Urteil vom 30.10.2012 -
BVerwG 2 WD 28.11ECLI:DE:BVerwG:2012:301012U2WD28.11.0

Leitsätze:

1. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Dienstvergehen in der Form außerdienstlich begangener, vorsätzlicher Sexualdelikte zulasten Erwachsener ist grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung. Erschwerende Aspekte insbesondere aus den Umständen der Tatbegehung oder den Auswirkungen der Tat können zu einer Modifikation der zu verhängenden Maßnahme nach oben Anlass geben.

2. Der Gewährung eines Unterhaltsbeitrages unwürdig ist, wer sich treuwidrig bedürftig macht oder erhält.

Die Unwürdigkeit im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 1 WDO kann sich ausnahmsweise auch aus besonderen Umständen in der Person des Soldaten oder seinem Tatverhalten ergeben.

  • Rechtsquellen
    WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7, § 63 Abs. 3
    SG § 17 Abs. 2 Satz 2, § 23 Abs. 1
    StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, §§ 22, 23

  • Truppendienstgericht Nord 7. Kammer - 24.05.2011 - AZ: TDG N 7 VL 14/11

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 30.10.2012 - 2 WD 28.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:301012U2WD28.11.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 28.11

  • Truppendienstgericht Nord 7. Kammer - 24.05.2011 - AZ: TDG N 7 VL 14/11

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 30. Oktober 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Heuwinkel und
ehrenamtliche Richterin Hauptfeldwebel Rieger,
Bundeswehrdisziplinaranwalt ...,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 24. Mai 2011 in Nr. 2 des Entscheidungstenors aufgehoben.
  2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen tragen der Soldat vier Fünftel und der Bund ein Fünftel.

Gründe

I

1 Der 33 Jahre alte Soldat wurde nach dem Hauptschulabschluss und einer Ausbildung zum Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenverkehr im September 1998 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Im August 2005 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Seine Dienstzeit endet regulär mit Ablauf des Juli 2033. Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt im Februar 2007 zum Hauptfeldwebel.

2 Nach verschiedenen Verwendungen in N. und D. erfolgte im September 2002 die Versetzung zur Schule für Feldjäger und Stabsdienst in S. und im Mai 2006 die Versetzung zur .../Feldjägerbataillon ... in H. . Von dort aus war er von Anfang März 2008 bis Ende Juni 2008 zum Einsatzverband ISAF nach Mazar-e-Sharif kommandiert.

3 Die letzte planmäßige Beurteilung vom 1. August 2008 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit 4,78. Im Persönlichkeitsprofil wurde die geistige Kompetenz als „stärker ausgeprägt“ bewertet. „Ausgeprägt“ und „bestimmendes Merkmal“ sei die funktionale Kompetenz. Gleichfalls „ausgeprägt“ sei die soziale Kompetenz, während die Kompetenz in Menschenführung „weniger ausgeprägt“ sei. Zusammenfassend heißt es dort, Hauptfeldwebel ... sei ein sehr intelligenter und engagierter Portepeeunteroffizier, der, im Vergleich noch jung an Jahren, bereits über ein hohes Verantwortungsbewusstsein verfüge und mit Engagement sein überzeugendes, einwandfreies berufliches Selbstverständnis im Inland wie in der Auslandsverwendung verdeutliche. In seine Rolle als dienstgradälterer Portepeeunteroffizier finde er sich zunehmend besser ein und werde dort mit steigender Dienst- und Lebenserfahrung in den nächsten Jahren mit Sicherheit zunehmend an Profil gewinnen. Im militärischen Auftreten stets tadellos verdeutliche dieser loyale und verlässliche Feldjägerfeldwebel seine positive Grundeinstellung zu seinem Beruf und seinem Auftrag durch hohen Einsatzwillen. Im Kameradenkreis sei er uneingeschränkt integriert und respektiert. Im Wesen eher zurückhaltend, dabei aber stets offen im Auftreten sei er ein Gesprächspartner, der grundsätzlich mit fundierter Argumentation überzeuge und seinen Standpunkt in der Kontroverse auch mit Nachdruck zu vertreten wisse. Von hohem Intellekt habe er in seiner Vorverwendung im Schulstab der Schule für Feldjäger- und Stabsdienst der Bundeswehr mehr als nur überzeugt. Dieses hohe Leistungspotential müsse er in seiner jetzigen Verwendung als Dienstgruppenführer in der Vergleichsgruppe der Hauptfeldwebel aktivieren und seinen Vorgesetzten noch stärker verdeutlichen. Perspektivisch werde er mittel- bis langfristig für eine Verwendung im Bereich der Kompanieführung wie etwa als Kompanieführer oder eine erneute Verwendung in einem Stab zu betrachten sein.
Der beurteilende Vorgesetzte hielt ihn hiernach für Stabsverwendungen für „besonders gut geeignet“, für Führungs- und Lehrverwendungen sowie für Verwendungen mit besonderer Spezialisierung für „gut geeignet“ und für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung für „geeignet“.

4 Der nächsthöhere Vorgesetzte erklärte sich mit der Beurteilung des Kompaniechefs einverstanden. Hauptfeldwebel ... sei ein noch recht junger Feldjägerhauptfeldwebel, der den Wechsel vom Stab zur Feldjägerkompanie mit ordentlichen Ergebnissen vollzogen habe, aber noch nicht vollständig an sein bisheriges Leistungsvermögen habe anknüpfen können. Das werde ihm mit dem bisher dokumentierten Leistungswillen und seiner positiven Dienstauffassung sicherlich mit zunehmender Erfahrung gelingen. Im Auslandseinsatz ISAF habe er seine Stärken belegen und mit guten Leistungen überzeugen können. Zurzeit nehme er noch einen Platz im oberen Bereich des unteren Drittels ein. Er solle weiterhin auf seinem gegenwärtigen Dienstposten eingesetzt bleiben. Eine spätere Verwendung als Kompanietruppführer oder im FGG 3 auf der Ebene KdoBeh oder auch in einem Amt halte er für erwägenswert. Für eine integrierte Verwendung müsse eine entsprechende Sprachausbildung vorausgehen. Er verfüge über das Potenzial für Leistungssteigerungen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehe er seine Entwicklung bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

5 In dem der Beurteilung beigefügten Beurteilungsbeitrag für den Einsatz beim Feldjägerausbildungskommando ... in Mazar-e-Sharif heißt es auszugsweise, Hauptfeldwebel ... überzeuge im Rahmen seiner Tätigkeit als stellvertretender Zugführer durch ständiges Engagement und hohen Einsatzwillen. Eigeninitiative und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein prägten sein Handeln. Er sei ein vergleichsweise junger Hauptfeldwebel, der seinen Standpunkt konsequent, manchmal zu impulsiv vertrete.

