Urteil vom 26.09.2024 -
BVerwG 10 C 11.23ECLI:DE:BVerwG:2024:260924U10C11.23.0
Informationszugang zu Unterlagen der Werftenförderung
Leitsätze:
1. Der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens kann nicht als Schranke bei der Auslegung kompetenzgemäß erlassener Gesetze oder als Einschränkung subjektiver Rechte in Ansatz gebracht werden.
2. Ein dem Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern entgegenstehender eigenständiger Versagungsgrund lässt sich aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens nicht herleiten.
-
Rechtsquellen
IFG § 3 Nr. 4 und 7 IFG M-V § 5 Nr. 1 und 3 -
Instanzenzug
VG Schwerin - 06.12.2019 - AZ: 1 A 711/16 SN
OVG Greifswald - 01.06.2023 - AZ: 1 LB 194/20
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 26.09.2024 - 10 C 11.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924U10C11.23.0]
Urteil
BVerwG 10 C 11.23
- VG Schwerin - 06.12.2019 - AZ: 1 A 711/16 SN
- OVG Greifswald - 01.06.2023 - AZ: 1 LB 194/20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther,
Dr. Löffelbein und Dr. Naumann
für Recht erkannt:
- Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Insoweit sind die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2023 und des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 6. Dezember 2019 einschließlich der Kostenentscheidungen wirkungslos.
- Im Übrigen werden die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2023 zurückgewiesen.
- Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
I
1 Die Klägerin fordert vom Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern Zugang zu Informationen zur Werftenförderung im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Sanierung der P GmbH. Sie ist deren ehemalige Hauptgesellschafterin.
2 Nachdem es bei der P GmbH im Jahr 2009 zu Liquiditätsengpässen gekommen war, hatte sie im Dezember 2009 die Gewährung von parallelen Bürgschaften durch den Beklagten und die Beigeladene zu 2, die Bundesrepublik Deutschland, beantragt. Hierfür erstellte die Beigeladene zu 1, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, im Zeitraum von 2009 bis 2012 die streitgegenständlichen Dokumente wie Gutachten und Stellungnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung des Bürgschaftsausschusses des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 gewährten der P GmbH die Bürgschaften. Im August 2012 meldete das Unternehmen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an; im November 2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
3 Im August 2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Zugang zu den von der Beigeladenen zu 1 erarbeiteten Dokumenten. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Dezember 2019 im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 im Hinblick auf die noch streitgegenständlichen Dokumente zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch sei nicht nach § 5 Nr. 3 IFG M-V, der (auch) Ausdruck bundesfreundlichen Verhaltens sei, ausgeschlossen. Dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2 sei es bereits verwehrt, sich auf diesen Ausschlussgrund zu berufen. Denn mit der Ausgestaltung des Bürgschaftsverfahrens hätten sie die Beigeladene zu 1 bewusst gemeinsam in Anspruch genommen. Die Exekutive könne sich ihrer Verantwortung in Bezug auf den freien Informationszugang nicht durch die Einbindung von Dritten bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben entziehen. Die Beigeladene zu 1 sei eine Behörde im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise einer solchen jedenfalls gleichgestellt. Damit habe sie den Informationszugang im selben Umfang wie der Beklagte zu gewährleisten. Unabhängig davon unterliege die Beigeladene zu 2 nach dem für sie geltenden Informationsfreiheitsgesetz des Bundes der Verpflichtung, der Klägerin Zugang zu den hier streitgegenständlichen Dokumenten zu gewähren. Sie könne sich insbesondere nicht auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG berufen. Denn es könne nicht festgestellt werden, dass ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit noch fortbestehe. Der Grundsatz der Bund-Länder-Treue stehe dem Anspruch der Klägerin auch nicht isoliert entgegen.
4 Zur Begründung seiner Revision führt der Beklagte aus: Die Annahme der Vorinstanz, ein gemeinsames Bund-Land-Engagement führe zur Nichtanwendbarkeit des § 5 Nr. 3 IFG M-V, verstoße nicht nur gegen Denkgesetze, sondern auch gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens. Das Oberverwaltungsgericht verkenne in revisionsrechtlich erheblicher Weise den Begriff "Behörde", wenn es die Beigeladene zu 1 als solche qualifiziere. Der Informationszugang könne nicht dadurch erst ermöglicht werden, dass die Beigeladene zu 1 zur Behörde "umgedeutet" werde. Der Anspruch auf Informationszugang sei nach dem Versagungsgrund aus § 3 Nr. 7 IFG, auf den sich die Beigeladene zu 2 berufen könne, ausgeschlossen. Die Wahrung der vereinbarten Vertraulichkeit sei auch noch im Zeitpunkt der Antragstellung weder für die behördliche Aufgabenwahrnehmung noch für den Dritten verzichtbar gewesen. Die Beigeladenen hätten ein Weitergabeverbot vereinbart. Die Beigeladene zu 2 sehe sich im Falle der Weitergabe ohne Zustimmung der Beigeladenen zu 1 einem Haftungsausschluss ausgesetzt.
