Verfahrensinformation
Auswertung mobiler Datenträger im Asylverfahren
Die Klägerin wendet sich nachträglich gegen die vollzogene Anordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), aufgrund derer ihr Mobiltelefon ausgelesen und die für die Feststellung von Identität und Staatsangehörigkeit erforderlichen Daten ausgewertet wurden.
Die Klägerin, ihren Angaben zufolge eine afghanische Staatsangehörige, reiste 2019 ins Bundesgebiet ein und beantragte Flüchtlingsschutz. Zum Identitätsnachweis legte sie eine Tazkira vor. Dabei handelt es sich um ein afghanisches Ausweisdokument ohne biometrische Merkmale. Einen gültigen Pass oder Passersatz legte sie nicht vor. Nach Belehrung über ihre Mitwirkungspflichten forderte das Bundesamt sie auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Dem kam die Klägerin nach. Nach Auslesung und Datenspeicherung erhielt sie das Mobiltelefon binnen Stundenfrist zurück.
Auf ihre Klage hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Anordnung des Bundesamtes, die Zugangsdaten der Klägerin für eine Auswertung des von ihr übergebenen Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig gewesen sei und weiter, dass das Bundesamt nicht berechtigt gewesen sei, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen und mittels Software auszuwerten, den aus der Auswertung generierten Ergebnisreport für das Asylverfahren freizugeben und der Entscheidung über ihren Asylantrag zugrunde zu legen.
Das Verwaltungsgericht hat die von der Beklagten erhobene Sprungrevision mit der Begründung zugelassen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung für die Frage, ob die Vorgehensweise des Bundesamtes, Datenträger Asylsuchender - zur Gewinnung von Hinweisen zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit - zum Zeitpunkt der Registrierung auszulesen, auf § 15a Abs. 1 AsylG gestützt werden könne.
Pressemitteilung Nr. 13/2023 vom 16.02.2023
Voraussetzungen der Auswertung digitaler Datenträger durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Asylverfahren
Die bei Fehlen von Pässen oder Passersatzpapieren regelmäßig erfolgende Auswertung digitaler Datenträger (u.a. Mobiltelefone) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) bei der Registrierung von Asylantragstellern ist ohne hinreichende Berücksichtigung sonstiger vorliegender Erkenntnisse und Dokumente nicht rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin, ihren Angaben zufolge eine afghanische Staatsangehörige, reiste 2019 ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen. Zum Identitätsnachweis reichte sie u.a. eine von afghanischen Behörden ausgestellte sogenannte Tazkira (Ausweisdokument ohne biometrische Daten) und eine Heiratsurkunde ein. Das Bundesamt forderte die Klägerin auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Dem kam die Klägerin nach. Nach kurzfristiger Auslesung und Datenspeicherung erhielt sie das Mobiltelefon zurück.
Auf ihre Klage hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Anordnung gegenüber der Klägerin, die Zugangsdaten für ihr Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig und das Bundesamt nicht berechtigt gewesen sei, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen, mittels Software auszuwerten, den aus der Auswertung generierten Ergebnisreport für das Asylverfahren freizugeben und der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde zu legen. Die sonst vorliegenden Erkenntnisse und Dokumente hätten gegenüber der Datenauswertung ein milderes Mittel zur Identitätsfeststellung dargestellt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt und die dagegen gerichtete Revision des Bundesamtes zurückgewiesen. Die Auswertung digitaler Datenträger zur Ermittlung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers ist erst zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Anordnung, nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann (§ 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG). Im Fall der Klägerin standen nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts mildere und damit vom Bundesamt vorrangig heranzuziehende Mittel - hier: Tazkira, Heiratsurkunde, Registerabgleiche und Nachfrage beim Sprachmittler zu sprachlichen Auffälligkeiten - zur Gewinnung weiterer Indizien zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit zur Verfügung. Damit erweist sich die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, ihre Zugangsdaten für die Auswertung ihres Mobiltelefons mitzuteilen, als unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig. Entsprechendes gilt für die Auswertung des Datenträgers.
BVerwG 1 C 19.21 - Urteil vom 16. Februar 2023
Vorinstanz:
VG Berlin, VG 9 K 135/20 A - Urteil vom 01. Juni 2021 -
Urteil vom 16.02.2023 -
BVerwG 1 C 19.21ECLI:DE:BVerwG:2023:160223U1C19.21.0
Voraussetzungen der Auswertung digitaler Datenträger im Asylverfahren
Leitsatz:
Der Begriff der Auswertung von Datenträgern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG umfasst sämtliche Maßnahmen der die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers bezweckenden Datenverarbeitung, die sich auf einen nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG vorgelegten, ausgehändigten oder überlassenen Datenträger bezieht. Dazu gehört auch das Auslesen eines Datenträgers.
