Beschluss vom 30.10.2024 -
BVerwG 1 WB 52.23ECLI:DE:BVerwG:2024:301024B1WB52.23.0

Unzulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Entpflichtung eines Soldaten zur Inübunghaltung

Leitsatz:

Die Anordnung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat erfolgt ausschließlich im dienstlichen Interesse. Der Soldat hat kein geschütztes subjektives Recht auf Fortdauer dieser Verpflichtung.

  • Rechtsquellen
    WBO § 17 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.10.2024 - 1 WB 52.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:301024B1WB52.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 52.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Nahler und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Lüchau
am 30. Oktober 2024 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen seine Entpflichtung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat und erstrebt den Fortbestand dieser Verpflichtung.

2 Der 1971 geborene Antragsteller ist seit 1999 Berufssoldat. Zuletzt wurde er im Jahre 2011 zum Stabsfeldwebel befördert. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich am 31. März 2027 enden. Während und nach seiner Ausbildung zum Kommandofeldwebel wurde er seit 1998 auf verschiedenen Dienstposten im Kommando ... in C und seit 2013 im Ausbildungszentrum ... in P als Kommandofeldwebel und Stabsdienstbearbeiter ... verwendet. Auf eine Verwendung bei der ... in L als Feldwebel Leichte Aufklärungskräfte und Feldwebel Fernspähkräfte folgte zum 1. April 2023 die Versetzung zur ... in S, wo er als Feldwebel Fernspähkräfte verwendet wird.

3 Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im September 2022 beantragte der Antragsteller, seine Verpflichtung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat fortbestehen zu lassen. Hintergrund war die seinerzeit beabsichtigte und zum 1. April 2023 erfolgte Versetzung des Antragstellers zur ... in S, die der Soldat im Vorfeld abgelehnt hatte, weil er weiter im Kommando ... dienen wollte.

4 Auf Antrag des Kommandeurs des Kommandos ... vom 14. März 2023 hob das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Verfügung vom 13. April 2023 die Verpflichtung des Antragstellers zur Inübunghaltung als Kommandosoldat auf. Die Verfügung ist dem Soldaten am 18. April 2023 zugestellt worden. Zur Begründung wurde auf die bis zum Dienstzeitende des Antragstellers vorgesehene Verwendung auf seinem aktuellen Dienstposten hingewiesen und angemerkt, dass eine erneute Verwendung im Kommando ... nicht vorgesehen sei.

5 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. April 2023, beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen am Montag, den 15. Mai 2023, Beschwerde.

6 Die Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung mit Bescheid vom 27. September 2023 zurück. Die Beschwerde sei bereits unzulässig, weil keine persönliche Beschwer vorliege. Die Entbindung von der Verpflichtung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat stelle keinen Eingriff in den Rechtskreis des Antragstellers dar und verletze ihn damit auch nicht in subjektiven Rechten. Ein geschütztes subjektives Recht des Soldaten auf Fortdauer seiner Verpflichtung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat bestehe nicht. Die Entscheidung der personalbearbeitenden Stelle, ob und in welchem zeitlichen oder inhaltlichen Umfang ein Soldat zur Erhaltung von Erlaubnissen und Berechtigungen zur Inübunghaltung verpflichtet werde, beruhe allein auf der Organisations- und Planungshoheit des Bundesministeriums der Verteidigung und erfolge ausschließlich im dienstlichen Interesse und nicht im Interesse des betroffenen Soldaten. Das Bundesministerium der Verteidigung teilte in dem Beschwerdebescheid mit, dass es keinen Anlass für ein dienstaufsichtliches Einschreiten gefunden habe. Nachdem eine Wiederverwendung des Antragstellers auf einem Dienstposten als Kommandosoldat nicht geplant sei, entspreche es den Bestimmungen in der Allgemeinen Regelung (AR) C1-1454/1-1381 ("Verwendungen auf Dienstposten der Spezialkräfte ..."), den Antragsteller von der Verpflichtung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat zu entbinden.

