Beschluss vom 13.06.2023 -
BVerwG 1 VR 2.23ECLI:DE:BVerwG:2023:130623B1VR2.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.06.2023 - 1 VR 2.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:130623B1VR2.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 VR 2.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Beschluss des Senats vom 17. Mai 2023 verletzt nicht den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 1. Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, dient der Kontrolle des Gerichts, ob es das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt hat, das heißt, ob es seiner Verpflichtung nachgekommen ist, wesentliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.> und Beschlüsse vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6 und vom 1. März 2017 - 6 B 23.17 - juris Rn. 2). Gemessen an diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Senats nicht das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör.

3 a) Mit dem Vorbringen, der Senat habe nicht hinreichend beachtet bzw. nicht in der erforderlichen Begründungstiefe erörtert, dass dem Antragsteller durch die Versagung rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit genommen worden sei, seine Ausreise in ein sicheres Drittland zu organisieren, legt die Anhörungsrüge einen Gehörsverstoß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dar. Ungeachtet der Tatsache, dass eine Ausreise des Antragstellers in ein sicheres Drittland in dem Verfahren - 1 VR 1.23 - zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden ist, und ungeachtet des Umstands, dass im Zeitpunkt des Ergehens der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG eine Überwachung der Ausreise des Antragstellers gemäß § 58 Abs. 3 Nr. 1 und 3 AufenthG erforderlich war, hat der Senat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass die oberste Landesbehörde berechtigt war, nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd von einer Anhörung des Antragstellers abzusehen, da eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig war.

4 b) Mit dem Vortrag, Bedeutung und Reichweite von Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. den Artt. 1 und 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG sowie den Artt. 2 und 3 EMRK würden verkannt, soweit der Senat davon ausgegangen sei, die allgemeinen Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak in B. beinhalteten spezifische Garantien und schützten den Antragsteller vor Folter und unmenschlicher Behandlung und Strafe, wendet sich der Antragsteller im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Vorentscheidung, ohne eine Verletzung rechtlichen Gehörs aufzuzeigen. Wie eingangs ausgeführt ist die Anhörungsrüge indes kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung.

5 c) Auch mit dem Vorbringen, die Annahme des Senats, dem Antragsteller drohe keine Hinrichtung durch nichtstaatliche Akteure, verletze diesen in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, da er in die Provinz N. verbracht werden würde, in der sich diejenigen nichtstaatlichen Akteure aufhielten, die ihn foltern und töten wollten und hierzu auch in der Lage seien, setzt die Anhörungsrüge der ihrer Ansicht nach fehlerhaften rechtlichen Bewertung des Senats ihre eigene abweichende Würdigung entgegen, um auf diese Weise eine Überprüfung der von dem Senat getroffenen Entscheidung zu erreichen. Dies ist aber nicht Aufgabe und Gegenstand der Anhörungsrüge.

6 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.