Beschluss vom 28.03.2025 -
BVerwG 4 B 24.24ECLI:DE:BVerwG:2025:280325B4B24.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 28.03.2025 - 4 B 24.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:280325B4B24.24.0]
Beschluss
BVerwG 4 B 24.24
- VG Gera - 26.09.2019 - AZ: 4 K 937/18 Ge
- OVG Weimar - 14.05.2024 - AZ: 1 KO 287/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. März 2025
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seidel und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und − unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2024 − für das Berufungsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die ausschließlich auf Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
2 1. Die Rüge, die Vorinstanz habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, weil es sein Vorbringen zur Unbestimmtheit und Nichtigkeit der Baulast übergangen habe, bleibt ohne Erfolg.
3 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, deren (Rechts-)Auffassung zu folgen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. November 2004 - 1 BvR 179/03 - NVwZ 2005, 204 <205>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen (stRspr, BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Im Einzelfall müssen besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Mai 2024 - 2 BvR 51/24 - NJW-RR 2024, 881 Rn. 57 m. w. N.). In einer gerichtlichen Entscheidung sind nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und auf die es nach dem Rechtsstandpunkt des erkennenden Gerichts entscheidungserheblich ankommt. Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2024 - 4 B 5.24 - juris Rn. 24).
4 Gemessen daran ist für einen Gehörsverstoß nichts ersichtlich. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers zur Unbestimmtheit der Baulast im Tatbestand wiedergegeben (UA S. 7 f.). Es hat sich zudem in den Entscheidungsgründen mit der Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Baulast befasst. Dafür hat es verlangt, dass die Baulasterklärung so eindeutig und klar formuliert ist, dass sich Inhalt und Tragweite objektiv hinreichend ermitteln lassen und die Bauaufsichtsbehörde die Baulast im Konfliktfall durchsetzen kann (UA S. 13). Diese Anforderungen hat es als erfüllt angesehen, weil nach dem − im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen − Wortlaut der Baulasteintragung eindeutig sei, dass in dem auf dem belasteten Grundstück bei Eintragung der Baulast bereits vorhandenen Parkhaus 134 Pkw-Stellplätze zur Verfügung gestellt werden, um eine künftige Bebaubarkeit der nördlich der M.-Straße gelegenen Grundstücke zu ermöglichen (UA S. 13). Für das Oberverwaltungsgericht war danach allein maßgeblich, dass die belastete Grundstücksfläche mit der Nutzfläche und Zuwegung des Parkhauses übereinstimmt. Auf das Vorbringen des Klägers, es sei unklar, welche 134 von 273 im Parkhaus vorhandenen Stellplätzen konkret von der Baulast umfasst sein sollen und freigehalten werden müssten, kam es für das Oberverwaltungsgericht dagegen materiell-rechtlich nicht an. Soweit die Beschwerde die vom Oberverwaltungsgericht angelegten Bestimmtheitsmaßstäbe unter Bezugnahme auf die Entscheidung eines anderen Obergerichts als unzureichend angreift, übersieht sie, dass bei der Prüfung von Verfahrensmängeln stets von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz auszugehen ist, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 2017 - 4 BN 11.17 - BRS 85 Nr. 184 S. 1214 m. w. N.).
5 2. Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, greift ebenfalls nicht durch.
6 (Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Die Grenzen der Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung sind mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2024 - 4 BN 6.24 - juris Rn. 3 m. w. N.).
7 Einen derartigen Fehler zeigt die Beschwerde nicht auf. Namentlich hat das Oberverwaltungsgericht aus den vorstehend unter 1. dargelegten Gründen nicht Akteninhalt übergangen, der nach seiner maßgeblichen Rechtsauffassung entscheidungserheblich war.
8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG. Da der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine wertmäßige Bestimmung des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 1 GKG bietet und der Klageantrag nicht auf eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt i. S. v. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG gerichtet ist, ist − im Einklang mit der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Verfahren − vom Auffangstreitwert auszugehen (§ 52 Abs. 2 GKG). Die Befugnis des Senats, die vorinstanzliche Streitwertentscheidung von Amts wegen zu ändern, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2024 - 4 BN 20.23 - juris Rn. 17 m. w. N.).