6 In der Sonderbeurteilung vom 4. November 2011 bewertete der Kompaniechef die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit 5,33.
Erläuternd heißt es, der Soldat sei im Beurteilungszeitraum aus gesundheitlichen Gründen nur bedingt auslandsverwendungsfähig und nur bedingt allgemein dienstfähig gewesen. Er habe gesundheitliche Einschränkungen, die ihn an der umfassenden Wahrnehmung seiner dienstpostenspezifischen Tätigkeiten - physisch wie psychisch - hinderten.
Die funktionale Kompetenz wurde als „stärker ausgeprägt“ und „bestimmendes Merkmal“ gesehen. Gleichfalls „stärker ausgeprägt“ sei die soziale Kompetenz, während die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung „ausgeprägt“, die konzeptionelle Kompetenz „weniger ausgeprägt“ seien. Zusammenfassend heißt es unter anderem, der Soldat sei ein intelligenter und mit gut ausgeprägten geistigen Anlagen versehener Feldjägerfeldwebel, der über eine schnelle Auffassungsgabe verfüge. Mit einem seinem Dienstgrad und Lebensalter entsprechend gut ausgebildeten Wissensstand und ebensolcher Allgemeinbildung vermöge er im Gespräch durch Konstruktivität und Sachlichkeit zu überzeugen. Probleme würden vollständig erfasst und durchdrungen und die logischen Schlussfolgerungen gezogen. In seiner Denkweise sei er gradlinig und klar strukturiert. Er beherrsche die Einsatzgrundsätze und Verfahrensweisen der Truppengattung und seiner Spezialisierung „Erhebungen und Ermittlungen“ äußerst umfassend und sicher. Theoretisches Wissen und praktisches Können gingen eine ausgezeichnete Symbiose ein. Jedoch mehr praxisorientiert, sei er in der Planung seiner Mittel und Ressourcen im Gefüge von Raum, Zeit und Auftrag handlungssicher und zielgerichtet. In seiner Wesensart sei Hauptfeldwebel ... ein grundsätzlich ruhiger, mitunter etwas introvertiert wirkender, disziplinierter, mit einem feinen Humor versehener Soldat, der durch Loyalität und Zuhörvermögen besteche. In der Entwicklung seiner Wesensart scheine er im längeren Nachklang seines ISAF-Einsatzes 2008 manchmal leichten Stimmungsschwankungen (im Sinne von Freude und Enthusiasmus zu Nachdenklichkeit und Rückzug/Stille) zu unterliegen. Er arbeite mit Vorgesetzten, Untergebenen und Gleichgestellten sehr vertrauensvoll und kooperativ zusammen, verfüge über einen ausgeprägten Teamgeist und sei nicht zuletzt deshalb im Unteroffizierkorps der Kompanie bis dato respektiert und geachtet. Hinsichtlich seiner Einschränkungen seit Ende 2009 und folgend habe er jedoch teilweise an Akzeptanz und Achtung verloren. Hauptfeldwebel ... verfüge über ein grundsätzlich einwandfreies berufliches und soldatisches Selbstverständnis. Verantwortungsbewusst stelle er sich allen Eigenheiten des Berufes und stehe auch für sein eigenes Handeln und das seiner Untergebenen ohne wenn und aber ein. Im ISAF-Einsatz habe er sich umfassend bewährt. Er sei für Lehrverwendungen „besonders gut geeignet“, für Führungs- und Stabsverwendungen „gut geeignet“, für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung und mit besonderer Spezialisierung „geeignet“.

7 Der nächsthöhere Vorgesetzte merkte an, der Soldat verfüge über eine gute Dienstauffassung und sei sich seiner Verantwortung als FJgStrfFhr und Erheber/Ermittler sowie seiner Rechte und Pflichten als militärischer Vorgesetzter bewusst. Kritik an seinem dienstlichen Handeln stehe er offen gegenüber und zeige sich insgesamt einsichtig. Nicht selten offeriere er Verbesserungsvorschläge und zeige auch in Dingen des alltäglichen Dienstes keine gleichgültige Haltung. Das Maß seines persönlichen Einsatzes im täglichen Dienstbetrieb sei abhängig von der vorhandenen Auftragslage, jedoch versehe er seinen Dienst mit hoher innerer Motivation. Auch im Rahmen des erweiterten Aufgabenspektrums der Feldjägertruppe habe er sich in seinem zurückliegenden Einsatz bei ISAF bewährt. Zurzeit in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt, habe er jedoch in allen verstrichenen Jahren seines Soldatenberufes vor 2011 seine körperliche Leistungsfähigkeit uneingeschränkt bewiesen. Er zeige sich als solider Portepeeunteroffizier, der mit zunehmender Dienstzeit und weiterer Erfahrung Potenzial zu mehr habe. Zurzeit durch die dienstlich gegebenen Einschränkungen gebremst, werde seine zukünftige Leistungsfähigkeit perspektivisch deutlich nach oben zeigen.

8 In der Berufungshauptverhandlung hat der derzeit aufgrund eines Vertretungsbefehls die Einheit führende Hauptmann J. als Leumundszeuge ausgeführt, er kenne den Soldaten bereits seit Oktober 2008. Dieser sei ihm gegenüber freundlich, aufgeschlossen und loyal aufgetreten. Aggressive Verhaltensweisen des Soldaten habe er nie erlebt und hiervon auch aus dem Dienst nie erfahren. Allerdings sei der an sich ruhige Soldat gelegentlich dünnhäutig gewesen und habe in manchen Situationen impulsiv und aufbrausend reagiert. Dies sehe er selbst als Ausdruck von Überforderung. Von der gelegentlichen Dünnhäutigkeit des Soldaten habe er nachträglich erfahren, als er sich in Vorbereitung seiner Aussage in der Einheit erkundigt habe. Der Soldat habe aber als Feldjäger sehr gute Arbeit geleistet. Im Laufe des Verfahrens sei er aus dem Schichtdienst herausgenommen worden und habe dann einige Zeit Innendienst geleistet. Im Kameradenkreis sei bekannt geworden, was dem Soldaten vorgeworfen werde. Nach der Festnahme habe es Gerüchte gegeben. Major B. habe, um die Weitergabe von Gerüchten zu unterbinden, in Absprache mit dem Soldaten einige Informationen über das Verfahren weitergeleitet.

9 Der Soldat ist Träger u.a. des Tätigkeitsabzeichens Allgemeiner Heeresdienst Stufe I, des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Bronze und der Einsatzmedaille der Bundeswehr in Bronze. Im August 2004 hat er für eine herausragende besondere Leistung eine Leistungsprämie als Einmalzahlung in Höhe von 1 150 € erhalten.

10 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 15. September 2012 verweist auf die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung durch das Amtsgericht S. wegen versuchter Vergewaltigung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung. Die Auskunft aus dem Zentralregister und dem Erziehungsregister vom 14. September 2012 enthält ebenfalls den Verweis auf die seit dem 16. Juni 2010 rechtskräftige Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 11 Monaten durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 8. Juni 2010 wegen versuchter Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.

11 Das Urteil des Amtsgerichts S. vom 8. Juni 2010 betrifft den Sachverhalt, der Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist. Nachdem der Soldat und sein Verteidiger zu Protokoll erklärt hatten, das Urteil anzunehmen und auf Rechtsmittel zu verzichten, wurde es nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Staatsanwaltschaft rechtskräftig. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht hatten der Soldat und die Geschädigte im Adhäsionsverfahren einen Vergleich über eine Ausgleichszahlung zur Abgeltung aller Schäden mit einem Rücktrittsvorbehalt für den Fall der Verurteilung zu einer längeren als der im Urteil ausgesprochenen Freiheitsstrafe geschlossen.

12 Der Soldat ist geschieden und hat zwei 2004 und 2006 geborene Söhne.

13 Seit dem 15. Juni 2011 ist er vorläufig des Dienstes enthoben. Gleichzeitig wurde die Einbehaltung von 25 % seiner Dienstbezüge angeordnet.

