Beschluss vom 10.05.2023 -
BVerwG 5 B 7.23ECLI:DE:BVerwG:2023:100523B5B7.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 10.05.2023 - 5 B 7.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:100523B5B7.23.0]
Beschluss
BVerwG 5 B 7.23
- VG Potsdam - 01.07.2021 - AZ: 2 K 1423/18
- OVG Berlin-Brandenburg - 18.01.2023 - AZ: 4 B 23/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Mai 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Preisner
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2023 wird verworfen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 444 € festgesetzt.
Gründe
1 1. Die allein auf den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) durch Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) nicht gerecht wird.
2 Nach dem Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich nicht auf die Auslegung des anzuwendenden Rechts, sondern auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände (BVerwG, Urteil vom 29. April 2022 - 5 CN 2.21 - NVwZ 2023, 268 Rn. 11). Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> und Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 22, jeweils m. w. N.). Deshalb ist die Einhaltung der aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Verpflichtung nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als die angefochtene Entscheidung. Denn damit wird ein - angeblicher - Mangel in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung angesprochen, der die Annahme eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Ein einen Verfahrensfehler begründender Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann aber ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet. Genauso liegt es, wenn ein Gericht von einem aktenwidrigen, unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2020 - 5 BN 2.19 - juris Rn. 31). Gemessen daran zeigt die Beschwerde einen die Annahme eines Verfahrensfehlers begründenden Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht ansatzweise auf.
3 Die Ausführungen der Beschwerde knüpfen schon nicht an der tatrichterlichen Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts an, dass die Fahrten des Klägers zu den wesentlichen und prägenden Aufgaben des ihm übertragenen Dienstpostens gehörten. Ihnen liegt vielmehr die Annahme zugrunde, dass die (Verlege-)Fahrten nicht zur Dienstausübung zählten, sondern der Kläger zunächst die Entfernung zwischen der Dienststätte und dem Einsatzort überbrücken müsse, damit er am Einsatzort seine Diensttätigkeit, zu der unter anderem Observations- und Fahndungsmaßnahmen gehören, ausüben könne. Damit und mit den diesbezüglichen weiteren Ausführungen rügt die Beschwerde nach Art einer Berufungsbegründung eine aus ihrer Sicht unzutreffende Tatsachenwürdigung durch das Oberverwaltungsgericht, worauf - wie dargelegt - eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes regelmäßig und so auch hier nicht gestützt werden kann. Abgesehen davon und überdies thematisiert und erläutert die Beschwerde weder ausdrücklich noch jedenfalls der Sache nach, dass dem Oberverwaltungsgericht bei seiner Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände einer der zuvor genannten Fehler unterlaufen ist, der eine Verfahrensfehlerhaftigkeit zu begründen vermag. Soweit die Beschwerde darüber hinaus beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe zudem auch unzutreffende rechtliche Schlüsse gezogen ("fehlerhafte richterliche Meinungsbildung"), beanstandet sie eine (angebliche) unzutreffende Rechtsanwendung. Auf eine unzutreffende Rechtsanwendung kann - selbst wenn sie vorläge - die Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes jedoch nicht gestützt werden.
4 2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
5 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.