Verfahrensinformation

Chancen-Aufenthaltsrecht bei Minderjährigkeit


Die im März 2007 geborene Klägerin ist (ohne Angabe ihres Geburtsorts und ohne eigenes Lichtbild) in den ukrainischen Inlandspass ihrer Mutter eingetragen. Sie ist mit ihren Eltern 2008 in das Bundesgebiet eingereist; mehrere Asylverfahren der Familie, in denen die Eltern der Klägerin über ihre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht hatten, sind ohne Erfolg geblieben. Die Klage der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, hilfsweise einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes, war vor dem Oberverwaltungsgericht teilweise erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte u. a. verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG (sogenanntes Chancen-Aufenthaltsrecht) zu erteilen. Diese Rechtsgrundlage sei auch auf Minderjährige anwendbar. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass ein Bekenntnis der Klägerin zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vorliege. Diese in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geregelte Voraussetzung brauche die im Entscheidungszeitpunkt 15-jährige Klägerin nicht zu erfüllen, weil sie im Anschluss eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG anstrebe, die ein positives (schriftliches) Bekenntnis anders als § 25b AufenthG nicht voraussetze. Gegen diese Rechtsauffassungen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.


Pressemitteilung Nr. 12/2025 vom 27.02.2025

Chancen-Aufenthaltsrecht bei Minderjährigkeit

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG (sogenanntes Chancen-Aufenthaltsrecht) setzt keine Volljährigkeit des Ausländers voraus. Minderjährige sind von dem Erfordernis der Abgabe eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung befreit, wenn sie das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die im März 2007 in der Ukraine geborene Klägerin reiste mit ihren Eltern 2008 in das Bundesgebiet ein. Mehrere Asylverfahren der Familie, in denen die Eltern der Klägerin über ihre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht hatten, blieben ohne Erfolg. Die Klage der Klägerin auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte unter anderem verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG zu erteilen. Diese Rechtsgrundlage sei auch auf Minderjährige anwendbar. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass ein Bekenntnis der Klägerin zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vorliege. Diese in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geregelte Voraussetzung brauche die im Entscheidungszeitpunkt 15-jährige Klägerin nicht zu erfüllen, weil sie im Anschluss eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG anstrebe, die ein positives (schriftliches) Bekenntnis anders als § 25b AufenthG nicht voraussetze.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG kann auch Minderjährigen erteilt werden. Das Chancen-Aufenthaltsrecht soll dem Titelinhaber auf der Grundlage eines erlaubten Aufenthalts ermöglichen, noch fehlende Voraussetzungen für einen Aufenthalt nach § 25a oder § 25b AufenthG nachzuholen (z.B. Klärung der Identität und Erfüllung der Passpflicht). Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG richtet sich an Jugendliche und junge Volljährige bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Es ist keine tragfähige Begründung für die Annahme ersichtlich, dass der Gesetzgeber die durch § 104c Abs. 1 AufenthG ermöglichte "Brücke" zu einem verfestigungsoffenen Aufenthalt Volljährigen vorbehalten und einen Teil der (jedenfalls) durch die Anschlussnorm des § 25a AufenthG Berechtigten hiervon ausschließen wollte.


Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht zudem entschieden, dass die Klägerin kein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben muss. Es handelt sich hierbei um eine höchstpersönliche Erklärung, die nur von Personen zu verlangen ist, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben. Zwar sieht der Wortlaut des § 104 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - anders als § 10 Abs. 1 Satz 2 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) für das bei der Einbürgerung abzugebende Bekenntnis - eine solche Altersgrenze nicht vor. Er ist insoweit allerdings planwidrig zu weit gefasst. Dieses Regelungsdefizit ist durch eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG zu schließen. Danach muss ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht abgeben. Hiervon gehen im Ergebnis auch die Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts aus.


BVerwG 1 C 13.23 - Urteil vom 27. Februar 2025

Vorinstanzen:

VG Magdeburg, VG 8 A 228/19 MD - Urteil vom 24. August 2020 -

OVG Magdeburg, OVG 2 L 102/20 - Urteil vom 08. März 2023 -


Beschluss vom 29.08.2023 -
BVerwG 1 B 16.23ECLI:DE:BVerwG:2023:290823B1B16.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2023 - 1 B 16.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290823B1B16.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 16.23

  • VG Magdeburg - 24.08.2020 - AZ: 8 A 228/19 MD
  • OVG Magdeburg - 08.03.2023 - AZ: 2 L 102/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 8. März 2023 wird geändert.
  2. Die Revision wird zugelassen, soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG zu erteilen.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten verworfen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf jeweils 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde der Beklagten hat in dem im Tenor bezeichneten Umfang Erfolg.

2 1. Soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, ist die Beschwerde unzulässig. Sie macht insoweit Zulassungsgründe weder geltend noch legt sie solche den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar.

3 2. Die Revision ist aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, soweit die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet worden ist, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG zu erteilen. Die Revision kann dem Senat Gelegenheit geben, die Anwendbarkeit des § 104c Abs. 1 AufenthG sowie die Bedeutung des in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorausgesetzten Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bei minderjährigen Antragstellern näher zu klären.