14 Nach der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 21. September 2012 standen ihm im September ohne Berücksichtigung des Einbehaltungsbetrages Bezüge in Höhe von 2 723 € brutto zu. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge und von Vermögenswirksamen Leistungen entspricht dies Bezügen in Höhe von 2 245,26 € netto vor Abzug des Einbehaltungsbetrages. Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung erläutert, unter Berücksichtigung des Kürzungsbetrages erhalte er pro Monat ca. 1 720 € netto ausgezahlt. Seine geschiedene Ehefrau habe auf Unterhalt für sich verzichtet. Er leiste aber für seine Kinder pro Monat 436 € Unterhalt. Mit 470 € pro Monat bediene er auch noch den Kredit, den er aufgenommen habe, um die Kosten des Strafverfahrens und die Entschädigungszahlungen an die Geschädigte leisten zu können. Der Kredit belaufe sich auf etwa 75 000 €. Nach der Suspendierung habe er eine Zeit lang als Kurierfahrer hinzuverdient. Nach einem Unfall habe er diese Nebentätigkeit aber eingestellt, weil sein für diese Tätigkeit erforderlicher PKW einen Totalschaden erlitten habe. Im Falle einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis würde er zur Verbesserung seiner Berufsaussichten gern den Realschulabschluss nachholen.

II

15 1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Befehlshabers im Wehrbereich I vom 30. März 2010 eingeleitet worden. Zuvor war die Vertrauensperson angehört und ihre Stellungnahme dem Soldaten bekannt gegeben worden.

16 Nach Gewährung des Schlussgehörs am 10. November 2010 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 8. Februar 2011 ein vorsätzlich begangenes Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG zur Last gelegt.

17 Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 24. Mai 2011 den Soldaten wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienstverhältnis entfernt und die Gewährung des gesetzlichen Unterhaltsbeitrages ausgeschlossen.

18 Ihrer Entscheidung legt die Kammer folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
„Die gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO die Kammer bindenden tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts S. - Schöffengericht - in dessen Urteil vom 08. Juni 2010 zu den Aktenzeichen: ..., rechtskräftig seit dem 16. Juni 2010, lauten:
‚Ende September bzw. Anfang Oktober 2009 hielt sich der Angeklagte im Rahmen eines Weiterbildungslehrgangs in der Kaserne in S. auf. Am Abend des 01. Oktober 2009 gab es anlässlich des nahen Endes des Lehrgangs eine Feier in der Kaserne. Diese Feier ging um 19.00 Uhr los. Im Rahmen dieser Feier trank der Angeklagte 3 Cola-Weizen zu je 0,5 I und außerdem 4 - 5 Jägermeister zu je 0,04 l.
Etwa gegen 24.00 Uhr lief der Angeklagte zusammen mit den Zeugen V. und S. in die Stadt. Dort trank er in einer Gaststätte weitere alkoholische Getränke. Es handelte sich hierbei um kleine Schnäpse, und zwar sogenannte B 52. Hinzu kamen noch 2 Cola-Weizen und möglicherweise noch 1 Jägermeister. Insgesamt hatte der Angeklagte damit bis etwa gegen 03.00 Uhr morgens am 02. Oktober 2009 maximal 138 g Alkohol zu sich genommen. Dies führte bei ihm zu einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 1,56 Promille.
In diesem Zustand verließ er kurz vor 03.00 Uhr die Kneipe und lief durch S. Er war von diesem Abend enttäuscht, und zwar deshalb, weil es ihm nicht gelungen war, bei zwei Bedienungen zu landen. Er hatte zunächst versucht, mit der Bedienung R. anzubandeln. Diese fasste er wiederholt an der Hüfte an, als sie auf einem Barhocker saß. Als sie ihm deutlich zu verstehen gab, dass sie nichts von ihm wissen wollte, hatte er dann enttäuscht von ihr abgelassen. Danach hatte er die Bedienung St. gefragt, ob es sich lohne, auf sie zu warten, wenn sie mit ihrer Arbeit in der Nacht fertig sei. Die Zeugin hatte ihm aber deutlich zu verstehen gegeben, dass ihr Freund bereits draußen auf sie wartete. Der Angeklagte wollte aber auf sexuelle Erlebnisse in dieser Nacht nicht verzichten.
Vor dem Gebäude Lagerstraße 1 traf er auf die ihm völlig unbekannte Nebenklägerin R. . Diese liefert dort regelmäßig Zeitungen aus, das tat sie auch gerade in dieser Nacht. Sie war damit beschäftigt, Zeitungspakete aus dem Fahrzeug herauszunehmen, als sie plötzlich bemerkte, dass der Angeklagte auf sie zu kam. Er sagte zu ihr: ‚Ich vergewaltige dich jetzt’. Im gleichen Moment fasste er sie mit beiden Händen an der Oberbekleidung an und zerrte sie. Dabei schrie er sie immer wieder an mit den Worten: ‚Du Schlampe, ich vergewaltige dich jetzt’. Die Zeugin wehrte sich und drückte ihn weg. Sie forderte ihn auf zu gehen. Wegen der Gegenwehr der Zeugin sah der Angeklagte zunächst keine Möglichkeit, sein Vorhaben zu beenden. Er lief daher wenige Meter von der Geschädigten weg. Dann blieb er stehen, fasste sich in den Schritt und sagte dabei: ‚Du Schlampe, jetzt hättest du endlich mal einen richtigen Schwanz drin gehabt’. Die Zeugin erklärte ihm, dass sie darauf verzichten könne. Dann setzte sie ihre Entladetätigkeit fort.
Wenige Augenblicke später drehte der Angeklagte sich jedoch um, da er einen erneuten Versuch unternehmen wollte, die Geschädigte zur Duldung sexueller Handlungen zu zwingen. Er rannte daher los in der Absicht, die Zeugin unter Zuhilfenahme massiver Gewalt zu vergewaltigen. Dabei sprang er mit einem regelrechten Kamikaze-Sprung auf die Zeugin zu und trat mit dem Fuß heftig gegen ihr rechtes Knie. Die Zeugin fiel dadurch zu Boden. Er schrie weiterhin laufend: ‚Ich vergewaltige dich jetzt, ich vergewaltige dich jetzt, du Schlampe’. Die Zeugin versuchte, beruhigend auf ihn einzuwirken, dies hatte aber keinen Erfolg. Er schlug sie mit den Händen ins Gesicht und trat auf die am Boden liegende Zeugin mit den Füßen ein. Auch fasste er sie an der Oberbekleidung und versuchte, ihre Vliesjacke auszuziehen. Die Zeugin schrie unentwegt um Hilfe und versuchte dauernd, von ihm weg zu robben. Wegen der massiven Gegenwehr der Zeugin sah der Angeklagte schließlich keine Möglichkeit mehr, sein Vorhaben unentdeckt durchzuführen, weshalb er von ihr abließ und flüchtete.
Durch die Angriffe des Angeklagten erlitt die Nebenklägerin R. einen Schock. Sie hatte im rechten Knie 6 - 7 Wochen lang starke Schmerzen, außerdem waren beide Knie geprellt. Das linke Knie schmerzte vom Sturz ca. 1 Woche lang. 3 - 4 Wochen lang litt sie unter starken Kopfschmerzen. Auch hatte sie eine Gesichtsprellung in der rechten Gesichtshälfte. Die Rippen und der Brustkorb schmerzten ca. 4 Wochen lang beim Sitzen und beim Liegen. Auch hatte sie ein Hämatom an der linken Brust. Weil sie so heftig geschrien hatte, war sie ca. 4 Wochen lang heiser. Die Stimme war teilweise ganz weg oder klang völlig verzerrt. Das rechte Sprunggelenk schmerzte beim Verdrehen ca. 2 Wochen lang. Das Jochbein rechts und die Augenbrauen rechts schmerzten 1 - 2 Wochen lang. Außerdem hatte sie nach dem Überfall starke Hals- und Nackenschmerzen, welche auch heute noch andauern. Ihre Probleme im Halswirbelbereich haben sich verschlimmert. Sie hatte 2001 eine Bandscheibenoperation, bei der der 6. und 7. Wirbel versteift wurden. 2007 hatte sie einen Lendenwirbel-Bandscheibenvorfall und eine Wirbelkanalverengung. Der Wirbelkanal wurde operativ vergrößert. Kurz vor dem Überfall hatte sie die letzten krankengymnastischen Behandlungen wegen der Nackenschmerzen gehabt. Die nach wie vor bestehenden körperlichen Schmerzen im Nacken, im Schulter- und Halsbereich mildert sie mit der Einnahme von Ibuprofen 400 - 800. Sie leidet bis heute unter extremen Schlafstörungen. Sie wacht oft in der Nacht auf und ist dann bis zu 2 Stunden wach. Daher ist sie auf Schlaftabletten angewiesen. Hinzu kommt, dass sie bis zum heutigen Tag an Angstzuständen leidet. Diese sind zur Zeit verstärkt, weshalb sie Beruhigungsmittel nehmen muss. Sie nimmt dagegen Citalopram 30 mg und außerdem muss sie zusätzlich noch zweimal wöchentlich Beruhigungsspritzen verabreicht bekommen mit dem Medikament Imaph.
Zusätzlich leidet sie bei ihren Angstzuständen unter Herzrasen, Schweißausbrüchen und einem Druck auf der Brust, vor allem, wenn sie im Freien ist. Deshalb muss sie sich im Freien ständig vergewissern, dass niemand hinter ihr geht. Der Zustand hat sich seit Anfang Mai 2010 etwas gebessert. Seither kann sie etwas ruhiger gehen, auch weil ihr Hund mittlerweile ausgewachsen ist. Trotzdem hat sie das Vertrauen zu Dritten verloren und beachtet sie mit einem verstärkten Misstrauen. Gerade auch beim Spazierengehen wird sie bei entgegen kommenden Männern sehr nervös. Sie ist nach wie vor vollschichtig arbeitstätig. Allerdings hat sie zu Hause nicht mehr die Kraft, ihr früheres Arbeitspensum zu erledigen. Auch hat sie sich durch die Tat psychisch stark verändert. Sie war früher eine standhafte Frau, jetzt ist sie immer wieder zerbrechlich und in weinerlicher Stimmung.
Nach dem Vorfall war die Zeugin längere Zeit krankgeschrieben. Seit dem 18. Januar 2010 arbeitet sie wieder, und zwar im 3-Schicht-Betrieb bei der Firma ... . Ihren Nebenjob kann sie jetzt gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben. Ihre Schwester hat ein kleines Fuhrunternehmen und für sie hat sie bisher nachts noch Zeitungen ausgefahren. Dadurch konnte sie etwa 300,00 € monatlich verdienen. Dieses zusätzliche Einkommen war für die Familie dringend erforderlich, weil sich ihre Familie ein Haus gekauft hat, eine Scheune gebaut und Tiere gekauft hat. Dadurch gab es hohe Schulden, weshalb die Familie auf das Nebeneinkommen der Zeugin angewiesen war. Dieses Nebeneinkommen ist jetzt weggefallen, weil sie sich nachts nicht mehr nach draußen traut und auch körperlich nicht mehr so belastungsfähig ist.
Nach der Tat ist die Zeugin am 04. Oktober 2009 zusammengeklappt. Sie war vom 09. Oktober bis zum 17. Dezember 2009 in psychiatrischer Behandlung. Auch war sie bis zum 15. Januar 2010 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit dem 25. Mai 2010 ist sie wegen psychischer Erschöpfung und Panikattacken bzw. Angstzuständen und Weinkrämpfen wieder krankgeschrieben. Ab dem 30. Juli 2010 sollen weitere therapeutische Maßnahmen ergriffen werden zur Verarbeitung der Tat. Geplant ist ein stationärer Aufenthalt von 4 Wochen.“

