Beschluss vom 26.09.2024 -
BVerwG 9 B 19.24ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B9B19.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 9 B 19.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B9B19.24.0]
Beschluss
BVerwG 9 B 19.24
- VG Dresden - 29.10.2019 - AZ: 2 K 472/19
- OVG Bautzen - 06.12.2023 - AZ: 5 A 92/20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. September 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
- Damit erledigt sich der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem vorgenannten Urteil.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 457 513,15 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
2 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde schon deshalb unzulässig ist, weil sie erst am 11. März 2024 und damit entgegen § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des angefochtenen Urteils am 15. Dezember 2023 begründet wurde.
3 Unbeachtlich ist insoweit allerdings, dass der Bevollmächtigte der Klägerin am 15. Februar 2024 beantragte, die Beschwerdebegründungsfrist zu verlängern. Denn eine Verlängerung dieser Frist ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht möglich, weil die für die Begründungsfrist maßgebliche Vorschrift des § 133 Abs. 3 VwGO − im Gegensatz etwa zu Regelungen in anderen Prozessordnungen (vgl. z. B. § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) − eine solche Verlängerungsmöglichkeit nicht vorsieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2022 - 6 B 1.22 - juris Rn. 8 und vom 28. März 2001 - 8 B 52.01 - NVwZ 2001, 799; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 133 Rn. 16).
4 Gleichwohl bedarf es keiner Entscheidung, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren ist. Insoweit ist dem Vorbringen kein konkreter Zeitpunkt zu entnehmen, an dem das geltend gemachte Hindernis entfallen ist. Stellte man mit der Beklagten auf das Schreiben des Oberverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2024 ab, in welchem der Bevollmächtigte der Klägerin auf die fehlende Möglichkeit einer Verlängerung der Begründungsfrist hingewiesen wurde, wäre jedenfalls am 11. März 2024 die für die Säumnis der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltende Antragsfrist von einem Monat entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verstrichen gewesen.
5 2. Die Beschwerde ist jedoch ungeachtet dessen jedenfalls deshalb unzulässig, weil ihre Begründung nicht die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) erfüllt. Dazu ist erforderlich, dass einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz, Verfahrensfehler - substantiiert dargelegt wird. Dem genügt die Beschwerde nicht. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Vorschriften des Anfechtungsgesetzes und der Abgabenordnung. In der Sache macht sie damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend, auf die indes die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann.
6 Soweit die Beschwerde darüber hinaus behauptet, das Berufungsgericht sei "von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere der des BFH" abgewichen, benennt sie entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.
7 Schließlich genügt die Beschwerde auch hinsichtlich des geltend gemachten Gehörsverstoßes ("Verständnisrüge") nicht den Darlegungsanforderungen. Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört, dass wenigstens vorgetragen wird, wozu die Partei sich nicht hat äußern können und was sie anderenfalls vorgetragen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1978 - 2 C 36.77 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 105 S. 28; Beschluss vom 8. Dezember 2006 - 1 B 37.05 - juris Rn. 10). Hinsichtlich des Einwands der Gehörsverletzung ist die Beschwerde indes weder aus sich heraus noch in Ansehung des Urteils des Berufungsgerichts verständlich. Die Klägerin behauptet, das Gericht habe eine Aufrechnung übergangen, indem es sie als Minderung des Steueranspruchs missverstanden habe. Das Gericht habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Beklagte aus der fehlerhaft gezahlten Einkommensteuer hätte bedienen können, was der Annahme entgegenstehe, eine Zwangsvollstreckung wäre erfolglos gewesen. Die Anfechtungsbefugnis entfalle auch deshalb, da die Beklagte "selbst einen Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB durch Genehmigung der Zahlungen an das Finanzamt D. sowie Herausgabe der fehlerhaft als Einkommensteuer gezahlten Gelder aus abgetretenem Recht geltend machen" könne. Dieses Vorbringen wird ungeachtet dessen, dass es - auch im Hinblick auf den Zweck der anwaltlichen Vertretung (§ 67 Abs. 4 VwGO) – nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, unzureichenden Vortrag zu plausibilisieren, selbst unter Hinzuziehen des angefochtenen Urteils nicht verständlich. Danach hat die Klägerin lediglich eingewandt, es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Berechnung der Gewerbesteuer die Einkommensteuer berücksichtigt habe (UA Rn. 17). In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt (UA Rn. 55), die Klägerin sei als duldungsverpflichtete Anfechtungsgegnerin mit Einwendungen gegen einen bestandskräftigen Steuer- oder Haftungsbescheid ausgeschlossen. Die zu erwartende Erfolglosigkeit einer Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Dr. ... L. hat das Gericht hingegen daraus hergeleitet, dass gegen diesen im für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war (UA Rn. 57).
8 3. Ist danach die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen, so wird damit das angefochtene Urteil rechtskräftig und erledigt sich der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung daraus.
9 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.