Beschluss vom 26.09.2024 -
BVerwG 1 WB 12.23ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B1WB12.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 1 WB 12.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B1WB12.23.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 12.23
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Fregattenkapitän Niemeyer und
den ehrenamtlichen Richter Hauptbootsmann Kolberg
am 26. September 2024 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3).
2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September ... Er wurde zuletzt am 14. Februar ... zum Stabsbootsmann befördert. Aufgrund seiner Bewerbung war er seit Januar 2002 zum MAD-Feldwebel im Sachgebiet Observation ausgebildet und danach insbesondere in der MAD-Stelle in ... eingesetzt worden; zu seinen Aufgaben gehörte auch das Bearbeiten von Informationen im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung in einfachen und mittleren Fällen. Ab 2015 wurde er bei der ... im Bereich militärische Sicherheit, insbesondere Nachrichtengewinnung und Aufklärung, verwendet. Aus persönlichen und familiären Gründen beantragte er 2018 seine Versetzung und diente ab April 2019 für ein Jahr in ... bei ... Ab Mai 2020 wurde er nach ... zum ...geschwader, Bereich militärisches Nachrichtenwesen, versetzt. Seit 1. Juni 2021 wird der Antragsteller als Karriereberatungsfeldwebel im Karrierecenter ..., ohne Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, eingesetzt.
3 Für den Antragsteller war im Jahr 2015 eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) ohne Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden. Im Juli 2017 wurde durch seine Dienststelle eine Wiederholungsüberprüfung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) eingeleitet. In seiner Sicherheitserklärung vom 6. Juli 2017 gab der Antragsteller unter Nr. 2.1 die Personalien seiner damaligen Lebensgefährtin A und als deren ausgeübten Beruf "Servicekraft" sowie als Arbeitgeber "..., ..." an. Der Antragsteller lebte zu diesem Zeitpunkt von seiner Ehefrau B getrennt, die auf Antrag des Soldaten nicht in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wurde; die Ehe wurde 2018 geschieden. Am 5. Februar 2019 gab der Antragsteller eine aktualisierte Sicherheitserklärung ab, in der er unter Nr. 2.1 als neue Lebensgefährtin C angab.
4 Der Antragsteller wurde am 3. September 2019 persönlich durch den MAD befragt (Befragungsbericht vom 10. September 2019). Im Rahmen dieser Befragung entband der Soldat seine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht, stimmte einer Einsichtnahme des MAD in seine Gesundheitsakte zu und erklärte sich mit einer freiwilligen unangekündigten Begutachtung auf mögliche Alkohol- und Suchterkrankungen einverstanden.
5 Mit Schreiben vom 8. September 2020 teilte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller mit, dass sicherheitserhebliche Erkenntnisse vorlägen, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG), eine besondere Gefährdung bei möglichen Anbahnungs- und Werbungsversuchen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b SÜG) sowie Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung aufkommen ließen. Der Antragsteller befinde sich in psychiatrischer Behandlung und leide an Angststörungen und Panikattacken. Er habe Verbindung zur Rockerszene und zum Rotlichtmilieu. Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren seien nicht glaubhaft und es gebe Hinweise auf unwahre und unvollständige Angaben.
6
In Verbindung mit der Rockerszene wurden dem Antragsteller insbesondere die folgenden Erkenntnisse vorgehalten:
"- Bis ca. Anfang 2019 hatten Sie eine langjährige Beziehung zu einer Frau, die als Bardame in der Bar·... in ... tätig war. Das ... befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bordell ... Das ... wird dem Einflussbereich der Hells Angels zugerechnet.
- Mit Angehörigen der Hells Angels, die Kaffee im ... getrunken haben, sind Sie ins Gespräch gekommen und haben sich nach Ihren Angaben in der Befragung durch den MAD am 03.09.2019 über Motorräder und Motorradfahren ausgetauscht. Den Präsidenten des Charters ... der Hells Angels kennen Sie, ebenso wie den Präsidenten der BANDIDOS, noch aus der Schulzeit. Sie nennen sich mit dem Präsidenten der Hells Angels beim Vornamen. Ihr Motorrad parkten Sie auf dem Hinterhof des ..., wenn Sie Ihre Freundin im ... besuchten. Dies sei auf Bitten des Präsidenten der Hells Angels geschehen.
- Nach Ihren Angaben hätten Sie nie Aufträge vom Präsidenten der Hells Angels übernommen, lediglich einmal hätten Sie während einer Urlaubsphase Getränke im ... aufgefüllt und hierfür 50 € bekommen.
