 Abs. 1 StAG könne nur durch einen gültigen und anerkannten ausländischen Pass oder Passersatz oder durch sonstige amtliche Urkunden, sofern bei deren Ausstellung auch die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name überprüft wird und diese - jedenfalls in der Regel - mit einem Lichtbild versehen sind, geführt werden (1.). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen war der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (2.).
9 Maßgeblich für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Begehrens auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - BVerwGE 159, 85 Rn. 9) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der Fassung des Art. 4 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328).
10 1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG setzt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter anderem voraus, dass die Identität des Ausländers geklärt ist. Dieses Erfordernis ist mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1124) in die Einbürgerungstatbestände eingefügt worden. Der Gesetzgeber hat damit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgegriffen, nach der es bereits zuvor (auch ohne ausdrückliche Normierung) zwingende Voraussetzung einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG war, dass die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist und feststeht (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 11).
11 Das Merkmal der Identitätsklärung dient gewichtigen sicherheitsrechtlichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland und ist Ausgangspunkt für die Prüfung weiterer Einbürgerungsmerkmale (a). Zugleich muss die Erfüllung der strengen Anforderungen an den Nachweis der Identität einem bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerber auch dann objektiv möglich sein, wenn sich dieser in einer unverschuldeten Beweisnot befindet (b). Die mit dem Erfordernis der Identitätsklärung verbundenen sicherheitsrechtlichen Belange und das Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen (c). Eine solche gestufte Prüfung genügt den Anforderungen aus höherrangigem Recht (d).
12 a) Mit dem Erfordernis der Identitätsklärung verfolgt der Gesetzgeber wie schon im Ausländerrecht (vgl. BT-Drs. 15/955 S. 7) auch im Staatsangehörigkeitsrecht eine sicherheitsrechtliche Zielsetzung. Die identitätsrelevanten Personalien sind Grundlage für die Prüfung des Vorliegens einer Reihe weiterer Einbürgerungsmerkmale.
13 Mit dem Wirksamwerden der Einbürgerung (vgl. § 16 Satz 1 StAG) wird einer bestimmten Person mit einer in der Einbürgerungsurkunde festgehaltenen Identität konstitutiv eine neue Staatsangehörigkeit verliehen. Das öffentliche Interesse daran zu verhindern, dass einer Person eine vollkommen neue Identität oder eine zusätzliche Alias-Identität verschafft und ihr dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren aufzutreten, gebietet es, die identitätsrelevanten Personalien einer sorgfältigen Überprüfung mit dem Ziel einer Richtigkeitsgewähr zu unterziehen (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 13).
14 Die Feststellung der Identität des Ausländers ist zudem Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Vorliegens einer Reihe von Einbürgerungsvoraussetzungen. Zum einen stellt sie einen regelmäßig unverzichtbaren Teil der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG vorgesehenen Statusprüfung dar. Zum anderen bildet die Identitätsprüfung auch eine notwendige Voraussetzung der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 12a StAG und § 11 StAG vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 12; vgl. auch BT-Drs. 19/11083 S. 11 f.).
15 b) Die Voraussetzungen für die Klärung der Identität müssen so ausgestaltet sein, dass es bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit mitwirkenden Einbürgerungsbewerbern auch dann möglich bleibt, ihre Identität nachzuweisen, wenn sie sich in einer Beweisnot befinden, etwa weil deren Herkunftsländer nicht über ein funktionierendes Personenstandswesen verfügen oder ihre Mitwirkung aus Gründen versagen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder weil diese als schutzberechtigte Flüchtlinge besorgen müssen, dass eine auch nur gleichsam technische Kontaktaufnahme mit Behörden des Herkunftslandes (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126.90 - BVerwGE 89, 231 <237, 239>) Repressalien für Dritte zur Folge hätte.
16 Unter dem Gesichtspunkt eines zukunftsgerichteten Entfaltungsschutzes (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 - BVerfGE 35, 202 <235 f.> und Beschlüsse vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170 f.> und vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 897/95 - BVerfGE 100, 271 <284>) als Grundbedingung menschlicher Persönlichkeit gebietet es das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht, dass Einbürgerungsbewerber, die sich aller Voraussicht nach dauerhaft in Deutschland aufhalten werden, eine realistische Chance auf Klärung ihrer Identität haben müssen. Dies ist bei der Auslegung und Anwendung des Merkmals der Identitätsklärung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG auch deshalb zu berücksichtigen, weil die von dem Einbürgerungsbewerber erstrebte deutsche Staatsangehörigkeit die rechtliche Voraussetzung für den staatsbürgerlichen Status ist, der neben Pflichten auch grundlegende demokratische Rechte vermittelt und so die Kongruenz zwischen den dauerhaft einer bestimmten staatlichen Herrschaft Unterworfenen und den Inhabern demokratischer politischer Rechte herstellt (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 2/89, 2 BvF 6/89 - BVerfGE 83, 37 <51, 52>).
17 c) Die § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 8 Abs. 1 StAG zugrunde liegenden sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das grundrechtlich geschützte Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zuzuführen.
