Verfahrensinformation
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Studierender, der bereits das Rentenalter erreicht hat, noch einen Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) hat. Der im Jahr 1950 geborene Kläger erwarb zunächst den Hauptschulabschluss, machte anschließend eine Lehre und war danach - teilweise auch als Selbständiger - in verschiedenen Berufen tätig. Im Verlauf seines beruflichen Lebens absolvierte er mehrere Weiterbildungen und Umschulungen; außerdem erwarb er Ende 2014 an einer Abendschule das Abitur. Seit Anfang 2016 bezieht er eine Altersrente. Zum Wintersemester 2015/2016 nahm der Kläger an der Universität Hamburg ein Hochschulstudium auf und stellte hierfür einen Antrag auf Ausbildungsförderung. Diesen lehnte das Förderungsamt mit der Begründung ab, dass eine Ausbildung nicht mehr förderungsfähig sei, wenn sie der Betreffende in einem Alter beginne, welches eine Erwerbstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung praktisch ausschließe.
Gegen den Ablehnungsbescheid erhob der Kläger Klage, die das Verwaltungsgericht abwies. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb vor dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Zwar gelte die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG (hier 30 Jahre) nicht, weil der Kläger die Zugangsvoraussetzung für die zu fördernde Ausbildung an einem Abendgymnasium erworben und das Studium unverzüglich danach aufgenommen habe (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a, § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG). Da das Bundesausbildungsförderungsgesetz aber eine jugendpolitische Zielsetzung habe, liege eine förderungsfähige Ausbildung i.S.v. § 7 Abs. 1 BAföG dann nicht vor, wenn diese erst in einem so hohen Alter aufgenommen werde, dass der Auszubildende sich bei ihrem Abschluss bereits im Rentenalter befinden werde. Der Kläger habe sein Studium, für welches eine Regelstudienzeit von acht Semestern gelte, im Alter von 65 Jahren aufgenommen, so dass dessen Abschluss erst im Alter von 69 Jahren zu erwarten sei. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision.
Pressemitteilung Nr. 79/2021 vom 10.12.2021
Keine Ausbildungsförderung für ein Studium, das erst nach Erreichen des Rentenalters beendet sein wird
Studierenden, die eine Hochschulzugangsberechtigung auf dem Zweiten Bildungsweg erworben haben, steht nur dann ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu, wenn die von ihnen angestrebte Ausbildung planmäßig vor Erreichen des Regelrentenalters abgeschlossen sein wird. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der im Jahr 1950 geborene Kläger erwarb zunächst den Hauptschulabschluss und war anschließend nach einer Lehre in verschiedenen Berufen tätig. Ende 2014 legte er an einer Abendschule das Abitur ab. Seit Anfang 2016 bezieht er eine Altersrente und ergänzende Sozialleistungen der Grundsicherung. Zum Wintersemester 2015/2016 nahm der Kläger an der Universität Hamburg ein Bachelorstudium auf und stellte für dessen erste beiden Semester einen Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung, den der Beklagte ablehnte. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers, mit der er sein Förderungsbegehren weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Der Kläger überschritt bei Beginn des Studiums die für eine Förderung gesetzlich festgesetzte Altersgrenze. Das Ausbildungsförderungsrecht knüpft die Gewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich daran, dass der Auszubildende nicht älter als 30 Jahre bzw. - für Masterstudiengänge - als 35 Jahre alt ist (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Diese Altersgrenze und die mit ihr verbundene Typisierung hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1980 unter anderem mit der Erwägung als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, der Gesetzgeber dürfe davon ausgehen, dass bei einer Ausbildung, die erst nach dem 35. Lebensjahr begonnen wird, das Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von Bildungsreserven im Hinblick auf die zu erwartende, nur noch relativ kurze Berufsdauer gering ist.
Zwar sieht das Gesetz eine Ausnahme von dieser Altersbegrenzung vor, wenn - wie im Fall des Klägers - die Zugangsberechtigung für die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg erworben und diese anschließend unverzüglich aufgenommen worden ist (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 BAföG). Dies bedeutet aber nicht, dass Ausbildungsförderung für ein Studium auch dann noch gewährt werden soll, wenn der Auszubildende bei planmäßigem Abschluss der Ausbildung bereits das Rentenalter erreicht hat. Eine Regelung, dass Ausbildungsförderung völlig altersunabhängig zu gewähren ist, trifft das Gesetz nicht. Vielmehr ist der vorgenannten Bestimmung unter Auswertung der Gesetzessystematik sowie des Zwecks des Gesetzes und dessen Entstehungsgeschichte der Inhalt zu entnehmen, dass Ausbildungsförderung dann nicht mehr zu gewähren ist, wenn eine Ausbildung aus Altersgründen typischerweise eine ihr entsprechende Erwerbstätigkeit nicht mehr erwarten lässt. Für diese Prognose ist nach der Wertung des Gesetzes die rentenrechtliche Regelaltersgrenze maßgeblich, die für den weit überwiegenden Teil der Erwerbsbevölkerung Geltung beansprucht und nach deren Überschreiten jedenfalls eine Berufstätigkeit in einem neu erlernten Beruf regelhaft nicht mehr aufgenommen wird. Dieser Inhalt des Gesetzes ist mit dem grundrechtlichen Anspruch eines bedürftigen Auszubildenden auf Teilhabe an der staatlichen Ausbildungsförderung (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) vereinbar. Ihm steht auch nicht das unionsrechtliche Verbot einer Altersdiskriminierung entgegen.
BVerwG 5 C 8.20 - Urteil vom 10. Dezember 2021
Vorinstanzen:
OVG Hamburg, OVG 4 Bf 173/16 - Urteil vom 23. Juni 2020 -
VG Hamburg, VG 2 K 874/16 - Urteil vom 17. August 2016 -
Urteil vom 10.12.2021 -
BVerwG 5 C 8.20ECLI:DE:BVerwG:2021:101221U5C8.20.0
Ausbildungsförderung bei Überschreiten des Rentenalters
Leitsatz:
Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG greift dann nicht ein, wenn der Auszubildende bei einem planmäßigen Abschluss der Ausbildung, für die er Ausbildungsförderung beansprucht, bereits das Rentenalter erreicht haben wird.
