Beschluss vom 30.01.2025 -
BVerwG 1 WB 7.24ECLI:DE:BVerwG:2025:300125B1WB7.24.0
Angaben zu Kontakten in sozialen Netzwerken in der Sicherheitserklärung
Leitsatz:
Bloße Kontakte in sozialen Medien sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht als "sonstige Bezeichnungen" im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG anzusehen.
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Rechtsquellen
SÜG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Buchst. a, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 und 20 SG § 13 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.01.2025 - 1 WB 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:300125B1WB7.24.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 7.24
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Stangl und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Keil
am 30. Januar 2025 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).
2 Der ... geborene Antragsteller ist Volljurist und seit dem 16. April 2007 Berufssoldat. Zuletzt wurde er am 19. April ... zum Oberstleutnant ernannt und mit Wirkung vom 1. Januar ... in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Er wird derzeit im ... als Stabsoffizier Recht verwendet. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2033.
3 Im März 2021 erteilte das ... einen Auftrag zur Durchführung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung. In seiner Sicherheitserklärung vom 14. Februar 2021 gab der Antragsteller an, dass seine Ehefrau in O. in der S. geboren sei und die russische Staatsangehörigkeit habe. Im Zeitraum zwischen Dezember 2003 und Februar 2020 sei er insgesamt siebenmal mit seiner Ehefrau in die Russische Föderation gereist. Als sonstigen Umstand gab er an, dass ein Wohnungskauf für seine Schwiegermutter in M. beabsichtigt sei und danach deren Wohnung in O. verkauft werden solle. Er sei Mitglied der sozialen Netzwerke Facebook, WhatsApp und Telegramm. Das Netzwerk VKontakte habe er nur in den Jahren 2017 und 2018 genutzt. Er habe mit seinen Schwiegereltern nahe Angehörige in einem Staat gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (SÜG). Sonstige Beziehungen in einen dieser Staaten oder zu außerhalb des Gebiets dieser Staaten lebenden Vertretern eines solchen Staates habe er nicht. Mit seiner Unterschrift bestätigte er, diese Angaben unter Berücksichtigung der Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen gemacht zu haben. Sie seien nach bestem Wissen wahrheitsgemäß und vollständig erfolgt.
4 Am 14. Juli 2022 erklärte der Antragsteller, aufgrund seiner bestehenden familiären Bindungen und denen seiner Ehefrau in die Russische Föderation auf Reisen in und durch die GUS-Staaten zu verzichten. Am selben Tag wurde er durch das BAMAD befragt. Hinsichtlich der Ergebnisse der Befragung wird auf den Inhalt des Befragungsberichts des BAMAD Bezug genommen. Zwei Tage nach der Befragung reichte der Antragsteller eine Liste mit 86 Personen ein, bei denen es sich um "Facebook-Freunde" handele, die angäben, "in den 'Listenstaaten' zu wohnen".
5 Mit Schreiben vom 5. Januar 2023 erhielt der Antragsteller vom Geheimschutzbeauftragten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem möglichen Sicherheitsrisiko gemäß § 5 SÜG. Im Rahmen einer vorläufigen Bewertung ergebe sich, dass die Internetkontakte des Antragstellers, seine familiäre Anbindung an die Russische Föderation über seine Ehefrau sowie die Überweisung eines hohen Geldbetrages dorthin zum Erwerb einer Eigentumswohnung für seine Schwiegermutter möglicherweise dazu geführt hätten, dass er sich im Blickfeld eines dortigen Nachrichtendienstes befinde. Diese tatsächlichen Anhaltspunkte begründeten nach vorläufiger Bewertung bereits für sich genommen eine besondere Gefährdung bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG. Ein solches ergebe sich ebenfalls für sich genommen auch aus einem möglichen Interessenkonflikt des Antragstellers und seiner mangelnden Distanzierung zu chinesischer Staatspropaganda. Zudem sei nach vorläufiger Bewertung ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG festzustellen. Der Antragsteller habe in seiner Sicherheitserklärung keine Angaben zu seinen Facebook-Kontakten in den Staaten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG gemacht, darunter ein General a.D. der pakistanischen Armee. Dieses Defizit wiege schwer, weil der Wortlaut von Nr. 8.5 der Ausfüllanleitung klare Vorgaben und Erläuterungen enthalte und der Antragsteller angegeben habe, diese gelesen zu haben.
