Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der Rechts­streit be­trifft die An­for­de­run­gen für die An­nah­me ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels.


Die Klä­ge­rin be­ab­sich­tigt, die in Ös­ter­reich her­ge­stell­ten und dort als Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel ver­kaufs­fä­hi­gen Pro­duk­te „Gink­go 100 mg GPH Kap­seln“ und „Gink­go Bi­lo­ba + Q-10 BIOS Kap­seln“ in Deutsch­land zu ver­trei­ben. Bei­de Pro­duk­te ent­hal­ten pro Kap­sel 100 mg Gink­go bi­lo­ba Tro­cken­ex­trakt (GbE); nach der Ver­zehr­emp­feh­lung soll ein­mal täg­lich ei­ne Kap­sel ein­ge­nom­men wer­den. Um Rechts­si­cher­heit über die Zu­läs­sig­keit des Ver­triebs in Deutsch­land zu er­lan­gen, be­an­trag­te sie im De­zem­ber 2009 beim Bun­des­amt für Ver­brau­cher­schutz und Le­bens­mit­tel­si­cher­heit (BVL) den Er­lass ei­ner All­ge­mein­ver­fü­gung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LF­GB.


Das BVL teil­te mit, auf­grund der be­ab­sich­tig­ten GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag be­stehe der Ver­dacht, dass es sich bei den Pro­duk­ten um nicht zu­ge­las­se­ne Arz­nei­mit­tel han­deln kön­ne; ei­ne Stel­lung­nah­me des hier­für zu­stän­di­gen Bun­des­in­sti­tuts für Arz­nei­mit­tel und Me­di­zin­pro­duk­te sei an­ge­for­dert wor­den. Nach­dem die Klä­ge­rin im März 2011 Un­tä­tig­keits­kla­ge er­ho­ben hat­te, lehn­te das BVL den An­trag mit Be­scheid vom 28. April 2011 ab. Nach ge­gen­wär­ti­gem Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis müs­se ab ei­ner GbE-Do­sie­rung von 80 mg/Tag von ei­ner phar­ma­ko­lo­gi­schen Wir­kung aus­ge­gan­gen wer­den.


Wi­der­spruch, Kla­ge und Be­ru­fung sind er­folg­los ge­blie­ben. Nach Auf­fas­sung des Nie­der­säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts kann die be­gehr­te All­ge­mein­ver­fü­gung auf le­bens­mit­tel­recht­li­cher Grund­la­ge nicht er­las­sen wer­den, weil es sich bei den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­ten um Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tel han­de­le. Die phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung ei­nes Pro­dukts mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag kön­ne aus den vor­han­de­nen Er­kennt­nis­sen si­cher ab­ge­lei­tet wer­den. Der Nach­weis ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit sei für die An­nah­me ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels nicht er­for­der­lich. Die Auf­fas­sung der Klä­ge­rin, nur ein Pro­dukt mit nach­ge­wie­se­ner the­ra­peu­ti­scher Wirk­sam­keit kön­ne als Arz­nei­mit­tel ein­ge­stuft wer­den, ver­ken­ne den Un­ter­schied zwi­schen der Ein­stu­fung ei­nes Pro­dukts als Arz­nei­mit­tel und sei­ner Zu­las­sung. Die streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te könn­ten nach dem ge­gen­wär­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen Stand zur Be­hand­lung ko­gni­ti­ver De­fi­zi­te bei äl­te­ren Men­schen nütz­lich sein. Ih­nen kön­ne so die Funk­ti­on der Hei­lung oder Lin­de­rung von Krank­hei­ten zu­kom­men, je­den­falls sei­en sie der mensch­li­chen Ge­sund­heit mit­tel­bar zu­träg­lich. Schlie­ß­lich sei auch kein Ein­satz der streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te als Le­bens­mit­tel in Form ei­nes Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tels vor­ge­se­hen. Der Ge­brauch sei dem­nach nicht auf ei­nen Aus­gleich er­näh­rungs­phy­sio­lo­gi­scher De­fi­zi­te, son­dern auf ei­ne ge­ziel­te, von au­ßen ge­steu­er­te Ver­än­de­rung be­stimm­ter phy­sio­lo­gi­scher Kör­per­funk­tio­nen ge­rich­tet.


Mit der durch Be­schluss des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 12. De­zem­ber 2018 - BVer­wG 3 B 9.18 - zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ihr Be­geh­ren wei­ter.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 81/2019 vom 07.11.2019

Be­rück­sich­ti­gung mög­li­cher Ge­sund­heits­ri­si­ken bei der Ab­gren­zung von Nah­rungs­er­gän­zungs- und Arz­nei­mit­teln

Die be­hörd­li­che Ent­schei­dung über die Ein­stu­fung ei­nes Pro­dukts als Nah­rungs­er­gän­zungs- oder als Arz­nei­mit­tel er­for­dert ei­ne Ge­samt­be­trach­tung der Pro­dukt­merk­ma­le, bei der auch die mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken bei sei­ner Ver­wen­dung zu be­rück­sich­ti­gen sind. Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den und die Ein­stu­fung von zwei Gink­go-Prä­pa­ra­ten zur wei­te­ren Auf­klä­rung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.


Die Klä­ge­rin be­ab­sich­tigt, zwei in Ös­ter­reich her­ge­stell­te und dort als Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel ver­kaufs­fä­hi­ge Pro­duk­te in Deutsch­land zu ver­trei­ben. Bei­de ent­hal­ten Kap­seln mit je­weils 100 mg  Tro­cken­ex­trakt aus Gink­go-bi­lo­ba-Blät­tern (GbE); nach der Ver­zehr­emp­feh­lung soll ein­mal täg­lich ei­ne Kap­sel ein­ge­nom­men wer­den. Um Rechts­si­cher­heit über die Zu­läs­sig­keit des Ver­triebs in Deutsch­land zu er­lan­gen, be­an­trag­te die Klä­ge­rin im De­zem­ber 2009 beim Bun­des­amt für Ver­brau­cher­schutz und Le­bens­mit­tel­si­cher­heit (BVL) die Be­stä­ti­gung der Ver­kehrs­fä­hig­keit durch den Er­lass ei­ner All­ge­mein­ver­fü­gung nach § 54 des Le­bens­mit­tel- und Fut­ter­mit­tel­ge­setz­buchs. Das BVL lehn­te den An­trag ab, weil für Pro­duk­te mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag von ei­ner phar­ma­ko­lo­gi­schen Wir­kung aus­ge­gan­gen wer­den müs­se und es sich da­her um Arz­nei­mit­tel han­de­le.


Wi­der­spruch, Kla­ge und Be­ru­fung sind er­folg­los ge­blie­ben. Nach Auf­fas­sung des Nie­der­säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­le­gen wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en ei­ne phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung von Pro­duk­ten mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag. Sie be­ein­fluss­ten die mensch­li­chen phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen po­si­tiv, in­dem sie in nen­nens­wer­ter Wei­se die Blut­vis­ko­si­tät ver­rin­ger­ten und die ze­re­bra­le Per­fu­si­on in be­stimm­ten Ge­hirn­re­gio­nen ver­bes­ser­ten.  


Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur wei­te­ren Sach­ver­halts­auf­klä­rung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­me ei­ner  phar­ma­ko­lo­gi­schen  Wir­kung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te hat das Be­ru­fungs­ge­richt zwar oh­ne Ver­stoß ge­gen re­vi­si­bles Recht fest­ge­stellt. Zu Recht ist es da­bei auch da­von aus­ge­gan­gen, dass der Nach­weis ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit für die An­nah­me der Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft ei­nes Pro­dukts nicht er­for­der­lich ist; die­se An­for­de­rung gilt erst für die Zu­las­sung ei­nes Arz­nei­mit­tels. Das Be­ru­fungs­ur­teil hat es in­des un­ter­las­sen, mög­li­che Ge­sund­heits­ri­si­ken in die Ge­samt­be­trach­tung ein­zu­stel­len. Lie­gen die Aus­wir­kun­gen ei­nes Pro­dukts auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen im Grenz­be­reich zwi­schen Nah­rungs­er­gän­zungs- und Arz­nei­mit­tel, kommt dem Merk­mal der Ver­wen­dungs­ri­si­ken be­son­de­res Ge­wicht zu. Ei­ne Ein­stu­fung als Arz­nei­mit­tel ist in­so­weit nur ge­recht­fer­tigt, wenn dies zum Schutz der mensch­li­chen Ge­sund­heit er­for­der­lich ist.


BVer­wG 3 C 19.18 - Ur­teil vom 07. No­vem­ber 2019

Vor­in­stan­zen:

OVG Lü­ne­burg, 13 LB 31/14 - Ur­teil vom 02. No­vem­ber 2017 -

VG Braun­schweig, 5 A 52/11 - Ur­teil vom 08. Au­gust 2012 -


Be­schluss vom 12.12.2018 -
BVer­wG 3 B 9.18ECLI:DE:BVer­wG:2018:121218B3B9.18.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 3 B 9.18

  • VG Braun­schweig - 08.08.2012 - AZ: VG 5 A 52/11
  • OVG Lü­ne­burg - 02.11.2017 - AZ: OVG 13 LB 31/14

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 3. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 12. De­zem­ber 2018
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Phil­ipp,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kuhl­mann und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kennt­ner
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Nie­der­säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 2. No­vem­ber 2017 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens folgt der Kos­ten­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che.
  4. Der Wert des Streit­ge­gen­stands für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren wird vor­läu­fig auf 15 000 € fest­ge­setzt.

Grün­de

1 Die zu­läs­si­ge Be­schwer­de der Klä­ge­rin ist be­grün­det. Die Re­vi­si­on ist ge­mäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­zu­las­sen. Sie kann dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Ge­le­gen­heit zur wei­te­ren Prä­zi­sie­rung der Maß­stä­be bie­ten, nach de­nen Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tel von Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­teln ab­zu­gren­zen sind.

2 Die vor­läu­fi­ge Streit­wert­fest­set­zung für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren be­ruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 3 C 19.18 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 Vw­GO so­wie Ver­ord­nung über die tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen des elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehrs und über das be­son­de­re elek­tro­ni­sche Be­hör­den­post­fach vom 24. No­vem­ber 2017, BGBl. I S. 3803) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Ur­teil vom 07.11.2019 -
BVer­wG 3 C 19.18ECLI:DE:BVer­wG:2019:071119U3C19.18.0

Be­rück­sich­ti­gung mög­li­cher Ge­sund­heits­ri­si­ken bei Ab­gren­zung von Nah­rungs­er­gän­zungs- und Arz­nei­mit­teln

Leit­satz:

Der Nach­weis ei­ner nen­nens­wer­ten Wir­kung auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen des Men­schen führt nicht zwangs­läu­fig zur Be­ur­tei­lung ei­nes Er­zeug­nis­ses als Arz­nei­mit­tel. Die Ein­stu­fung als Nah­rungs­er­gän­zungs- oder als Arz­nei­mit­tel er­for­dert ei­ne Ge­samt­be­trach­tung der Pro­dukt­merk­ma­le, bei der auch die mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken der Ver­wen­dung zu be­rück­sich­ti­gen sind.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 3 C 19.18

  • VG Braun­schweig - 08.08.2012 - AZ: VG 5 A 52/11
  • OVG Lü­ne­burg - 02.11.2017 - AZ: OVG 13 LB 31/14

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 3. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 7. No­vem­ber 2019
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Phil­ipp,
die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Lieb­ler, Prof. Dr. ha­bil. Wysk,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kuhl­mann
und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kennt­ner
für Recht er­kannt:

  1. Das Ur­teil des Nie­der­säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts vom 2. No­vem­ber 2017 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Sa­che wird zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Rechts­streit be­trifft die Ab­gren­zung von Nah­rungs­er­gän­zungs- und Arz­nei­mit­teln.

2 Die Klä­ge­rin be­ab­sich­tigt, die in Ös­ter­reich her­ge­stell­ten und dort als Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel ver­kehrs­fä­hi­gen Pro­duk­te "Gink­go 100 mg GPH Kap­seln" und "Gink­go Bi­lo­ba + Q-10 BIOS Kap­seln" in Deutsch­land zu ver­trei­ben. Bei­de Pro­duk­te ent­hal­ten pro Kap­sel 100 mg Tro­cken­ex­trakt aus Gink­go-bi­lo­ba-Blät­tern (GbE); nach der Ver­zehr­emp­feh­lung soll ein­mal täg­lich ei­ne Kap­sel ein­ge­nom­men wer­den. Um Rechts­si­cher­heit über die Zu­läs­sig­keit ei­nes Ver­triebs in Deutsch­land zu er­lan­gen, be­an­trag­te die Klä­ge­rin im De­zem­ber 2009 die Be­stä­ti­gung der Ver­kehrs­fä­hig­keit durch den Er­lass ei­ner All­ge­mein­ver­fü­gung nach den Vor­schrif­ten des Le­bens­mit­tel- und Fut­ter­mit­tel­ge­setz­buchs. Das Bun­des­amt für Ver­brau­cher­schutz und Le­bens­mit­tel­si­cher­heit (BVL) teil­te dar­auf­hin mit, es ha­be ei­ne Stel­lung­nah­me des Bun­des­in­sti­tuts für Arz­nei­mit­tel und Me­di­zin­pro­duk­te (BfArM) an­ge­for­dert, weil auf­grund der be­ab­sich­tig­ten GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag der Ver­dacht be­stehe, dass es sich bei den Pro­duk­ten um nicht zu­ge­las­se­ne Arz­nei­mit­tel han­de­le. Nach­dem die Klä­ge­rin im März 2011 Un­tä­tig­keits­kla­ge er­ho­ben hat­te, lehn­te die Be­klag­te den An­trag mit Be­scheid vom 28. April 2011 ab. Nach ge­gen­wär­ti­gem Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis müs­se ab ei­ner GbE-Do­sie­rung von 80 mg/Tag von ei­ner phar­ma­ko­lo­gi­schen Wir­kung aus­ge­gan­gen wer­den.

3 Wi­der­spruch, Kla­ge und Be­ru­fung sind er­folg­los ge­blie­ben. Nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts kann die be­gehr­te All­ge­mein­ver­fü­gung auf le­bens­mit­tel­recht­li­cher Grund­la­ge nicht er­las­sen wer­den, weil es sich bei den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­ten um Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tel han­de­le.