-
Rechtsquellen
BAföG § 7 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB I § 2 Abs. 2, §§ 31, 37 Satz 2, § 68 Nr. 1 SGB XII § 22 Abs. 1 Satz 1 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG Art. 3 Abs. 3 GRC Art. 21, Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VwGO § 144 Abs. 4 -
Instanzenzug
VG Hamburg - 17.08.2016 - AZ: VG 2 K 874/16
OVG Hamburg - 23.06.2020 - AZ: OVG 4 Bf 173/16
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 10.12.2021 - 5 C 8.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:101221U5C8.20.0]
Urteil
BVerwG 5 C 8.20
- VG Hamburg - 17.08.2016 - AZ: VG 2 K 874/16
- OVG Hamburg - 23.06.2020 - AZ: OVG 4 Bf 173/16
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
für Recht erkannt:
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausbildungsförderung für ein Studium an der Schwelle zum Rentenalter.
2 Der am 13. September 1950 geborene Kläger erwarb im Jahr 1964 den Hauptschulabschluss. Anschließend absolvierte er eine dreijährige Lehre als Kellner. Bis September 1993 war er teils als Selbstständiger, teils im Angestelltenverhältnis auf verschiedenen Gebieten beruflich tätig. Zwischenzeitlich besuchte er auch eine Hotelfachschule. Von April 1996 bis August 1998 durchlief er eine Umschulung zum Steuerfachangestellten. Er war danach von Mai 1999 bis Mai 2000 als kaufmännischer Mitarbeiter tätig und anschließend arbeitssuchend, wobei er verschiedene Weiterbildungen absolvierte. Von August bis November 2009 war er als Angestellter im Vertrieb tätig. Danach war er erneut bis zum Eintritt in das Rentenalter arbeitssuchend. Seit Februar 2016 bezieht der Kläger eine Altersrente sowie ergänzend Leistungen der Grundsicherung.
3 In den Jahren 2005 bis 2006, 2008, 2011 bis 2012 sowie schließlich vom 1. Februar 2012 bis zum 19. Dezember 2014 besuchte der Kläger Staatliche Abendschulen in Hamburg; an einer von ihnen erwarb er im Dezember 2014 die Allgemeine Hochschulreife.
4 Zum Wintersemester 2015/2016 nahm der Kläger ein Studium des Fachs "Afrikanische Sprachen und Kulturen - sprachenintensiviert" (Abschluss: Bachelor of Arts) auf und stellte bei dem Beklagten hierfür einen Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezogen auf den Bewilligungszeitraum Oktober 2015 bis September 2016. Er war zum Zeitpunkt der Antragstellung 65 Jahre alt.
5 Der Beklagte lehnte den Förderantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die von dem Kläger aufgenommene Ausbildung sei dem Grunde nach nicht förderungsfähig, weil er keine berufsbildende Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG durchlaufe. Bei einem Abschluss werde er die gesetzliche Rentenaltersgrenze bereits überschritten haben. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
6 Der Kläger hat gegen die Ablehnung des Förderantrags Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Die Gewährung von Ausbildungsförderung scheitere an einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG, weil der Kläger sein Studium erst so spät aufgenommen habe, dass nach dessen Abschluss keine nennenswerte Berufstätigkeit mehr möglich sei.
7 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar spreche § 10 Abs. 3 BAföG seinem Wortlaut nach nicht gegen einen Förderungsanspruch des Klägers, weil die dort geregelte Altersgrenze nicht gelte, wenn die Zugangsvoraussetzung für die zu fördernde Ausbildung im Zweiten Bildungsweg erworben worden sei. Diese Ausbildung habe der Kläger auch unverzüglich nach dem Erwerb der Zugangsvoraussetzung aufgenommen, weil das von ihm gewählte Studium an der Universität Hamburg immer nur zum Wintersemester angeboten werde. Allerdings handele es sich angesichts des Alters des Klägers von 65 Jahren bei Beginn des Studiums nicht um eine förderungsfähige Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG. Eine solche liege dann nicht vor, wenn diese erst in einem so hohen Alter aufgenommen werde, dass der Auszubildende sich bei ihrem Abschluss bereits im Rentenalter befinden werde. Das Arbeitsleben ende typischerweise mit dem Eintritt in den Ruhestand, also regelmäßig - und für viele Berufe zwingend - mit dem Erreichen der in § 35 Satz 2 und § 235 SGB VI bestimmten Regelaltersgrenze. Demzufolge könne von einer nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähigen berufsbildenden Ausbildung dann nicht mehr die Rede sein, wenn von vornherein feststehe, dass der Auszubildende nicht mehr am "Arbeitsleben" in diesem typisierenden Sinne teilnehmen werde, weil er nämlich die Ausbildung erst nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen haben werde. Ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG liege hierin nicht, weil diese nach ihrem Art. 3 Abs. 3 auf Leistungen staatlicher Systeme keine Anwendung finde. Der Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots sei nicht eröffnet, weil der Sachverhalt nicht von der Richtlinie 2000/78/EG erfasst werde. Einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 BAföG bedürfe es nicht.
8 Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt eine Verletzung von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BAföG, § 2 Abs. 2 SGB I, ferner des sich aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden Anspruchs auf ein System der individuellen Ausbildungsförderung zur Sicherung der Teilhabe am staatlichen Ausbildungsangebot sowie des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und schließlich des Verbots der Altersdiskriminierung als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG. Aus systematischen Gründen seien im Rahmen des Tatbestandsmerkmals "berufsbildende Ausbildung" im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG allein Art und Inhalt der Ausbildung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BAföG) zu prüfen, da altersbezogene Beschränkungen der Förderungsmöglichkeiten speziell in § 10 BAföG geregelt seien. Soweit das Verwaltungsgericht meine, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bewusst den seltenen Fall eines Auszubildenden im Rentenalter gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG in den Genuss von Ausbildungsförderung kommen lassen wollte, könne dem nicht gefolgt werden. Dieser habe es gerade nicht für erforderlich gehalten, für die Ausnahmeregelungen zusätzlich eine Altersobergrenze einzuführen, die im Übrigen allein wegen des Vorbehalts des Gesetzes (§§ 31, 40 Abs. 1 SGB I) nötig sei, um die erforderliche Klarheit zu schaffen. Maßgeblich könne in diesem Zusammenhang auch nicht der angeblich allgemeine "jugendpolitische" Zweck der Ausbildungsförderung sein, sondern die bewusste Privilegierung des Zweiten Bildungswegs in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG. Gegen eine teleologische Reduktion zu Lasten des Auszubildenden spreche außerdem sowohl § 2 Abs. 2 SGB I, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs sicherzustellen sei, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht würden, als auch das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Eine zusätzliche Altersgrenze auch für Fälle, in denen die Ausnahmevoraussetzungen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG erfüllt seien, sei mit dem Grundsatz, dass allen dazu Befähigten ein Studium ermöglicht werden müsse, nicht vereinbar. Weiter verstoße die angefochtene Entscheidung gegen Unionsrecht und Art. 3 Abs. 1 GG. Da die Ausbildungsförderung erforderlich sei, um das Studium finanzieren zu können, sei der Zugang zur Berufsausbildung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG betroffen. Die Auffassung, diese sei für die Frage, ob für eine Ausbildung Sozialleistungen zu gewähren seien, nicht anwendbar, übersehe, dass es nicht um die Frage gehe, ob für eine Ausbildung Sozialleistungen zu gewähren seien, sondern darum, ob eine Altersdiskriminierung zulässig sei, wenn der Staat Ausbildungsförderungsleistungen vorsehe. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie ändere nichts daran, dass das Verbot der Altersdiskriminierung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei.