6 Mit E-Mail vom 13. Januar 2023 bemängelte der Antragsteller etliche Angaben in dem Anhörungsschreiben und beantragte die Übersendung der Akte des BAMAD. Mit Schreiben vom 10. Februar 2023 lehnte der Geheimschutzbeauftragte den Antrag des Antragstellers auf Akteneinsicht ab. Unter anderem habe das BAMAD die erforderliche Zustimmung nicht erteilt. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Februar 2023 Beschwerde ein.
7 Mit Schreiben vom 27. Februar 2023 nahm der Antragsteller zum Anhörungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten Stellung. Darin bemängelte er verschiedene Fehler in der Sachverhaltsdarstellung und trat der rechtlichen Würdigung in dem Anhörungsschreiben entgegen.
8 Unter dem 27. März 2023 stellte der Geheimschutzbeauftragte des Streitkräfteamts fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung des Antragstellers Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten.
9 Mit Schreiben vom 24. März 2023, dem Antragsteller am 17. April 2023 eröffnet, teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller mit, dass dessen Sicherheitsüberprüfung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Buchst. a SÜG mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden sei. Seinem Antrag auf Erlass eines Auflagenbescheids habe nicht entsprochen werden können. Zum Schutz der militärischen Sicherheit sei es gegenwärtig nicht zulässig, den Antragsteller mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu betrauen. Eine Wiederholungsprüfung sei nach Ablauf von fünf Jahren zugelassen.
10 In den Entscheidungsgründen vom 24. März 2023 wird weiter ausgeführt: Selbst wenn es zuträfe, dass die Facebook-Freundschaften des Antragstellers nicht als relevante sonstige Beziehungen zu qualifizieren seien, habe der Antragsteller seine Facebook-Aktivitäten mit inhaltlichem und personellem Bezug zu Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko spätestens unter dem Punkt 11 der Sicherheitserklärung ("sonstige Umstände, die für die Sicherheitsüberprüfung von Bedeutung sind") angeben müssen.
11 Entscheidend zum Tragen komme unverändert der Umstand, dass der Antragsteller eine erhebliche fünfstellige Summe aufgenommen habe, um der Schwiegermutter des Antragstellers in M. eine Wohnung zu kaufen. Das daraus resultierende Risiko werde durch die Überweisung des hohen Geldbetrages in die Russische Föderation verschärft, weil die entsprechende Transaktion die Aufmerksamkeit des dortigen Nachrichtendienstes erregen könne. Der Umstand, dass sich mit der Wohnung in M. ein aufgrund des Erbanspruchs der Ehefrau des Antragstellers für den Antragsteller und seine Ehefrau relevantes wirtschaftliches Gut von bedeutendem Wert im Hoheitsbereich eines Staates mit besonderem Sicherheitsrisiko befinde und dies dem entsprechenden Staat bekannt sein könne, erfordere bereits für sich genommen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG. Zudem widersprächen verschiedene Darstellungen des Antragstellers in seiner Stellungnahme im Rahmen der Anhörung, insbesondere zu seiner Haltung und der seiner Frau zu Russland, den Inhalten des Befragungsberichtes des BAMAD. Auch daraus ergäben sich Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers.
12 Eine zweifelsfrei positive Prognose für den Einsatz des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit sei gegenwärtig ausgeschlossen. Mildere Mittel als die Feststellung eines Sicherheitsrisikos stünden nicht zur Verfügung. Eine Verkürzung der Frist für eine Wiederholungsprüfung komme nicht in Betracht.
13 Mit Schreiben vom 18. April 2023 legte der Antragsteller Beschwerde gegen das Schreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 24. März 2023 ein. Diese begründete er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2. Oktober 2023.
14 Die übermittelte Teilsicherheitsakte genüge nicht der effektiven Rechtswahrnehmung. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sei mangels umfassender Sachverhaltskenntnis ermessensfehlerhaft, beruhe auf unzutreffenden Prämissen und leide unter Denkfehlern. Die Unterstellung, dass der Antragsteller sich mit den Facebook-Freunden aus Listenstaaten gelegentlich austausche, sei unzutreffend. Der Beschwerdeführer habe nur von "seltenem" Austausch gesprochen.
15 Am 22. November 2023 hat der Antragsteller aufgrund von Untätigkeit die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in der Person des Antragstellers beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit einer Stellungnahme vom 2. Februar 2024 dem Senat vorgelegt.