5 Die Beigeladene zu 1 ergänzt: Das Berufungsurteil sei vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Bund-Länder-Treue rechtlich unzutreffend. Im Falle eines Parallelbürgschaftsverfahrens, bei dem ein Bundesland nur in Kooperation mit dem Bund in der Lage sei, privatwirtschaftlichen Unternehmen die benötigte wirtschaftliche Hilfestellung zu geben, komme dem Grundsatz der Bund-Länder-Treue besondere Bedeutung zu. Aufgrund eines noch fortbestehenden Vertraulichkeitsinteresses im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang sei die Beigeladene zu 2 nicht zur Auskunft verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht habe zur Begründung ausschließlich auf Umstände abgestellt, die in keinem Zusammenhang mit dem subjektiv ausgerichteten Vertraulichkeitsinteresse der Beigeladenen zu 1 stünden, sondern ausschließlich eine Zäsur im Hinblick auf die P GmbH darstellten. Ihr Reputationsinteresse im Hinblick auf das von der Klägerin geführte Schadensersatzverfahren gegen die K AG vor dem Oberlandesgericht X begründe eine ausreichende subjektive Interessenlage.
6 In einem Parallelverfahren hatte die Klägerin bei der hiesigen Beigeladenen zu 2 Zugang zu Dokumenten der Beigeladenen zu 1 zur Werftensanierung nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes beantragt. Der hiesige Beklagte war als Beigeladener zu 1 und die hiesige Beigeladene zu 1 als Beigeladene zu 2 beteiligt worden. Das Verwaltungsgericht Berlin gab der Klage teilweise statt; die Berufungen blieben im Wesentlichen ohne Erfolg. Mit Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - (BVerwGE 171, 90) hob der Senat das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurück. Dieses wies die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1 zurück; die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision blieb ohne Erfolg (BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2023 - 10 B 17.22 - NVwZ 2024, 425). Nachdem der Klägerin von der hiesigen Beigeladenen zu 2 Zugang zu den im Parallelverfahren begehrten Informationen gewährt wurde und der Senat im hiesigen Verfahren in der mündlichen Verhandlung insoweit Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage geäußert hat, haben die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit in diesem Umfang übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
7
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2023 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 15. August 2023 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 6. Dezember 2019 zu ändern und die Klage, soweit das Verfahren in der Hauptsache nicht als teilweise erledigt eingestellt worden oder noch einzustellen ist, insgesamt abzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen, soweit das Verfahren in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden ist.
9 Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
10 Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag. Sie hat sich zur Sache nicht geäußert.
II
11 Soweit die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit in der Revisionsinstanz übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts sind insoweit wirkungslos (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
12 Im Übrigen sind die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 zurückzuweisen. Sie sind unbegründet, weil das Berufungsurteil nicht auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
13 1. Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, dass es dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2 verwehrt sei, sich auf den Ausschlussgrund des § 5 Nr. 3 IFG M-V zu berufen. Nach diesem Ausschlussgrund ist der Antrag auf Zugang zu Informationen abzulehnen, soweit und solange durch die Bekanntgabe der Informationen Angaben und Mitteilungen von Behörden, die nicht dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterfallen, offenbart würden und die Behörden in die Offenbarung nicht eingewilligt haben oder von einer Einwilligung nicht auszugehen ist. Diesen Versagungsgrund sieht das Berufungsgericht aber nicht als einschlägig an, weil der Beklagte und die Beigeladene zu 2 die Beigeladene zu 1 als beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bewusst gemeinsam in Anspruch genommen hätten. Diese Beurteilung ist einer bundesrechtlichen Überprüfung entzogen. Insoweit steht irrevisibles Landesrecht inmitten. An dessen Auslegung und Anwendung durch das Oberverwaltungsgericht ist das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden.
