Beschluss vom 12.07.2023 -
BVerwG 1 WNB 4.23ECLI:DE:BVerwG:2023:120723B1WNB4.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.07.2023 - 1 WNB 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:120723B1WNB4.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 4.23

  • TDG Süd 8. Kammer - 24.11.2022 - AZ: S 8 BLa 1/22 und S 8 RL 3/22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 12. Juli 2023 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 24. November 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) sowie die sinngemäß gerügte Divergenz von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (§ 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO) sind nicht prozessordnungsgemäß dargelegt bzw. liegen nicht vor.

2 1. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO kommt der Sache nicht zu.

3 a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. für das Revisionsrecht der VwGO BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> sowie für das Rechtsbeschwerderecht der WBO BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 Rn. 16).

4 b) Die vom Antragsteller formulierten Rechtsfragen
"1. Weist die Verwendung der 'Teilen'-Funktion in sozialen Netzwerken entgegen der obergerichtlichen Rechtsprechung im Zivilrecht ein zwingendes sich zu Eigen machen, bzw. eine Unterstützung des weitergeleiteten Beitrages auf oder handelt es sich lediglich um eine Weitergabe ohne rechtliche Bedeutung?"
und
"2. Darf sich der Dienstherr bezüglich des angeblichen Fehlverhaltens des Antragstellers auf die Schädigung seines Ansehens in der Öffentlichkeit berufen, wenn nur er selbst insoweit die Öffentlichkeit hergestellt hat?"
rechtfertigen die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht.

5 aa) Die erste Frage würde sich in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stellen, weil das Truppendienstgericht nicht entscheidungstragend darauf abstellt, dass sich der Antragsteller mit dem Teilen eines Beitrages bei Facebook diesen zu eigen macht oder ihn unterstützt. Für seine Entscheidung ist in tatsächlicher Hinsicht maßgeblich, dass der Antragsteller sich von dem durch das Teilen der in Rede stehenden Beiträge nicht von dem verbreiteten Inhalt eindeutig distanziert hat. Dies wird bezogen auf den Anschuldigungspunkt 1 im zweiten Absatz auf Seite 19 der Entscheidungsgründe ausgeführt. Auch im Folgenden stellen die Entscheidungsgründe hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 2 und 3 jeweils auf die fehlende Distanzierung ab (Seiten 21, 23 und 26 der Entscheidungsgründe). Die Vorinstanz sieht den hinreichend begründeten Verdacht eines voraussichtlich zur Dienstgradherabsetzung führenden Dienstvergehens in dem Verstoß gegen die Pflicht aus § 8 SG, sich eindeutig von Bestrebungen zu distanzieren, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. Seite 27 der Entscheidungsgründe). Hierfür kam es nicht auf eine zustimmende Erklärung zu dem verbreiteten Inhalt an.

6 bb) Zur zweiten Frage fehlt es an hinreichenden Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit. Die Vorinstanz stellt für die Feststellung der zwingenden dienstlichen Gründe nach § 22 SG allein auf den Verdacht eines schweren Dienstvergehens ab, für das eine Dienstgradherabsetzung im Raum steht (Seite 16 der Entscheidungsgründe). Auf das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit rekurriert sie im Rahmen der Überprüfung der Ermessensausübung (Seite 29 der Entscheidungsgründe). In diesem Kontext verneint sie sachwidrige Erwägungen oder Willkür aus zwei Gründen: Zum einen schade der Anschein, ein Soldat bekenne sich nicht zu einer für das Soldatenverhältnis fundamentalen Verpflichtung, dem Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Zum anderen bewirke dieser Anschein nach innen eine Gefährdung bzw. Störung des Dienstbetriebes, weil dadurch der Eindruck einer Bagatellisierung entstehe.

7 Hiernach hätte für eine ordnungsgemäße Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der formulierten Frage zum einen dargelegt werden müssen, wieso die von der Vorinstanz festgestellte Gefährdung oder Störung des Dienstbetriebes nicht geeignet sein sollte, das Ergebnis selbständig zu tragen. Zum anderen hätte es - wäre der zweite Grund nicht alternativ, sondern kumulativ für die Ermessenserwägungen maßgeblich - der Darlegung bedurft, wieso der von der Vorinstanz in diesem Zusammenhang berücksichtigte Ansehensschaden allein auf die Herstellung von Öffentlichkeit durch Pressearbeit des Dienstherrn selbst ergeben soll. Denn das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass die Facebook-Freunde des Antragstellers, zu denen auch Bundeswehrangehörige zählen würden, gewusst hätten, wer er war (Seite 18 der Entscheidungsgründe). Damit steht auch eine Herstellung von Öffentlichkeit durch den Antragsteller selbst unter seinen Facebook-Freunden im Raum. An entsprechenden Darlegungen fehlt es aber, weil sich die Beschwerdebegründung darauf beschränkt, die Rechtsauffassung des Antragstellers zu der aufgeworfenen Frage darzustellen, ohne sich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung zu dieser Frage konkret zu befassen.

8 2. Die behauptete Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2002 - 1 BvR 232/97 - kann auch nicht als Divergenzrüge (§ 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO) Erfolg haben. Sie ist jedenfalls nicht prozessordnungsgemäß dargelegt.

9 Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die gemäß § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO erforderliche Bezeichnung des Zulassungsgrunds der Divergenz voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, den angefochtenen Beschluss tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer genau bezeichneten Entscheidung eines Wehrdienstgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - 1 WNB 2.17 - NZWehrr 2017, 217 <217 f.> m. w. N. und vom 7. Juni 2019 - 1 WNB 5.18 - juris Rn. 3).

10 Der Antragsteller formuliert bereits keinen abstrakten Rechtssatz aus dem in Bezug genommenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts oder aus dem angegriffenen Beschluss der Vorinstanz. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf die Behauptung der Nichtbeachtung nicht näher erläuterter Ausführungen des Beschlusses vom 12. November 2002. Soweit der Antragsteller die Auslegung der von ihm geteilten Beiträge auf sozialen Medien durch die Vorinstanz im Lichte von - nicht näher bezeichneten - abstrakten Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts für rechtsfehlerhaft hält, betrifft dies zudem die Rechtsanwendung im Einzelfall, deren (behauptete) Fehlerhaftigkeit nicht mit der Divergenzrüge geltend gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 2012 - 1 WNB 1.12 - juris Rn. 8 und vom 17. Februar 2020 - 1 WNB 4.19 - juris Rn. 12).

11 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.