4 Die phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung ei­nes Pro­dukts mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag sei hin­rei­chend be­legt. Zwar ge­be es kei­ne Stu­die zu ge­nau die­ser Do­sie­rung, der wis­sen­schaft­li­che Nach­weis für die phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te kön­ne aus den vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen aber si­cher ab­ge­lei­tet wer­den. Be­reits die Mo­no­gra­phie der Kom­mis­si­on E von 1994 ha­be für Pro­duk­te mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 120 mg/Tag ei­ne si­gni­fi­kan­te Wir­kung auf die Blut­vis­ko­si­tät und die ze­re­bra­le Per­fu­si­on in be­stimm­ten Ge­hirn­re­gio­nen und da­mit ei­ne phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen des Men­schen nach­ge­wie­sen. Die­ses Er­geb­nis sei durch die Mo­no­gra­phie des Com­mit­tee on Her­bal Me­di­cinal Pro­ducts der Eu­rope­an Me­di­ci­nes Agen­cy aus dem Jahr 2015 be­stä­tigt wor­den. Durch die Stu­di­en von San­tos u.a. aus dem Jahr 2003 und Gal­du­roz u.a. aus dem Jahr 2007 - die nach den über­zeu­gen­den Er­läu­te­run­gen der Be­klag­ten als hin­rei­chend be­last­ba­re wis­sen­schaft­li­che Grund­la­ge an­ge­se­hen wer­den könn­ten - sei auch ei­ne phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung von Pro­duk­ten mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 80 mg/Tag nach­ge­wie­sen. Die Aus­wir­kung die­ser Er­kennt­nis­se auf die hier streit­ge­gen­ständ­li­che GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag fol­ge aus der Stu­die von Itil u.a. aus dem Jahr 1996. Die­se ha­be be­legt, dass die phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung von GbE bei ei­ner Do­sie­rung zwi­schen 40 und 240 mg/Tag kon­ti­nu­ier­lich li­ne­ar stei­ge. Je­den­falls die nach­ge­wie­se­ne phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung ei­ner GbE-Do­sie­rung von 80 mg/Tag kom­me da­her auch Pro­duk­ten mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag zu. Die streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te könn­ten nach dem ge­gen­wär­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen Stand auch zur Be­hand­lung ko­gni­ti­ver De­fi­zi­te bei äl­te­ren Men­schen nütz­lich sein. Ih­nen kön­ne so die Funk­ti­on der Hei­lung oder Lin­de­rung von Krank­hei­ten zu­kom­men, je­den­falls sei­en sie der mensch­li­chen Ge­sund­heit mit­tel­bar zu­träg­lich. Der Nach­weis ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit sei ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin für die An­nah­me ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels nicht er­for­der­lich. Schlie­ß­lich zie­le der Ein­satz der streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te nicht auf ei­nen Aus­gleich er­näh­rungs­phy­sio­lo­gi­scher De­fi­zi­te, son­dern auf ei­ne Ver­än­de­rung be­stimm­ter phy­sio­lo­gi­scher Kör­per­funk­tio­nen. Ei­ne ver­gleich­ba­re Wir­kung kön­ne durch ein in an­ge­mes­se­ner Men­ge ver­zehr­tes Le­bens­mit­tel nicht er­reicht wer­den. Die von der Klä­ge­rin als Ver­gleichs­le­bens­mit­tel her­an­ge­zo­ge­nen Tee­zu­be­rei­tun­gen aus Gink­go-Blät­tern ent­hiel­ten bei den er­for­der­li­chen Men­gen ei­nen Ge­halt an Gink­gol­säu­ren, der be­reits ge­sund­heits­schäd­lich und für den Ver­zehr durch Men­schen un­ge­eig­net sei. Auf die Ri­si­ken bei der Ver­wen­dung von GbE gleich wel­cher Do­sie­rung kom­me es für die ge­won­ne­ne Über­zeu­gung vom Vor­lie­gen ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels nicht mehr an.

5 Mit der durch Se­nats­be­schluss vom 12. De­zem­ber 2018 - BVer­wG 3 B 9.18 - zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ihr Be­geh­ren wei­ter. Sie rügt ins­be­son­de­re, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be sei­ner Ent­schei­dung fal­sche Maß­stä­be zu­grun­de ge­legt und die blo­ße Wahr­schein­lich­keit ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wir­kung für das Be­stehen ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels aus­rei­chen las­sen. Ei­ne Rei­he ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Fra­gen sei da­her we­der auf­ge­klärt noch be­wie­sen. Dass die ko­gni­ti­ven Funk­tio­nen von Se­nio­ren nach ei­ni­gen Stu­di­en po­si­tiv be­ein­flusst wer­den könn­ten, rei­che für den Nach­weis ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit aber nicht aus. Die­ser Schluss sei selbst von den Stu­di­en­ver­fas­sern nicht ge­zo­gen wor­den; im Üb­ri­gen sei­en nur Ver­su­che mit ge­sun­den Pro­ban­den er­folgt und die Teil­neh­mer­zahl sei so ge­ring ge­we­sen, dass nicht von ei­ner re­prä­sen­ta­ti­ven Grund­la­ge aus­ge­gan­gen wer­den kön­ne. Die An­nah­me, dass ei­ne GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag durch den Ver­zehr von Le­bens­mit­teln nicht er­reicht wer­den kön­ne, ent­beh­re ei­ner trag­fä­hi­gen Tat­sa­chen­grund­la­ge. Auch der Ver­weis auf mög­li­che Si­cher­heits­ri­si­ken sei auf blo­ße Spe­ku­la­ti­on ge­stützt.

6 Die Be­klag­te tritt der Re­vi­si­on ent­ge­gen und ver­tei­digt das an­ge­grif­fe­ne Be­ru­fungs­ur­teil. Auf Nach­fra­ge des Ge­richts zu mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken der streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag teil­te die Be­klag­te mit, sie kön­ne hier­zu kei­ne Aus­kunft ge­ben, weil ei­ne wei­te­re Be­wer­tung der ge­sund­heit­li­chen Ri­si­ken im Rah­men des Prüf­sche­mas für den Er­lass ei­ner le­bens­mit­tel­recht­li­chen All­ge­mein­ver­fü­gung nicht er­fol­ge. Für zu­ge­las­se­ne Arz­nei­mit­tel, al­so für Pro­duk­te mit ei­ner GbE-Do­sis von min­des­tens 120 mg/Tag, wer­de in den vor­lie­gen­den Stu­di­en kei­ne un­er­wünsch­te Arz­nei­mit­tel­wir­kung ver­zeich­net, die sich si­gni­fi­kant von der Pla­ce­bo­wir­kung un­ter­schei­de. Blu­tungs­ri­si­ken durch GbE wür­den kon­tro­vers dis­ku­tiert; ent­spre­chen­de Ver­dachts­fäl­le sei­en in der Da­ten­bank der eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur ver­zeich­net. Dem wer­de durch die An­ga­ben in den Ge­brauchs- und Fach­in­for­ma­tio­nen zu­ge­las­se­ner GbE-hal­ti­ger Arz­nei­mit­tel Rech­nung ge­tra­gen.

II

7 Die zu­läs­si­ge Re­vi­si­on der Klä­ge­rin ist be­grün­det. Das an­ge­grif­fe­ne Be­ru­fungs­ur­teil be­ruht auf ei­nem Ver­stoß ge­gen re­vi­si­bles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO). Die Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts, für die Ein­stu­fung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Er­zeug­nis­se als Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tel kom­me es auf die Ge­sund­heits­ri­si­ken, die ih­re Ver­wen­dung mit sich brin­gen kann, nicht an, ist mit dem uni­ons­recht­li­chen Arz­nei­mit­tel­be­griff nicht ver­ein­bar. Die Ab­gren­zung von Nah­rungs­er­gän­zungs- und Arz­nei­mit­teln er­for­dert ei­ne Ge­samt­be­trach­tung der Pro­dukt­merk­ma­le, bei der auch die mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken der Ver­wen­dung zu be­rück­sich­ti­gen sind. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt kann hier­über nicht selbst in der Sa­che ent­schei­den, weil das Be­ru­fungs­ur­teil die er­for­der­li­chen Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen nicht ent­hält. Die Sa­che ist zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO).