14 Soweit das Berufungsgericht die Beigeladene zu 1 als Behörde i. S. v. § 3 Abs. 2 IFG M-V i. V. m. § 1 Abs. 3 VwVfG M-V beurteilt hat, ist diese revisible Einordnung (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) zweifelhaft. Die Beigeladene zu 1 hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die dem Beklagten obliegende Werftenförderung an dessen Stelle wahrgenommen. Gleichwohl ist die Beigeladene zu 1 weder eine eigenständige Organisationseinheit des Staates noch ist sie mit der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben beliehen worden. Allerdings kommt es auf die Frage der Behördeneigenschaft nicht an. Das Berufungsgericht hat die Beigeladene zu 1 auch einer Behörde i. S. v. § 3 Abs. 3 IFG M-V gleichgestellt. Insoweit steht wiederum irrevisibles Landesrecht inmitten.
15 Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt auch kein Verfahrensfehler i. S. v. § 108 Abs. 1 VwGO dergestalt vor, dass dem Berufungsgericht bei der Subsumtion ein Denkfehler unterlaufen wäre. Er macht im Hinblick auf die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2 sei es verwehrt, sich auf den Ausschlussgrund des § 5 Nr. 3 IFG M-V zu berufen, keine fehlerhafte Schlussfolgerung im Sinne eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz geltend, sondern einen normativen Einwand. Der Überzeugungsgrundsatz betrifft aber allein den tatsächlichen Prozessstoff und nicht Rechtsfragen (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 108 Rn. 1, 14).
16 2. Auch die zweite tragende Erwägung des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des Versagungsgrundes nach § 5 Nr. 3 IFG M-V lägen nicht vor, begegnet keinen bundesrechtlich durchgreifenden Bedenken.
17 Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei der Beigeladenen zu 2 um eine andere Behörde i. S. v. § 5 Nr. 3 IFG M-V handelt. Mit Recht nimmt das Berufungsgericht unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung an, dass von einer Einwilligung der Beigeladenen zu 2 auszugehen ist, wenn diese selbst zur Informationsgewährung verpflichtet ist, sie sich also nicht auf einen Ausschlussgrund nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (im Folgenden: IFG) berufen kann. Insoweit steht nicht die Anwendung von irrevisiblem Landesrecht in Rede, sondern das Landesrecht setzt Bundesrecht voraus und knüpft hieran eine eigene Rechtsfolge (vgl. Buchheister, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Januar 2024, § 137 Rn. 48 f.).
18 Die Beigeladene zu 2 kann sich nicht auf einen dem Informationszugangsanspruch entgegenstehenden Versagungsgrund berufen.
19 a) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats in dem Parallelverfahren vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - (BVerwGE 171, 90 Rn. 13, 15 ff.) eine Anwendung von § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. Nach diesem Ausschlussgrund besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
20 In dem genannten Urteil hat der Senat ausgeführt, dass auch die Verschwiegenheitspflicht von Wirtschaftsprüfern nach § 43 Abs. 1 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) ein Berufsgeheimnis darstellt. Geschützt wird regelmäßig nur der Auftraggeber des Wirtschaftsprüfers. Ein geschütztes eigenes Geheimhaltungsinteresse des Wirtschaftsprüfers selbst besteht in der Regel nicht. Die Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers stellt sicher, dass sich der jeweilige Auftraggeber darauf verlassen kann, dass mandatsbezogene Informationen vom Wirtschaftsprüfer ohne sein Einverständnis Dritten gegenüber nicht offenbart werden. Demgegenüber ergibt sich aus der Verschwiegenheitspflicht nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO zur Frage des Umgangs eines oder mehrerer Auftraggeber mit den vom Wirtschaftsprüfer zur Verfügung gestellten Informationen nichts. Deshalb kann sich der Beklagte als Auftraggeber der Beigeladenen zu 1 nicht auf einen Anspruchsausschluss nach § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO berufen. Daran ändert nichts, dass sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene zu 2 als Auftraggeber der Beigeladenen zu 1 aufgetreten sind. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO schützt beide Auftraggeber jeweils nur in ihrem Verhältnis gegenüber der Beigeladenen zu 1 (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - BVerwGE 171, 90 Rn. 13, 15 ff.).
21 b) Soweit der Versagungsgrund des § 3 Nr. 7 IFG in Rede steht, sind die rechtlichen Maßstäbe gleichfalls vom Senat in dem benannten Urteil geklärt worden.