18 Den Nachweis seiner Identität hat der Einbürgerungsbewerber zuvörderst und in der Regel durch Vorlage eines Passes, hilfsweise auch durch einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild (z.B. Personalausweis oder Identitätskarte) zu führen. Ist er nicht im Besitz eines solchen amtlichen Identitätsdokuments und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er seine Identität auch mittels anderer geeigneter amtlicher Urkunden nachweisen, bei deren Ausstellung Gegenstand der Überprüfung auch die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name ist, sei es, dass diese mit einem Lichtbild versehen sind (z.B. Führerschein, Dienstausweis oder Wehrpass), sei es, dass sie ohne ein solches ausgestellt werden (z.B. Geburtsurkunden, Melde-, Tauf- oder Schulbescheinigungen). Dokumenten mit biometrischen Merkmalen kommt insoweit ein höherer Beweiswert zu als solchen ohne diese Merkmale.
19 Ist der Einbürgerungsbewerber auch nicht im Besitz solcher sonstigen amtlichen Dokumente und ist ihm deren Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann sich der Ausländer zum Nachweis seiner Identität sonstiger nach § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG zugelassener Beweismittel bedienen; die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar (so im Ergebnis auch VGH Kassel, Urteil vom 19. März 2020 - 5 A 268/18 - juris Rn. 26). Hierzu zählen insbesondere nichtamtliche Urkunden oder Dokumente, die geeignet sind, die Angaben zu seiner Person zu belegen, gegebenenfalls auch Zeugenaussagen. Eine Versicherung an Eides statt darf die Einbürgerungsbehörde nach § 27 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hingegen nicht verlangen oder abnehmen, da eine solche - insoweit abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 2 des Personenstandsgesetzes (PStG) vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), zuletzt geändert durch Art. 88 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) - im Einbürgerungsverfahren nicht vorgesehen ist (vgl. indes zur eidlichen Vernehmung von Zeugen § 65 Abs. 3 VwVfG). Ist dem Einbürgerungsbewerber auch ein Rückgriff auf sonstige Beweismittel im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann die Identität des Einbürgerungsbewerbers ausnahmsweise allein auf der Grundlage seines Vorbringens als nachgewiesen anzusehen sein, sofern die Angaben zur Person auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles und des gesamten Vorbringens des Einbürgerungsbewerbers zur Überzeugung der Einbürgerungsbehörde feststehen. Nur durch eine solche abgestufte Zulassung der Nachweisarten und umfassende Tatsachenwürdigung kann erheblichen Missbrauchsgefahren effektiv begegnet werden (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 16 m.w.N.).
20 Für die Überzeugungsbildung (§ 108 VwGO) ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <181>). Die auf den verschiedenen Stufen zu berücksichtigenden Beweismittel müssen hierfür jeweils in sich stimmig sein und auch bei einer Gesamtbetrachtung jeweils im Einklang mit den Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und seinem übrigen Vorbringen stehen.
21 Ein Übergang von einer Stufe zu einer nachgelagerten Stufe ist nur zulässig, wenn es dem Einbürgerungsbewerber trotz hinreichender Mitwirkung nicht gelingt, den Nachweis seiner Identität zu führen. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beziehungsweise - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt auch in Bezug auf das Erfordernis der Klärung der Identität der Untersuchungsgrundsatz. Dieser wird indes infolge des Umstands, dass die Identität die Sphäre des Einbürgerungsbewerbers unmittelbar berührt, durch dessen verfahrensrechtliche Mitwirkungslast eingeschränkt. Während die Einbürgerungsbehörde insoweit primär eine Hinweis- und Anstoßpflicht trifft, unterliegt der Einbürgerungsbewerber gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf die Klärung seiner Identität einer umfassenden, bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit reichenden Initiativ- und Mitwirkungsobliegenheit. Er ist gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen, um seine Identität nachzuweisen, und alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die hierfür erforderlichen Beweismittel beizubringen. Genügt er dieser Pflicht nicht oder nicht in dem geschuldeten Umfang, so ist dem im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 24 VwVfG beziehungsweise - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechnung zu tragen. Erweisen sich von ihm eingereichte Beweismittel als gefälscht oder zwar als echt, aber als inhaltlich unrichtig, so ist auch dies im Rahmen der Beweiswürdigung mit Gewicht zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Können verbleibende Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Personalien nicht ausgeräumt werden, so trägt der Einbürgerungsbewerber die diesbezügliche Feststellungslast (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 25).
22 d) Dieses Modell einer gestuften Prüfung der Identität des Einbürgerungsbewerbers wird den Anforderungen höherrangigen Rechts, insbesondere aus Art. 3 Abs. 1 GG (aa) und aus Art. 34 GFK (bb), gerecht.
23 aa) Das Stufenmodell trägt dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG angemessen Rechnung.
24 Dieser gibt dem Normgeber auf, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen und steht auch einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss entgegen, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Eine solche bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch sachliche Gründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum sowie eine Einschätzungsprärogative zu Integrationsvoraussetzungen und -wirkungen zu (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 B 29.19 - Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 12 Rn. 10 m.w.N.).