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Rechtsquellen
AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6, § 15a Abs. 1, § 77 AufenthG § 48 Abs. 3a Satz 3, § 48a Abs. 1, Abs. 3 VwGO §§ 43, 44a, 58 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 4, § 134 Abs. 1, § 137 Abs. 2 GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1 RL 2013/32/EU Art. 31 Abs. 3 - 5, Art. 46 Abs. 4 -
Instanzenzug
VG Berlin - 01.06.2021 - AZ: 9 K 135/20 A
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 16.02.2023 - 1 C 19.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:160223U1C19.21.0]
Urteil
BVerwG 1 C 19.21
- VG Berlin - 01.06.2021 - AZ: 9 K 135/20 A
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger und Böhmann und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp und Fenzl
für Recht erkannt:
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die 19.. geborene Klägerin reiste zusammen mit ihrer 20.. geborenen Tochter am 6. Mai 20.. in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldete sich beim Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten als Asylsuchende. Sie gab an, afghanische Staatsangehörige zu sein, die 20.. aus Afghanistan ausgereist sei und sodann etwa zehn Jahre im Iran gelebt habe. Danach sei sie über die Türkei und Griechenland ins Bundesgebiet gelangt. Neben der auf den 6. September 20.. datierenden Tazkira, einem afghanischen Ausweisdokument ohne biometrische Daten, legte sie eine Heiratsurkunde vom 25. Juni 20.. sowie eine weitere Bescheinigung der afghanischen Botschaft in Athen vor, der zufolge auch ihre Tochter afghanische Staatsangehörige sei.
2 Am 15. Mai 2019 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nachfolgend Bundesamt, förmlich Asyl, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen. Das Bundesamt forderte sie dabei auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen oder ihr Mobiltelefon mit den Zugangsdaten zu öffnen. Dem kam die Klägerin nach. Das entsperrte Mobiltelefon wurde im Beisein der Klägerin an einen speziellen Rechner angeschlossen, der die Daten in einem Zeitraum von weniger als einer Stunde auslas, automatisiert zu einem Ergebnisreport verarbeitete und diesen in einem Datentresor speicherte. Der Ergebnisreport enthält Angaben darüber, in welche Länder die Klägerin am häufigsten telefonierte und Nachrichten versendete und aus welchen Ländern sie am häufigsten angerufen wurde und Nachrichten empfing, in welchen Sprachen kommuniziert wurde und in welchen Ländern sich die eingerichteten Kontakte befanden. Nach dem Auslesen der Daten erhielt die Klägerin ihr Mobiltelefon zurück.
3 Noch am selben Tag vermerkte das Bundesamt das Ergebnis der durchgeführten Registerabgleiche. Des Weiteren wurde die Klägerin zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates, zur Klärung der Zulässigkeit des Asylantrages und zum Reiseweg befragt. Der zugezogene Sprachmittler gab an, bei der Klägerin keine sprachlichen Auffälligkeiten wahrgenommen zu haben. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen wurden übersetzt.
4 Nachdem der für den Asylantrag der Klägerin und ihrer Tochter zuständige Sachbearbeiter des Bundesamts den Ergebnisreport angefordert hatte, gab ein Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt am 28. Mai 2019 den Ergebnisreport mit der Begründung frei, die Auswertung des Datenträgers sei erforderlich und verhältnismäßig. Er importierte den Ergebnisreport in die Asylakte.
5 Im Juni 2019 wurde die Klägerin zu den von ihr geltend gemachten Fluchtgründen angehört. Die von ihr eingereichten Dokumente wurden auf Echtheit und eventuelle Manipulationen untersucht. Mit Bescheid vom 1. August 2019 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Klägerin und ihrer Tochter ab.
6 Am 4. Mai 2020 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich zuletzt noch gegen die Anordnung des Bundesamtes, die Zugangsdaten ihres Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, sowie das Auslesen, Auswerten und Verwenden der auf diesem Telefon gespeicherten Daten wendet. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 1. Juni 2021 festgestellt, dass die Anordnung des Bundesamtes vom 15. Mai 2019, die Zugangsdaten der Klägerin für eine Auswertung des von ihr übergebenen Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig gewesen sei. Ferner sei das Bundesamt nicht berechtigt gewesen, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen und mittels einer Software auszuwerten, den aus der Auswertung ihres Mobiltelefons generierten Ergebnisreport zu speichern, den Ergebnisreport für das Asylverfahren der Klägerin freizugeben und der Entscheidung über ihren Asylantrag zugrunde zu legen.