22 Nach diesem Ausschlussgrund besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. Solche Informationen sind vertraulich i. S. d. § 3 Nr. 7 IFG, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dies setzt eine Übereinkunft über die Vertraulichkeit zwischen der informationspflichtigen Stelle und dem Dritten voraus. Darüber hinaus ist ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit erforderlich. Ein solches liegt jedenfalls dann vor, wenn dem Informanten bei Offenbarung der Information Nachteile drohen und deshalb (zukünftig) die ordnungsgemäße Erfüllung der behördlichen Aufgabe, welche auf die vertrauliche Übermittlung von Informationen angewiesen ist, gefährdet ist (BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 25 m. w. N.). Ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer Information besteht im Anschluss hieran auch dann, wenn eine Behörde zur ordnungsgemäßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben von hohem Gewicht auf die Erhebung und Übermittlung von Informationen, die anders nicht zu erlangen wären, durch mit spezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten ausgestattete Dritte angewiesen ist und auf Seiten dieser Dritten ein besonderes Vertraulichkeitsinteresse anzuerkennen ist (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 - BVerwGE 171, 90 Rn. 28). Rein private Interessen reichen nicht aus, um ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit der Dokumente anzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2023 - 10 B 17.22 - NVwZ 2024, 425 Rn. 16 ff. sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2022 - 12 B 6/21 - NVwZ 2023, 185 Rn. 48 f.). Nachteile für Dritte stehen dem Informationszugang nur entgegen, wenn zugleich ein Nachteil für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu besorgen ist.
23 Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG setzt das Fortbestehen des objektiv schutzwürdigen Vertraulichkeitsinteresses des Dritten voraus. Die Frage nach dessen Fortbestehen stellt sich zum Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat ausdrücklich auf den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 3 Nr. 7 IFG, also auf den Zeitpunkt der Antragstellung, abgestellt (UA S. 34 und 37). Soweit das Berufungsgericht im Rahmen einer zusätzlichen Erwägung darauf verwiesen hat, dass seit der Stellung des Antrags auf Informationszugang im August 2015 bis zu seiner Entscheidung weitere fast acht Jahre verstrichen sind, handelt es sich nicht um eine tragende Erwägung. Im Weiteren hat es festgestellt, dass im Antragszeitpunkt kein objektiv schutzwürdiges Interesse der Beigeladenen zu 1 an der Vertraulichkeit mehr bestand. Ein wesentlicher Einschnitt für den Fortbestand der Schutzbedürftigkeit der Vertraulichkeit der hier in Rede stehenden Informationen lag darin, dass das konkrete Mandat der Beigeladenen zu 1 beendet war, die P GmbH Insolvenz angemeldet hatte, ihre Sanierung damit endgültig gescheitert war und der Insolvenzverwalter im Rahmen des Parallelverfahrens keine Bedenken gegen die Gewährung des Informationszugangs an die Klägerin erhoben hatte. Damit war eine unmittelbare Beeinträchtigung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch eine Offenlegung der Informationen, insbesondere auch solcher, hinsichtlich derer die P GmbH während des Sanierungsverfahrens Vertraulichkeit hätte beanspruchen können, entfallen.
24 An diese Feststellungen ist der Senat gebunden. Verfahrensrügen haben die Revisionen nicht erhoben. Auch liegt kein Subsumtionsfehler vor. Dieser setzt voraus, dass der zutreffend festgestellte Sachverhalt die Anwendung der von der Vorinstanz herangezogenen und an sich richtig interpretierten Rechtsnorm nicht trägt (Buchheister, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Januar 2024, § 137 Rn. 92). Dies ist hier nicht der Fall.
25 Schließlich ist das Berufungsgericht auf den der Beigeladenen zu 1 nach ihrem Vortrag drohenden Reputationsschaden im Zusammenhang mit der Regressklage der Klägerin gegen die K AG eingegangen. Es hat einen solchen Schaden nicht als dargelegt angesehen. Abgesehen davon würde dieses rein private Interesse der Beigeladenen zu 1 nach den zuvor dargelegten Grundsätzen nicht ausreichen, um ein fortbestehendes objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit der Dokumente anzunehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2022 - 12 B 6/21 - NVwZ 2023, 185 Rn. 48 f.).
26 3. Entgegen dem Revisionsvorbringen zwingt auch das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens weder zur Annahme eines eigenständigen und dem Informationszugang entgegenstehenden Ausschlussgrundes noch zu einer erweiternden Auslegung von § 5 Nr. 3 IFG M-V.