9 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
10 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten.
II
11 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung nicht zusteht. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 4 VwGO).
12 Grundlage der rechtlichen Beurteilung des hier im Streit stehenden Förderanspruchs für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 ist das Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475).
13 Zwischen den Beteiligten steht mit Blick auf die Voraussetzungen, die dem Grunde nach an das Entstehen des Förderanspruchs geknüpft sind, zu Recht nicht im Streit, dass es sich bei dem von dem Kläger seinerzeit betriebenen Studium an der Universität Hamburg um eine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG abstrakt förderfähige Ausbildung an einer inländischen Hochschule handelt, die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG) gerichtet ist, und dass der Kläger grundsätzlich die persönlichen Fördervoraussetzungen der §§ 8 ff. BAföG erfüllt. Ebenfalls unstreitig ist, dass der Anspruch auf eine Erstausbildung nach § 7 BAföG nicht im Lichte der Ausbildungsbiographie des Klägers als verbraucht anzusehen ist.
14 Die allein streitige Frage, ob dem Alter des Klägers beim voraussichtlichen Ende des Studiums eine den Förderanspruch hindernde rechtliche Bedeutung zukommt, ist im Ergebnis zu bejahen. Zwar kann eine nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähige berufsbildende Ausbildung auch dann vorliegen, wenn der Auszubildende bei deren Abschluss das Renteneintrittsalter erreicht haben wird (1.). Die beanspruchte Förderung ist aber zu versagen, weil der Kläger aus dem vorgenannten Grund die persönlichen Fördervoraussetzungen des § 10 Abs. 3 BAföG nicht erfüllt (2.).
15 1. Nach § 7 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung (auch) für zumindest drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 BAföG bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, längstens bis zum Erwerb eines Hochschulabschlusses oder eines damit gleichgestellten Abschlusses. Die unter Bezugnahme auf eine obergerichtliche Entscheidung (OVG Weimar, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 3 EO 862/00 [ECLI:DE:OVGTH:2001:0130.3EO862.00.0A] - ThürVBl. 2002, 10 <12>) vertretene Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Studium, das erst nach Eintritt in das Rentenalter abgeschlossen ist, keine förderfähige berufsbildende Ausbildung im Sinne dieser Vorschrift darstellt, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
16 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass sich der Begriff der berufsbildenden Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG allein auf die gesetzlichen Merkmale bezieht, die eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung abstrakt aufweisen muss; insbesondere sind für den Begriff "berufsbildende Ausbildung" die personenbezogenen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht von Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:280515U5C4.14.0] - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 9). Dies gilt in gleicher Weise für das personenbezogene Merkmal des Alters.
17 Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG mit dem dort hergestellten systematischen Zusammenhang des Begriffs "berufsbildende Ausbildung" zu den §§ 2 und 3 BAföG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 11). Dies wird in systematischer Hinsicht insbesondere dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber das hier in Rede stehende personenbezogene Merkmal, nämlich das Alter des Auszubildenden, als Zugangsvoraussetzung zur Förderung ausdrücklich und umfassend in einer eigenen Vorschrift (§ 10 BAföG) geregelt hat, die sich sogar in einem gesonderten entsprechenden Abschnitt (Abschnitt II. Persönliche Voraussetzungen) befindet (§§ 8 ff. BAföG).
18 Dies schließt es zwar nicht aus, dass personenbezogene Anforderungen (wie § 2 Abs. 1a BAföG zeigt) ausnahmsweise auch außerhalb dieses Abschnitts geregelt sein können. Für die Annahme einer solchen systematischen Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 1 BAföG bedürfte es jedoch klarer Hinweise, die sich hinsichtlich der im Streit stehenden Altersregelung weder im Wortlaut der Norm finden noch durch deren Zwecksetzung zwingend nahegelegt werden. Vielmehr lässt sich auch aus Sinn und Zweck des § 7 BAföG nicht ableiten, dass diese Vorschrift eine persönliche Förderungsvoraussetzung in Gestalt einer Altersgrenze enthält. Zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung, dass jeder Auszubildende eine Ausbildung im Sinne des Gesetzes durchführen kann, erweist es sich als notwendig, aber auch ausreichend, dass die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG auf den Mindestumfang von drei Schul- oder Studienjahren anzurechnenden, in der Vergangenheit durchgeführten berufsbildenden Ausbildungen die abstrakten Voraussetzungen erfüllen, die an eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung zu stellen sind (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 16). Insofern zielt die Vorschrift darauf, den Anspruch auf Ausbildungsförderung grundsätzlich auf eine (förderfähige) Erstausbildung einzugrenzen; es geht dem Gesetzgeber insoweit um eine quantitative Begrenzung des Fördergegenstands (vgl. Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 1 und 7). Für eine dementsprechende Einordnung als Erstausbildung (oder ggf. auch als ausnahmsweise förderfähige weitere oder andere Ausbildung) kommt es aber grundsätzlich nicht auf persönliche Merkmale des jeweiligen Auszubildenden an. Sie folgt vielmehr in erster Linie den qualitativen Eigenschaften der (angestrebten bzw. einer früheren) Ausbildung, die sich aus dieser selbst ergeben, und ist jedenfalls nicht vom Alter desjenigen abhängig, der sie betreiben will. Soweit ausnahmsweise auch persönliche Umstände die Förderfähigkeit einer anderen Ausbildung über die Erstausbildung hinaus begründen, ist dies ausdrücklich geregelt (§ 7 Abs. 3 BAföG); die dort aufgeführten Umstände berühren im Übrigen die gesetzlichen Voraussetzungen der Förderfähigkeit einer Erstausbildung, um die es hier geht, gerade nicht.
