Beschluss vom 29.09.2021 -
BVerwG 1 B 61.21ECLI:DE:BVerwG:2021:290921B1B61.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.09.2021 - 1 B 61.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:290921B1B61.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 61.21

  • VG Köln - 05.11.2019 - AZ: VG 7 K 3848/19
  • OVG Münster - 11.06.2021 - AZ: OVG 11 A 4703/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. September 2021
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 2021 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt hat.

2 1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - juris Rn. 2 und vom 25. Juli 2017 - 1 B 117.17 - juris Rn. 3).

3 Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

4 a) Die Beschwerdebegründung macht geltend, das für eine Abkehr von einem Gegenbekenntnis erforderliche positive Verhalten, welches in der Regel auch durch Bemühungen zu einer Änderung von nichtdeutschen Nationalitätseintragungen in den wesentlichen amtlichen Dokumenten belegt werden könne, sei an keine Fristen gebunden und müsse nur im Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete vorliegen. Mit dem angegriffenen Urteil habe das Oberverwaltungsgericht eine im Gesetz nicht enthaltene zeitliche Komponente bezüglich des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum eingeführt und damit faktisch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 abgeändert.

5 Mit diesem Vorbringen wirft die Beschwerdebegründung eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 6 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 162 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328), ist vielmehr geklärt, dass in der Angabe einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum liegt, welches es grundsätzlich ausschließt, gleichzeitig ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum "auf andere Weise" anzunehmen, und dass es, um eine frühere Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität rückgängig zu machen, eines positiven Verhaltens bedarf, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, nur dem deutschen Volk und keinem anderen Volkstum zuzugehören, wobei an die Ernsthaftigkeit eines späteren Bekenntniswandels und dessen äußere Erkennbarkeit besondere Anforderungen zu stellen sind. Dieses Bekenntnis muss bis zum Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete vorliegen (BVerwG, Urteile vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <146> und vom 26. Januar 2021 - 1 C 5.20 - NVwZ-RR 2021, 592 Rn. 22 ff. m.w.N.).

6 Diesen Prüfungsmaßstab hat auch das Berufungsgericht seiner Beurteilung eines Abrückens des Klägers von dessen Gegenbekenntnis zugrunde gelegt. Insbesondere hat es ausgeführt, dass es möglich sei, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität "bis zum maßgebenden Zeitpunkt" durch Hinwendung zum deutschen Volkstum abzurücken (UA S. 12).

7 b) Die Rüge, die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, das von dem Kläger abgegebene behördliche Bekenntnis zum deutschen Volkstum sei als "Lippenbekenntnis" zu dem Zweck abgegeben worden, um in Deutschland als Deutscher angesehen und behandelt zu werden, sei unzutreffend und widerspreche sowohl dem Gesetz als auch der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, erschöpft sich der Sache nach darin, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als fehlerhaft anzugreifen. Mit der Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Berufungsentscheidung kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache indes nicht dargetan werden.

8 2. Die Revision ist auch nicht wegen der des Weiteren geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die Rüge, die Berufungsentscheidung weiche von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 und vom 26. Januar 2021 - 1 C 5.20 - NVwZ-RR 2021, 592 ab, muss ebenfalls erfolglos bleiben, weil die Beschwerde einen solchen Zulassungsgrund nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet hat.

9 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz ausdrücklich oder zumindest konkludent widersprochen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.).

10 Einen entsprechenden die Berufungsentscheidung tragenden Rechtssatz arbeitet die Beschwerdebegründung nicht heraus. Soweit sie sich der Sache nach gegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts wendet, es sei möglich, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität "bis zum maßgebenden Zeitpunkt" durch Hinwendung zum deutschen Volkstum abzurücken (UA S. 12), verkennt sie, dass das Berufungsgericht insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf den Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete abhebt. Soweit sie konkludent die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts angreift, der zeitliche Ablauf lasse erkennen, dass der Kläger die Erklärung, der deutschen Nationalität zuzugehören, als "Lippenbekenntnis" zu dem Zweck abgelegt habe, um in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, und nicht, um im Aussiedlungsgebiet als Deutscher angesehen und behandelt zu werden, benennt sie schon keinen die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Übrigen - anders als die Beschwerde meint - in keiner der beiden herangezogenen Entscheidungen den Rechtssatz aufgestellt, dass die Änderung des Nationalitäteneintrags vor Verlassen des Aussiedlungsgebiets zur Abkehr von einem ausdrücklichen Gegenbekenntnis automatisch auch dann ausreicht, wenn sich Anhaltspunkte für andere Beweggründe als denjenigen, im Aussiedlungsgebiet als deutscher Volkszugehöriger angesehen werden zu wollen, aufdrängen (vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <147>, siehe auch Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 C 5.20 - NVwZ-RR 2021, 592 Rn. 32: "in der Regel").

11 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

12 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.