4 3. Die Teilzulassung der Revision ist zulässig, weil dem Ausgangsverfahren unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde liegen, die nicht in einem der Teilzulassung entgegenstehenden Abhängigkeitsverhältnis voneinander stehen. Die Klage ist mit dem Hauptantrag auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG und mit dem Hilfsantrag unter anderem auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG gerichtet. Hierbei handelt es sich ungeachtet dessen, dass beide Vorschriften humanitäre Aufenthaltserlaubnisse nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes regeln (vgl. § 104c Abs. 3 Satz 2 AufenthG), wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen um verschiedene Streitgegenstände (zu vergleichbaren Fallgestaltungen BVerwG, Urteile vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - BVerwGE 138, 336 Rn. 19 f. und vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 Rn. 17). Das befristete Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG soll die Gelegenheit zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG geben (BT-Drs. 20/3717 S. 2, 17), unterscheidet sich aber von diesen Aufenthaltstiteln in den Voraussetzungen und in den Rechtsfolgen.

5 Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Soweit die Revision zugelassen worden ist, wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 13.23 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 27.02.2025 -
BVerwG 1 C 13.23ECLI:DE:BVerwG:2025:270225U1C13.23.0

Chancen-Aufenthaltsrecht bei Minderjährigkeit

Leitsätze:

1. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG (Chancen-Aufenthaltsrecht) kann auch minderjährigen Ausländern erteilt werden.

2. Minderjährige Ausländer sind in analoger Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG von dem Erfordernis der Abgabe eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG befreit, wenn sie das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

  • Rechtsquellen
    AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 2, §§ 25a, 25b, 80 Abs. 1, § 104c
    StAG §§ 10, 34 Satz 1

  • VG Magdeburg - 24.08.2020 - AZ: 8 A 228/19 MD
    OVG Magdeburg - 08.03.2023 - AZ: 2 L 102/20

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.02.2025 - 1 C 13.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:270225U1C13.23.0]

Urteil

BVerwG 1 C 13.23

  • VG Magdeburg - 24.08.2020 - AZ: 8 A 228/19 MD
  • OVG Magdeburg - 08.03.2023 - AZ: 2 L 102/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und Böhmann und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. März 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG.

2 Die im März 2007 in der Ukraine geborene Klägerin reiste im Dezember 2008 mit ihren Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. In den Asylanträgen der Familie gaben die Eltern wahrheitswidrig an, aus dem Irak zu stammen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte die Anträge mit Bescheid vom 14. September 2009 wegen Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit als offensichtlich unbegründet ab. Es stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen, und drohte der Familie die Abschiebung in den - nicht weiter spezifizierten - Herkunftsstaat an.

3 Aufgrund der ungeklärten Identität erhielten die Klägerin und ihre Eltern im Januar 2010 befristete Duldungen, die zunächst laufend verlängert wurden. Im Juni 2015 kam eine armenische Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass die Eltern armenische Staatsangehörige seien. Mit Bescheid vom 15. Februar 2017 lehnte das Bundesamt Asylfolgeanträge der Eltern, der Klägerin und ihrer in Deutschland geborenen Geschwister als unzulässig ab und drohte ihnen unter Änderung der ursprünglichen Bescheide die Abschiebung nach Armenien an.

4 Im Januar 2018 wurden im Rahmen einer Hausdurchsuchung ukrainische Inlandspässe aufgefunden, die die Eltern und die darin eingetragene Klägerin als ukrainische Staatsangehörige auswiesen. Das Bundesamt stellte mit Bescheid vom 13. Juni 2018 für die Klägerin sowie ihre Eltern und Geschwister fest, dass keine Abschiebungsverbote in Bezug auf die Ukraine vorlägen. Die erlassenen Abschiebungsandrohungen änderte es dahin, dass der Familie eine Abschiebung in die Ukraine angedroht wurde.

5 Im Februar 2018 beantragten die Klägerin, ihre Eltern und Geschwister die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wobei das Begehren der Klägerin primär auf § 25a Abs. 1 AufenthG gestützt war. Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, weil diese als Elfjährige keine Jugendliche oder Heranwachsende im Sinne des § 25a Abs. 1 AufenthG sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2019 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch der Klägerin zurück.

6 Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte das nach § 25a Abs. 4 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Titelerteilungssperre abzuweichen, zulasten der Klägerin ausgeübt. Die Identität der Klägerin sei nicht abschließend geklärt. Die fehlende Mitwirkung ihrer Eltern müsse sie sich zurechnen lassen.

7 Im Januar 2023 hat das Oberverwaltungsgericht die Beteiligten auf die Möglichkeit hingewiesen, auf der Grundlage des am 31. Dezember 2022 in Kraft getretenen § 104c Abs. 1 und 3 AufenthG eine befristete, nicht verlängerbare Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dem hat die Beklagte entgegengehalten, § 104c Abs. 1 AufenthG sei auf Minderjährige nicht anwendbar. Die Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis scheitere ferner aus denselben Gründen wie bei § 25a AufenthG an der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Zudem erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzung des fünfjährigen geduldeten Voraufenthalts.

8 Mit Urteil vom 8. März 2023 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte auf den Hauptantrag der Klägerin verpflichtet, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Auf einen hilfsweise gestellten Antrag hat es die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c Abs. 1 AufenthG zu erteilen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. § 104c Abs. 1 AufenthG finde auch auf Minderjährige Anwendung. Die Klägerin weise ferner den erforderlichen ununterbrochenen fünfjährigen geduldeten Voraufenthalt im Bundesgebiet zum Stichtag auf. Die in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannte Voraussetzung eines Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grundordnung brauche sie nicht zu erfüllen. Im Gegensatz zu § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG verlange § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - ebenso wie § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG - ein positives Bekenntnis. § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sei im Wege der teleologischen Reduktion dahin auszulegen, dass ein positives Bekenntnis nur dann erforderlich sei, wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG angestrebt werde, nicht aber, wenn sich das Anschlussbegehren auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG richte. Versagungsgründe lägen nicht vor. Die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG stehe dem Anspruch nicht entgegen. Das in § 104c Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen, von ihr abzuweichen, sei hier auf Null reduziert.