19 2. Der geltend gemachte Förderanspruch ist aber zu versagen, weil der Kläger die persönlichen Fördervoraussetzungen des § 10 Abs. 3 BAföG nicht erfüllt. Denn die Vorschrift schließt eine Förderung aus, wenn ein Auszubildender - wie der Kläger - bei einem planmäßigen Abschluss der Ausbildung, für die er Ausbildungsförderung beansprucht, bereits das Rentenalter erreicht haben wird. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung der Norm (a). Dieses Auslegungsergebnis ist entgegen der Ansicht des Klägers auch mit höher- bzw. vorrangigem Recht vereinbar (b). Auf dieser Grundlage erweist sich das vom Oberverwaltungsgericht gefundene Ergebnis als richtig (c).
20 a) Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr, bei Studiengängen nach § 7 Abs. 1a BAföG das 35. Lebensjahr vollendet hat. Maßgeblich ist hier die Altersgrenze von 30 Lebensjahren, da der Kläger ein Studium in einem Bachelorstudiengang und damit keinen Studiengang nach § 7 Abs. 1a BAföG betrieben hat. Diese Altersgrenze hat er überschritten.
21 Zwar kommt die in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG bezeichnete Altersgrenze dann nicht zur Anwendung, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzung für die angestrebte Ausbildung (hier das Hochschulstudium) u.a. an einem Abendgymnasium erworben hat (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG) und die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen aufnimmt (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) sind diese Voraussetzungen erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) streitig ist. Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG greift aber dann nicht ein, wenn der Auszubildende bei einem planmäßigen Abschluss der Ausbildung, für die er Ausbildungsförderung beansprucht, bereits das Rentenalter erreicht haben wird, weil dann keine "zu fördernde Ausbildung" im Sinne dieser Vorschrift mehr vorliegt. Dies ergibt die Auslegung der Norm insbesondere unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik sowie des Zwecks des Gesetzes und seiner Entstehungsgeschichte.
22 aa) Der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG steht dem nicht entgegen. Er enthält zwar keine ausdrückliche altersmäßige Beschränkung der Anwendungsausnahme im Sinne einer (Höchst-)Altersgrenze für die Förderung eines Studiums nach dem Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung im Zweiten Bildungsweg. Das angeordnete Nichtgelten der in Satz 1 der Vorschrift normierten Altersgrenze von 30 oder 35 Jahren schließt es jedoch nicht aus, der Vorschrift eine weitere Altersbegrenzung zu entnehmen. Weil diese Begrenzung innerhalb des möglichen Wortsinns der Gesetzesbestimmung liegt, besteht entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für eine richterliche Rechtsfortbildung in Form der teleologischen Reduktion (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2014 - 5 C 27.13 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 26 Rn. 21 m.w.N.) keine Veranlassung, obgleich das Vorliegen ihrer Voraussetzungen angesichts der im vorliegenden Kontext zu berücksichtigenden nachfolgend dargestellten Zwecksetzung der Vorschrift ebenfalls zu bejahen sein dürfte. Der oben genannte Satz, dass § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG eine (weitere) Höchstaltersgrenze für die Förderfähigkeit einer Ausbildung enthält, ergibt sich bereits als Ergebnis einer an normative Aussagen rückgebundenen und unter Würdigung der Gesetzessystematik und insbesondere der Zwecksetzung der Vorschrift vorgenommenen Auslegung.
23 (1) Das genannte Auslegungsergebnis des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG setzt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht in unzulässiger Weise über den Wortlaut des Gesetzes hinweg; eine Sperrwirkung für die weitere Auslegung besteht nicht. Der Normtext des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG besagt nicht, dass in dem von ihm geregelten Fall eine weitere Altersgrenze nicht bestünde; vielmehr lässt er offen, ob eine weitere Interpretation der Vorschrift zur Annahme einer Altersgrenze jenseits von 30 oder 35 Jahren führen kann.
24 Normativer Anknüpfungspunkt hierfür ist der in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG enthaltene Begriff der "zu fördernden Ausbildung". Entsprechende Ansatzpunkte im Normtext für eine derartige Auslegung lassen sich im Übrigen auch anderen Tatbeständen des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG entnehmen. Seiner möglichen Wortbedeutung nach kann mit dem Begriff der "zu fördernden Ausbildung" nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG nicht nur in einem deskriptiven Sinne die Ausbildung gemeint sein, deren Förderung Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs ist. Er kann auch als "förderungsfähige Ausbildung" verstanden werden und ist damit offen für eine Deutung als Anknüpfungspunkt weiterer inhaltlicher Anforderungen, die an eine solche Ausbildung zu stellen sind. Dass in diesen Anforderungen ihrem näheren Gehalt nach eine weitere Altersgrenze gründet, ergibt sich aus der Systematik, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
25 (2) In systematischer Hinsicht schließt § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG als (Gegen-)Ausnahme an die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG an. Die im Jahr 1979 vorgenommene und auch heute noch geltende grundsätzliche Absenkung der Altersgrenze für die Ausbildungsförderung von 35 auf 30 Jahre beruhte auf der Erwägung des Gesetzgebers, die "jugendpolitische Zielsetzung" des Gesetzes stärker betonen zu wollen (vgl. BT-Drs. 8/2868 S. 26). Sie nimmt damit Bezug auf die allgemein auf eine Förderung junger Menschen gerichtete Zwecksetzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, die wesentlich in dem Interesse der Allgemeinheit an einem qualifizierten Arbeitskräftenachwuchs begründet ist (vgl. BT-Drs. 6/1975 S. 19), und an der der Gesetzgeber trotz anderslautender Vorschläge bis in die jüngste Vergangenheit auch unter Verweis auf die Beibehaltung der Altersgrenze festgehalten hat (vgl. BT-Drs. 19/8749 S. 58). Hieran anknüpfend liegt der Sinn der allgemeinen Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG darin, einem geringeren Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von Bildungsreserven Rechnung zu tragen, wenn die zu erwartende Berufsdauer nach einem Abschluss der Ausbildung nur noch relativ kurz und der Einzelne vor Erreichen der Grenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG im Allgemeinen in der Lage ist, eine förderfähige Ausbildung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 - FamRZ 1981, 404). Sie ist Ausdruck der Absicht des Gesetzgebers, in erster Linie die Ausbildung junger Menschen zu fördern (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1980 - 5 C 29.79 - juris Rn. 41; ebenso Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 10 Rn. 5; Roggentin, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand März 2011, § 10 Rn. 6).