7 Am 25. Oktober 2023 hat der Antragsteller beim Bundesministerium der Verteidigung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat diesen Antrag mit einer Stellungnahme dem Senat am 12. Dezember 2023 vorgelegt.

8 Der Antragsteller macht geltend, er sei vor der angefochtenen Entpflichtung nicht gehört worden. Er habe auch einen Anspruch auf Verpflichtung zur Inübunghaltung, weil wegen einer massiven Unterbesetzung ein dringender Bedarf an Kommandosoldaten und somit auch ein dienstliches Interesse an dem Fortbestand seiner Inübunghaltung bestehe. Die Voraussetzungen der maßgeblichen Dienstvorschriften seien erfüllt. Das mangelnde Interesse an seiner Verwendung im Kommando Spezialkräfte sei nur vorgeschoben und seine Rückkehr dorthin werde aus sachfremden Gründen "hintertrieben". Die Entpflichtung stelle für ihn eine willkürliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung dar.

9 Der Antragsteller beantragt,
das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr unter Aufhebung seiner Verfügung vom 13. April 2023 und des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 27. September 2023 zu verpflichten, seinen Antrag auf Fortbestand der Verpflichtung zur Inübunghaltung als Kommandosoldat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Es nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des Beschwerdebescheides.

12 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung, die Gerichtsakte des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes und die Personalgrundakte des Antragstellers lagen dem Senat bei der Entscheidung vor.

II

13 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bereits unzulässig, weil dem Antragsteller hierfür die Antragsbefugnis fehlt. Denn die einen Soldaten verpflichtende Anordnung zur Inübunghaltung erfolgt ausschließlich im dienstlichen Interesse; der Soldat hat kein geschütztes subjektives Recht auf Fortdauer seiner Verpflichtung zur Inübunghaltung.

14 Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung dient damit dem individuellen, subjektiven Rechtsschutz des Soldaten; es ist kein Instrument einer objektiven Rechtskontrolle oder einer allgemeinen Aufsicht über die Bundeswehr. Der Soldat kann nur ein ihm persönlich zustehendes Recht ("sein Recht") bzw. eine Verletzung ihm persönlich dienender Pflichten ("Pflichten ... ihm gegenüber") geltend machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WB 39.10 - juris Rn. 17).

15 Dem Antragsteller steht ein derartiges subjektives Recht auf Inübunghaltung als Kommandosoldat nicht zu.

16 Die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung oder der von ihm beauftragten zuständigen personalbearbeitenden Stelle, ob und in welchem zeitlichen oder inhaltlichen Umfang ein Soldat zur Gewährleistung der Aufgabenwahrnehmung und der Erhaltung seiner Einsatzfähigkeit als Kommandosoldat verpflichtet werden soll, beruht auf der Organisations- und Planungshoheit des Bundesministeriums der Verteidigung. Diese Organisations- und Planungshoheit erstreckt sich auch auf die Feststellung des militärischen Bedarfs, der seinerseits an dem sich aus Art. 87a GG ergebenden Gebot zu orientieren ist, das Gefüge der Streitkräfte so zu gestalten, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 - BVerfGE 28, 36). Die Frage, ob für die (weitere) Inübunghaltung eines Kommandosoldaten eine dienstliche Notwendigkeit unter Berücksichtigung des militärischen Bedarfs besteht, beruht auf planerisch-organisatorischen Gesichtspunkten und damit weitgehend auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen, bei denen auch haushaltsrechtliche Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2015 - 1 WB 41.14 - juris Rn. 17 zur fliegerischen Inübunghaltung m. w. N.).