9 Mit ihrer auf den bisherigen Hilfsantrag beschränkten Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 104c Abs. 1 AufenthG. Die Vorschrift verlange ausnahmslos ein aktives Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Eine Stellvertretung sei aufgrund des höchstpersönlichen Charakters des Bekenntnisses nicht zulässig. Der Klägerin sei die Erfüllung der Bekenntnispflicht mangels Handlungsfähigkeit nicht möglich. Die von dem Berufungsgericht vorgenommene teleologische Beschränkung des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG stehe im Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift. Die Situation sei nicht mit dem Einbürgerungsrecht, auf das die Anwendungshinweise verwiesen, vergleichbar. Eine mit § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG vergleichbare gesetzliche Ausnahmeregelung fehle im Aufenthaltsrecht. Soweit es nach Ziff. 10.1.2 VAH-StAG eines Bekenntnisses nicht bedürfe, wenn der Einbürgerungsbewerber nicht handlungsfähig im Sinne des § 80 Abs. 1 AufenthG, das heißt unter 16 Jahre alt sei, sei die Vorschrift zudem veraltet. Denn der Gesetzgeber habe die Altersgrenze für die ausländerrechtliche Handlungsfähigkeit zum 1. November 2015 auf 18 Jahre angehoben, während die Altersgrenze in § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG (a. F., entspricht aktuell § 34 Abs. 1 StAG) unverändert geblieben sei. Richtigerweise sei § 104c Abs. 1 AufenthG daher von vornherein nur auf volljährige Ausländer anzuwenden. Nicht haltbar sei auch die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Bekenntnis sei nur bei Antragstellern zu fordern, die nach Ablauf des Geltungszeitraums eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG (und nicht nach § 25a AufenthG) anstrebten.

10 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II

11 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG (sogenanntes Chancen-Aufenthaltsrecht) zu erteilen. Seine Rechtsauffassung, die tatbestandliche Voraussetzung eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei stets entbehrlich, wenn der Antragsteller im Anschluss an das Chancen-Aufenthaltsrecht eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG anstrebe, verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme, die Klägerin brauche ein solches Bekenntnis nicht abzugeben, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Denn ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist von der Erfüllung der Voraussetzung des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG befreit. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG hat das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) im Ergebnis zutreffend bejaht.

12 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist hiernach das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems vom 25. Oktober 2024 (BGBl. I Nr. 332) zugrunde zu legen. Nicht zu berücksichtigen ist dabei die während des Revisionsverfahrens erfolgte Änderung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (vgl. Art. 1 Nr. 3 des am 27. Februar 2024 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung, BGBl. I Nr. 54), weil diese nach der gleichzeitig geschaffenen Übergangsvorschrift des § 104 Abs. 19 AufenthG auf vor dem 27. Februar 2024 als offensichtlich unbegründet abgelehnte Anträge keine Anwendung findet.

13 Die Klage ist hinsichtlich des allein noch verfahrensgegenständlichen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es hier nicht an einem vor Klageerhebung erfolglos gestellten Antrag. Der unter dem 5. Februar 2018 gestellte Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfasste bei sachdienlicher Auslegung alle in Betracht kommenden Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Damit erstreckte er sich - unter den hier gegebenen Umständen - nicht nur auf § 25 Abs. 5 AufenthG, wovon bereits die angefochtenen Bescheide ausgegangen sind, sondern auch auf die erst während des zweitinstanzlichen Verfahrens in Kraft getretene Regelung über die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG, die nach § 104c Abs. 3 Satz 2 AufenthG als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 gilt. Einer erneuten Antragstellung bedurfte es insoweit nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 Rn. 20). Die Beklagte hatte im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, zu dieser Regelung Stellung zu nehmen.

14 Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin besteht fort. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zwar rechtskräftig verpflichtet, ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erneut zu bescheiden. Eine solche Aufenthaltserlaubnis, die wegen der mit ihr verbundenen weiterreichenden Rechtsstellung das Rechtsschutzbedürfnis für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG entfallen ließe, ist der Klägerin aber bislang nicht erteilt worden.

15 Die Klage ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG im Ergebnis zutreffend bejaht.

16 Die Klägerin erfüllt die besonderen Erteilungsvoraussetzungen dieser Rechtsgrundlage: Sie ist auch als Minderjährige eine Ausländerin im Sinne des § 104c Abs. 1 AufenthG (1.) und war im maßgeblichen Zeitpunkt im Besitz einer Duldung (2.). Am Stichtag 31. Oktober 2022 verfügte sie über einen fünfjährigen ununterbrochen geduldeten Aufenthalt (3.). Das von § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich verlangte Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste die Klägerin nicht abgeben, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 10 Abs. 1 Satz 2 StAG analog, dazu 4.). Sie erfüllt die gesetzlichen Anforderungen des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG an die strafrechtliche Unbescholtenheit (5.). Der Regelversagungsgrund des § 104c Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegt nicht vor (6.). Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen liegen, soweit erforderlich, vor (7.). Die hier grundsätzlich eingreifende Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in der bis zum 26. Februar 2024 geltenden Fassung steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Denn das in § 104c Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen der Beklagten, hiervon abzuweichen, ist nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Annahme des Berufungsgerichts auf Null reduziert (8.).