26 Die Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ist wiederum darin begründet, im Sinne einer Härteklausel etwaige Benachteiligungen der Absolventen des Zweiten Bildungswegs auszugleichen, die aus der Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze auf 30 Jahre resultieren. Diesen sollen auch nach Überschreiten dieser Altersgrenze die gleichen beruflichen Qualifikationschancen eingeräumt sein wie sie den übrigen Auszubildenden im Allgemeinen schon in jüngeren Lebensjahren zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1991 - 5 C 40.88 - Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 19 S. 18). Der damit verbundene Nachteilsausgleich nimmt zwar eine weitgehende Einschränkung der Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit in Kauf, weil mit ihm nicht die Erwartung verbunden ist, der Auszubildende werde auch noch eine angemessen lange Zeit berufstätig sein können (vgl. zu § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 bzw. 4 BAföG: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - BVerwGE 71, 268 <278 f.> und Beschluss vom 6. November 1991 - 5 B 121.91 - Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 18 S. 13). Allerdings wollte der Gesetzgeber mit dem Absehen von der Einhaltung der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht zugleich die Förderung einer berufsqualifizierenden Ausbildung um ihrer selbst willen zulassen, indem er sie auch hinsichtlich des Lebensalters vollständig von ihrem leitenden Zweck entkoppelt, im Interesse der Allgemeinheit die Hebung von Reserven für einen qualifizierten Arbeitskräftenachwuchs zu ermöglichen oder auch zum wirtschaftlichen Aufstieg des Einzelnen beizutragen (vgl. zu Letzterem: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - BVerwGE 71, 268 <279>). Andernfalls würde § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Nachteilsausgleichsfunktion gänzlich verlieren und zu einem von den Fördervoraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG völlig losgelösten Privilegierungstatbestand werden. Eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers ist auszuschließen. Die Vorschrift bezweckt daher nicht die Förderung einer Ausbildung über ein Lebensalter hinaus, in dem ein Gebrauchmachen von den durch sie erworbenen beruflichen Qualifikationen nicht mehr zu erwarten ist, weil sie nicht mehr in eine Berufsausübung münden.
27 (3) Eine Absicht oder Vorstellung des Gesetzgebers, die Privilegierung der Absolventen des Zweiten Bildungswegs durch § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG so weit auszudehnen, dass nach dieser Vorschrift überhaupt keine Altersgrenze für eine Ausbildungsförderung mehr zur Anwendung kommen soll, lässt sich auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht entnehmen. Zwar mag die in der Begründung des Regierungsentwurfs verwendete Formulierung, die Fördermöglichkeiten sollten "unabhängig von einer Altersgrenze" bzw. "unabhängig vom Alter des Auszubildenden" gewährt werden (BT-Drs. 8/2868 S. 26 f.), vordergründig in eine solche Richtung weisen. Damit wird jedoch, wie auch die Ausführungen zur Nichtanwendung der Altersgrenze wegen der Art der Ausbildung oder der Lage des Einzelfalls zeigen (BT-Drs. 8/2868 S. 27), konkret die Dispensierung von der Altersgrenze von 30 Jahren in den Blick genommen, nicht jedoch ausgesagt, der Gesetzgeber habe damit auch von dem der Förderung einer berufsqualifizierenden Ausbildung innewohnenden Erfordernis der Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit absehen wollen.
28 bb) Die der gesetzgeberischen Wertung entsprechende inhaltliche Festlegung der danach in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG verankerten Altersgrenze, ab der ein Gebrauchmachen von einer Ausbildung nicht mehr zu erwarten ist, erschließt sich ebenfalls anhand von Systematik und Sinn und Zweck dieser Regelung.
29 In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die allgemeine Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtung festgelegt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 - FamRZ 1981, 404). Auch was die Privilegierungstatbestände des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG betrifft, hat der Gesetzgeber auf typisierte Ausnahmekonstellationen zurückgegriffen. Dies spricht dafür, dass er auch die Frage, wann eine Ausbildung nicht mehr förderungsfähig ist, weil nicht mehr zu erwarten ist, dass von ihr noch im Sinne einer Berufsausübung Gebrauch gemacht wird, anhand einer typisierenden Betrachtung beantworten wollte. Eine solche Typisierung erscheint auch deshalb angezeigt, weil der hinter der Altersgrenze stehende Zweck jedenfalls maßgeblich auf das Interesse der Allgemeinheit abzielt und insofern keine Einzelfallbetrachtung erfordert. Inhaltlich liegt es vor diesem Hintergrund nahe, auf jene gesetzgeberischen Wertungen abzustellen, die sich aus den allgemeinen Regelungen über die Regelaltersgrenze für den Rentenbezug nach § 35 Satz 2 und § 235 Abs. 2 SGB VI ergeben (in diesem Sinne schon BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - BVerwGE 71, 268 <279> und Beschluss vom 6. November 1991 - 5 B 121.91 - Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 18 S. 13), die grundsätzlich auch für das Beamtenverhältnis maßgeblich sind (vgl. § 25 BeamtStG und § 51 BBG). Mit diesen gibt die Rechtsordnung für die weitaus überwiegende Zahl der Berufsgruppen und der Berufstätigen den Zeitpunkt zu erkennen, zu dem sie die Obliegenheit, den Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen, als grundsätzlich erfüllt ansieht, und der auch für den Bezug anderer erwerbsbezogener Sozialleistungen maßgeblich ist (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7a SGB II). Dies erlaubt die prognostische Wertung, dass jenseits dieser Altersgrenze die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem neuen Berufsfeld nicht zu erwarten ist. Zwar trifft es zu, dass das Erreichen der Regelaltersgrenze im Anwendungsbereich des Sozialversicherungsrechts für sich genommen arbeitsrechtlich nicht zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führt und auch im Übrigen kein Arbeitsverbot zum Inhalt hat. Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber seit einiger Zeit die Absicht verfolgt, den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand flexibler zu gestalten. Die damit einhergehenden Erleichterungen zielen aber neben einer Verbesserung der Kombinierbarkeit von Einkommen aus Teilzeitarbeit und vorgezogener Altersrente insbesondere auf die Beseitigung von arbeits- und rentenversicherungsrechtlichen Hemmnissen für die Fortsetzung von bestehenden Arbeitsverhältnissen über die rentenrechtliche Regelaltersgrenze hinaus (vgl. etwa § 41 Satz 3 SGB VI). Sie stellen die generelle Wertung nicht infrage, dass unter den Erwerbstätigen jenseits dieser Grenze schon der allgemeinen Lebenserfahrung nach nur zu einem verschwindend geringen Anteil auch Personen sind, die danach überhaupt erst eine Tätigkeit in einem gänzlich neu erlernten Beruf aufgenommen haben. Deswegen kommt es auch nicht darauf an, dass ein durchaus beachtlicher Teil der Erwerbstätigen, nämlich diejenigen, die eine Berufstätigkeit selbständig ausüben, von der rentenrechtlichen Regelaltersgrenze überhaupt nicht betroffen ist.