7 Die Anordnung, die Zugangsdaten zur Verfügung zu stellen, finde in § 15a Abs. 1 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG keine Rechtsgrundlage. Sie sei hier zwar im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erforderlich gewesen, doch sei ihr Zweck, Hinweise und Erkenntnisse zur Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin zu erhalten, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung durch mildere Mittel zu erreichen gewesen. Entsprechendes gelte für die weiteren Maßnahmen der Beklagten, die mit § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht zu vereinbaren seien.
8 Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Beklagte geltend, die Klage sei unzulässig, aber auch unbegründet. Das Auslesen eines Mobiltelefons stelle noch keine Auswertung von Datenträgern im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG dar. Ein anderes Verständnis würde dazu führen, dass die gesetzgeberische Intention einer zügigen Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit der Asylsuchenden nicht erreicht werden könnte. Das Vorgehen der Beklagten entspreche auch im Übrigen den hierfür geltenden rechtlichen Anforderungen, namentlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
9 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
10 Die Vertreterin des Bundesinteresses unterstützt unter Verweis auf die Materialien zu § 15a AsylG die Auffassung der Beklagten.
II
11 Die nach § 134 Abs. 1 und § 49 Nr. 2 VwGO zulässige Sprungrevision ist nicht begründet. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die gegen die Klägerin ergangene Anordnung, die Zugangsdaten ihres Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig (1.) und das Bundesamt nicht berechtigt war, die weiteren Maßnahmen zur Auswertung des Datenträgers vorzunehmen (2.).
12 1.a) Soweit die Klage sich gegen die Anordnung richtet, die Zugangsdaten des Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, ist sie als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Die Anordnung hat sich jedenfalls mit der Rückgabe des Mobiltelefons an die Klägerin erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG).
13 § 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der Klage, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Prinzip der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebietet indessen eine einschränkende Auslegung der Vorschrift in den Fällen, in denen bei einer Abwägung zwischen dem von § 44a Satz 1 VwGO verfolgten Zweck der Gewährleistung eines effektiven Verwaltungsverfahrens und den Belangen des Betroffenen Letzteren eindeutig der Vorrang einzuräumen ist, insbesondere deshalb, weil die negativen Folgen für diesen besonders schwer wiegen. So können etwa Verfahrenshandlungen, die in materielle Rechtspositionen des Betroffenen eingreifen und dadurch eine selbstständige, im Verhältnis zur abschließenden Sachentscheidung andersartige Beschwer enthalten, selbstständig angefochten werden (BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 7 C 12.10 - Buchholz 406.391 § 4 KultgschG Nr. 1 Rn. 32). So liegt der Fall hier, da die angegriffene Anordnung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreift und damit eine andere Rechtsposition als die Sachentscheidung über ihren Asylantrag betrifft.
14 Damit muss nicht abschließend entschieden werden, ob die angegriffene Anordnung - wie das Verwaltungsgericht meint - dadurch im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO vollstreckt werden könnte, dass das Bundesamt auf der Grundlage des § 15a Abs. 1 Satz 2 AsylG i. V. m. § 48a Abs. 1 AufenthG ein Auskunftsverlangen an einen Telekommunikationsdienstleister richtet.
15 Der Klägerin steht das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der von ihr begehrten Feststellung zur Seite.
16 Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Rechtsschutzsuchenden zu verbessern (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 und vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 13 m. w. N.).
17 Bei Grundrechtseingriffen ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m. w. N).
18 Bei der angegriffenen Anordnung handelt es sich um einen derartigen Verwaltungsakt. Er erledigt sich typischerweise - und so auch hier - spätestens mit der Rückgabe des Mobiltelefons an den Antragsteller (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Hiergegen kann wirksamer Rechtsschutz in Form der Anfechtungsklage nicht erlangt werden.
19 Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch rechtzeitig erhoben worden. Ist die Widerspruchsfrist (§ 70 VwGO) oder die Klagefrist (§ 74 VwGO) bei Eintritt des erledigenden Ereignisses vor einer Klageerhebung - wie hier - noch nicht abgelaufen, der Verwaltungsakt also noch nicht bestandskräftig, so ist die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtete Klage weder an die Monatsfrist des § 74 VwGO noch (in analoger Anwendung) an die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gebunden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <207 f.>).
