Beschluss vom 28.08.2024 -
BVerwG 8 B 15.24ECLI:DE:BVerwG:2024:280824B8B15.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.08.2024 - 8 B 15.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:280824B8B15.24.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 15.24

  • VG Chemnitz - 23.01.2024 - AZ: 7 K 205/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Naumann
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 23. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme von drei beruflichen Rehabilitierungsverfahren, die die - seines Erachtens jeweils politisch motivierte - Verwehrung des Zugangs zu einem Studium, die Beendigung seiner Ausbildung und die Nötigung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags in der ehemaligen DDR zum Gegenstand hatten. Alle drei Anträge lehnte der Beklagte insbesondere deshalb ab, weil keine politische Verfolgung vorgelegen habe. Vor dem Verwaltungsgericht hatten die hiergegen gerichteten Klagen jeweils keinen Erfolg. In dem Verfahren bezüglich des Aufhebungsvertrags führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Anspruch auch deshalb ausscheide, weil der Kläger den Ausschlusstatbestand des § 4 BerRehaG verwirklicht habe. Einen Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens - zu dessen Begründung er diverse neue Unterlagen vorlegte - wies der Beklagte zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht unter anderem mit der Begründung abgewiesen, die Rehabilitierung bezüglich des Abschlusses des Aufhebungsvertrags sei selbstständig tragend deshalb abgelehnt worden, weil der Ausschlussgrund des § 4 BerRehaG erfüllt worden sei. Hierauf bezögen sich die neu vorgelegten Unterlagen nicht. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

3 2. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

4 Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
ob ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG im Hinblick eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes möglich ist, wenn im Verwaltungsakt selbst über einen Umstand nicht entschieden worden ist und sich dieser lediglich aus dem sich hieran anschließenden Rechtsstreit beim Verwaltungsgericht ergibt, mithin die Behörde selbst über einen aus Sicht des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Ablehnungsgrund im Rahmen eines berufsrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens nicht entschieden hat und die übrigen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorliegen,
erfordert nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie lässt sich anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsregeln und der vorhandenen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens ohne Weiteres beantworten.

5 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Wiederaufgreifen gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG voraussetzt, dass die zulässigerweise geltend gemachten neuen Beweismittel auf der Grundlage der den bestandskräftigen Bescheid tragenden Rechtsauffassung zu einer günstigeren Entscheidung geführt hätten. Bei gerichtlicher Bestätigung des bestandskräftigen Bescheids ergibt sich die maßgebliche Rechtsauffassung aus den tragenden rechtlichen Erwägungen der ihn bestätigenden gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2017 - 8 C 7.16 - BVerwGE 159, 136 Rn. 26 ff.). Dass diese Rechtsprechung, wie die Beschwerde meint, dann keine Geltung beanspruchen sollte, wenn das Gericht einen Anspruch aus einem Grund verneint hat, über den die Behörde nicht entschieden hat, und in diesem Fall die Rechtsauffassung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheids maßgeblich sein sollte, findet im Gesetz keine Stütze und trifft ersichtlich nicht zu. Denn das Gericht ist im Rahmen der Verpflichtungsklage grundsätzlich verpflichtet, die Sache unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten spruchreif zu machen. Lücken in den Feststellungen der Behörde, auch bezüglich von Tatsachen, die diese nicht für entscheidungserheblich gehalten hatte, hat es auszufüllen und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage von Amts wegen zu prüfen (vgl. Riese, in: Schoch/​Schneider, VwGO, Stand Januar 2024, § 113 Rn. 214 f.). Diesbezügliche Ausführungen nehmen im Rahmen der üblichen Regeln an der Rechtskraftwirkung des Urteils teil und sind damit auch im Rahmen der Prüfung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG maßgeblich.

6 Mit der weiteren Frage,
ob ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG im Hinblick eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes möglich ist, wenn im Verwaltungsakt selbst über einen Umstand nicht entschieden worden ist und sich dieser lediglich aus dem sich hieran anschließenden Rechtsstreit beim Verwaltungsgericht ergibt, mithin die Behörde selbst über einen aus Sicht des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Ablehnungsgrund im Rahmen eines berufsrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens nicht entschieden hat und die übrigen Voraussetzungen des § 51 Abs. 5 VwVfG vorliegen,
legt der Kläger schon deshalb keine grundsätzlich klärungsfähige Frage dar, weil das Verwaltungsgericht nicht die Möglichkeit einer Anwendung des § 51 Abs. 5 i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG, sondern vielmehr die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG verneint hat. Mit den Erwägungen, aufgrund dessen das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers nach § 51 Abs. 5 VwVfG verneint hat, setzt sich die Beschwerde im Übrigen nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise auseinander.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.