30 cc) Aus § 2 Abs. 2 und § 31 SGB I, die wegen § 68 Nr. 1 und § 37 Satz 2 SGB I hier zu beachten sind, ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts Anderes. Die Auslegungsregel des § 2 Abs. 1 SGB I enthält keinen Widerspruch zu den Prinzipien der Methodenlehre, sondern gebietet eine bürgerfreundliche Gesetzesinterpretation, soweit eine solche unter Zugrundelegung der anerkannten Methoden möglich ist (stRspr, vgl. BSG, Urteile vom 10. November 2011 - B 8 SO 12/10 R [ECLI:DE:BSG:2011:101111UB8SO1210R0] - SozR 4-3500, Stand Januar 2013, § 30 Nr. 4 Rn. 23 und vom 8. Februar 2012 - B 5 R 38/11 R [ECLI:DE:BSG:2012:080212UB5R3811R0] - SozR 4-5075, Stand Dezember 2012, § 3 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.). Seine Bedeutung hat § 2 Abs. 2 SGB I deswegen dann, wenn unter Heranziehung aller Auslegungskriterien Zweifel über das richtige Ergebnis verbleiben. Solche Zweifel bestehen hier nicht. Auch § 31 SGB I lässt eine Ermittlung des Inhalts einer Norm durch die anerkannten Auslegungsmethoden unberührt, weil danach ausreichend ist, dass das Gesetz eine Rechtsfolge "zulässt", also bloß implizit einen entsprechenden Inhalt hat (vgl. BT-Drs. 7/868 S. 27; Weselski, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 31 Rn. 40).
31 b) Diese Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ist mit höher- bzw. vorrangigem Recht vereinbar.
32 aa) Sie gibt § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG zunächst keinen Inhalt, der das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG verletzt.
33 (1) Der Staat ist aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG objektiv-rechtlich verpflichtet, ein Ausbildungsförderungssystem zu schaffen und zu unterhalten, um die Teilhabe bedürftiger Auszubildender an den staatlich zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätzen zu ermöglichen. Dem Gesetzgeber ist danach nicht nur untersagt, den Zugang zur Ausbildungsstätte prohibitiv auszugestalten. Aus der grundrechtlichen Gewährleistung des chancengleichen Zugangs zu staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten ergibt sich, dass der Gesetzgeber bestehende prohibitiv wirkende Zugangshindernisse, wie etwa Mittellosigkeit, nicht tatenlos hinnehmen darf, sondern aktiv auf deren Beseitigung hinwirken muss, um denjenigen unbemittelten Auszubildenden, die einen entsprechenden Ausbildungsplatz erhalten haben, zu ermöglichen, die Ausbildung auch tatsächlich durchzuführen. Mit dieser objektiv-rechtlichen Verpflichtung korrespondiert ein subjektives Recht bedürftiger Auszubildender auf eine die Teilhabe erst tatsächlich ermöglichende staatliche Förderung. Bei der Ausgestaltung des Ausbildungsförderungsrechts steht dem Gesetzgeber allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihm obliegt es, die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen der Ausbildungsförderung einschließlich von Eignungs- und Leistungsanforderungen festzulegen, wobei er angesichts des Umstandes, dass Ausbildungsförderung im Wege der Massenverwaltung erfolgt und auf möglichst einfach zu erzielende und schnell sowie eindeutig herbeizuführende Ergebnisse angewiesen ist, in weitem Umfang auf Pauschalierungen und Typisierungen zurückgreifen kann. Er hat ferner einen großen Spielraum bezüglich der Gestaltung der Förderung dem Grunde nach wie auch in Bezug auf ihre Art und Weise (BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2021 - 5 C 11.18 [ECLI:DE:BVerwG:2021:200521B5C11.18.0] - juris Rn. 16, 21 und 30).
34 Die Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG, nach der eine zu fördernde Ausbildung im Sinne dieser Vorschrift nicht mehr vorliegt, wenn der Auszubildende bei ihrem planmäßigen Abschluss bereits das Rentenalter erreicht haben wird, ist bei Zugrundelegung dieser Grundsätze als Ausgestaltung des Anspruchs auf Zugang zur Ausbildungsförderung insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Da die hier in Rede stehende Differenzierung anhand des personenbezogenen und unverfügbaren Merkmals des Alters erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 [ECLI:DE:BVerfG:2016:rs20160727.1bvr037111] - BVerfGE 142, 353 Rn. 69 m.w.N.), kommt im Rahmen der stufenlosen Rechtfertigungsprüfung der Maßstab der strengen Verhältnismäßigkeit zur Anwendung. Die Typisierungsbefugnisse des Gesetzgebers wirken sich in diesem Zusammenhang einerseits bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Heranziehung des Differenzierungsmerkmals und andererseits bei den Maßstäben der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne aus (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. [ECLI:DE:BVerfG:2021:rs20210708.1bvr223714] - NVwZ 2021, 1445 Rn. 110 ff.).