16 Der Antragsteller macht geltend, dass schon die schiere Zahl von 846 Facebook-Freunden gegen tatsächliche persönliche Beziehungen zu den einzelnen Personen spreche. Von den 86 Profilen aus Listenstaaten habe er lediglich zu 11 Personen tatsächlich vor einigen Jahren einmal kurzzeitigen persönlichen Kontakt gehabt. Zu den angegebenen Kontakten aus Pakistan und der Volksrepublik China unterhalte er seit dem Jahr 2020 keinen Kontakt mehr. Da hinsichtlich einzelner gegen ihn ins Feld geführter Punkte erhebliche Zweifel bestünden, dass tatsächlich ein sicherheitsrelevanter Sachverhalt vorliege, könne die vom Geheimschutzbeauftragten ins Feld geführte Gesamtschau nicht zur Feststellung eines Sicherheitsrisikos führen.
17
Der Antragsteller beantragt,
die Feststellung eines Sicherheitsrisikos für den Beschwerdeführer aufzuheben.
18
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
19 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sei rechtmäßig. Es sei auch ohne Kenntnis der Akten des BAMAD für eine ausreichende Waffengleichheit gesorgt. Die besondere Gefährdung des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG ergebe sich nicht aus einzelnen, jeweils selbständig tragenden, schwerwiegenden Gesichtspunkten, sondern aus der Zusammenschau der familiären Konstellation, Feststellungen zur Nutzung von Onlinemedien durch den Antragsteller und die bei ihm zutage tretende innere Haltung zu Regierungen von auf der Staatenliste befindlichen Staaten.
20 Die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG ergäben sich daraus, dass dieser in seiner Sicherheitserklärung objektiv unwahre Angaben gemacht habe. Damit sei er seiner Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen, objektiv nicht nachgekommen.
21 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
22 Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
23 1. Der als Untätigkeitsantrag (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO) statthafte Antrag ist zulässig.
24 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheides angefochten werden. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betreffen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche Verwendung entschieden wird (BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 23 m. w. N.).
25 Maßgebend für die Bestimmung des Antragsgegenstands ist angesichts der diesbezüglichen Dispositionsbefugnis des Antragstellers allein das angefochtene Handeln oder gerügte Unterlassen, soweit es bereits Gegenstand des beschwerderechtlichen Vorverfahrens war (vgl. Dau/Scheuren, Wehrbeschwerdeordnung, 8. Aufl. 2024, § 17 Rn. 9, § 18 Rn. 20; zur inhaltlichen Identität von Antrags- und Beschwerdeverfahren vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - juris Rn. 36). Der Antrag des Antragstellers ist schon nach seinem Wortlaut im Schriftsatz vom 2. Oktober 2023 auf die Aufhebung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos beschränkt, die auch Gegenstand der Beschwerde des Antragstellers vom 18. April 2023 war. Dass das Bundesministerium der Verteidigung den dortigen Vorgang zu dieser Beschwerde mit dem dortigen Vorgang zu der Beschwerde des Antragstellers vom 27. Februar 2023 betreffend die Gewährung von Akteneinsicht verbunden hat, hat deshalb auf den hiesigen Antragsgegenstand keine Auswirkungen. Es bedarf insbesondere keiner Abtrennung und Verweisung an ein Verwaltungsgericht.
26 Es kann dahinstehen, ob dem Schriftsatz des Antragstellers vom 7. März 2024, in dem er im Hinblick auf von ihm angestrebte Verwendungen die Möglichkeit fordert, präventiv eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, sinngemäß ein Bescheidungsantrag zu entnehmen ist. Für ein auf eine solche Neubescheidung gerichtetes Verpflichtungsbegehren fehlte jedenfalls die Antragsbefugnis, weil eine konkrete Absicht der personalführenden Stelle, den Antragsteller in Zukunft sicherheitsempfindlich zu verwenden, derzeit nicht feststellbar ist. Der Soldat hat keinen Anspruch darauf, dass eine von einer konkret beabsichtigten Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit unabhängige Sicherheitsüberprüfung gleichsam "auf Vorrat" durchgeführt wird, etwa um seine Bewerbungschancen für bestimmte Dienstposten zu erhöhen (BVerwG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 16 m. w. N.).