17 1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich des § 104c Abs. 1 AufenthG nicht auf volljährige Ausländer beschränkt ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen minderjährige Ausländer nicht nur ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Absatz 2, sondern auch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 erwerben können. Der Wortlaut des Absatzes 1 lässt keine Beschränkung auf volljährige Ausländer erkennen; danach gilt die Regelung vielmehr für alle Ausländer im Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AufenthG.

18 Konkrete Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf volljährige Ausländer sind auch der Begründung des Gesetzentwurfs nicht zu entnehmen. Der daraus ersichtliche Zweck des Chancen-Aufenthaltsrechts spricht im Gegenteil dafür, dass alle Ausländer, für die nach Ablauf der Geltungsdauer des Chancen-Aufenthaltsrechts eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a und § 25b AufenthG in Betracht kommt, von § 104c Abs. 1 AufenthG erfasst sein sollen. Denn das Chancen-Aufenthaltsrecht soll es ermöglichen, noch fehlende Voraussetzungen, etwa die Erfüllung der Passpflicht oder die Klärung der Identität, während seiner befristeten Gültigkeitsdauer nachzuholen, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 oder nach § 25b Abs. 1 AufenthG zu erlangen, die eine Perspektive auf einen dauerhaft rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland eröffnet (BT-Drs. 20/3717 S. 45). Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG richtet sich an Jugendliche und junge Volljährige bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Sie begünstigt damit ausdrücklich auch Minderjährige ab 14 Jahren. Es ist keine tragfähige Begründung für die Annahme ersichtlich, dass der Gesetzgeber die durch § 104c AufenthG ermöglichte "Brücke" zu einem verfestigungsoffenen Aufenthalt Volljährigen vorbehalten und einen Teil der durch die Anschlussnorm des § 25a AufenthG Berechtigten hiervon ausschließen wollte (so auch Zühlke, in: HTK-AuslR, § 104c AufenthG, zu Abs. 1, Rn. 42, Stand 31. Januar 2025; Wittmann, in: Berlit, GK-AufenthG, Stand März 2024, § 104c Rn. 68; ders., InfAuslR 2023, 288).

19 Der Wortlaut des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG und die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 20/3717 S. 37) bestätigen, dass auch jugendliche Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG von der Regelung begünstigt werden sollen. Die Annahme, dass hier hinsichtlich Minderjähriger nur auf Inhaber eines abgeleiteten Chancen-Aufenthaltsrechts nach § 104c Abs. 2 Satz 1 AufenthG Bezug genommen sein soll, liegt nicht nahe. Unbegleitete Minderjährige, für die eine abgeleitete Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 2 AufenthG nicht in Betracht kommt, könnten dann überhaupt keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG erhalten, ohne dass dafür Gründe ersichtlich sind.

20 Die von der Beklagten angeführten, ebenfalls der Gesetzessystematik entnommenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Dass § 104c Abs. 2 AufenthG anders als § 25a Abs. 2 AufenthG kein akzessorisches Aufenthaltsrecht der Eltern regelt, zwingt nicht zu dem Schluss, dass § 104c Abs. 1 AufenthG nur auf Volljährige Anwendung findet. § 104c Abs. 2 AufenthG gewährt dem Ehegatten, dem Lebenspartner und den minderjährigen ledigen Kindern eines nach Absatz 1 Begünstigten ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Familienmitglieder ausreisepflichtig bleiben, obwohl einem Familienmitglied mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht eine aufenthaltsrechtliche Perspektive in Deutschland eröffnet wurde (vgl. BT-Drs. 20/3717 S. 45). Eine Erwähnung auch der Eltern drängte sich an dieser Stelle nicht derart auf, dass aus ihrem Fehlen auf einen auf Volljährige beschränkten Anwendungsbereich des § 104c Abs. 1 AufenthG geschlossen werden müsste. Denn anders als bei § 25a AufenthG werden die Eltern hier typischerweise auch und gerade von dem originären Aufenthaltsrecht des Absatzes 1 begünstigt. Soweit sie dieses wegen Identitätstäuschungen, Straffälligkeit oder fehlenden Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht erlangen können, besteht auch kein Anlass für die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts. Insofern ist in § 104c Abs. 2 AufenthG lediglich für den Sonderfall nicht Sorge getragen, dass in einer insgesamt geduldeten Familie ein als Stammberechtigter in Betracht kommendes Kind anders als seine Eltern die Voraufenthaltszeiten erfüllt. Dass der Gesetzgeber diese spezielle Fallkonstellation in § 104c Abs. 2 AufenthG nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, lässt nicht darauf schließen, dass der Anwendungsbereich des § 104c Abs. 1 AufenthG auf Volljährige beschränkt sein soll. Das gilt umso mehr, als ein tatsächliches Auseinanderreißen der Familie durch eine Duldung der Eltern verhindert werden kann und der Gesetzgeber das Ziel, ein (rechtliches) Auseinanderfallen des Aufenthaltsstatus in der Familie zu vermeiden, auch im Übrigen nicht uneingeschränkt verfolgt hat.