19 Der Soldat hat das Geschehen nicht bestritten, sondern angegeben, er könne sich an das Geschehen nicht erinnern, es sei wohl so gewesen, wie es das Amtsgericht S. festgestellt habe. Die Verteidigerin hat ergänzend erklärt, dem amtsgerichtlichen Urteil werde nicht entgegengetreten.

20 Die Entscheidung des Amtsgerichts S., mit einer Freiheitsstrafe von elf Monaten unter dem statusrechtlich relevanten Schwellenwert von zwölf Monaten zu bleiben, dürfte ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 08. Juni 2010 (fertig gestellt am 14. Juni 2010) durch einen Vergleich des Opfers/der Adhäsionsklägerin mit dem Angeklagten/Soldaten begünstigt worden sein:
‚ ... Sodann schlossen die Adhäsionsklägerin, der Angeklagte und der Verteidiger folgenden
Vergleich:
1. Der Angeklagte zahlt an die Adhäsionsklägerin Frau R., ..., den Betrag von 21.000,-- Euro binnen 2 Monaten ab Rechtskraft des Urteils.
2. Mit dieser Zahlung ist der Schaden aus dem Vorfall vom 02. Oktober 2009 abgegolten.
3. Die Kosten des Adhäsionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Angeklagte kann von diesem Vergleich zurücktreten für den Fall, dass er zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 11 Monaten verurteilt werden sollte.
Der Rücktritt ist durch Anwaltsschriftsatz gegenüber dem Gericht zu erklären und zwar innerhalb von 2 Wochen, gerechnet ab heute.
v. u. g. ...’

21 Im Bewährungsbeschluss hat das Schöffengericht dem Soldaten die Auflage erteilt, ‚den heute zwischen ihm und der Nebenklägerin/Adhäsionsklägerin abgeschlossenen Vergleich zu erfüllen’.“

22 Der Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 2 SG begangen.

23 Dieses wiege außerordentlich schwer. Der Soldat habe kriminelles Unrecht begangen. Die verhängte Freiheitsstrafe liege nur knapp unterhalb der Grenze eines automatischen Verlusts seiner Rechtsstellung als Berufssoldat. Bei einer am Widerstand des Opfers scheiternden Vergewaltigung sei Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis, wenn nicht erhebliche Milderungsgründe vorlägen. Solche Milderungsgründe gebe es nicht. Die vom Amtsgericht festgestellte Alkoholisierung begründe keine Zweifel an der uneingeschränkten disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 21 StGB vorlägen, sei der Sanktionsrahmen bei selbstverschuldeter Trunkenheit nicht zu verschieben. Milderungsgründe in den Umständen der Tat gebe es nicht. Eine Nachbewährung sei nicht festzustellen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Unterbleiben einer vorläufigen Dienstenthebung. Dies sei erfolgt, um die Opferentschädigung nicht zu gefährden und stelle keinen Vertrauensbeweis dar.

24 Eines Unterhaltsbeitrages sei der Soldat nicht würdig. Sein Fehlverhalten sei von so ungewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet, dass er jeden Rest an nachwirkender Fürsorge verwirkt habe. Er sei als Feldjäger besonders dazu berufen, Recht und Gesetz zu achten, habe aber eine in der Feldjägerschule erlernte Kampftechnik eingesetzt, um eine Straftat zu begehen. Nach dem Scheitern eines ersten Versuches, den Widerstand des Opfers zu brechen, habe er mit erheblichem Gewalteinsatz erneut versucht, das Opfer gefügig zu machen. Das Opfer habe erhebliche Verletzungen erlitten. Das Schöffengericht sei zutreffend von einem besonders schweren Fall im Sinne von § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Die milde Entscheidung sei wesentlich durch die im Vergleich erklärte Bereitschaft zur Zahlung von Schadensersatz motiviert.
Der Soldat sei auch nicht bedürftig. Er habe treuwidrig jeden Versuch unterlassen, frühzeitig für sein Auskommen nach einer zu erwartenden Entfernung aus dem Dienstverhältnis vorzusorgen. Die Versagung eines Unterhaltsbeitrages belaste ihn nicht übermäßig, da er durch die fehlerhaft unterbliebene Dienstenthebung bereits unangemessen gut gestellt worden sei.