8 1. Rechts­grund­la­ge für das Be­geh­ren der Klä­ge­rin ist § 54 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Le­bens­mit­tel-, Be­darfs­ge­gen­stän­de- und Fut­ter­mit­tel­ge­setz­buchs - LF­GB - in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. Ju­ni 2013 (BGBl. I S. 1426) in der ak­tu­el­len Fas­sung des Än­de­rungs­ge­set­zes vom 24. April 2019 (BGBl. I S. 498), die für den Ver­pflich­tungs­an­trag der Klä­ge­rin ma­ß­geb­lich ist (a). Die Vor­schrift ist auf Arz­nei­mit­tel nicht an­wend­bar (b). Der gel­tend ge­mach­te An­spruch schei­det da­her aus, wenn es sich bei den streit­ge­gen­ständ­li­chen Er­zeug­nis­sen um Arz­nei­mit­tel han­deln wür­de.

9 a) Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LF­GB dür­fen Le­bens­mit­tel, die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat der Eu­ro­päi­schen Uni­on recht­mä­ßig her­ge­stellt oder recht­mä­ßig in den Ver­kehr ge­bracht wer­den, in das In­land ver­bracht und hier in den Ver­kehr ge­bracht wer­den, auch wenn sie den in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gel­ten­den Vor­schrif­ten für Le­bens­mit­tel nicht ent­spre­chen. Für Er­zeug­nis­se, die den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LF­GB be­nann­ten Ge­sund­heits­schutz-Vor­schrif­ten nicht ent­spre­chen, gilt dies je­doch nur, so­weit de­ren Ver­kehrs­fä­hig­keit durch ei­ne All­ge­mein­ver­fü­gung des Bun­des­amts für Ver­brau­cher­schutz und Le­bens­mit­tel­si­cher­heit im Bun­des­an­zei­ger be­kannt ge­macht wor­den ist.

10 Die All­ge­mein­ver­fü­gung wird ge­mäß § 54 Abs. 2 Satz 1 LF­GB vom Bun­des­amt für Ver­brau­cher­schutz und Le­bens­mit­tel­si­cher­heit im Ein­ver­neh­men mit dem Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le er­las­sen, so­weit nicht zwin­gen­de Grün­de des Ge­sund­heits­schut­zes ent­ge­gen­ste­hen. Die Be­klag­te darf den An­trag nur ab­leh­nen, wenn ein Ver­sa­gungs­grund ge­ge­ben ist (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 14. De­zem­ber 2006 - 3 C 40.05 - Buch­holz 418.710 LF­GB Nr. 2 Rn. 14; Zip­fel/Rath­ke, Le­bens­mit­tel­recht, Band II, Stand: März 2019, C 102 § 54 Rn. 46).

11 b) Die Vor­schrift nimmt Le­bens­mit­tel in Be­zug; sie ist auf Arz­nei­mit­tel nicht an­wend­bar.

12 § 2 Abs. 2 LF­GB ver­weist für die Be­griffs­be­stim­mung von Le­bens­mit­teln auf Art. 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 178/2002 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 28. Ja­nu­ar 2002 zur Fest­le­gung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze und An­for­de­run­gen des Le­bens­mit­tel­rechts zur Er­rich­tung der Eu­ro­päi­schen Be­hör­de für Le­bens­mit­tel­si­cher­heit und zur Fest­le­gung von Ver­fah­ren zur Le­bens­mit­tel­si­cher­heit (ABl. L 31 S. 1). Nach Art. 2 Un­terabs. 3 Buchst. d die­ser Ver­ord­nung ge­hö­ren Arz­nei­mit­tel im Sin­ne der Richt­li­ni­en 65/65/EWG und 92/73/EWG nicht zu den Le­bens­mit­teln. Die­se Richt­li­ni­en sind zwar in­zwi­schen au­ßer Kraft ge­tre­ten und durch die Richt­li­nie 2001/83/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 6. No­vem­ber 2001 zur Schaf­fung ei­nes Ge­mein­schafts­ko­de­xes Hu­man­arz­nei­mit­tel (ABl. L 311 S. 67) er­setzt wor­den. De­ren Art. 128 be­stimmt aber, dass Be­zug­nah­men auf die auf­ge­ho­be­nen Richt­li­ni­en als Be­zug­nah­men auf die neue Richt­li­nie gel­ten, so dass die Ver­ord­nung (EG) Nr. 178/2002 nun­mehr die Arz­nei­mit­tel­de­fi­ni­ti­on in Art. 1 Nr. 2 der Richt­li­nie 2001/83/EG für die Aus­gren­zung der Arz­nei­mit­tel aus den Le­bens­mit­teln für ver­bind­lich er­klärt (BVer­wG, Ur­teil vom 14. De­zem­ber 2006 - 3 C 40.05 -Buch­holz 418.710 LF­GB Rn. 15).

13 Die Ent­schei­dung, ob ein Er­zeug­nis als Arz­nei­mit­tel an­zu­se­hen ist, kann in den Mit­glied­staa­ten der Eu­ro­päi­schen Uni­on un­ter­schied­lich aus­fal­len. Zwar sind die Maß­stä­be für die Be­ur­tei­lung, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Pro­dukt als Arz­nei­mit­tel ein­zu­ord­nen ist, uni­ons­recht­lich und da­mit ein­heit­lich vor­ge­ge­ben. Die Be­wer­tung der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se und der Ge­fah­ren für die mensch­li­che Ge­sund­heit durch die je­weils zu­stän­di­gen Be­hör­den der Mit­glied­staa­ten kann beim ge­gen­wär­ti­gen Stand des Uni­ons­rechts aber zu un­ter­schied­li­chen Er­geb­nis­sen füh­ren (vgl. Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​5], Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 28 und vom 3. Ok­to­ber 2013 - C-109/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​626], La­bo­ra­toires Lyo­cent­re - Rn. 45 f.). Der Um­stand, dass die streit­ge­gen­ständ­li­chen Pro­duk­te in Ös­ter­reich mit Bil­li­gung der dor­ti­gen Be­hör­den als Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel in den Ver­kehr ge­bracht wer­den, be­deu­tet da­her nicht, dass sie auch in Deutsch­land ent­spre­chend ein­ge­stuft wer­den müss­ten (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 14. De­zem­ber 2006 - 3 C 40.05 - Buch­holz 418.710 LF­GB Rn. 17).

14 Aus der Ver­kehrs­fä­hig­keit der Pro­duk­te als Le­bens­mit­tel in ei­nem Mit­glied­staat der Eu­ro­päi­schen Uni­on folgt aber, dass sie auch im In­land ver­kehrs­fä­hig sind, bis von den zu­stän­di­gen Be­hör­den ih­re Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft oder ein sons­ti­ger Ver­sa­gungs­grund fest­ge­stellt wor­den ist (vgl. Eu­GH, Ur­tei­le vom 14. Ju­li 1983 - Rechts­sa­che 174/82 [ECLI:​EU:​C:​1983:​213], San­doz - Rn. 21 ff., vom 29. April 2004 - C-150/00 [ECLI:​EU:​C:​2004:​237], Kom­mis­si­on/Re­pu­blik Ös­ter­reich - Rn. 86 so­wie 89 und vom 15. No­vem­ber 2007 - C-319/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​678], Kom­mis­si­on/Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land - Rn. 88). Will die Be­klag­te das In­ver­kehr­brin­gen ei­nes in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat der Eu­ro­päi­schen Uni­on als Le­bens­mit­tel ver­kehrs­fä­hi­gen Pro­dukts mit der Be­grün­dung ver­sa­gen, es han­de­le sich um ein Arz­nei­mit­tel, liegt die Be­weis­last des­halb bei ihr (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buch­holz 418.710 LF­GB Nr. 6 Rn. 17; VGH Mann­heim, Be­schluss vom 26. März 2019 - 9 S 1668/18 - PharmR 2019, 292 <296>). Aus der Zwei­fels­re­ge­lung des Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2001/83/EG folgt nichts an­de­res. In der Recht­spre­chung ist ge­klärt, dass die An­wen­dung die­ser Vor­schrift den Nach­weis der Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft vor­aus­setzt (Eu­GH, Ur­teil vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07, Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 23 ff; BVer­wG, Ur­teil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buch­holz 418.710 LF­GB Nr. 6 Rn. 15). Die Vor­schrift dient nicht zur Über­win­dung von Zwei­feln an der Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft.