21 Dass § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG dem Wortlaut nach ausnahmslos ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlangt, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, der Anwendungsbereich der Vorschrift sei auf - gemäß § 80 Abs. 1 AufenthG ausländerrechtlich handlungsfähige - Volljährige beschränkt. Denn diese Voraussetzung gilt ausdrücklich auch für das abgeleitete Aufenthaltsrecht minderjähriger Kinder (§ 104c Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Hieran können Ansprüche minderjähriger Kinder deshalb nicht zwingend und automatisch scheitern (zu dieser Voraussetzung vgl. näher 4.). Andernfalls hätte der Gesetzgeber eine in sich widersprüchliche, perplexe Rechtsvorschrift geschaffen.

22 Nach alledem kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG jedenfalls solchen Minderjährigen erteilt werden, die nach Ablauf der 18-monatigen Gültigkeitsdauer die altersmäßigen Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erfüllen, also das 14. Lebensjahr vollendet haben (noch weitergehend OVG Greifswald, Urteil vom 6. Juni 2024 - 2 LB 729/21 OVG - juris Rn. 29 ff.). Dies ist bei der im maßgeblichen Zeitpunkt 15 Jahre alten Klägerin der Fall.

23 2. Die Klägerin ist "geduldet" im Sinne des § 104c Abs. 1 AufenthG. Geduldet ist ein Ausländer, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder wenn er einen Rechtsanspruch auf Duldung - namentlich nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG - hat. Das Berufungsgericht hat diese auf den maßgeblichen Zeitpunkt bezogene Voraussetzung im Rahmen von § 104c Abs. 1 AufenthG nicht gesondert geprüft, sondern für ausreichend erachtet, dass die Klägerin am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet gewesen sei. Dies verletzt Bundesrecht (vgl. zu § 25b AufenthG BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 Rn. 23). Der Mangel wirkt sich aber im Ergebnis nicht aus, weil das Gericht die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bei der Prüfung des Hauptantrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG getroffen hat (UA S. 16). Nach diesen Feststellungen war die Klägerin im Zeitpunkt der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung im Besitz einer Duldung.

24 3. Die Klägerin erfüllt auch die Voraussetzung eines fünfjährigen näher qualifizierten Voraufenthaltes am gesetzlich bezeichneten Stichtag. Gemäß § 104c Abs. 1 AufenthG muss sich der Ausländer am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben. Nach der Senatsrechtsprechung zu § 25b AufenthG, die das Berufungsgericht an dieser Stelle zutreffend herangezogen hat, sind alle ununterbrochenen Aufenthaltszeiten des Ausländers zu berücksichtigen, die von einem aufenthaltsregelnden Verwaltungsakt (einer Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsgestattung oder Duldung) gedeckt waren oder in denen eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich war (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 Rn. 41, unter Hinweis auf BT-Drs. 18/4097 S. 43). Tatsächlich erteilte Duldungen sind auch dann zu berücksichtigen, wenn es sich um Duldungen für Personen mit ungeklärter Identität nach § 60b AufenthG gehandelt hat (§ 104c Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG).

25 Davon ausgehend hat das Berufungsgericht einen fünfjährigen, ununterbrochen geduldeten Aufenthalt zum Stichtag im Ergebnis zu Recht bejaht. Es hat festgestellt, dass der Aufenthalt der Klägerin in den Zeiträumen vom 31. Oktober 2017 bis zum 25. Januar 2018 und vom 10. Oktober 2019 bis zum Stichtag jeweils durch förmliche Duldungsbescheinigungen, die zunächst der Mutter der Klägerin ausgestellt worden sind und die sich auf die darin ebenfalls eingetragene Klägerin erstreckt haben, gedeckt war. In dem nicht durch förmliche Duldungen abgedeckten Zeitraum vom 26. Januar 2018 bis 9. Oktober 2019 bestand zumindest ein materieller Duldungsgrund in Form des tatsächlichen Abschiebungshindernisses der Passlosigkeit und der ungeklärten Identität.

26 4. Das von § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich verlangte Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat das Berufungsgericht hier im Ergebnis zutreffend für entbehrlich gehalten. Zwar ist seine Rechtsauffassung, ein solches Bekenntnis sei stets entbehrlich, wenn der Antragsteller im Anschluss an die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG anstrebe, mit Bundesrecht nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme, die Klägerin brauche ein solches Bekenntnis nicht abzugeben, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Denn ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist von der Erfüllung der Voraussetzung des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Satz 1 StAG befreit.

27 Nach dem Normtext des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos die Abgabe eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus. Dies gilt sowohl für die Aufenthaltserlaubnis aus eigenem Recht (§ 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG) als auch für die abgeleitete Aufenthaltserlaubnis als Familienangehöriger nach § 104c Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der ohne Einschränkung auf die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 verweist. Das Bekenntniserfordernis erfasst dem Wortlaut nach auch minderjährige Kinder jeden Alters. Damit ist es planwidrig zu weit gefasst und bedarf der teleologischen Reduktion.

28 a) Das Erfordernis eines aktiven Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat erstmals bei der Schaffung der stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung des § 25b AufenthG durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) in das Aufenthaltsgesetz Eingang gefunden. Es ist später auch in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG übernommen worden. Das Tatbestandsmerkmal ist der entsprechenden Voraussetzung aus dem Einbürgerungsrecht nachgebildet (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG). In beiden Rechtsgebieten dient es einem gleich gerichteten Zweck: Es soll sicherstellen, dass nur Personen, welche die Konstruktionsprinzipien einer freiheitlichen Staatsordnung, die auf demokratischen Grundsätzen beruht und die Menschenwürde und Freiheit ihrer Bürger wahrt und achtet (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 1 C 15.17 - BVerwGE 162, 153 Rn. 56 zum Staatsangehörigkeitsrecht), ein verfestigungsoffenes Aufenthaltsrecht erhalten oder - weitergehend - in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn der Antragsteller den wesentlichen Inhalt des Bekenntnisses verstanden hat. Dies setzt gewisse Mindestanforderungen an Alter und Reife voraus. Umgekehrt ist auch eine Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung umso weniger zu besorgen, je jünger ein Antragsteller ist.