20 Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Klagerechts (vgl. zu deren Voraussetzungen BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 C 10.17 - BVerwGE 163, 36 Rn. 21) durch die Klägerin bestehen nicht.
21 Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU keine sechsmonatige Frist für die Erhebung der Klage. Dem steht bereits entgegen, dass die Vorschriften dieser Richtlinie keine unmittelbare Regelungswirkung zulasten der Klägerin entfalten (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Im Übrigen betrifft Art. 31 RL 2013/32/EU nicht das gerichtliche, sondern das behördliche Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz. Den Vorschriften über Rechtsbehelfe in Art. 46 ff. RL 2013/32/EU lässt sich kein Hinweis auf eine unionsrechtlich vorgegebene - lediglich - sechsmonatige Klagefrist entnehmen. Vielmehr bleibt es nach Art. 46 Abs. 4 RL 2013/32/EU den Mitgliedstaaten überlassen, angemessene Fristen und sonstige Vorschriften festzulegen, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wahrnehmen kann, wobei die Fristen die Wahrnehmung dieses Rechts weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren dürfen.
22 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit der Anordnung angenommen, weil die hierfür geltenden Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG nicht erfüllt waren.
23 Danach hat der Ausländer dem nach § 15a Abs. 2 AsylG zuständigen Bundesamt die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Aus dem klaren Wortlaut von § 48 Abs. 3a Satz 3 AsylG ergibt sich, dass der Ausländer nur dann zur Offenbarung der Zugangsdaten verpflichtet ist, wenn die damit bezweckte Auswertung von Datenträgern zulässig ist. Schon bei der darauf gerichteten Anordnung müssen daher die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Auswertung vorliegen.
24 aa) Die Auswertung von Datenträgern ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann.
25 Der Begriff der Auswertung von Datenträgern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG umfasst sämtliche Maßnahmen der die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers bezweckenden Datenverarbeitung, die sich auf einen nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG vorgelegten, ausgehändigten oder überlassenen Datenträger bezieht. Zur Auswertung gehören daher neben der Datenanalyse auch die vorangehenden Schritte der Datenverarbeitung wie das Auslesen des Datenträgers, die vorübergehende Speicherung der erlangten Daten sowie das automatisierte Generieren und die Speicherung des Ergebnisreports.
26 Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG, der die Auswertung nicht nur von Daten, sondern von Datenträgern und damit alle hierauf bezogenen Maßnahmen der Auswertung zum Gegenstand hat. Dies erfasst schon das Auslesen der auf dem Datenträger befindlichen Daten, welches seinerseits eine Form der Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) darstellt.
27 In systematischer Hinsicht folgt aus § 15a Abs. 1 Satz 2 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG, dass bereits zum Zeitpunkt der danach vorgesehenen Anordnung die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Datenauswertung vorliegen müssen. Eine Anordnung, die auf die Mitteilung der Zugangsdaten gerichtet ist, bezweckt indessen zunächst das mittels der Zugangsdaten ermöglichte Auslesen des Datenträgers, das Voraussetzung einer weiteren Verarbeitung der dadurch gewonnenen Daten ist. Das entspricht der Absicht des Gesetzgebers, mit § 48 Abs. 3a AufenthG eine Möglichkeit des Auslesens von Datenträgern eines Ausländers zu schaffen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 2, 23 f.). § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG, der im Asylverfahren die näheren Vorgaben für eine solche Anordnung regelt, bezieht sich daher auf sämtliche Maßnahmen der auf den Zweck des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG gerichteten Datenverarbeitung, die sich an die Offenbarung der Zugangsdaten anschließen, und nicht nur auf eine Analyse der durch das Auslesen erlangten Daten.
28 Die Entstehungsgeschichte des § 15a AsylG und seine sich daraus ergebende Zwecksetzung sprechen ebenfalls für dieses Verständnis. Mit der Vorschrift sollte eine Möglichkeit zum Auslesen mobiler Datenträger auf der Grundlage einer Einzelfallentscheidung des Bundesamts geschaffen werden; die beim Auslesen für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit relevanten Daten sind nach dem Willen des Gesetzgebers einzeln zu bewerten (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 2, 15). Die rechtlichen Maßstäbe für die erforderliche Einzelfallentscheidung ergeben sich aus der eigens als einschlägige Rechtsgrundlage zur Ergänzung von § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG geschaffenen Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 23). Sofern der Erlass einer Anordnung nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG in Betracht kommt, ist die Einzelfallentscheidung - wie sich bereits aus der dargestellten Gesetzessystematik ergibt - bei der Prüfung der Voraussetzungen der genannten Normen zu treffen.