27 Das aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgende Gebot bundesfreundlichen Verhaltens beherrscht im deutschen Bundesstaat das Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern wechselseitig (BVerfG, Urteile vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1 und 2/60 - BVerfGE 12, 205 <254> und vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - BVerfGE 81, 310 <337>). Es verlangt bei der Wahrnehmung eigener Kompetenzen Rücksichtnahme auf die gesamtstaatlichen Interessen des Bundes oder die Interessen der anderen Länder (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1282/11 - BVerfGE 139, 321 Rn. 101; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - NVwZ 2017, 791 Rn. 82). Dieser Grundsatz begründet jedoch für sich allein keine selbstständigen Pflichten des Bundes oder eines Landes; er ist vielmehr akzessorischer Natur und kann nur innerhalb eines anderweitig begründeten Rechtsverhältnisses Bedeutung gewinnen, indem er die hiernach bestehenden Rechte und Pflichten moderiert, variiert oder durch Nebenpflichten ergänzt (BVerfG, Urteil vom 7. April 1976 - 2 BvH 1/75 - BVerfGE 42, 103 <117 f.>; Beschluss vom 11. März 1997 - 2 BvG 3 und 4/95 - BVerfGE 95, 250 <266>; BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 21). Die Sachkompetenz verbleibt aber ungeschmälert (BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2002 - 2 BvG 2/00 - BVerfGE 104, 249 <272>). Aus der staatsrechtlichen Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 A 1.10 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 24 Rn. 29) lassen sich etwa prozedurale Anforderungen (BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2002 - 2 BvG 2/00 - BVerfGE 104, 249 <272>) oder vorprozessuale Verhandlungsobliegenheiten ableiten, um eine einvernehmliche Lösung zu suchen (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1976 - 7 A 1.76 - BVerwGE 50, 137 <149> und vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 51).
28 Gemäß diesen Vorgaben wird der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens nicht als Schranke bei der Auslegung kompetenzgemäß erlassener Gesetze oder als Einschränkung subjektiver Rechte in Ansatz gebracht. Ein dem Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern entgegenstehender eigenständiger Versagungsgrund lässt sich daher aus diesem Grundsatz genauso wenig herleiten wie eine erweiternde Auslegung von § 5 Nr. 3 IFG M-V. Zwar will der landesrechtliche Versagungsgrund ersichtlich den Ausschluss des Informationszugangs verhindern, wenn die nicht dem Landesrecht unterliegende Behörde nicht zur Offenlegung der Information verpflichtet ist. Verfassungsrechtlich ist eine weitergehende Beschränkung aus Gründen der Bundestreue aber nicht geboten. Im Übrigen berücksichtigt § 5 Nr. 1 IFG M-V weitere Belange mit Bezug zum Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens. Danach ist der Antrag auf Zugang (u. a.) abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Informationen dem Wohl des Landes, den Beziehungen zum Bund oder zu einem Land schwerwiegende Nachteile bereiten würde. Dementsprechend hat das Berufungsgericht auch § 5 Nr. 1 IFG M-V als Ausdruck bundesfreundlichen Verhaltens angesehen (UA S. 38). Den Versagungsgrund des § 5 Nr. 1 IFG M-V hat das Berufungsgericht indessen mangels substantiierten Vorbringens des Beklagten nicht angenommen.
29 Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber vergleichbare Versagungsgründe nicht geschaffen hat. Er hat mit § 3 Nr. 1 IFG vielmehr einen Ausschlussgrund vorgesehen, der den Informationszugang verwehrt, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf besondere dort genannte öffentliche Belange. Interessen anderer Bundesländer gehören aber nicht dazu. Auch der Versagungsgrund des § 3 Nr. 5 IFG regelt einen anderen Fall. Danach ist der Informationszugang hinsichtlich vorübergehend beigezogener Information einer anderen öffentlichen Stelle abzulehnen, wenn die Information nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden soll. Der Versagungsgrund schließt den Informationszugang daher nicht bei einem endgültigen bundesbehördlichen Verbleib der aus einer Landesbehörde stammenden Information aus. Soweit ersichtlich, sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens im Informationsfreiheitsgesetz bislang vereinzelt geblieben (vgl. Kloepfer/v. Lewinski, DVBl 2005, 1277 <1282>). Anlass für eine vertiefte Behandlung dieser Frage besteht vorliegend nicht.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 161 Abs. 2 sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten erledigt wurde, entspricht es der Billigkeit, dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 die Kosten des Verfahrens entsprechend den Erfolgsaussichten bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses aufzuerlegen.