27 2. Der Antrag ist unbegründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
28 a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23, vom 30. Januar 2014 - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22). Hat ein Antragsteller - wie hier - seinen Antrag als Untätigkeitsantrag eingelegt, besteht die Möglichkeit des Nachschiebens von tatsächlichen Anhaltspunkten nur bis zum Eingang dieses Antrags. Die mit einem zeitlich nachfolgenden Vorlageschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vorgetragenen Ergänzungen können deshalb nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 26 und vom 29. Juni 2023 - 1 WB 29.22 - juris Rn. 32).
29 b) Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier dem Geheimschutzbeauftragten des ...amts –, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
30 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).
31 Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
32 c) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten beim ...amt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG, Nr. 2418 der Zentralen Dienstvorschrift - ZDv - A-1130/3) rechtmäßig erfolgt.
33 aa) Der angefochtene Bescheid leidet nicht an formellen Mängeln.
34 (1) Der Antragsteller hat die ihm mit der Anlage 2 zum Anhörungsschreiben vom 5. Januar 2023 eingeräumte Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i. V. m. § 6 Abs. 1 SÜG), nicht wahrgenommen. Er hat sich jedoch - was ihm freisteht und zur Wahrung seiner Rechte genügt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 1 WB 57.12 - BVerwGE 148, 267 Rn. 57 f.) – schriftlich geäußert.
35 (2) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, dass ihm wesentliche Inhalte der Sicherheitsakte des BAMAD, insbesondere der Befragungsbericht, vorenthalten worden seien und er dadurch in seiner effektiven Rechtswahrnehmung beeinträchtigt sei.
36 Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es für die Zwecke der Rechtsverteidigung im Sicherheitsüberprüfungsverfahren in der Regel, dass dem Betroffenen die Tatsachenbehauptungen bekannt gegeben werden, die Sicherheitsbedenken auslösen. Denn der Betroffene kann sich dann bereits im behördlichen Verfahren dagegen zur Wehr setzen und aus seiner Sicht unzutreffende Tatsachenbehauptungen des BAMAD bestreiten. Will der Geheimschutzbeauftragte gleichwohl darauf gestützt ein Sicherheitsrisiko feststellen, muss er gegebenenfalls im Prozess die Anknüpfungstatsachen beweisen und vorhandene Beweismittel offenlegen. Damit ist auch ohne Kenntnis der Akten des BAMAD für eine ausreichende Waffengleichheit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK gesorgt (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 33 m. w. N.).
37 Ob der Geheimschutzbeauftragte diesen Maßgaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren in hinreichendem Maße gerecht geworden ist, bedarf hier keiner Klärung, weil das Bundesministerium der Verteidigung im vorliegenden Verfahren den Befragungsbericht, auf den die Entscheidungsgründe des Geheimschutzbeauftragten wiederholt Bezug nehmen, vorgelegt hat und der Antragsteller hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG). Eine Vorlage des Votums des BAMAD war hingegen entbehrlich, weil der Geheimschutzbeauftragte weder in seinen Entscheidungsgründen, noch in der darin in Bezug genommenen vorläufigen Bewertung vom 5. Januar 2023 Tatsachenbehauptungen aufstellt, die er allein diesem Votum entnommen hat. Da der Geheimschutzbeauftragte in der Sache dem Votum des BAMAD gefolgt ist (S. 3 der Entscheidungsgründe) liegt in dem Votum auch keine abweichende Einschätzung, die den Geheimschutzbeauftragten zwar nicht gebunden hätte, der jedoch zumindest eine indizielle Bedeutung zugekommen wäre, die der Geheimschutzbeauftragte in die Gesamtwürdigung hätte einstellen und würdigen müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. September 2021 - 1 WB 18.21 - NVwZ-RR 2021, 1060 Rn. 43 und vom 14. Dezember 2023 - 1 WB 35.22 - juris Rn. 57). Auch die Beiakte IV hat der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegen (vgl. BA II Bl. 82).
38 bb) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist im Ergebnis auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie konnte zwar nicht auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, hierzu <1>), wohl aber auf eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG, hierzu <2>) gestützt werden. Ob auch weitere vom Geheimschutzbeauftragten angenommene tatsächliche Umstände für die Annahme eines Sicherheitsrisikos vorliegen, kann deshalb dahinstehen.