25 2. Gegen das ihm am 6. Juli 2011 zugestellte Urteil hat der Soldat am 8. August 2011 zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt, diese in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Bundeswehrdisziplinaranwaltes aber auf die Bemessung der Maßnahme und die Aberkennung des Unterhaltsbeitrages beschränkt.

26 Der Soldat lässt durch seinen Verteidiger vortragen:
Das Truppendienstgericht gehe davon aus, dass der Soldat gegen das Opfer eine dienstlich erlernte Kampftechnik eingesetzt habe, ohne dass es das Video, aus dem sich dieser Einsatz ergeben solle, in Augenschein genommen habe. Eine Inaugenscheinnahme des Videos ergebe, dass der Soldat keine dienstlich erlernten Kampftechniken eingesetzt habe. Die Alkoholisierung des Soldaten werde nicht angemessen berücksichtigt. Eine Nachbewährung sei fehlerhaft nicht zu seinen Gunsten eingestellt worden. Das Verhalten der Einleitungsbehörde, das Unterbleiben einer vorläufigen Dienstenthebung, sei fehlerhaft zu seinen Lasten gewertet worden. Insgesamt sei eine Degradierung ausreichend. Die Aberkennung des Unterhaltsbeitrages begründe die Unwürdigkeit des Soldaten irrig mit dem missbräuchlichen Einsatz dienstlich erlernter Kampftechniken gegen das Opfer. Die mangelnde Bedürftigkeit werde rechtsfehlerhaft damit begründet, dass der Soldat es treuwidrig unterlassen habe, sich rechtzeitig um eine berufliche Perspektive außerhalb der Bundeswehr zu kümmern.

III

27 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als sie sich gegen die Aberkennung des Unterhaltsbeitrages richtet. Daher ist die Nummer 2 des Tenors des angegriffenen Urteils mit der Folge aufzuheben, dass der Unterhaltsbeitrag in dem gesetzlich als Regelfall vorgesehenen Umfang zu gewähren ist. Da die Verhängung der Höchstmaßnahme aber im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, ist die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

28 Das Rechtsmittel des früheren Soldaten ist in der Berufungshauptverhandlung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Soweit in der Beschränkung eine teilweise Rücknahme des Rechtsmittels liegt, hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt ihr zugestimmt (§ 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 303 Satz 1 StPO). Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

29 1. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der Soldat zweimal in kurzer Folge gewaltsam versucht hat, die Geschädigte gegen ihren Willen zur Duldung des Geschlechtsverkehrs zu zwingen und dass er sie bei dem zweiten Versuch durch Tritte erheblich verletzt hat. In der Folge hat die Geschädigte nicht nur unter massiven Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens, sondern auch unter starken psychischen Folgen gelitten. Dadurch habe der Soldat vorsätzlich gegen seine Pflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen und so ein Dienstvergehen im Sinne von § 23 Abs. 1 SG begangen.

30 Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

31 2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Hiernach ist vorliegend die Entfernung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis geboten.

32 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen sehr schwer.

33 Seine Schwere wird vor allem dadurch bestimmt, dass der Soldat eine kriminelle Straftat (versuchte Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 223 Abs. 1, §§ 230, 22, 23 Abs. 1 §§ 52, 53, 56 StGB) begangen hat und dafür zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt wurde, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Straftat gegen die körperliche Integrität und die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen Menschen wiegt schwer. Denn mit einer solchen kriminellen Handlung wird die rechtlich besonders geschützte Intimsphäre eines anderen Menschen in grober Weise missachtet. Eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist ebenso wie eine brutale körperliche Misshandlung mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und dem Verfassungsprinzip der Wahrung der Menschenrechte unvereinbar. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses Gebot kann innerhalb wie außerhalb der Streitkräfte nicht unterschiedlich gelten (vgl. Urteile vom 18. Januar 1991 - BVerwG 2 WD 24.89 - BVerwGE 93, 19 = NZWehrr 1991, 163, vom 23. Januar 1996 - BVerwG 2 WD 32.95 - DokBer B 1996, 147 und vom 5. Mai 1998 - BVerwG 2 WD 25.97 - BVerwGE 113, 217 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 19). Wer außerhalb des Dienstes durch eine schwere Straftat eine Missachtung der Grundwerte der Verfassung dokumentiert, wirft ernsthafte Zweifel daran auf, dass er den sich aus dem Auftrag der Streitkräfte ergebenden Anforderungen an einen Soldaten im dienstlichen Bereich genügen kann. Er beeinträchtigt nicht nur das Ansehen der Bundeswehr, sondern auch Achtung und Vertrauen, die seine dienstliche Stellung fordert, schwer und verletzt damit eine Grundpflicht, die funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Wahrung des militärischen Dienstbetriebes und schon deshalb hohe Bedeutung hat.

34 Ein solches Verhalten ist auch mit der gesetzlichen Verpflichtung zu vorbildhaftem Verhalten gemäß § 10 Abs. 1 SG unvereinbar. Durch die Straftat hat sich der Soldat, der aufgrund seines Dienstgrades als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis steht (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV), nachhaltig in seiner Dienststellung als Vorgesetzter disqualifiziert. Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung. Dafür ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29>, vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5>).

35 Die besondere Schwere der Pflichtverletzung ergibt sich zudem zum einen aus der wiederholten Begehung einer schwerwiegenden Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zum anderen aus der hohen Brutalität, mit der der Soldat bei dem zweiten Versuch zugleich eine Körperverletzung mit gravierenden gesundheitlichen Folgen für die Geschädigte begangen hat.

36 Die besondere Schwere leitet der Senat allerdings nicht aus dem Missbrauch einer im Rahmen der Feldjägerausbildung erlernten Kampftechnik für die Begehung einer Straftat ab. Denn nach der Inaugenscheinnahme des Teile der Tathandlung dokumentierenden Films einer Überwachungskamera in der Berufungshauptverhandlung konnte der Leumundszeuge, der aufgrund eines Vertretungsbefehls eine Feldjägereinheit führt und von dessen Sachkunde daher auszugehen ist, keine solche Kampftechnik identifizieren. Vielmehr handelt es sich nach seiner Einschätzung um einen Sprung, den jedermann auch ohne besondere Kenntnisse ansetzen kann, wenn er mit Wucht gegen etwas oder jemanden treten will.

37 b) Das Dienstvergehen hatte erhebliche nachteilige Auswirkungen zum einen für die Geschädigte, zum anderen aber auch für das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit.

38 Das Opfer der Straftat des Soldaten wurde durch das kriminelle Fehlverhalten in ihrer körperlichen Integrität und in ihrer Intimsphäre in gravierender Weise verletzt. Der Intim- und Sexualbereich ist als Teil der höchstpersönlichen Privatsphäre verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besonders geschützt. Insbesondere steht jedem Menschen das Recht zu, seine Einstellung zum Geschlechtlichen und sein sexuelles Verhalten eigenverantwortlich selbst zu bestimmen und allein darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er sexuelle Kontakte aufnehmen oder eingehen will. Dieses fundamentale Recht der Geschädigten hat der Soldat grob missachtet. Dadurch hat er bei ihr erhebliche psychische Beeinträchtigungen verursacht, die stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie nötig machten und die Geschädigte über einen längeren Zeitraum in ihrer Lebensführung stark beeinträchtigten. Außerdem hat die Geschädigte durch seinen Angriff erhebliche körperliche Verletzungen und daraus resultierend starke Schmerzen über einen langen Zeitraum erlitten.

