Beschluss vom 24.07.2024 -
BVerwG 1 WB 20.23ECLI:DE:BVerwG:2024:240724B1WB20.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.07.2024 - 1 WB 20.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:240724B1WB20.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 20.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 24. Juli 2024 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Das Verfahren betraf die Versetzung des Antragstellers von einem Dienstposten beim Karriereberatungsbüro ... in ... auf einen Dienstposten beim Kommando Heer in ... Der Antragsteller machte gegen die Versetzung schwerwiegende persönliche Gründe zum einen wegen der Betreuung dreier im Haushalt lebender Kinder, zum anderen wegen seiner eigenen gesundheitlichen Verfassung geltend.

2 Mit Beschluss vom 12. Januar 2023 - BVerwG 1 W-VR 23.22 - hat der Senat die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers vom 2. Mai 2022 gegen die diesbezügliche Versetzungsverfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 25. April 2022 angeordnet. Er hat dabei die gesundheitlichen Fragen offengelassen und tragend auf die familiäre Situation des Antragstellers abgestellt; seien - wie im Falle des Antragstellers - beide Elternteile Soldaten, so gebiete der Schutz von Ehe und Familie, dass unter dem Blickwinkel der Fürsorgepflicht nicht nur die Belange des von der Personalmaßnahme Betroffenen, sondern auch die Belange von dessen Ehepartner in die Ermessensausübung eingestellt würden. Wegen aller Einzelheiten wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.

3 Mit Bescheid vom 19. April 2023 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde des Antragstellers als unbegründet zurück. Es bezog in seine Erwägungen zum einen die dienstliche Situation und das Arbeitszeitmodell der Ehefrau des Antragstellers ein. Zum anderen verwies es auf das Ergebnis einer erneuten militärärztlichen Begutachtung vom 10. April 2023, die das Vorliegen schwerwiegender persönlicher Gründe wegen des Gesundheitszustands des Antragstellers verneinte.

4 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 4. Mai 2023 hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 24. Mai 2023 dem Senat vorgelegt. Im gerichtlichen Verfahren haben sich beide Seiten ausführlich zum Gesundheitszustand des Antragstellers und zu den praktischen Möglichkeiten, die Kinderbetreuung durch eine geeignete Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten, geäußert.

5 Mit Bescheid vom 5. April 2024 wurde der Antragsteller auf seinen Antrag gemäß § 44 Abs. 3 SG wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Juli 2024 in den Ruhestand versetzt. Im Hinblick darauf hat der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 18. Juni 2024 das vorliegende Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, dem Bund die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich unter dem 2. Juli 2024 der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostentragung angeschlossen.

6 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

7 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - Rn. 8 m. w. N.).

8 Billigem Ermessen entspricht es hier, die notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussichten nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses als offen einzuschätzen sind (vgl. zur hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten BVerwG, Beschlüsse vom 7. Januar 2020 - 1 WB 69.19 u. a. - juris Rn. 11 und vom 15. April 2021 - 1 WB 16.20 - juris Rn. 7).

9 Bei der Anfechtung einer Versetzung kommt es materiellrechtlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags an den Senat an (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 1 WB 28.15 - juris Rn. 27 und vom 26. September 2019 - 1 WB 26.18 - juris Rn. 22), hier also auf die Sach- und Rechtslage im Mai 2023. Danach bestand für die Versetzung des Antragstellers zwar aus den im Beschluss vom 12. Januar 2023 - BVerwG 1 W-VR 23.22 - Rn. 39 bis 42 dargelegten Gründen ein dienstliches Erfordernis. Als offen stellt sich hingegen dar, ob im Mai 2023 schwerwiegende persönliche Gründe vorlagen, die der beabsichtigten Versetzung im Ergebnis entgegenstanden.

10 Dies gilt zum einen für den Gesundheitszustand des Antragstellers. Dieser wurde zwar - aus von den Beteiligten nicht näher erläuterten Gründen - wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Juli 2024 in den Ruhestand versetzt. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass und mit welcher Intensität die für die Zurruhesetzung maßgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch bereits im Mai 2023 vorlagen. Im Hinblick darauf, dass erst kurz zuvor im April 2023 eine erneute militärärztliche Begutachtung durchgeführt worden war, die insoweit das Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Grundes verneint hatte, wäre zur Beurteilung der gesundheitlichen Situation letztlich eine sachverständige ärztliche Einschätzung erforderlich. Für eine derartige Beweisaufnahme ist jedoch im Rahmen der hier allein noch zu treffenden Kostenentscheidung kein Raum (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. April 2013 - 1 WB 26.12 - juris Rn. 30, vom 7. Januar 2020 - 1 WB 69.19 u. a. - juris Rn. 15 und vom 15. April 2021 - 1 WB 16.20 - juris Rn. 11).

11 Als offen einzuschätzen ist zum anderen auch die Frage der Sicherstellung der Kinderbetreuung. Die verschiedenen Arbeitszeitmodelle und Optionen der Arbeitszeitgestaltung, die eine Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau ermöglichen sollen, werden in ihrer Praktikabilität von den Beteiligten mit jeweils plausiblen Gründen kontrovers bewertet. Auch insoweit wäre für eine tragfähige Beurteilung durch das Gericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich, die für die Entscheidung nach dem "bisherigen Sach- und Streitstand" (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) jedoch nicht mehr stattfindet (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 15 m. w. N.).

12 Vor diesem Hintergrund erscheint deshalb der Verfahrensausgang insgesamt als offen und eine hälftige Kostenteilung als angemessene Kostenfolge.