39 (1) Zwar kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), insbesondere in der Sicherheitserklärung nach § 13 SÜG keine falschen oder unvollständigen Angaben zu machen, ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 13.10 - Rn. 29 und vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Vorliegend hat der Geheimschutzbeauftragte jedoch zu Unrecht eine Auskunftspflicht hinsichtlich der Facebook-Kontakte des Antragstellers angenommen, sodass seine Angaben insoweit nicht unvollständig waren.
40 Die Reichweite der Auskunftspflicht im Verfahren der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach § 13 SÜG. Die dort enthaltenen Anforderungen werden konkretisiert durch den Inhalt des Formulars für die Sicherheitserklärung sowie die darin jeweils in Bezug genommene Ausfüllanleitung, vorliegend die "Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen" (Beilage 1 zur Anl. C3 zur ZDv A-1130/3). Mit seiner Unterschrift unter der Sicherheitserklärung bestätigt der Betroffene, dass er die in der Erklärung enthaltenen Angaben unter Berücksichtigung dieser Ausfüllanleitung gemacht hat und dass diese nach bestem Wissen wahrheitsgemäß und vollständig erfolgten.
41 (a) Der Antragsteller musste nicht unter "8.5 Sonstige Beziehungen" auf die Frage "Haben Sie, Ihr Ehegatte/Lebenspartner/Lebensgefährte/Ihre Ehegattin/Lebenspartnerin/Lebensgefährtin sonstige Beziehungen in einen dieser Staaten oder zu außerhalb des Gebietes dieser Staaten lebenden Vertretern eines solchen Staates?" seine Facebook-Kontakte zu 86 in Staaten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG lebenden Personen angeben. Bloße Kontakte in sozialen Medien sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - die der Geheimschutzbeauftragte hier nicht geltend gemacht hat - nicht als "sonstige Beziehungen" anzusehen.
42 Das Formular zur Sicherheitserklärung und die Ausfüllanleitung sind Äußerungen des Bundesministeriums der Verteidigung, für deren Auslegung gemäß der im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der erklärte Wille in der Äußerung maßgeblich ist, wie er aus einem verobjektivierten Empfängerhorizont heraus verstanden werden muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2004 - 1 WB 29.03 - juris Rn. 11 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus den Erläuterungen zu Nr. 8.5 der Sicherheitserklärung unmissverständlich, dass zu den "sonstigen Beziehungen" insbesondere auch gesellschaftliche Verbindungen zu nahen Bekannten gehören, die nicht als nahe Angehörige zu qualifizieren sind (BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 1 WB 51.02 - juris Rn. 19 <zur früheren Nr. 8.4>). Auch wenn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter den Begriff "Beziehungen" keine einmaligen oder flüchtigen Kontakte fallen, schließt die beispielhafte Aufzählung in der Ausfüllanleitung ("z. B. verwandtschaftliche, freundschaftliche, geschäftliche, gesellschaftliche, kulturelle, sportliche oder wissenschaftliche" Beziehungen) ein Verständnis der Frage aus, dass es bei mehrfachen erheblichen Kontakten für das Vorliegen einer Beziehung auf eine bestimmte persönliche Vertrautheit oder Intimität der Beziehung ankommt (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - juris Rn. 31, vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 31 und vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 47). Für das Vorliegen einer geschäftlichen, wissenschaftlichen oder sonstigen Beziehung genügen jedoch aus Sicht eines objektiven Dritten einmalige oder sporadische Begegnungen nicht. Gelegentliche Kontakte reichen nicht aus, um als "Beziehung" im Sinne von Nr. 8.5 der Sicherheitserklärungen verstanden zu werden (BVerwG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 31 <zur früheren Nr. 8.4>).