39 Zu Lasten des Soldaten fällt ferner ins Gewicht, dass sein Fehlverhalten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist und damit ein schlechtes Licht auf die Bundeswehr und ihre Angehörigen geworfen hat. Dies muss er sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - Rn. 32 m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 25>) zurechnen lassen. In regionalen Medien ist mehrfach über die Tat berichtet worden. In den in der Berufungshauptverhandlung auszugsweise verlesenen Berichten war jeweils erwähnt worden, dass der mutmaßliche Täter Angehöriger der Bundeswehr sei. Die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und das gute Einvernehmen mit der Einwohnerschaft am Standort wird gefährdet, wenn in der lokalen Bevölkerung der Eindruck entsteht, die Anwesenheit von Soldaten außerhalb der Kaserne begründe eine Gefährdungssituation für die Bürger. Dieser Eindruck kann gerade in einer Kleinstadt wie S., in der eine größere Anzahl von Soldaten kurzzeitig Lehrgänge durchläuft, durch Straftaten standortfremder Soldaten zulasten der Einwohner besonders leicht entstehen. Dieser Aspekt verleiht der dem Soldaten zurechenbaren Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr und ihrer Angehörigen Gewicht und unterstreicht die Bedeutung generalpräventiver Bemessungserwägungen.

40 Das Dienstvergehen hatte auch nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb und ist nach den Angaben des Leumundszeugen im Kameradenkreis bekannt geworden. Wegen der Untersuchungshaft und der laufenden Ermittlungen waren personallenkende Maßnahmen nötig.

41 c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Der Wunsch, sich durch Gewalt gegen Dritte sexuelle Befriedigung zu verschaffen, offenbart schwere Charaktermängel.

42 d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Bindend für das gerichtliche Disziplinarverfahren steht durch die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils auch fest, dass der Soldat durch den Grad seiner Alkoholisierung nicht schuldunfähig war.

43 Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist unerheblich, ob das Ausmaß seiner Alkoholisierung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ausschließt. Selbst wenn die Schuldfähigkeit des Soldaten zum Tatzeitpunkt im Sinne des § 21 StGB durch den vorangegangenen Alkoholgenuss erheblich gemindert gewesen sein sollte, würde dies die Schuld des Soldaten im Hinblick auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht mildern (Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - Rn. 36 f.). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127 und vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 10.03 - DokBer 2004, 193 = Blutalkohol 2005, 179), der sich insoweit der neueren Judikatur des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. Urteil vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02 - NStZ 2003, 480 = NJW 2003, 2394, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 3 StR 479/03 - NStZ 2004, 495, Urteile vom 9. Juli 2003 - 2 StR 106/03 - BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32 und vom 19. Oktober 2004 - 1 StR 254/04 - NStZ 2005, 151 f.) angeschlossen hat, ist bei selbstverschuldeter Trunkenheit und dadurch bewirkter verminderter Schuldfähigkeit eine - nach dem Gesetz (§ 21 StGB analog) im Ermessen des Gerichts stehende - Maßnahmemilderung nicht geboten, weil eine solche sonst der Prämierung des Fehlverhaltens nahe käme, also mit dem legislatorischen Zweck der Milderungsvorschrift des § 21 StGB (analog) nicht vereinbar ist. Ein Fall selbstverschuldeter Trunkenheit liegt vor, wenn der betreffende Soldat für Art und Umfang des Alkoholgenusses selbst verantwortlich war. Da es keinen Hinweis auf eine Alkoholabhängigkeit des Soldaten mit Krankheitswert gibt und ein mehr als 30 Jahre alter Hauptfeldwebel nach seiner Lebenserfahrung um die Gefahren des Alkoholkonsums weiß, war der Soldat für seinen Konsum verantwortlich.

44 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten, liegen nicht vor. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, z.B. ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umständen, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation.

45 Der Senat hält dem Soldaten zwar zugute, dass die Tat persönlichkeitsfremd in dem Sinne war, dass er zuvor noch nie gewalttätig oder aggressiv aufgetreten ist. Jedoch handelt es sich nicht um eine Augenblickstat, da der Soldat nach den bindenden Feststellungen des Amts- bzw. des Truppendienstgerichts wiederholt gehandelt hat. Die persönliche Situation des Soldaten im Zusammenhang mit der Trennung von seiner Ehefrau begründet ihrer Schwere nach keine seelische Ausnahmesituation. Dass der Soldat nach der Tat unter den Belastungen der Verfahren und der Folgen seiner Tat leidet und psychologische Hilfe wegen eines akuten psychovegetativen Erschöpfungssyndroms in Anspruch nimmt, mindert nicht die Schuld zum Tatzeitpunkt.

46 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen die durch die Beurteilungen, die Leistungsprämie und die Erläuterungen des Leumundszeugen ausgewiesenen Leistungen des Soldaten in der Vergangenheit, insbesondere die überzeugenden Leistungen während des Auslandseinsatzes, für ihn. Für ihn spricht auch, dass er weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist und damit die Mindesterwartungen des Dienstherrn ansonsten erfüllt hat.

47 Dass ein Soldat Verantwortung für sein Fehlverhalten übernimmt und zu einer finanziellen Ausgleichsleistung bereit ist, wertet der Senat zwar grundsätzlich auch dann zu seinen Gunsten, wenn die Wiedergutmachung nicht vor der Entdeckung der Tat erfolgt und deshalb nicht das Gewicht eines Milderungsgrundes in den Umständen der Tat erreicht. Denn das aktive Bemühen um eine Wiedergutmachung des Schadens dokumentiert nachdrücklich Unrechtseinsicht und erleichtert eine positive Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und die Bereitschaft zur Erfüllung dienstlicher Pflichten. Einer Ausgleichszahlung kommt aber für die Bemessungsentscheidung nur untergeordnete Bedeutung zu, wenn sie maßgeblich durch das Eigeninteresse motiviert ist, eine mildere Maßnahme oder Sanktion zu erreichen.
Hier spricht die Zahlung der vergleichsweise hohen Summe von 21 000 € an die Geschädigte grundsätzlich für den Soldaten. Die im Vergleich im Adhäsionsverfahren vereinbarte Rücktrittsmöglichkeit für den Fall der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als elf Monaten wirft aber die Frage auf, ob für diese Klausel das Bemühen maßgeblich war, die Erfüllung der Ansprüche der Geschädigten nicht durch den Verlust der Rechtsstellung eines Berufssoldaten nach § 48 Satz 1 Nr. 2 SG zu gefährden, oder ob damit das vorrangige Eigeninteresse an einer möglichst milden Strafe dokumentiert wird.

48 Der Senat geht wie ausgeführt auch davon aus, dass die Tat persönlichkeitsfremd war. Da dies für sich genommen aber noch nicht für die Annahme eines Milderungsgrundes in den Umständen der Tat ausreicht, kommt auch diesem grundsätzlich für den Soldaten sprechenden Aspekt geringes Gewicht zu.

49 Für den Soldaten spricht auch der Versuch, sich im Rahmen seiner psychologischen Behandlung mit der Tat auseinander zu setzen und die verlorene Erinnerung wieder zu finden, zeigt dies doch den Willen, aktiv dazu beizutragen, dass sich vergleichbare Taten nicht wiederholen.