15 2. Not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für die An­nah­me ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels ist, dass das Er­zeug­nis die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen bei be­stim­mungs­ge­mä­ßem Ge­brauch nach­weis­bar und in nen­nens­wer­ter Wei­se durch ei­ne phar­ma­ko­lo­gi­sche, im­mu­no­lo­gi­sche oder me­ta­bo­li­sche Wir­kung po­si­tiv be­ein­flus­sen kann (a). Dies hat das Be­ru­fungs­ge­richt für die strei­ti­gen Pro­duk­te der Klä­ge­rin oh­ne Rechts­feh­ler fest­ge­stellt (b).

16 a) Ein Er­zeug­nis ist ein Arz­nei­mit­tel, wenn es un­ter ei­ne der in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2001/83/EG ent­hal­te­nen De­fi­ni­tio­nen fällt (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2013 - C-109/12, La­bo­ra­toires Lyo­cent­re - Rn. 36).

17 An­ders als der Be­griff des Prä­sen­ta­ti­ons­arz­nei­mit­tels in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2001/83/EG, des­sen wei­te Fas­sung die Ver­brau­cher vor Er­zeug­nis­sen schüt­zen soll, die nicht die Wirk­sam­keit be­sit­zen, wel­che sie er­war­ten dür­fen, soll der Be­griff des Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/83/EG nur die­je­ni­gen Er­zeug­nis­se er­fas­sen, de­ren phar­ma­ko­lo­gi­sche, im­mu­no­lo­gi­sche oder me­ta­bo­li­sche Ei­gen­schaf­ten wis­sen­schaft­lich fest­ge­stellt wur­den und die tat­säch­lich da­zu be­stimmt sind, ei­ne ärzt­li­che Dia­gno­se zu er­stel­len oder phy­sio­lo­gi­sche Funk­tio­nen wie­der­her­zu­stel­len, zu kor­ri­gie­ren oder zu be­ein­flus­sen. Der Be­griff des Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels ist des­halb nicht auf ein Pro­dukt an­wend­bar, des­sen Eig­nung, phy­sio­lo­gi­sche Funk­tio­nen durch ei­ne phar­ma­ko­lo­gi­sche, im­mu­no­lo­gi­sche oder me­ta­bo­li­sche Wir­kung wie­der­her­zu­stel­len, zu kor­ri­gie­ren oder in ei­ner der Ge­sund­heit zu­träg­li­chen Wei­se zu be­ein­flus­sen oder ei­ne me­di­zi­ni­sche Dia­gno­se zu er­stel­len, nicht wis­sen­schaft­lich fest­ge­stellt wur­de (vgl. Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07, Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 25 f. und vom 6. Sep­tem­ber 2012 - C-308/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​548], Che­mi­sche Fa­brik Kreuss­ler - Rn. 30; zum Er­for­der­nis der po­si­ti­ven Wir­kung Ur­teil vom 10. Ju­li 2014 - C-358/13 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2014:​2060], Mar­kus D. - Rn. 37).

18 Hier­von ist auch das Be­ru­fungs­ge­richt aus­ge­gan­gen. Zu­tref­fend hat es wei­ter an­ge­nom­men, dass der Nach­weis ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit des Er­zeug­nis­ses für die An­nah­me ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels nicht er­for­der­lich ist. Dies folgt schon dar­aus, dass der Be­griff der the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit nicht aus der De­fi­ni­ti­on des Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels, son­dern aus den Re­ge­lun­gen über die Zu­las­sung ei­nes Arz­nei­mit­tels stammt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 3 AMG und Er­wä­gungs­grund 7, Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/83/EG). Er ist auf die kli­ni­sche Prü­fung der vom Arz­nei­mit­tel­her­stel­ler be­an­spruch­ten In­di­ka­ti­on be­zo­gen (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2016 - 3 C 14.15 [ECLI:​DE:​BVer­wG:​2016:​011216U3C14.15.0] - BVer­w­GE 156, 345 Rn. 19 so­wie 24) und passt nicht für die vor­ge­la­ger­te Fra­ge­stel­lung, ob ei­nem Er­zeug­nis über­haupt die Eig­nung zu­kommt, die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen po­si­tiv zu be­ein­flus­sen (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 20. No­vem­ber 2014 - 3 C 27.13 [ECLI:​DE:​BVer­wG:​2014:​201114U3C27.13.0] - NVwZ-RR 2015, 425 Rn. 25). Die the­ra­peu­ti­sche Wirk­sam­keit ist nicht Be­stand­teil des Arz­nei­mit­tel­be­griffs (vgl. Eu­GH, Ur­teil vom 15. De­zem­ber 2016 - C-700/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​959], LEK - Rn. 35). Auch der vom Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on ge­for­der­te wis­sen­schaft­li­che Nach­weis be­zieht sich da­her nicht hier­auf, son­dern nur auf die Fra­ge, ob der Stoff ge­eig­net ist, dem Funk­tio­nie­ren des mensch­li­chen Or­ga­nis­mus und folg­lich der mensch­li­chen Ge­sund­heit zu­träg­lich zu sein. Der Be­zug­nah­me auf ei­ne be­stimm­te Krank­heit be­darf es hier­für nicht (Eu­GH, Ur­teil vom 10. Ju­li 2014 - C-358/13 u.a., Mar­kus D. - Rn. 36).

19 Die phar­ma­ko­lo­gi­schen, im­mu­no­lo­gi­schen oder me­ta­bo­li­schen Ei­gen­schaf­ten ei­nes Er­zeug­nis­ses sind der Fak­tor, auf des­sen Grund­la­ge aus­ge­hend von den Wir­kungs­mög­lich­kei­ten des Er­zeug­nis­ses zu be­ur­tei­len ist, ob es im Sin­ne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/83/EG im oder am mensch­li­chen Kör­per zur Wie­der­her­stel­lung, Kor­rek­tur oder po­si­ti­ven Be­ein­flus­sung der phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen an­ge­wandt wer­den kann (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2013 - C-109/12, La­bo­ra­toires Lyo­cent­re - Rn. 43). Die­se Wir­kun­gen sind zwar kein hin­rei­chen­des, aber ein not­wen­di­ges Kri­te­ri­um für die Ent­schei­dung, ob ein Er­zeug­nis un­ter die De­fi­ni­ti­on des Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels fällt (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buch­holz 418.710 LF­GB Nr. 6 Rn. 13 und vom 17. Au­gust 2017 - 3 C 18.15 [ECLI:​DE:​BVer­wG:​2017:​170817U3C18.15.0] - Buch­holz 418.32 AMG Nr. 74 Rn. 12).