43 Allein der vom Geheimschutzbeauftragten vorgebrachte Status der 86 Personen als "Facebook-Freunde" des Antragstellers genügt deshalb nicht für die Annahme einer tatsächlichen Freundschaft oder auch nur eines engeren persönlichen Kontakts (so auch VG Mainz, Urteil vom 10. Mai 2019 - 4 K 756/18.MZ - juris Rn. 48) und damit einer "sonstigen Beziehung" im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG. Dieser Status hat nur zur Folge, dass beide "Freunde" gegenseitig ihre Aktivitäten im Feed, in Stories und in Fotos sehen können (https://de-de.facebook.com/help/1540345696275090, abgerufen am 14. Januar 2025). Eine tatsächliche Interaktion, wie sie als Mindestvoraussetzung für die Annahme eines erheblichen Kontakts zu fordern ist, ist damit nicht verbunden. Auch eine mögliche einseitige oder gegenseitige Beobachtung der jeweiligen Facebook-Präsenz ist - anders als der Geheimschutzbeauftragte meint - deshalb nicht als "sonstige Beziehung" einzustufen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Sicherheitserklärung in Nr. 5.2 die Frage "Bestehen Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken (z. B. Facebook, Twitter)?" enthält, dieser Komplex also von der Frage nach den "sonstigen Beziehungen" separat behandelt wird. Ebenso regelt § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 20 SÜG die Internet-Auftritte separat von den Beziehungen in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG.
44 Eine "sonstige Beziehung" wäre demnach auch dann nicht anzunehmen, wenn die vom Antragsteller bestrittene und nicht näher spezifizierte Darstellung im Anhörungsschreiben (S. 3, 4. Absatz) zuträfe, dass sich der Antragsteller "gelegentlich" mit Facebook-Freunden aus Staaten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG austauscht. Denn nur gelegentliche Interaktionen in sozialen Netzwerken begründen jedenfalls ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine "sonstige Beziehung". Einen Nachweis dafür, dass der Antragsteller über Facebook intensivere Kontakte zu konkreten Einzelpersonen aus Staaten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG gepflegt hat, hat der Geheimschutzbeauftragte nicht erbracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 31).
45 (b) Der Antragsteller musste seine 86 Facebook-Freunde aus Staaten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG auch nicht unter Nr. 11 der Sicherheitserklärung ("Sonstiges") auf die Frage "Sind Ihnen sonstige Umstände bekannt, die für die Sicherheitsüberprüfung von Bedeutung sein können?" angeben.
46 Nach dem Willen des Gesetzgebers sind die in der Sicherheitserklärung anzugebenden Daten in § 13 SÜG abschließend aufgeführt. Sie sind beschränkt auf die Daten, mit denen sicherheitserhebliche Erkenntnisse zum Betroffenen gewonnen werden können (BT-Drs. 12/4891 S. 24). Damit ist der Kreis der Angaben, die vom Betroffenen unter "Sonstiges" im Rahmen seiner Wahrheitspflicht verlangt werden können, eng gezogen. Hinzu tritt, dass hier nach der Ausfüllanleitung "vor allem Umstände [von Bedeutung sind], die Dritten für eine Erpressung ihrer Person dienen können". Wie sich aus bloßen Facebook-Freundschaften mit Personen aus Staaten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG eine Erpressbarkeit des Antragstellers ergeben soll, ist angesichts der unter (a) dargelegten nur geringfügigen Folgen solcher "Freundschaften" nicht erkennbar. Der Geheimschutzbeauftragte verhält sich hierzu weder in seinem Anhörungsschreiben noch in den Entscheidungsgründen.
47 (2) Der Geheimschutzbeauftragte konnte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aber rechtsfehlerfrei auf eine selbstständig tragende besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG) stützen. Für die Annahme eines diesbezüglichen Sicherheitsrisikos ist es nicht erforderlich, dass die Gefährdung durch konkrete Anbahnungsversuche bereits realisiert wurde. Vielmehr soll dies gerade vermieden werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 WB 51.02 - juris Rn. 22 und vom 28. Mai 2013 - 1 WB 31.12 - juris Rn. 35).
48 (a) Der Geheimschutzbeauftragte ist jedenfalls insoweit nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Es ist unstreitig, dass die Ehefrau des Antragstellers russische Staatsbürgerin ist, seine Schwiegermutter ebenfalls russische Staatsbürgerin ist und nach wie vor in M. lebt und weitere Verwandte der Ehefrau ebenfalls in der Russischen Föderation leben. Fest steht auch, dass der Antragsteller gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Darlehen i. H. v. 75 000 € aufgenommen und insgesamt 90 000 € in die Russische Föderation überwiesen hat, um der Schwiegermutter dort eine Wohnung zu kaufen. Dass jedenfalls hinsichtlich dieser Wohnung ein Erbanspruch der Ehefrau des Antragstellers besteht, ist ebenso unstreitig wie die wiederholten Reisen des Antragstellers und seiner Ehefrau in die Russische Föderation.