50 f) Nach einer Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Verhängung der Höchstmaßnahme, der Entfernung aus dem Dienstverhältnis nach § 58 Abs. 1 Nr. 5 WDO, erforderlich.

51 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt der Senat im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägung“.

52 Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Dienstvergehen in der Form außerdienstlich begangener, vorsätzlicher Sexualdelikte ist grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung. Denn ein solches Fehlverhalten entspricht in seinem Unrechtsgehalt einer vorsätzlichen Verletzung der körperlichen Integrität (vgl. Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 25 Rn. 49 f.). Es begründet in der Regel in derselben Weise Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Soldaten bei der Erfüllung seines dienstlichen Auftrages. Denn beide Formen des Fehlverhaltens missachten in gravierender Weise elementare Grundrechte der Geschädigten und damit Grundwerte der Verfassung, die die Streitkräfte nach Außen schützen sollen.

53 Die Zumessungserwägungen in der Regel von der Verhängung der Höchstmaßnahme ausgehen zu lassen, ist nicht schon dadurch gerechtfertigt, dass ein Verbrechen im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB die Dienstpflichtverletzung begründet. Denn der Begriff des Verbrechens knüpft an den Rahmen der vom Strafgesetzbuch angedrohten Kriminalstrafe an. Da die Verhängung einer Kriminalstrafe anderen Zwecken dient als die Verhängung einer Sanktion im gerichtlichen Disziplinarverfahren, indiziert die Qualifizierung einer Straftat als Verbrechen nicht schon für sich genommen bereits im Regelfall die Notwendigkeit einer schärferen Disziplinarmaßnahme. Dies gilt umso mehr, als die Verhängung der Höchstmaßnahme keine Pflichtenmahnung mehr bezweckt, vielmehr ebenso wie der automatische Verlust der Rechtsstellung eines Berufssoldaten nach § 48 SG die Konsequenz aus der Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und moralische Integrität zieht. Einen Automatismus sieht § 48 Satz 1 Nr. 2 SG hier nur für die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen vorsätzlich begangener Tat vor. Mit dieser gesetzgeberischen Wertung stünde es nicht im Einklang, wenn bereits die Strafandrohung für das vollendete Delikt von mindestens einem Jahr in der Regel - und damit grundsätzlich auch im Falle des den strafrechtlichen Sanktionsrahmen nach unten verschiebenden Versuchs - die Entfernung aus dem Dienstverhältnis nach sich zöge.

54 Erschwerenden Aspekten aus den Umständen der Tatbegehung oder den Auswirkungen der Tat insbesondere für ihr Opfer kann auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen ausreichend Rechnung getragen werden. Damit kann im Einzelfall angemessen berücksichtigt werden, dass sich aus diesen Gesichtspunkten die Untragbarkeit eines Soldaten für die Bundeswehr ergeben kann. Angesichts der Vielgestaltigkeit der denkbaren Fälle vorsätzlich begangener Sexualdelikte zulasten Erwachsener erscheint hier eine typisierende Berücksichtigung schon auf der ersten Stufe der Zumessungserwägungen, wie sie der Senat vornimmt, wenn er beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen die Zumessungserwägungen bereits von der Verhängung der Höchstmaßnahme ausgehen lässt (vgl. Urteil vom 27. Juli 2010 - BVerwG 2 WD 5.09 - juris Rn. 28 m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 30>), nicht geboten.

55 bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

56 Hiernach ist gravierenden Erschwerungsgründen Rechnung zu tragen, deren Gewicht auch in Abwägung mit den zugunsten des Soldaten einzustellenden, für ihn sprechenden Aspekten die Annahme eines schweren Falles eines Dienstvergehens durch ein außerdienstlich begangenes Sexualdelikt verlangt, dem angemessen nur durch die Verhängung der Höchstmaßnahme begegnet werden kann.

57 Wie oben ausgeführt fallen hier die gravierenden Folgen der Tat für die Geschädigte in psychischer wie in physischer Hinsicht erheblich ins Gewicht. Nicht weniger gravierend sind die Auswirkungen der Tat für das Ansehen der Bundeswehr allgemein wie am konkret in Rede stehenden Standort. Das Gewicht der Tat wird zudem durch die wiederholte Begehung und die besondere Brutalität, mit der der zweite Angriff gegen die Geschädigte geführt wurde, erhöht. Damit liegen hier so viele und so gewichtige Erschwernisgründe vor, dass die für den Soldaten sprechenden Aspekte - vor allem die Persönlichkeitsfremdheit der Tat und sein Willen, sich mit ihr im Rahmen der psychologischen Behandlung auseinander zu setzen - sie nicht so weit kompensieren können, dass man von einem insgesamt noch mittelschweren Fall eines außerdienstlichen Sexualdeliktes sprechen kann. Dies gilt auch dann, wenn man dem Soldaten die vergleichsweise im Adhäsionsverfahren an die Geschädigte geleistete Zahlung uneingeschränkt als Ausdruck von Unrechtsbewusstsein und Wiedergutmachungswillen zugute halten würde. Auf gute Leistungen in der Vergangenheit oder eine Nachbewährung kommt es grundsätzlich nicht mehr an, wenn das Vertrauensverhältnis durch eine sehr schwere Dienstpflichtverletzung zerstört wurde (Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 11.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 32 Rn. 40 unter Hinweis auf das Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 51 m.w.N).

58 Gegen den vollständigen Vertrauensverlust spricht auch nicht der Umstand, dass der Soldat während des Ermittlungsverfahrens und des Verfahrens vor der Vorinstanz nicht vorläufig des Dienstes enthoben oder wegversetzt worden ist. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung hängt die Beantwortung der Frage nach der erforderlichen fortbestehenden Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten nicht entscheidend von den Erwägungen und Entscheidungen der jeweiligen Einleitungsbehörde oder der Einschätzung der unmittelbaren Vorgesetzten ab. Ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des betroffenen Soldaten erschüttert oder gar zerstört ist, ist nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und zu bewerten (Urteile vom 28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 - juris Rn. 20 = NZWehrr 2007, 28 und vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 43.09 - juris Rn. 48 = NZWehrr 2012, 122). Da hier aus den genannten Gründen objektiv die Vertrauensgrundlage zerstört wurde, kommt es nicht darauf an, ob und warum konkrete Vorgesetzte zunächst eine Grundlage für einen weiteren Einsatz des Soldaten sahen.

59 Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen der Verhängung der Höchstmaßnahme entgegen.
Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 51 <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5>).

60 3. Der Unterhaltsbeitrag ist nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 WDO auszuschließen, weil der Soldat seiner Gewährung nicht unwürdig, ihrer jedoch bedürftig ist. Daher ist auf die Berufung des Soldaten hin Nummer 2 des Urteilstenors des Urteils der Vorinstanz aufzuheben. Die Voraussetzungen einer unbilligen Härte im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 2 WDO hat der Soldat nicht glaubhaft gemacht.