17 In Konkretisierung seiner diesbezüglichen Organisations- und Planungshoheit hat das Bundesministerium der Verteidigung in der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-220/1 "Inübunghaltung ausgewählten Personals der Spezialkräfte der Bundeswehr und des Personalpools Stab Special Operations Component Command in anderen Verwendungen" der Sache nach festgelegt, dass die Verpflichtung zur Inübunghaltung auch für Kommandosoldaten in Betracht kommt und von der dienstlichen Notwendigkeit abhängt, die entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten als Kommandosoldat zu erhalten, bzw. an dem Erfordernis einer sachgerechten Erfüllung der Aufgaben auf dem jeweiligen Dienstposten zu orientieren ist. So wird in Nr. 103 ZDv A-220/1 ausgeführt, dass die Perspektive einer Verwendung auf Dienstposten in den Spezialkräften der Bundeswehr verbunden mit der verzugslosen Wahrnehmung von Einsatzaufgaben sowie die Notwendigkeit von Einsatzaufgaben aus einer Verwendung außerhalb der Spezialkräfte der Bundeswehr den Erhalt der Kommandotauglichkeit erfordern; dieses Personal ist verpflichtet, sich so in Übung zu halten, dass es bei Bedarf verzugslos für Einsatzaufgaben der Spezialkräfte der Bundeswehr herangezogen werden kann. Auch in Nr. 320 der Allgemeinen Regelung (AR) C 1-1454/1-1381 "Verwendungen auf Dienstposten der Spezialkräfte des Heeres" wird betont, dass grundsätzlich bei Bedarf alle Kommandosoldaten außerhalb der Einsatzverbände der Spezialkräfte oder innerhalb der Einsatzverbände der Spezialkräfte auf einem "Nicht-Kdo-Dienstposten" zur Inübunghaltung mit Verpflichtung zur Teilnahme an Einsätzen der Spezialkräfte verpflichtet werden können, solange eine anschließende Wiederverwendung auf einem Dienstposten als Kommandosoldat vorgesehen ist.

18 Die Anordnung der Inübunghaltung erfolgt demnach ausschließlich im dienstlichen Interesse und nicht im Interesse des betroffenen Soldaten. Es besteht daher kein geschütztes subjektives Recht eines Soldaten, die Aufhebung der Anordnung einer Inübunghaltung in Frage zu stellen oder eine erneute Anordnung dieses Inhalts vom Bundesministerium der Verteidigung zu verlangen. Ein derartiges Recht folgt weder aus persönlichen noch aus wirtschaftlichen Aspekten, so dass es auch ohne Belang ist, ob das mangelnde Interesse an seiner Verwendung im Kommando Spezialkräfte - wie der Antragsteller ohne nähere Substanz geltend macht - lediglich vorgeschoben bzw. Ausdruck einer "willkürlichen Diskriminierung und Ungleichbehandlung" sei. Die dem Antragsteller fehlende Antragsbefugnis lässt sich auch nicht durch den Wegfall von mit der Inübunghaltung verbundenen Zulagenberechtigung begründen. Zwar hat ein Soldat, wenn die Verpflichtung zur Inübunghaltung angeordnet ist, einen Rechtsanspruch auf die entsprechenden Zulagen; diese Folge einer Verpflichtung zur Inübunghaltung begründet jedoch kein subjektives Recht darauf, dass eine solche Verpflichtung angeordnet wird (vgl. zu alledem mit Blick auf eine fliegerische Inübunghaltung BVerwG, Beschluss vom 26. März 2015 - 1 WB 41.14 - juris Rn. 18).

19 Soweit der Antragsteller auf eine Unterbesetzung beim Kommando Spezialkräfte verweist, um seinen Anspruch zu begründen, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil dieser Umstand den allein vom Bundesministerium der Verteidigung zu verantwortenden planerisch-organisatorischen Bereich der Verteilung des verfügbaren Personals auf vorhandene Dienstposten betrifft, welcher der Kontrollbefugnis des Senats entzogen ist. Auf die Zweckmäßigkeitserwägungen des Soldaten, mit denen er ein dienstliches Interesse an seiner Inübunghaltung zu begründen sucht, kommt es ohnehin nicht an.

20 Der Antrag des Antragstellers, ihm nach Maßgabe des § 16a WBO die notwendigen Aufwendungen und Kosten im vorgerichtlichen Verfahren zu erstatten, ist nach alledem gegenstandslos.