49 Das gilt auch hinsichtlich der zahlreichen Facebook-Freundschaften mit Personen aus Staaten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG, die verschiedenen jedenfalls vergangenen Bezüge in seinem Facebook-Account zu russischen Staatsmedien bzw. diesen teils nahestehenden Medien und Communities (unter anderem RT Deutsch, "Wladimir Putin Italian Fan Club 2.0", "Bündnis mit Russland"), eine frühere Mitgliedschaft in der Gruppe "Fans of Putin", ein (jedenfalls früherer) Like zum russischen Verteidigungsminister, ein Post aus dem Jahr 2014 ("I hope Germany and eastern Europe experience a winter with -40° and no gas."), eine (jedenfalls frühere) Fünf-Sterne-Bewertung für Sputnik Deutschland, ein (jedenfalls früherer) Like von "Solidarität mit den Nachtwölfen", (jedenfalls frühere) Likes zu Personen und Gruppen mit China-Bezug (etwa "Imperialist Hands off China", "We love Xi Jinping" und "People's Liberation Army") sowie (jedenfalls frühere) Likes für die "Deutschen Wirtschaftsnachrichten", Daniele Ganser und "PEGADA - Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes".
50 Der Antragsteller hat zwar kritisiert, dass für die Likes bzw. "Gefällt Mir"-Angaben keine Beweise in Form von Screenshots vorgelegt wurden. Er hat deren (jedenfalls frühere) Existenz aber - mit einer Ausnahme - an keiner Stelle ausdrücklich bestritten. Das ist auch auf entsprechende Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung in dessen Vorlageschreiben hin nicht geschehen. Im Schriftsatz vom 21. Januar 2025 ist sogar eingeräumt worden, dass er bei der Befragung eine größere Menge von Screenshots einsehen konnte.
51 Der Geheimschutzbeauftragte ging zwar fälschlich davon aus, dass der Antragsteller die Aussage "Die Souveränität der Ukraine entspricht der eines dreijährigen Kindes" gelikt hat. Dies führt jedoch nicht zur Annahme eines insgesamt falschen Sachverhalts im Hinblick auf tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste. Die Gesamtbetrachtung ist auch ohne diesen Aspekt schlüssig.
52 (b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte in dem dargelegten Sachverhalt tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG) gesehen hat. Die Internetkontakte des Antragstellers, die familiäre Anbindung an die Russische Föderation über seine Ehefrau sowie die Überweisung eines hohen Geldbetrages dorthin zum Erwerb einer Eigentumswohnung begründen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller sich möglicherweise im Blickfeld eines dortigen Nachrichtendienstes befindet. In seinen Entscheidungsgründen führt der Geheimschutzbeauftragte ergänzend aus, dass die Plattform Facebook insbesondere mit Blick auf die im Anhörungsschreiben dargestellten Facebook-Äußerungen und Likes des Antragstellers zur Vorbereitung und/oder Durchführung eines nachrichtendienstlichen Herantretens geeignet sei. Auch das Bundesministerium der Verteidigung stützt sich in zulässiger Präzisierung der streitgegenständlichen Entscheidung auf eine Zusammenschau der familiären Konstellation, Feststellungen zur Online-Medien-Nutzung durch den Antragsteller und die bei ihm zutage tretende innere Haltung zu Regierungen von auf der Staatenliste befindlichen Staaten.
53 Die Wertung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG hat der Gesetzgeber auf langjährige Erfahrungen aus der Spionageabwehr gestützt. Gegnerische Nachrichtendienste nutzen danach persönliche Schwächen aus, um Personen unter Druck zu setzen und zu nachrichtendienstlichen Tätigkeiten zu zwingen. Als Druckmittel ausgenutzt werden auch verwandtschaftliche Beziehungen in Staaten im Sinne von § 32 SÜG, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten (BT-Drs. 12/4891 S. 21 <zum damaligen inhaltsgleichen § 5 Abs. 1 Nr. 2 SÜG>; BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 1 WB 31.12 - juris Rn. 35). Dazu gehört nach der Staatenliste im Sinne von § 32 SÜG des Bundesministeriums des Innern und für Heimat auch die Russische Föderation.