61 a) Für die Feststellung der Unwürdigkeit im Sinne der Norm ist, wie sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der Regelung ergibt, auf die Person des Soldaten („der Verurteilte“) und damit zugleich auch auf sein (Gesamt-)Verhalten abzustellen. Der Unterhaltsbeitrag ist im Wehrdisziplinarrecht - ebenso wie im Beamtendisziplinarrecht (vgl. dazu auch u.a. Urteil vom 12. Januar 1977 - BVerwG 1 D 55.76 - BVerwGE 53, 237 <238>; Beschlüsse vom 11. Juli 1957 - BDH 2 DB 18.57 - BDHE 4, 80 <81>, vom 26. März 1958 - BDH 1 DB 6.58 - BDHE 4, 83 <84>, vom 13. September 1958 - BDH 1 DB 31.58 - BDHE 5, 125 <126>, vom 18. Mai 1972 - BVerwG 1 DB 4.72 - DokBer B 1972, 4277 und vom 31. Oktober 1988 - BVerwG 1 DB 16.88 - BVerwGE 86, 78 = NVwZ 1989, 263 f. m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juli 2003 - DB 17 S 6/03 - ESVGH 54, 62 <LS>) - Ausdruck einer das Dienstverhältnis überdauernden Fürsorgepflicht des Dienstherrn (Urteil vom 2. Dezember 1970 - BVerwG 1 WD 7.70 - BVerwGE 43, 147 = NZWehrr 1972, 23 und Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 2 WDB 10.76 - BVerwGE 53, 170 = NZWehrr 1980, 110; Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 63 Rn. 8 m.w.N.). Die Zweckbestimmung des Unterhaltsbeitrages besteht seit jeher in der bloßen Unterstützung zur Verhinderung einer Notlage des aus dem Dienstverhältnis Entfernten. An dieser Zwecksetzung hat auch die seit dem 1. Januar 2002 geltende Neufassung der Unterhaltsbeitrags-Regelung durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts (2. WehrDiszNOG) uneingeschränkt festgehalten (vgl. dazu auch Bachmann, NZWehrr 2001, 177 <196>; BTDrucks 14/4659, S. 36 zum sachgleichen § 10 BDG). Während vorher jedoch die Gewährung des Unterhaltsbeitrages einer ausdrücklichen Bewilligung durch das Gericht bedurfte, ist sie nach der - im vorliegenden Falle geltenden - Neuregelung eine unmittelbare gesetzliche Rechtsfolge der Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Nur der Ausschluss bzw. die Verlängerung über die im Gesetz als Regelfall vorgesehene Dauer von sechs Monaten hinaus bedürfen einer Entscheidung des Gerichts. Diese durch das 2. WehrDiszNOG vorgenommene Umkehr von „Regel“ und „Ausnahme“ - die Gewährung des Unterhaltsbeitrages ist nunmehr die vom Gesetz ausdrücklich vorgesehene regelmäßige Rechtsfolge, seine Versagung die Ausnahme - muss bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale strikt beachtet werden. Dieser gesetzliche Regelungszweck und -zusammenhang muss demzufolge auch bei der Bestimmung dessen, was als „nicht würdig“ anzusehen ist, Beachtung finden. Als Bestandteil eines Ausnahmetatbestandes ist der Begriff eng auszulegen und damit einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Andernfalls würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis gleichsam „auf den Kopf gestellt“.

62 Eine Unwürdigkeit im Sinne der Norm liegt nicht schon in den Umständen, die die Notwendigkeit der Verhängung der Höchstmaßnahme begründen. Vielmehr können nur solche Umstände eine „Nichtwürdigkeit“ begründen, die nach der Art und dem Gewicht des Fehlverhaltens sowie nach der Persönlichkeit des Soldaten und dem Maß seiner Schuld jeden Grund für die nachwirkende Fürsorgepflicht des Dienstherrn entfallen lassen. Dies kommt insbesondere in Fällen besonders treuwidrigen Verhaltens und vor allem dann in Betracht, wenn das Gesamtverhalten des (früheren) Soldaten den Schluss zulässt, dass er jedes ernsthafte Interesse für die dienstlichen Belange vermissen lässt und dass es bei ihm bereits seit längerem an dem unabdingbaren Mindestmaß an Verantwortung für die dienstlichen Bedürfnisse fehlt (vgl. Urteile vom 21. September 2004 - BVerwG 2 WD 11.04 - NZWehrr 2005, 39 = DÖV 2005, 345 = ZBR 2005, 211 - m.w.N. und vom 27. Oktober 2005 - BVerwG 2 WD 4.05 - Buchholz 235.01 § 63 WDO 2002 Nr. 1).

63 Eines Unterhaltsbeitrages unwürdig ist hiernach auch, wer sich treuwidrig bedürftig macht oder erhält (vgl. Weiß, in: GKÖD, § 10 BDG Rn. 92). Nur in Ausnahmefällen kann sich eine Unwürdigkeit aus besonderen Umständen in der Person des Soldaten und/oder in dessen objektivem oder subjektivem Tatverhalten ergeben, wie z.B. aus ehrloser Gesinnung, kriminellem Hang, Vielzahl und Dauer der Verfehlungen oder einem besonders schweren Bruch der Rechtsordnung (vgl. Urteil vom 23. Mai 2006 - BVerwG 1 D 18.05 - juris Rn 9 zu § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO m.w.N., Dau, a.a.O. § 63 Rn. 16).

64 Vorliegend folgt die Unwürdigkeit nicht daraus, dass der Soldat bislang keine Erwerbstätigkeit außerhalb der Bundeswehr aufgenommen hat. Ihm dies für den Zeitraum, in dem er weder vorläufig des Dienstes enthoben noch nach seiner gesundheitlichen Situation uneingeschränkt dienst- und arbeitsfähig war abzuverlangen, liegt fern. Treuwidrig war sein Unterlassen auch nach dem Erlass des Urteils der Vorinstanz und der vorläufigen Dienstenthebung nicht. Denn er hat die Entfernung aus dem Dienst mit einem zulässigen und umfangreich begründeten Rechtsmittel angegriffen, das schon angesichts der oben angeführten Grundsätze zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nicht von vornherein aussichtslos war. Eine Unwürdigkeit folgt auch nicht aus den erschwerenden Umständen der Tatbegehung. Wie oben ausgeführt tragen diese die Verhängung der Höchstmaßnahme. Daher können sie wegen des oben erläuterten Regel- Ausnahmeverhältnisses nicht zusätzlich die Aberkennung des Unterhaltsbeitrages begründen. Da der Soldat nicht vorbelastet ist und die Tat ihm persönlichkeitsfremd war, liegt erst recht die Annahme eines kriminellen Hanges oder einer ehrlosen Gesinnung fern.

65 b) Die mangelnde Bedürftigkeit ist nach den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Verurteilung zu beurteilen; künftige Geschehensabläufe sind nur einzubeziehen, wenn sich feststellen lässt, dass sich an den aktuellen Gegebenheiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwas ändern wird (Dau, a.a.O. § 63 Rn. 17).

66 Hiernach ist der Soldat bedürftig. Er verfügt nämlich derzeit über keine weitere Einkunftsquelle als die Bezüge aus seiner Berufstätigkeit, um seinen eigenen Unterhalt zu bestreiten und die Unterhaltsansprüche seiner Kinder zu erfüllen.

67 4. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 139 Abs. 2 und 3, § 140 Abs. 5 Satz 1 WDO. Soweit der Soldat mit seinem Rechtsmittel Erfolg hatte, ist es nicht unbillig, ihn mit den Kosten des Verfahrens in der Vorinstanz einschließlich seiner notwendigen Auslagen insgesamt zu belasten. Denn diese Kosten hätte er auch getragen, wenn nicht zusätzlich die nunmehr aufgehobene Aberkennung des Unterhaltsbeitrages ausgesprochen worden wäre. Daher ist auch der Kostentenor des angegriffenen Urteils nicht aufgehoben worden. Es entspricht aber wegen des erzielten Teilerfolges der Billigkeit, ihn von einem geringen Teilbetrag der im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu entlasten und diesen Teil dem Bund aufzuerlegen.