35 (a) Die im Wege der Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ermittelte Altersgrenze verfolgt zunächst ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel, nämlich auch im Interesse der Allgemeinheit die Förderung auf solche Sachverhalte zu begrenzen, bei denen ein Bildungsgang überhaupt noch auf eine berufliche Tätigkeit, also auf eine auf Dauer angelegte und auf Erwerb gerichtete Beschäftigung hinführen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 - FamRZ 1981, 404); nur so weit reicht auch der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG im vorliegenden Zusammenhang des grundrechtlichen Anspruchs auf Ausbildungsförderung.
36 (b) Die Heranziehung der Altersgrenze als typisierendes, nicht jede Einzelfallsituation berücksichtigendes Merkmal ist zur Erreichung dieses Zwecks als geeignet und erforderlich anzusehen. Der Gesetzgeber darf unter bestimmten Voraussetzungen typisierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Benachteiligung Einzelner gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Er darf sich dabei grundsätzlich am Regelfall orientieren und Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen muss er nicht unter allen Umständen um alle denkbaren Einzelfälle besorgt sein. Eine Typisierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Regelung über ungewisse Umstände oder Geschehnisse zu treffen ist, die sich selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. - NVwZ 2021, 1445 Rn. 149 f.).
37 Die hier in Rede stehende Altersgrenze ist insofern typisierend, als sie nicht im Einzelfall danach fragt, ob bei jedem der von ihr betroffenen Auszubildenden eine Berufsausübung im Anschluss an eine Ausbildung nicht mehr in Betracht kommt. Sie ist als geeignet zur Erreichung des Zwecks anzusehen, weil sie sich insoweit an einem von der Rechtsordnung selbst als typisch eingeordneten einschlägigen Fall orientiert. Diese geht nämlich mit der Regelaltersgrenze selbst von einer Obergrenze aus, bis zu der der Lebensunterhalt typischerweise durch eigene Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen ist, an deren Stelle mit Erreichen der Altersgrenze ein Rentenanspruch tritt. Sie betrifft zwar nicht alle Berufe, insbesondere nicht selbständig ausgeübte Berufe. Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die weitaus überwiegende Zahl aller Berufstätigen in Berufen beschäftigt ist, die der Regelaltersgrenze unterliegen, und dass trotz aller auch gesetzlichen Öffnungsmöglichkeiten diese auch der allgemeinen Lebenserfahrung nach weiterhin in der überwiegenden Zahl aller Fälle eingehalten wird. Insofern wird mit der in Rede stehenden Altersgrenze im Sinne eines Gesamtbilds erkennbar realitätsgerecht ein typischer Fall abgebildet, ohne dass es weitergehender Feststellungen hierzu bedarf. Sie ist auch erforderlich, weil die Ausbildungsförderung die Ordnung einer Massenerscheinung betrifft. Hinzu kommt, dass eine strikte Einzelfallprüfung im konkreten Fall ohnehin nicht möglich ist, weil sie auch objektiv in hohem Maße ungewisse Umstände oder Geschehnisse betrifft, insbesondere die Frage, ob einer bestimmten Person in Zukunft trotz eines hohen Alters eine Tätigkeit im angestrebten Beruf noch möglich sein wird.
38 (c) Schließlich ist die durch Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ermittelte Altersgrenze auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Eine Ungleichbehandlung ist nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn das Maß der Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der durch die Ungleichbehandlung bewirkten Zielerreichung steht. Handelt es sich um typisierende Regelungen, darf das Ausmaß der durch sie verursachten Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht. Die aus der Typisierung erwachsenden Vorteile müssen im rechten Verhältnis zu der damit notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. - juris Rn. 222). Insoweit kann bei einer wertenden Betrachtung davon ausgegangen werden, dass lediglich eine sehr geringe Anzahl von Personen, die sich unmittelbar vor Eintritt in das Rentenalter befinden, unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG noch eine förderfähige Ausbildung beginnen und anschließend möglicherweise einen neuen Beruf ergreifen wollen. Soweit danach dennoch Härten im Einzelfall auftreten, sind sie nicht zu vermeiden, weil der Förderverwaltung eine hinreichend verlässliche Prüfung, ob in einem hohen Lebensalter eine Erwerbstätigkeit in einem neuen Beruf aufgenommen werden soll, im konkreten Fall wegen einer Vielzahl prognostischer Unwägbarkeiten praktisch nicht möglich ist. Es bedarf in diesem Zusammenhang daher keiner Härtefallklauseln zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit.
39 (2) Der Ausschluss von Personen, die im Rentenalter unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG noch eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen wollen, von Leistungen der Ausbildungsförderung verletzt auch nicht den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, soweit ihnen aufgrund von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII infolgedessen auch Leistungen der Grundsicherung im Alter verwehrt wären. Ein solcher Ausschluss ist hier nicht streitgegenständlich und würde im Übrigen nicht die Verfassungsmäßigkeit der hier in Rede stehenden Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG berühren, sondern allenfalls in einem Fall der Kollision mit Leistungen der Grundsicherung im Alter die Frage nach einer verfassungskonformen Interpretation des § 22 SGB XII bzw. seiner Verfassungsmäßigkeit aufwerfen.
40 bb) Die dem § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG durch Auslegung entnommene Altersgrenze ist schließlich auch mit Unionsrecht vereinbar. Sie stellt weder eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG dar (1), noch lässt sich ein derartiger Verstoß unter Rückgriff auf das allgemeine unionsrechtliche Diskriminierungsverbot begründen (2).
41 (1) Die Richtlinie 2000/78/EG soll einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung unter anderem wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf schaffen (Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG). Der von ihr verwendete Begriff der Beschäftigung bzw. des Berufs umfasst nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2000/78/EG u.a. auch den Zugang zu allen Formen und Ebenen der Berufsausbildung und ist insofern für den hier in Rede stehenden Sachverhalt grundsätzlich einschlägig, weil die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz den Zugangsanspruch des Einzelnen zur Berufsausbildung ökonomisch absichern soll. Dennoch bedarf es keiner Entscheidung, ob die hier in Rede stehende Altersgrenze als eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 6 Richtlinie 2000/78/EG anzusehen ist. Denn die Richtlinie scheidet im vorliegenden Fall als Prüfungsmaßstab aus.