25 Diesen Anforderungen trägt die vorstehende Konkretisierung des Erfordernisses der geklärten Identität jedenfalls hinreichend Rechnung. Nach dem Stufenmodell werden Einbürgerungsbewerber, die sich unverschuldet in einer Beweisnot befinden, nicht ohne hinreichende Sachgründe schlechter behandelt als Einbürgerungsbewerber, die einer solchen Beschränkung in ihrer Nachweisführung nicht unterliegen. Denn auch ersteren bleibt die Möglichkeit eröffnet, das Gebot der Identitätsklärung zu erfüllen, ohne dass ihnen Unmögliches oder Unzumutbares hierfür abverlangt wird.
26 bb) Das Stufenmodell wahrt auch das Wohlwollensgebot des Art. 34 Satz 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) - vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560), das den Vertragsstaaten unter anderem aufgibt, die Einbürgerung von Konventionsflüchtlingen soweit wie möglich zu erleichtern.
27 Bei der Auslegung und Anwendung des Art. 34 GFK ist zu berücksichtigen, dass jeder Staat seine Staatsangehörigkeit einschließlich der Erwerbstatbestände zu regeln berechtigt ist und in dieser Befugnis völkerrechtlich im Wesentlichen nur durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs beschränkt ist, welches indes nicht verletzt wird, wenn er seine Staatsangehörigkeit nicht an sachfremde, mit ihm nicht in hinreichender Weise verbundene Sachverhalte knüpft (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 1996 - 1 B 68.95 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 48 S. 4). Weder setzt er zwingende nationale Einbürgerungsvoraussetzungen für Flüchtlinge außer Kraft noch ermächtigt er die Einbürgerungsbehörden, sich im Einzelfall über jene hinwegzusetzen (BVerwG, Urteile vom 10. Juli 1984 - 1 C 30.81 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 24 S. 37, vom 27. September 1988 - 1 C 3.85 - Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 S. 41 und vom 27. Mai 2010 - 5 C 8.09 - Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 6 Rn. 46).
28 Nach Art. 34 GFK darf schutzberechtigten Flüchtlingen die Einbürgerung indes nur versagt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 1. Juli 1975 - 1 C 44.70 - BVerwGE 49, 44 <47 f.>, vom 10. Juli 1984 - 1 C 30.81 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 24 S. 37 und vom 27. September 1988 - 1 C 28.88 - BeckRS 1988, 31274750). Zu solchen überwiegenden öffentlichen Interessen zählen auch die Sicherheit des Staatsverbands und das mit diesem in engem Kontext stehende öffentliche Interesse an der materiellen Wahrheit der der Einbürgerung zugrunde liegenden Personalien.
29 Das Stufenmodell stellt sicher, dass die öffentlichen Interessen und die Beweisnot schutzberechtigter Flüchtlinge einem angemessenen Ausgleich zugeführt werden und diesen eine realistische Chance verbleibt, ihre Identität nachzuweisen.
30 2. In Ermangelung hinreichender tatrichterlicher Feststellungen ist dem Senat eine Beurteilung, ob sich das angegriffene Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ebenso wenig möglich wie eine abschließende Entscheidung zugunsten der Klägerin (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
31 Die Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist erforderlich, um dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zu geben, die einzelfallbezogene Beurteilung des Merkmals der geklärten Identität auf eine hinreichende Tatsachengrundlage zu stellen. Dieses wird unter anderem erneut darüber zu befinden haben, ob weitere erfolgversprechende Aufklärungsmaßnahmen in Betracht kommen und welche Mitwirkung der Klägerin insoweit zumutbar abverlangt werden kann. Dabei könnte auch die Möglichkeit in den Blick zu nehmen sein, dass die Klägerin in China unter ihrem Klosternamen amtlich registriert sein könnte, den sie nach eigenen Angaben seit dem Alter von fünf Jahren ausschließlich führt. Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht wiederum zu der Einschätzung gelangen sollte, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar ist, ein Identitätsdokument oder andere geeignete amtliche Urkunden einzureichen, wird es die von der Klägerin zum Nachweis ihrer Identität vorgelegten Bestätigungen des "Klosters [...]", des Verwaltungsbüros des "The Tibet Bureau, Office of the Representative of H. H. the Dalai Lama" und des Vereins der Tibeter in Deutschland e.V. einer tatrichterlichen Würdigung zu unterziehen und gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Klägerin aufzugeben ist, sonstige nichtamtliche Urkunden oder Dokumente, die geeignet sind, die Angaben zu ihrer Person zu belegen, beizubringen. Sollten die eingereichten Bestätigungen zur Klärung der Identität der Klägerin nicht zureichen und dieser ein Rückgriff auf sonstige Beweismittel im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar sein, so wäre auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles und des gesamten Vorbringens der Klägerin zu prüfen, ob deren Identität entscheidend auf der Grundlage ihrer Angaben zu ihrer Person als geklärt angesehen werden kann.
32 3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.