20 Nicht al­le Er­zeug­nis­se, die ei­ne phy­sio­lo­gisch wirk­sa­me Sub­stanz ent­hal­ten, kön­nen als Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tel im Sin­ne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/83/EG ein­ge­stuft wer­den (vgl. Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07, Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 40, vom 30. April 2009 - C-27/08 [ECLI:​EU:​C:​2009:​278], BIOS Na­tur­pro­duk­te GmbH - Rn. 19 und vom 6. Sep­tem­ber 2012 - C-308/11, Che­mi­sche Fa­brik Kreuss­ler - Rn. 33). Da die phy­sio­lo­gi­sche Wir­kung nicht für Arz­nei­mit­tel spe­zi­fisch ist, son­dern auch zu den in Art. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2002/46/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 10. Ju­ni 2002 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten über Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel (ABl. L 183 S. 51) ver­wen­de­ten Kri­te­ri­en für die De­fi­ni­ti­on des Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tels ge­hört, schei­det die An­nah­me ei­nes Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels aus, wenn die Aus­wir­kun­gen des Er­zeug­nis­ses auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen nicht über die Wir­kun­gen hin­aus­ge­hen, die ein in an­ge­mes­se­ner Men­ge ver­zehr­tes Le­bens­mit­tel auf die­se Funk­tio­nen ha­ben kann (Eu­GH, Ur­teil vom 15. No­vem­ber 2007 - C-319/05, Kom­mis­si­on/Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land - Rn. 68; vgl. zum Er­for­der­nis der nen­nens­wer­ten Wir­kung auch Eu­GH, Ur­teil vom 30. April 2009 - C-27/08, BIOS Na­tur­pro­duk­te GmbH - Rn. 21 so­wie BGH, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 2010 - I ZR 67/07 - PharmR 2010, 181 Rn. 15).

21 b) Die­se Vor­aus­set­zun­gen hat das Be­ru­fungs­ge­richt für die streit­ge­gen­ständ­li­chen Er­zeug­nis­se oh­ne Ver­stoß ge­gen Bun­des­recht fest­ge­stellt. Die von der Klä­ge­rin er­ho­be­nen Ver­fah­rens­rü­gen grei­fen nicht durch.

22 In dem an­ge­grif­fe­nen Be­ru­fungs­ur­teil ist fest­ge­stellt, durch die vor­lie­gen­den wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en sei be­legt, dass ein Er­zeug­nis mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag zu ei­ner si­gni­fi­kan­ten Ver­rin­ge­rung der Blut­vis­ko­si­tät und zu ei­ner si­gni­fi­kan­ten Ver­bes­se­rung der ze­re­bra­len Per­fu­si­on in be­stimm­ten Ge­hirn­re­gio­nen füh­re. Dies be­wir­ke ei­ne Ver­bes­se­rung der ko­gni­ti­ven Fä­hig­kei­ten und kön­ne bei der Be­hand­lung ko­gni­ti­ver De­fi­zi­te äl­te­rer Men­schen nütz­lich sein. Ei­ne ver­gleich­ba­re Wir­kung sei durch den Ver­zehr GbE-hal­ti­ger Le­bens­mit­tel in an­ge­mes­se­ner Men­ge nicht zu er­zie­len. Die­se - die An­nah­me ei­ner die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen in nen­nens­wer­ter Wei­se po­si­tiv be­ein­flus­sen­den Wir­kung tra­gen­den - Fest­stel­lun­gen sind der re­vi­si­ons­ge­richt­li­chen Be­ur­tei­lung zu­grun­de zu le­gen, weil die Klä­ge­rin hier­ge­gen kei­ne durch­grei­fen­den Ver­fah­rens­rü­gen vor­ge­bracht hat (§ 137 Abs. 2 Vw­GO).

23 Die Sach­ver­halts- und Be­weis­wür­di­gung ei­ner Tat­sa­chen­in­stanz ist der Be­ur­tei­lung des Re­vi­si­ons­ge­richts nur in­so­weit un­ter­stellt, als es um Ver­fah­rens­feh­ler im Sin­ne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO geht. Rü­ge­fä­hig ist da­mit nicht das Er­geb­nis der Be­weis­wür­di­gung, son­dern nur ein Ver­fah­rens­vor­gang auf dem Weg dort­hin. Der­ar­ti­ge Män­gel lie­gen vor, wenn das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil von ei­nem fal­schen oder un­voll­stän­di­gen Sach­ver­halt aus­geht, al­so et­wa ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ak­ten­in­halt über­geht oder auf ei­ner ak­ten­wid­ri­gen Tat­sa­chen­grund­la­ge ba­siert. Das Er­geb­nis der ge­richt­li­chen Be­weis­wür­di­gung selbst ist vom Re­vi­si­ons­ge­richt im Rah­men ei­ner Ver­fah­rens­rü­ge nur dar­auf­hin nach­zu­prü­fen, ob es ge­gen Denk­ge­set­ze ver­stö­ßt, lo­gi­sche oder ge­dank­li­che Brü­che und Wi­der­sprü­che ent­hält (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 30. Ja­nu­ar 2018 - 3 B 4.17 [ECLI:​DE:​BVer­wG:​2018:​300118B3B4.17.0] - ju­ris Rn. 21 f. m.w.N.). Ei­nen der­ar­ti­gen Ver­fah­rens­man­gel zeigt die Re­vi­si­on nicht auf. Die Ein­schät­zung des Be­ru­fungs­ge­richts ist viel­mehr plau­si­bel und je­den­falls in me­tho­disch ver­tret­ba­rer Wei­se auf die zi­tier­ten Stu­di­en ge­stützt. So­weit die Re­vi­si­on rügt, aus den Stu­di­en an ge­sun­den Pro­ban­den kön­ne nicht auf ei­ne the­ra­peu­ti­sche Wir­kung bei kran­ken Pa­ti­en­ten ge­schlos­sen wer­den, ver­kennt sie den zu­tref­fen­den recht­li­chen Maß­stab. Für die An­nah­me ei­ner po­si­ti­ven Be­ein­flus­sung der phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen reicht aus, dass die be­tref­fen­den Stof­fe ei­ne po­si­ti­ve Wir­kung für das Funk­tio­nie­ren des mensch­li­chen Or­ga­nis­mus und folg­lich für die mensch­li­che Ge­sund­heit ha­ben, und zwar auch oh­ne dass ei­ne Krank­heit vor­liegt (Eu­GH, Ur­teil vom 10. Ju­li 2014 - C-358/13 u.a., Mar­kus D. - Rn. 36).

24 Auch die von der Re­vi­si­on an­ge­mahn­ten wei­te­ren Auf­klä­rungs­maß­nah­men muss­ten sich dem Be­ru­fungs­ge­richt je­den­falls nicht oh­ne hier­auf be­zo­ge­ne Be­weis­an­trä­ge der Klä­ge­rin auf­drän­gen. Un­ab­hän­gig von der Fra­ge, ob die Rü­gen den An­for­de­run­gen aus § 139 Abs. 3 Satz 4 Vw­GO ent­spre­chend gel­tend ge­macht wor­den sind, grei­fen sie je­den­falls in der Sa­che nicht durch. Die Klä­ge­rin legt nicht dar, war­um die von ihr be­an­stan­de­ten Fest­stel­lun­gen feh­ler­haft zu­stan­de ge­kom­men sein soll­ten; sie be­gnügt sich viel­mehr im We­sent­li­chen da­mit, ih­re Wür­di­gung an die Stel­le der­je­ni­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu set­zen. Dies ge­nügt für die Dar­le­gung ei­nes Ver­fah­rens­man­gels nicht.

