Beschluss vom 28.05.2009 -
BVerwG 6 PB 11.09ECLI:DE:BVerwG:2009:280509B6PB11.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.05.2009 - 6 PB 11.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:280509B6PB11.09.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 11.09

  • OVG Bautzen - 26.01.2009 - AZ: OVG PL 9 A 470/08 -
  • Sächsisches OVG - 26.01.2009 - AZ: OVG PL 9 A 470/08

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Mai 2009
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier und Dr. Möller
beschlossen:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2 1. Die in Abschnitt 2 der Beschwerdebegründung erhobene Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Der angefochtene Beschluss weicht nicht vom Urteil des beschließenden Gerichts vom 17. April 2002 - BVerwG 9 CN 1.01 - (BVerwGE 116, 188 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 155) ab.

3 a) Im vorgenannten Urteil hat der 9. Senat am Ende seiner Entscheidungsgründe sich zu der Mahnung veranlasst gesehen, die Tatsachengerichte sollten sich nicht gleichsam ungefragt auf Fehlersuche begeben. Mit dieser Mahnung sollte nicht die rechtliche Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes in Frage gestellt, sondern darauf hingewiesen werden, dass eine sachgerechte Handhabung dieses Grundsatzes unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie zu erfolgen hat. Was im Einzelfall sachgerecht ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein gültig festlegen; denn es handelt sich dabei letztlich um ein Problem der richtigen Balance zwischen Exekutive und Judikative. Eine ungefragte Fehlersuche, die das eigentliche Rechtsschutzbegehren des Klägers oder Antragstellers aus dem Auge verliert, ist im Zweifel auch nicht sachgerecht. Die Handhabung der richtigen Fehlersuche wird stets eine Frage des Fingerspitzengefühls im Einzelfall sein (a.a.O. S. 196 f. bzw. S. 84 f.).

4 Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das Tatsachengericht weder seine Ermittlungspflicht noch seine Pflicht zur Rechtskontrolle verletzt, wenn es nicht allen denkbaren Rechtsfehlern in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachgeht. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass die gerichtliche Rechtskontrolle auf die vom Antragsteller gerügten Verstöße begrenzt ist, lässt sich diesen Ausführungen dagegen nicht entnehmen. Schon gar nicht lässt sich aus jener zum kommunalen Gebührenrecht ergangenen Entscheidung herleiten, welche etwaigen Wahlrechtsverstöße bei der Anfechtung einer Personalratswahl für die gerichtliche Prüfung relevant sind.

5 b) Der beschließende 6. Senat hat in seinem Beschluss vom 13. Mai 1998 - BVerwG 6 P 9.97 - (BVerwGE 106, 378 = Buchholz 251.7 § 22 NWPersVG Nr. 4) - ganz im Sinne der zitierten Ausführungen des 9. Senats - darauf hingewiesen, dass es der auch das personalvertretungsrechtrechtliche Beschlussverfahren kennzeichnende durch Dispositionsmaxime und Mitwirkungspflicht der Beteiligten geprägten Tendenz widerspricht, wenn die Verwaltungsgerichte ohne erkennbaren aktenkundigen Anlass die Wahlunterlagen beiziehen, um nach Gründen zu forschen, aus denen sich die Ungültigkeit der Wahlergebnisse ergeben könnte. Der Gedanke einer Beschränkung der gerichtlichen Wahlprüfung im Wesentlichen auf das, was durch das Vorbringen der Beteiligten veranlasst worden ist, verdient im Interesse einer schnellen Durchsetzung des Wählerwillens durch Entscheidung über das mit der Antragsbegründung zum Ausdruck gebrachte Wahlprüfungsbegehren Beachtung. Weder ein rechtzeitig gestellter, in der Sache uneingeschränkter Anfechtungsantrag noch der Untersuchungsgrundsatz verpflichten das Verwaltungsgericht, ungefragt sämtlichen hypothetischen Wahlrechtsverstößen nachzugehen. Dies liefe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus (a.a.O. S. 384 bzw. S. 5).

6 Andererseits hat der Senat in dieser Entscheidung klargestellt, dass die Ungültigkeit einer Wahl auch auf Gründe gestützt werden kann, die erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist geltend gemacht oder festgestellt werden. Die Offizialmaxime berechtigt und verpflichtet die Gerichte, bei der Entscheidung über einen zulässig erhobenen Anfechtungsantrag auch nachträglich vorgetragene, ja überhaupt nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe zu berücksichtigen (a.a.O. S. 381 bzw. S. 3). Hat der Antragsteller in der Antragsschrift im Grundsatz tragfähige Wahlanfechtungsgründe geltend gemacht, so genügt dies in verfahrensrechtlicher Hinsicht, um dem Verwaltungsgericht die Befugnis zur Prüfung auch ungerügter Wahlrechtsverstöße zu eröffnen (a.a.O. S. 384 f. bzw. S. 6).

7 c) Zu den zitierten Aussagen hat sich das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht in Widerspruch gesetzt. Es war ebenso wenig wie zuvor schon das Verwaltungsgericht daran gehindert, seine wahlrechtliche Prüfung auf die Frage zu erstrecken, ob die im Mai 2007 durchgeführte Personalratswahl noch die Gruppe der Angestellten und Arbeiter berücksichtigen durfte, obschon das im Bereich der Dienststelle anzuwendende Tarifrecht bereits seit November 2006 die Einteilung der Arbeitnehmer in Angestellte und Arbeiter aufgegeben hat. Diese Problematik zu behandeln, drängt sich mit Blick auf den Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen in § 4 Abs. 3 und 4 SächsPersVG geradezu auf. Die Wahlanfechtenden haben es nicht in der Hand, die Prüfung des Gerichts auf die von ihnen gerügten Wahlrechtsverstöße zu begrenzen. Dass damit hier eine Ausweitung der gerichtlichen Tatsachenermittlung verbunden war, ist im Übrigen ebenfalls nicht ersichtlich.

8 2. Den Ausführungen in Abschnitt 3 der Beschwerdebegründung vermag der Senat nicht die Darlegung eines Zulassungsgrundes zu entnehmen, der den Anforderungen nach § 72a Abs. 3 Satz 2, § 92a Satz 2 ArbGG Rechnung trägt.
Im Übrigen ist die Annahme des Beteiligten zu 1, die Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen durch das Oberverwaltungsgericht sei rechtsstaatswidrig, geradezu fernliegend.