42 Nach Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG gilt diese nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes. Damit wird ihre Anwendung auch auf das finanzielle Fördersystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ausgeschlossen, selbst wenn der Zugang zur Berufsausbildung als solcher von ihr erfasst ist (vgl. Mohr, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum Europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, RL 2000/78/EG Art. 3 Rn. 32). Schon der systematische Zusammenhang des Art. 3 Abs. 3 zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2000/78/EG belegt, dass der Ausschluss auch alle in Art. 3 Abs. 3 genannten staatlichen Leistungen erfasst, die den Zugang zu allen Formen der Berufsausbildung ökonomisch erst ermöglichen sollen. Bestätigt wird dies durch den Erwägungsgrund 13 (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 21. Januar 2015 - C-529/13 [ECLI:EU:C:2015:20], Felber - Rn. 20), nach dem die Richtlinie auf zwei Fallgruppen keine Anwendung findet ("... weder ... noch ..."), von denen eine "Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung ... zum Ziel haben", betrifft. Die historische Auslegung bekräftigt diesen Befund mit Blick auf den Fördercharakter der staatlichen Leistungen: Die genannte Bereichsausnahme war ursprünglich im Richtlinienentwurf der Kommission nicht vorgesehen und ist auch im parlamentarischen Verfahren nicht aufgenommen worden. Sie beruht vielmehr auf einem Vorschlag des Rates im abschließenden Beratungsstadium, der vorsah, dass den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt werden sollte, von ihrem Anwendungsbereich u.a. Vergütungen jeder Art auszuschließen, die im Rahmen gesetzlicher Systeme gezahlt werden, einschließlich solcher, die den Zugang zur Beschäftigung fördern (Ratsdokument Nr. 11352/00 S. 15 Fn. 18 und Ratsdokument Nr. 11713/00 S. 6). Dieser Vorschlag hat erkennbar im Erwägungsrund 13 seinen Niederschlag gefunden.
43 (2) Auch ein Verstoß gegen das allgemeine unionsrechtliche Diskriminierungsverbot liegt entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor. Soweit sich aus allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts ein Diskriminierungsverbot wegen des Alters ergibt, folgt die Bindung der Mitgliedstaaten hieran aus der Vorschrift des Art. 21 GRC, was zur Folge hat, dass diese nur gebunden sind, wenn sie im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC Unionsrecht anwenden und vollziehen. Ein solcher Vollzug von Unionsrecht liegt hier nicht vor.
44 Der Europäische Gerichtshof hat das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ursprünglich unter Rückgriff auf ältere Judikate aus allgemeinen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und dem Völkerrecht abgeleitet (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 [ECLI:EU:C:2005:709], Mangold - Rn. 74 f.). Nach dem Inkrafttreten der Grundrechtecharta hat er zunächst zusätzlich Art. 21 Abs. 1 GRC als Geltungsgrund mitzitiert, kraft dessen das Diskriminierungsverbot "nunmehr" als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen sei (EuGH, Urteile vom 19. Januar 2010 - C-555/07 [ECLI:EU:C:2010:21], Kücükdeveci - Rn. 21 f. und vom 19. April 2016 - C-441/14 [ECLI:EU:C:2016:278], Dansk Industri - Rn. 22). In späteren Entscheidungen ist zur Begründung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts nur noch auf Art. 21 GRC abgestellt worden (EuGH, Urteile vom 17. April 2018 - C-414/16 [ECLI:EU:C:2018:257], Egenberger - Rn. 47 und 76, vom 11. September 2018 - C-68/17 [ECLI:EU:C:2018:696], IR - Rn. 69 und 71 und vom 22. Januar 2019 - C-193/17 [ECLI:EU:C:2019:43], Cresco - Rn. 76). Diese Überführung des allgemeinen Diskriminierungsverbots in Art. 21 GRC hat zur Folge, dass auch die Regelung über den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC Anwendung findet (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 2018 - C-414/16 - Rn. 49; Krebber, EuZA 2016, 3 <13>).
45 Ein Sachverhalt, der im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt und die Anwendbarkeit von Art. 21 GRC begründet, ist hier indes nicht gegeben. In den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt ein Sachverhalt, wenn ein hinreichender Zusammenhang von einem gewissen Grad zwischen einem Unionsrechtsakt und der fraglichen nationalen Maßnahme besteht. Allein der Umstand, dass eine nationale Maßnahme in einen Bereich fällt, in dem Unionszuständigkeiten bestehen, kann diese Maßnahme nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts bringen. Hierzu muss das Unionsrecht bestimmte Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den nationalen Sachverhalt schaffen, durch die ihr Tätigwerden im weiten Sinne einer Erfüllung unionsrechtlicher Verpflichtungen oder Ermächtigungen als Durchführung von Unionsrecht, einschließlich des Sekundärrechts, anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - C-363/20 [ECLI:EU:C:2022:21], Marcas - Rn. 38; Schwerdtfeger, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 51 Rn. 46 f. und 50; Thym, NVwZ 2013, 889 <894>).
46 Nationaler Sachverhalt ist im hier gegebenen Zusammenhang der Ausschluss von Personen, die im Zeitpunkt des Abschlusses einer förderfähigen Ausbildung die Rentenregelaltersgrenze überschritten haben, von der Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. In Bezug hierauf schafft das Unionsrecht aber gerade keine Anforderungen, weil weder die Richtlinie 2000/78/EG noch sonstiges Unionsrecht in anderer Weise auf diese Förderung anwendbar sind, so dass auch keinerlei Verbindung zwischen einem Unionsrechtsakt und dem Sachverhalt besteht.
47 c) Ausgehend hiervon erweist sich das vom Oberverwaltungsgericht gefundene Ergebnis als richtig. Da der Kläger nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei Beendigung des im hier maßgeblichen Zeitraum betriebenen Studiums voraussichtlich ein Alter von 69 Jahren erreicht hätte, hätte er die für ihn maßgebliche Rentenregelaltersgrenze von 65 Jahren und vier Monaten (§ 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI; Geburtsjahrgang 1950) bei planmäßigem Abschluss des Studiums bei weitem überschritten. Der geltend gemachte Anspruch besteht damit nicht, weil Ausbildungsförderung hier nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG wegen Überschreitens der Altersgrenze von 30 Jahren nicht geleistet wird, und der Privilegierungstatbestand des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG keine Anwendung findet.
48 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.