25 Ei­ne prä­zi­se Auf­klä­rung des Wirk­me­cha­nis­mus ist be­reits nicht er­for­der­lich. So­fern die si­gni­fi­kan­te Wir­kung ei­nes Stoffs auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­sen ist, ent­fällt die­se An­nah­me nicht des­halb, weil der Ur­sa­chen­zu­sam­men­hang im Ein­zel­nen noch nicht ge­klärt wor­den ist. Zu Recht hat die Be­klag­te viel­mehr dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der ge­naue Wirk­me­cha­nis­mus für vie­le Arz­nei­mit­tel noch nicht voll­stän­dig ge­klärt wer­den konn­te. Da­durch ent­fällt aber nicht die nach­ge­wie­se­ne Wir­kung ent­spre­chen­der Pro­duk­te auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen. Es ist im Üb­ri­gen we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­kenn­bar, wel­che wei­te­ren Auf­klä­rungs­maß­nah­men dem Be­ru­fungs­ge­richt in­so­weit zur Ver­fü­gung ge­stan­den hät­ten.

26 Auch ei­ne wei­te­re Auf­klä­rung zu den Aus­wir­kun­gen der im Pro­dukt "Gink­go Bi­lo­ba + Q-10 BIOS Kap­seln" zu­sätz­lich ent­hal­te­nen In­halts­stof­fe war nicht er­for­der­lich. Rich­tig ist zwar, dass für die Be­ur­tei­lung der phy­sio­lo­gi­schen Aus­wir­kung auf das Pro­dukt ins­ge­samt ab­zu­stel­len ist (BVer­wG, Ur­teil vom 14. De­zem­ber 2006 - 3 C 40.05 - Buch­holz 418.710 LF­GB Nr. 2 Rn. 26). Hier­aus folgt in­des nicht, dass für je­de Stoff­kom­bi­na­ti­on ei­ne ei­gen­stän­di­ge Stu­die er­stellt wer­den müss­te. Viel­mehr kann aus den be­kann­ten Wir­kun­gen ei­nes In­halts­stof­fes auf die Wir­kung des Ge­samt­er­zeug­nis­ses ge­schlos­sen wer­den, wenn kei­ne An­halts­punk­te da­für vor­lie­gen, dass die­se Wir­kung durch die wei­te­ren Zu­sät­ze her­ab­ge­setzt sein könn­te. Sub­stan­ti­ier­te An­halts­punk­te da­für, dass die Wir­kung ei­ner GbE-Do­sis von 100 mg/Tag auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen durch die Bei­ga­be des Co­enyzms Q10 ver­rin­gert wer­den könn­te, hat die Klä­ge­rin nicht dar­ge­legt. Sie sind nach den nach­voll­zieh­ba­ren Er­wä­gun­gen der Be­klag­ten auch nicht er­sicht­lich.

27 War­um wei­te­re Auf­klä­run­gen zu den mög­li­chen Aus­wir­kun­gen des ver­wen­de­ten Ex­trak­ti­ons­mit­tels er­for­der­lich sein soll­ten, hat die Klä­ge­rin nicht auf­ge­zeigt. Die Wirk­stoff­ge­hal­te der ma­ß­geb­li­chen In­halts­stof­fe ent­spre­chen dem für das mo­no­gra­phie­kon­for­me Ex­trakt vor­ge­ge­be­nen Be­reich. Da­für, dass das Ex­trak­ti­ons­mit­tel die wirk­be­stim­men­den In­halts­stof­fe des Ex­trakts be­ein­flusst ha­ben könn­te, ist da­her nichts er­sicht­lich. Auch die Klä­ge­rin hat nicht dar­ge­tan, war­um und in­wie­weit sich aus dem Um­stand, dass in den Stu­di­en ein an­de­res Ex­trak­ti­ons­mit­tel (Etha­nol und Was­ser) ver­wen­det wur­de als in der Mo­no­gra­phie der Kom­mis­si­on E von 1994 vor­ge­se­hen (Ace­ton und Was­ser), re­le­van­te Un­ter­schie­de er­ge­ben könn­ten.

28 Schlie­ß­lich ist die An­nah­me ei­ner si­gni­fi­kan­ten Wir­kung auch dann mög­lich, wenn kein de­fi­nier­ter Norm­be­reich für die in Be­zug ge­nom­me­ne phy­sio­lo­gi­sche Funk­ti­on des Men­schen exis­tiert. Er­for­der­lich aber auch aus­rei­chend ist viel­mehr, dass ei­ne er­heb­li­che Ver­än­de­rung der phy­sio­lo­gi­schen Funk­ti­on be­legt wer­den kann (vgl. Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. No­vem­ber 2007 - C-319/05, Kom­mis­si­on/Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land - Rn. 60 und vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07, Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 41). An­dern­falls könn­ten im Üb­ri­gen auch Pro­duk­te mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 120 mg/Tag oder mehr nicht als Arz­nei­mit­tel ein­ge­stuft wer­den, was von der Klä­ge­rin selbst nicht ver­tre­ten wird und dem Zweck der Ab­gren­zung er­sicht­lich nicht ent­spricht (vgl. hier­zu auch BGH, Ur­teil vom 1. Ju­li 2010 - I ZR 19/08 - PharmR 2010, 522 Rn. 19).

29 So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men hat, GbE stel­le be­reits kei­nen Be­stand­teil der ge­wöhn­li­chen Nah­rung dar und kön­ne je­den­falls in ei­ner Do­sie­rung von 100 mg/Tag im Hin­blick auf den dar­in ent­hal­te­nen ge­sund­heits­schäd­li­chen Gink­gol­säu­re­an­teil nicht durch ei­nen Kon­sum von Gink­go-Tees in an­ge­mes­se­ner Men­ge er­reicht wer­den, ent­hält das Re­vi­si­ons­vor­brin­gen kei­ne sub­stan­ti­ier­ten Ein­wän­de.

30 3. Die Ent­schei­dung über die Ein­stu­fung ei­nes Er­zeug­nis­ses als Nah­rungs­er­gän­zungs- oder Arz­nei­mit­tel er­for­dert ei­ne Ge­samt­be­trach­tung der Pro­dukt­merk­ma­le, bei der auch die mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken bei sei­ner Ver­wen­dung zu be­rück­sich­ti­gen sind (a). Das Be­ru­fungs­ge­richt hat Fest­stel­lun­gen zu den Ge­sund­heits­ri­si­ken der Ver­wen­dung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Er­zeug­nis­se nicht ge­trof­fen; hier­zu be­stand aus­ge­hend von sei­ner Rechts­auf­fas­sung kein An­lass. Die Sa­che ist da­her ge­mäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO zur wei­te­ren Sach­auf­klä­rung zu­rück­zu­ver­wei­sen (b).