29 bb) Das Verwaltungsgericht hat die danach maßgeblichen Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG revisionsrechtlich fehlerfrei angewandt.
30 Soweit § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG verlangt, dass die Auswertung des Datenträgers für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG erforderlich ist, hat das Verwaltungsgericht die zuletzt genannte Norm, nach der es für die Verpflichtung zur Aushändigung und Überlassung von Datenträgern ausreicht, dass der jeweilige Datenträger für die zu treffende Feststellung von Bedeutung sein kann, zutreffend interpretiert. Es ist davon ausgegangen, dass der Datenträger insoweit nicht schlechthin ungeeignet sein darf, und dies auf der Grundlage seiner den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen im Hinblick auf die Vielzahl relevanter Daten bejaht, die sich üblicherweise und auch im Falle der Klägerin auf einem Mobiltelefon befinden.
31 Da die Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der Anordnung der Mitteilung der Zugangsdaten zudem (weiterhin) nicht durch einen gültigen Pass oder Passersatz geklärt waren, war die Datenträgerauswertung im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG erforderlich.
32 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG setzt die Zulässigkeit der Auswertung außerdem voraus, dass der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Mittel dann milder als die Datenauswertung ist, wenn es zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit gleich geeignet ist, aber eine geringere Eingriffsintensität hinsichtlich der betroffenen Grundrechte aufweist. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass dem Bundesamt zum maßgeblichen Zeitpunkt mit der Tazkira, der Heiratsurkunde und der Bescheinigung der afghanischen Botschaft drei von der Klägerin selbst vorgelegte Unterlagen zur Verfügung standen. Ferner seien Registerabgleiche durchgeführt worden; zudem sei eine Nachfrage beim Sprachmittler nach Auffälligkeiten in Betracht gekommen. Hieraus hat das Verwaltungsgericht den Schluss gezogen, dass das Bundesamt zum Zeitpunkt der angegriffenen Anordnung über mehrere Mittel verfügte, die weniger stark in die Grundrechtspositionen der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriffen als die Datenauswertung und deren vorrangige Würdigung unterblieben ist. Diese entscheidungstragende Erwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die vorgelegten Unterlagen von der Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ohne eine darauf bezogene Anordnung herausgegeben wurden.
33 2. Unbegründet ist die Revision auch, soweit sie sich gegen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom Bundesamt getroffenen Maßnahmen der Datenauswertung wendet.
34 a) Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und im Übrigen zulässig ist. Dem steht auch insoweit § 44a Satz 1 VwGO nicht entgegen (vgl. hierzu bereits oben Rn. 13 f.).
35 b) Im Einklang mit Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass das Bundesamt nicht berechtigt war, die Daten aus dem Mobiltelefon der Klägerin auszulesen und mittels einer Software auszuwerten, den hieraus generierten Ergebnisreport zu speichern sowie ihn für das Asylverfahren der Klägerin freizugeben und der Entscheidung über ihren Asylantrag zugrunde zu legen.
36 Die genannten Maßnahmen könnten eine Rechtsgrundlage allein in § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG finden, der - wie bereits dargelegt - die Voraussetzungen der auf die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG gerichteten Maßnahmen der Auswertung von Datenträgern regelt.
37 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist die Datenauswertung indessen nur zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme - die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers - nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass die vom Bundesamt bei der Auswertung des Mobiltelefons gewonnenen Erkenntnisse im weiteren Verfahren - soweit ersichtlich - nicht zur Klärung etwaiger Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin herangezogen wurden.
38 Diese Voraussetzung lag hier im Zeitpunkt der am 15. Mai 2019 durchgeführten Maßnahmen (Auslesen des Mobiltelefons und softwaregestütztes Generieren eines Ergebnisreports) nicht vor, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen, den Registerabgleichen und der Möglichkeit der Befragung des Sprachmittlers mildere Mittel als die Datenauswertung zur Verfügung standen. Die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen erstreckt sich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - auch auf die spätere Entscheidung, den gespeicherten Ergebnisreport für das Asylverfahren der Klägerin freizugeben und dem Entscheider damit zu gestatten, ihn bei der Entscheidung zu verwerten.
39 3. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung nach § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.