29 b) Wie insbesondere § 104c Abs. 2 AufenthG zeigt, sollen auch minderjährige Antragsteller einschließlich Klein- und Kleinstkinder, welche offensichtlich noch kein reflektiertes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben können, die Voraussetzungen für ein (abgeleitetes) Chancen-Aufenthaltsrecht erfüllen können. Dies ist nicht durch die Annahme zu erreichen, dass sich diese durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten lassen könnten (so aber Wittmann, in: Berlit, GK-AufenthG, Stand März 2024, § 104c Rn. 150.2). Denn bei dem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung handelt es sich um eine höchstpersönlich abzugebende Erklärung, wovon auch die Beklagte ausgeht. Dies lässt sich zwar nicht aus dem Gesetzestext selbst, wohl aber aus den Gesetzesmaterialien zu der entsprechenden Voraussetzung bei der Einbürgerung erschließen: Schon § 85 des Ausländergesetzes (AuslG a. F.) i. d. F. des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618 <1620>), der die Anspruchseinbürgerung seinerzeit regelte, enthielt die Voraussetzung eines näher umschriebenen Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Er bestimmte zugleich, dass diese keine Anwendung findet, wenn ein minderjähriges Kind im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 85 Abs. 2 Satz 2 AuslG a. F.). In der Begründung des Gesetzentwurfs wurde hierzu ausgeführt, das Bekenntnis habe höchstpersönlichen Charakter und setze die entsprechende Verfahrensfähigkeit des Einbürgerungsbewerbers voraus (BT-Drs. 14/533 S. 18). Dass in einer solchen Frage der persönlichen Haltung und Einstellung eine von einem Vertreter abgegebene Erklärung nicht aussagekräftig wäre, leuchtet auch in der Sache ein.

30 c) Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Bekenntniserfordernis planwidrig zu weit gefasst ist. Dieser jedenfalls für das abgeleitete Aufenthaltsrecht minderjähriger Kinder nach § 104c Abs. 2 Satz 1 AufenthG zwingende Schluss erfasst auch die originäre Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG, weil sich eine "gespaltene Auslegung" nicht rechtfertigen lässt (siehe auch Röder, InfAuslR 2024, 18). Der Annahme einer Planwidrigkeit steht hier nicht durchgreifend entgegen, dass im Rahmen der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat auf die Problematik hingewiesen worden ist. So hat der Deutsche Anwaltverein angemerkt, das Bekenntnis könne nicht von Kindern gefordert werden, die den Sinn dieses Bekenntnisses nicht erfassten. Dem Gesetzestext in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sei deshalb der Zusatz beizufügen: "sofern er hierzu aufgrund seines Alters in der Lage ist" (Stellungnahme Nr. 35/2022, Juni 2022, S. 10). Auch der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), Jugendliche ohne Grenzen (JOG) und terre des hommes (tdh) haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts (undatiert, S. 4) empfohlen, allen Regelungen, die ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlangen, den Zusatz "dem Alter und Reifegrad angemessen"beizufügen. Je jünger die Kinder seien, umso schwerer werde es, ein ebensolches Bekenntnis sinnvollerweise zu erhalten (ähnlich auch terre des hommes, Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung vom 28. November 2022, BT-Ausschussdrucksache 20(4)143 C neu, S. 4).

31 Dass der Gesetzgeber diese Einwände nicht aufgegriffen hat, kann sinnvoll nur dahin gedeutet werden, dass eine individuelle Anknüpfung an den jeweiligen Reifegrad des Antragstellers gerade nicht gewünscht war. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber sich stattdessen auf die schon in den Anwendungshinweisen zu § 25b AufenthG deutlich werdende Einschätzung des im Gesetzgebungsverfahren federführenden Bundesministeriums des Innern und für Heimat verlassen hat, nach der das Ergebnis, dass Kinder unter 16 Jahren ein Bekenntnis nicht abgeben müssen, durch eine Anlehnung an die staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften in entsprechenden Anwendungshinweisen zu § 104c AufenthG erreicht werden kann (vgl. unten d) bb)). Damit wird aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass Verwaltungsvorschriften keine Rechtsqualität haben und es stattdessen einer gesetzlichen Ausnahmeregelung nach dem Muster des § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG bedurft hätte, um das Gewünschte rechtssicher zu erreichen.

32 d) Die planwidrig zu weit gefasste Norm ist im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihrem Zweck und dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden Anwendungsbereich zu beschränken.

33 Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu. Sie ist unter anderem dann gegeben, wenn die Beschränkung des Wortsinns einer gesetzlichen Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung einer teleologischen Reduktion vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt. Liegt eine solche Lücke vor, ist sie durch Hinzufügung einer dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden Einschränkung zu schließen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - BVerwGE 164, 179 Rn. 17 m. w. N. und vom 11. Dezember 2020 - 5 C 9.19 - BVerwGE 171, 49 Rn. 24 ff.).