31 a) Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on hat die zu­stän­di­ge Be­hör­de die Ent­schei­dung, ob ein Er­zeug­nis un­ter die De­fi­ni­ti­on des Arz­nei­mit­tels nach der Funk­ti­on im Sin­ne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/83/EG fällt, von Fall zu Fall zu tref­fen und da­bei al­le Merk­ma­le des Er­zeug­nis­ses, ins­be­son­de­re sei­ne Zu­sam­men­set­zung, sei­ne phar­ma­ko­lo­gi­schen, im­mu­no­lo­gi­schen oder me­ta­bo­li­schen Ei­gen­schaf­ten - wie sie sich beim je­wei­li­gen Stand der Wis­sen­schaft fest­stel­len las­sen -, die Mo­da­li­tä­ten sei­nes Ge­brauchs, den Um­fang sei­ner Ver­brei­tung, sei­ne Be­kannt­heit bei den Ver­brau­chern und die Ri­si­ken, die sei­ne Ver­wen­dung mit sich brin­gen kann, zu be­rück­sich­ti­gen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. No­vem­ber 2007 - C-319/05, Kom­mis­si­on/Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land - Rn. 55 und vom 3. Ok­to­ber 2013 - C-109/12, La­bo­ra­toires Lyo­cent­re - Rn. 42 m.w.N.). Auch die An­nah­me ei­ner nen­nens­wer­ten Wir­kung auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen führt da­mit nicht zwangs­läu­fig zur Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft (Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07, Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 40, vom 30. April 2009 - C-27/08, BIOS Na­tur­pro­duk­te GmbH - Rn. 19 und vom 6. Sep­tem­ber 2012 - C-308/11, Che­mi­sche Fa­brik Kreuss­ler - Rn. 33). Viel­mehr sind zu­sätz­lich et­wa auch mög­li­che Ge­sund­heits­ri­si­ken als ei­gen­stän­di­ger Fak­tor zu be­rück­sich­ti­gen (Eu­GH, Ur­teil vom 9. Ju­ni 2005 - C-211/03 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2005:​370], HLH Wa­ren­ver­trieb und Or­thi­ca - Rn. 53).

32 Lie­gen die Aus­wir­kun­gen ei­nes Er­zeug­nis­ses auf die phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen im Grenz­be­reich zwi­schen Nah­rungs­er­gän­zungs- und Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft, kommt den mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken be­son­de­res Ge­wicht für die Be­ur­tei­lung zu (vgl. BGH, Ur­teil vom 26. Ju­ni 2008 - I ZR 61/05 - NVwZ 2008, 1266 Rn. 32). Ei­ne Ein­stu­fung als Arz­nei­mit­tel ist hier nur ge­recht­fer­tigt, wenn dies zum Schutz der Ge­sund­heit er­for­der­lich ist.

33 Nach dem uni­ons­recht­li­chen Vor­sor­ge­grund­satz ist es ge­recht­fer­tigt, Schutz­maß­nah­men auch ge­gen po­ten­ti­el­le Ge­sund­heits­ge­fah­ren zu er­grei­fen (vgl. Eu­GH, Ur­teil vom 3. De­zem­ber 2015 - C-82/15 P [ECLI:​EU:​C:​2015:​796], PP Na­tu­re-Ba­lan­ce Li­zenz - Rn. 21 ff.; BVer­wG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2016 - 3 C 14.15 - BVer­w­GE 156, 345 Rn. 27). Ver­nünf­ti­ge Zwei­fel an der Un­be­denk­lich­keit ei­nes Er­zeug­nis­ses recht­fer­ti­gen da­her die Ein­stu­fung als Arz­nei­mit­tel. Oh­ne der­ar­ti­ge Ri­si­ken fehlt der sach­li­che Recht­fer­ti­gungs­grund da­für, ei­nem Er­zeug­nis, das ge­eig­net ist, po­si­ti­ve Wir­kun­gen auf die mensch­li­che Ge­sund­heit zu ent­fal­ten, nur we­gen des - mög­li­cher­wei­se dau­er­haft - feh­len­den Nach­wei­ses ei­ner the­ra­peu­ti­schen Wirk­sam­keit die Ver­kehrs­fä­hig­keit auf dem deut­schen Markt zu neh­men (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ju­li 2007 - 3 C 21.06 - Buch­holz 418.710 LF­GB Nr. 4 Rn. 32). Ei­ne der­ar­ti­ge An­wen­dung des Arz­nei­mit­tel­be­griffs wür­de zu Ein­schrän­kun­gen und Be­hin­de­run­gen des frei­en Wa­ren­ver­kehrs füh­ren, die of­fen­kun­dig au­ßer Ver­hält­nis zum an­ge­streb­ten Ziel des Ge­sund­heits­schut­zes ste­hen (Eu­GH, Ur­teil vom 15. Ja­nu­ar 2009 - C-140/07, Hecht-Phar­ma GmbH - Rn. 27).

34 b) Das Be­ru­fungs­ur­teil ent­hält kei­ne Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen zum Aus­maß der mög­li­chen Ri­si­ken aus der Ver­wen­dung ei­nes Er­zeug­nis­ses mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag.

35 Die - aus­drück­lich nicht als ent­schei­dungs­er­heb­lich ge­kenn­zeich­ne­ten - Hin­wei­se stel­len be­reits kei­ne be­stimm­ten Ge­sund­heits­ri­si­ken fest. Ob das Be­ru­fungs­ge­richt den schlag­licht­ar­tig be­nann­ten mög­li­chen Ne­ben­wir­kun­gen im Hin­blick auf Häu­fig­keit und In­ten­si­tät das Ge­wicht ei­ner Ge­sund­heits­ge­fähr­dung bei­mes­sen woll­te, bleibt of­fen. Ins­be­son­de­re aber sind die zi­tier­ten Fund­stel­len zu mög­li­chen Ne­ben­wir­kun­gen nicht auf ei­ne be­stimm­te Do­sie­rung be­zo­gen. So­weit die Stu­di­en auf zu­ge­las­se­ne Arz­nei­mit­tel und da­mit ei­ne GbE-Do­sie­rung von min­des­tens 120 mg/Tag be­zo­gen sind, fehlt ei­ne Ab­lei­tung was sich hier­aus für ei­ne nied­ri­ge­re GbE-Do­sie­rung er­ge­ben könn­te. Die Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen rei­chen da­her nicht aus, um die mög­li­chen Ri­si­ken für die mensch­li­che Ge­sund­heit aus ei­ner be­stim­mungs­ge­mä­ßen Ver­wen­dung der Er­zeug­nis­se be­ur­tei­len zu kön­nen.

36 Ent­spre­chen­des gilt für die von der Be­klag­ten im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen. Un­be­scha­det der Fra­ge, ob die dort auf­ge­lis­te­ten Ver­dachts­fäl­le die An­nah­me ei­nes Ge­sund­heits­ri­si­kos tra­gen könn­te, sind sie auf ei­ne Arz­nei­mit­tel­an­wen­dung und da­mit ei­ne GbE-Do­sie­rung von min­des­tens 120 mg/Tag be­zo­gen. Zu mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken aus der Ver­wen­dung ei­nes Er­zeug­nis­ses mit ei­ner GbE-Do­sie­rung von 100 mg/Tag konn­te die Be­klag­te auch auf Nach­fra­ge kei­ne Aus­kunft ge­ben. Ei­ne Stel­lung­nah­me des Bun­des­in­sti­tuts für Ri­si­ko­be­wer­tung (vgl. § 2 Abs. 8 BVLG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BfRG) ist bis­lang nicht ein­ge­holt wor­den.

37 Die im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ver­wert­ba­re Tat­sa­chen­ba­sis reicht da­her nicht aus, um die mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken aus der be­stim­mungs­ge­mä­ßen Ver­wen­dung der Er­zeug­nis­se be­ur­tei­len zu kön­nen. Eben­so­we­nig kann auf Grund­la­ge die­ser Tat­sa­chen­fest­stel­lung be­ur­teilt wer­den, ob et­wai­gen Be­den­ken auch auf le­bens­mit­tel­recht­li­cher Grund­la­ge, et­wa durch die Bei­fü­gung von Warn­hin­wei­sen (vgl. Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Ver­ord­nung <EG> Nr. 178/2002), aus­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen wer­den könn­te.

38 4. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.