54 Die Gefahr einer Ansprechbarkeit und Erpressbarkeit aus familiären Gründen liegt beim Antragsteller in mehrfacher Hinsicht vor. Zu der russischen Staatsangehörigkeit der Ehefrau des Antragstellers tritt hinzu, dass deren Mutter und weitere Verwandte noch in Russland leben. Deshalb ist die Einschätzung des Geheimschutzbeauftragten rechtlich nicht zu beanstanden, dass auch unter Zuhilfenahme von Repressalien gegenüber diesen Personen versucht werden könnte, eine nachrichtendienstliche Mitarbeit des Antragstellers zu erzwingen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 1 WB 51.02 - juris Rn. 20). Außerdem haben der Antragsteller und seine Ehefrau einen Kredit über eine hohe fünfstellige Summe aufgenommen, um der Schwiegermutter des Antragstellers eine Wohnung in M. kaufen zu können, wodurch sich eine besondere Nähebeziehung und damit Exposition auch für den Antragsteller selbst ergibt. Für den Wohnungskauf haben der Antragsteller und seine Ehefrau eine noch größere Geldsumme in die Russische Föderation überwiesen. Die Annahme des Geheimschutzbeauftragten ist plausibel, dass auch dies die Aufmerksamkeit ausländischer Nachrichtendienste erregt haben könnte. Schließlich treten die jedenfalls vergangenen Aktivitäten des Antragstellers in sozialen Netzwerken hinzu, die in ihrer Gesamtheit eine besondere Offenheit für russische und chinesische Propaganda, deren politische Unterstützer sowie "alternative Medien" offenbart. Auch insoweit ist die Annahme des Geheimschutzbeauftragten plausibel, dass ausländische Nachrichtendienste dies bemerkt haben könnten und als Einfallstor für eine Ansprache des Antragstellers nutzen könnten.
55 Die vergangenen Aktivitäten des Antragstellers in sozialen Netzwerken konnte der Geheimschutzbeauftragte in seine Entscheidung auch einbeziehen. Selbst sicherheitserhebliche Erkenntnisse, die länger als die in § 12 Abs. 6 SÜG genannten Zeiträume (fünf bzw. zehn Jahre) zurückliegen, können berücksichtigt werden (Däubler, SÜG, 2019, § 12 Rn. 45; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, SÜG § 12 Rn. 30).
56 (c) Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten ist auch unter dem Blickwinkel der prognostischen, also auf die Zukunft gerichteten Risikoeinschätzung nicht zu beanstanden. Längere beanstandungsfreie Zeiträume kommen zwar bei der Beurteilung der Eignung eines Soldaten für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten als Indiz dafür in Betracht, dass dieser sich innerlich von früheren Taten und Einstellungen gelöst und distanziert hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - 1 WB 25.00 - BVerwGE 111, 219 und vom 2. Juni 2021 - 1 WB 18.20 - BVerwGE 173, 1 Rn. 29). Insoweit hat der Geheimschutzbeauftragte jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es zwar nicht ausgeschlossen erscheine, dass der Betroffene nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Frühjahr 2022 eine erhebliche Verschiebung seiner Sympathien durchlaufen habe. Auch spreche die gewährte Unterstützung für ukrainische Bekannte durch den Antragsteller und seiner Ehefrau für ein gewisses Maß an Differenzierung. Es könne jedoch nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller gegenwärtig noch - oder gegebenenfalls nach zukünftiger Veränderung der Lage abermals - eine sehr weitgehende Empfänglichkeit für propagandistische Positionen der russischen Führung aufzeige, welche sich für die Vergangenheit klar durch die im Anhörungsschreiben dargestellten Äußerungen, Likes und Mitgliedschaften des Betroffenen in sozialen Netzwerken belegen lasse. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil sich jedenfalls an der angenommenen Ansprechbarkeit und Erpressbarkeit aus familiären Gründen durch beanstandungsfreie Zeiträume nichts ändert. Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren weiteren Inhalten des Befragungsberichts entgegengetreten ist, ist dies hiernach nicht entscheidungserheblich.
57 (d) Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen, sind weder vom Antragsteller aufgezeigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2023 - 1 WB 29.22 - juris Rn. 50) noch sonst ersichtlich. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Auch der Verzicht auf eine Verkürzung der Frist für eine Wiederholungsprüfung unter Verweis darauf, dass gegenwärtig keine auf Zeitablauf beruhende Verringerung der nachrichtendienstlichen Gefährdung abzusehen sei, ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 WB 21.02 - juris Rn. 6).