34 aa) Von der Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion ist das angefochtene Urteil im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen. Die darin vorgenommene Art und Weise der teleologischen Reduktion in Anknüpfung an den erstrebten Anschlusstitel verletzt indes Bundesrecht. Aus dem Umstand, dass nur einer der beiden in Betracht kommenden Anschlusstitel - die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG - ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraussetzt, während für den anderen - die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG - das Fehlen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Ausländer sich nicht zu dieser bekennt, ausreicht, schließt das Berufungsgericht, bereits für das der Überbrückung dienende Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG sei ein positives Bekenntnis nur dann zu fordern, wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG angestrebt werde. Gehe es - wie hier - im Anschluss um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, so bedürfe es auch für die vorangehende Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG keines aktiven Bekenntnisses. Eine derart weitreichende teleologische Begrenzung würde eine relativ große Gruppe auch volljähriger Ausländer von der Bekenntnispflicht ausnehmen. Es fehlt an einem hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass dies die Absicht des Gesetzgebers gewesen ist. Der Wille, für die befristete Aufenthaltserlaubnis, die in einen eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive eröffnenden Aufenthalt überleiten soll, keine strengeren Voraussetzungen aufzustellen als für den Anschlusstitel, kann dem Gesetzgeber nicht ohne näheren Anhaltspunkt unterstellt werden. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, den privilegierten Zugang zur Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG über das Chancen-Aufenthaltsrecht punktuell an weiterreichende Anforderungen zu knüpfen als den Anschlusstitel (so auch Röder, in: BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand Januar 2025, § 104c AufenthG Rn. 56a; Wittmann, in: Berlit, GK-AufenthG, Stand März 2024, § 104c Rn. 150.4). Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass genau dies hier beabsichtigt war. Auf der anderen Seite würde die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene teleologische Reduktion nichts daran ändern, dass jüngere Kinder, bei denen feststeht, dass sie nach 18 Monaten die Voraussetzungen für eine Anschlussaufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG nicht erfüllen können, eine abgeleitete Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 2 AufenthG wegen des für sie weiterhin geltenden Bekenntniserfordernisses nicht erhalten könnten (anders, insoweit aber zweifelhaft OVG Greifswald, Urteil vom 6. Juni 2024 - 2 LB 729/21 OVG - juris Rn. 29 ff.).

35 bb) Das bei § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG festzustellende Regelungsdefizit ist vielmehr durch eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Satz 1 StAG zu schließen, um den Regelungsgehalt auf einen dem Regelungszweck und den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprechenden Anwendungsbereich zurückzuführen (ebenso OVG Greifswald, Urteil vom 6. Juni 2024 - 2 LB 729/21 OVG - juris Rn. 41 ff.; Röder, InfAuslR 2024, S. 18 f.). Antragsteller, die im Zeitpunkt der Entscheidung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind deshalb von der Abgabe eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung befreit.

36 Der Gesetzgeber hat das für eine Anspruchseinbürgerung bereits nach § 85 AuslG a. F. und aktuell in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG vorausgesetzte Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stets mit der - ausdrücklich geregelten - Einschränkung versehen, dass Personen, die nach der einschlägigen Vorschrift des Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht handlungsfähig sind, es nicht abzugeben brauchen (vgl. aktuell: § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG). Die Altersgrenze für die Handlungsfähigkeit war bis 31. Oktober 2015 in Anlehnung an die Handlungsfähigkeit nach dem Aufenthaltsgesetz auf 16 Jahre festgelegt. Auch seit der Heraufsetzung der für das Aufenthaltsrecht geltenden Grenze auf die Volljährigkeit in § 80 Abs. 1 AufenthG durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1802) ist sie für das Staatsangehörigkeitsrecht unverändert - nunmehr durch eine eigenständige Regelung - auf 16 Jahre bestimmt (aktuell in § 34 Satz 1 StAG).

37 In einem vergleichbaren Regelungszusammenhang wie im Einbürgerungsrecht steht die Voraussetzung eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Aufenthaltsgesetz, in das sie zunächst im Rahmen der Aufenthaltserlaubnis für nachhaltig integrierte Ausländer (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG) und später im Rahmen des Chancen-Aufenthaltsrechts (§ 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) Eingang gefunden hat. Wie oben ausgeführt, erfüllt das Bekenntniserfordernis in allen diesen Regelungen einen vergleichbaren Zweck. Die in der Entwurfsbegründung zu § 85 AuslG a. F. geäußerte Annahme des Gesetzgebers, wonach das Bekenntnis höchstpersönlichen Charakter hat und die entsprechende Verfahrensfähigkeit des Einbürgerungsbewerbers voraussetzt, ist auf die Bekenntniserfordernisse in § 25b und § 104c AufenthG zu übertragen. Wegen der vergleichbaren Interessenlage ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen von § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eine ebensolche Ausnahmevorschrift geschaffen hätte, wenn er das Regelungsdefizit erkannt hätte. In entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Satz 1 StAG müssen deshalb Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 oder 2 AufenthG begehren, ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht abgeben, wenn sie das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

38 Der entsprechenden Anwendung dieser - der Regelung über die staatsangehörigkeitsrechtliche Handlungsfähigkeit entnommenen - Altersbegrenzung im Rahmen von § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber das Alter, ab dem Verfahrenshandlungen wirksam vorgenommen werden können, im Aufenthalts- und Asylrecht mit Wirkung vom 1. November und 24. Oktober 2015 auf 18 Jahre angehoben hat (§ 80 Abs. 1 AufenthG n. F., BGBl. I S. 1802, § 12 AsylG n. F., BGBl. I S. 1722). Dadurch sollte auch für die ausländischen Minderjährigen, die bereits das 16. Lebensjahr vollendet haben, der Vorrang des Kinder- und Jugendhilferechts betont werden (vgl. BR-Drs. 349/15 S. 14 f.). Entscheidend im vorliegenden Zusammenhang ist indes nicht die Handlungs- oder Verfahrensfähigkeit im Allgemeinen, sondern lediglich ein spezieller Aspekt, nämlich die Fähigkeit zur Abgabe eines - von hinreichendem Verständnis getragenen - Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Von dieser Fähigkeit geht der Gesetzgeber im Staatsangehörigkeitsrecht seit dem Inkrafttreten von § 85 Abs. 1 AuslG a. F. und heute inhaltsgleich in § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Satz 1 StAG bei Jugendlichen ab dem Alter von 16 Jahren aus. Diese Altersgrenze ist damit auch bei dem vergleichbaren Bekenntnis zugrunde zu legen, das bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gefordert ist.

39 Hiervon gehen im Ergebnis auch die Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts (Stand April 2024, S. 5) aus.

40 Nach alledem musste die Klägerin ein aktives Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht abgeben, weil sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Davon unberührt bleibt, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG auch bei unter 16-Jährigen zu versagen ist, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt (ebenso OVG Greifswald, Urteil vom 6. Juni 2024 - 2 LB 729/21 OVG - juris Rn. 41, 43). Insoweit ist die in § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG ausdrücklich geregelte Voraussetzung entsprechend heranzuziehen, um der Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung in § 104c Abs. 1 und 2 AufenthG beigemessen hat, auch im Hinblick auf Jugendliche unter 16 Jahren Rechnung zu tragen. Derartige Anhaltspunkte sind hier indes nicht festgestellt.

41 5. Die gesetzlichen Anforderungen des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG an die strafrechtliche Unbescholtenheit sind erfüllt. Nach den tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, ist die Klägerin nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden.

42 6. Der Regelversagungsgrund des § 104c Abs. 1 Satz 2 AufenthG greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift soll die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 versagt werden, wenn der Ausländer wiederholt falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch seine Abschiebung verhindert. Dies erfordert ein aktives eigenverantwortliches Verhalten des Ausländers, das kausal für die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung ist. Täuschungsverhalten allein der Eltern wird den Kindern nicht zugerechnet (vgl. BT-Drs. 20/3717 S. 45; ebenso zu § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG bereits BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 C 17.12 - BVerwGE 146, 281 Rn. 16). Eigene Falschangaben oder Täuschungshandlungen der Klägerin liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

43 7. Die Klägerin erfüllt die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts besteht in ihrer Person kein Ausweisungsinteresse, und sie beeinträchtigt oder gefährdet auch nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts), Nr. 1a (Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit) und Nr. 4 (Erfüllung der Passpflicht), sowie die Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 AufenthG) brauchen nicht vorzuliegen, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG abweichend von ihnen erteilt werden soll.

44 8. Im Einklang mit Bundesrecht steht auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in der bis 26. Februar 2024 geltenden Fassung stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hier nicht entgegen. Zwar sind deren Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt (a). Das in § 104c Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen der Beklagten, hiervon abzuweichen, ist nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Annahme des Berufungsgerichts aber auf Null reduziert (b).

45 a) Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in der hier noch anzuwendenden, bis zum 26. Februar 2024 geltenden Fassung (vgl. § 104 Abs. 19 AufenthG) darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylG a. F. abgelehnt wurde, vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Diese Titelerteilungssperre ist im Fall der Klägerin grundsätzlich einschlägig, weil ihr Asylantrag zusammen mit den Asylanträgen ihrer Eltern mit Bescheid des Bundesamts vom 14. September 2009 nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG a. F. in der seinerzeit geltenden Fassung (Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit) als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Die Sperrwirkung entfällt nicht nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, wonach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet. Als bloße Soll-Vorschrift begründet § 104c Abs. 1 AufenthG keinen solchen Anspruch (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2020 - 1 C 12.19 - BVerwGE 168, 159 Rn. 52).

46 b) Nach § 104c Abs. 3 Satz 1 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis indes abweichend von § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erteilt werden. Damit wandelt sich der durch § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich eingeräumte Regelanspruch in einen Anspruch nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Wittmann, in: Berlit, GK-AufenthG, Stand März 2024, § 104c Rn. 229). Die Auffassung des Berufungsgerichts, das so eingeräumte Ermessen sei hier auf Null reduziert, steht mit revisiblem Recht im Einklang. Die Gründe für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet lagen ausschließlich im Verantwortungsbereich der Eltern, da die Klägerin bei der Asylantragstellung noch ein Kleinkind war. Zwar sind auch in einem derartigen Fall jedenfalls solche Verstöße gegen gesetzliche Mitwirkungspflichten, die der Betroffene selbst nach Eintritt der Volljährigkeit begangen hat, im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu gewichten und zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 C 17.12 - BVerwGE 146, 281 Rn. 17, 31). Hier war die Klägerin aber im maßgeblichen Zeitpunkt weiterhin minderjährig und damit aufenthaltsrechtlich nicht handlungsfähig (§ 80 Abs. 1 AufenthG). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vollständig die Integrationsanforderungen des § 25a AufenthG; ferner lagen keine atypischen, gegen die Erteilung sprechenden Umstände vor. Die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

47 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.