- Der Präsident der Hells Angels hat in einem Streit Ihrer damaligen Lebensgefährtin mit der Chefin des ... um eine Gehaltsforderung, nachdem er hiervon 'Wind bekommen' habe, die Chefin aufgesucht und die Auszahlung angewiesen. Anschließend habe er [der Präsident] Ihre Lebensgefährtin gelobt, dass sie nicht zum Anwalt gegangen sei.
- Sie haben an einem Frühstück am alten Güterbahnhof in ... teilgenommen, das - vermutlich veranstaltet durch die Hells Angels - eine Art sonntägliches Bikerfrühstück gewesen sei. Hier hätten Sie den Präsidenten der Hells Angels getroffen.
- Sie fahren ein Motorrad (Harley-Davidson) mit dem Kennzeichen ... Das MC [ Motorradclub] hätten Sie bewusst als Art Diebstahlsicherung angesehen und mit Ihrem Geburtsjahr kombiniert. Von dem Motorrad-Club ... in ..., der den Hells Angels nahesteht und jährlich ein großes Event mit mehreren tausend Besuchern veranstaltet, haben Sie nach eigener Aussage gegenüber dem MAD noch nie gehört.
- Sie benutzen nach Ihren Angaben bewusst Symbole der Rockerszene. So erklärten Sie, einen Aufkleber mit der Aufschrift 'Support your ...' als eine Art Diebstahlsicherung an Ihrem Motorrad zu haben.
- Sie haben eine Veranstaltung des ... MC besucht, bei dem einer Ihrer besten Freunde Mitglied ist. Sie hätten mit dem Gedanken gespielt, zu den ... zu gehen. Dies sei Ihnen von Seiten des Clubs verwehrt worden, da die Entfernung zum nächsten Chapter wohl zu groß gewesen sei.
Der ... MC unterhält Kontakte zu den Hells Angels."
7
Zu den Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren, die nicht glaubhaft oder unwahr bzw. unvollständig seien, wird Folgendes ausgeführt:
"- Sie haben in der Befragung durch den MAD am 03.09.2019 erklärt, dass Sie kein Interesse an Motorradclubs haben, Sie deren Gehabe als 'affig' empfinden und sich intellektuell auf einem anderen Niveau bewegen. Sie bedienen sich allerdings der Symbole der Rockerszene, wie Aufkleber, Lederjacke etc., nehmen an Bikerfrühstücken teil, die von den Hells Angels ausgerichtet werden, und haben versucht im ... MC Mitglied zu werden und verwenden einen Aufkleber für diesen Club, was auf eine Identifikation mit der Szene schließen lässt.
- Sie haben sich in der Befragung durch den MAD als Kenner und Experte der Rockerszene dargestellt ('Man habe mich als Pate von ... bezeichnet'), dennoch wollen Sie nichts von einem Motorradclub ..., der jährlich ein großes Event veranstaltet, gehört haben. Dass Ihnen die Mehrdeutigkeit Ihres Motorradkennzeichens (...) nicht bewusst sein soll, ist nicht glaubhaft.
- Ihre Aussage zum Grad der Bekanntschaft mit dem Präsidenten der Hells Angels sind widersprüchlich. Zum einen erzählen Sie; sich mit Faustschlag und per Vor namen beim Wiedersehen begrüßt zu haben, andererseits betonten Sie im Laufe der Befragung durch den MAD, keinesfalls ein freundschaftliches Verhältnis gehabt zu haben, man habe sich lediglich gekannt und beim Nach namen angesprochen. Zu einem derartigen losen Verhältnis passt zudem nicht wie oben beschrieben das Eintreten des Präsidenten für Ihre damalige Lebensgefährtin, das Parkangebot im Hinterhof des ... zum Abschrecken bestimmter Gäste oder das Einräumen von Getränken gegen Entgelt."
8 Auf eine zunächst gewünschte persönliche Anhörung verzichtete der Antragsteller wegen der pandemischen Lage (COVID-19) und gab, nachdem der Geheimschutzbeauftragte mitgeteilt hatte, dass eine Anhörung via Videokonferenz nicht möglich sei, unter dem 9. Oktober 2020 eine ausführliche schriftliche Stellungnahme ab. Die Befragung durch den MAD am 3. September 2019 sei bereits formal fehlerhaft, weil ihm der Befragungsgrund nicht mitgeteilt worden sei. Der vom MAD dargestellte Sachverhalt sei fehlerhaft und stimme nicht mit seinen damaligen Aussagen überein. Er befinde sich nicht in psychiatrischer, sondern in psychotherapeutischer Behandlung und leide nicht an Panikstörungen. Trotz Entbindung von der Schweigepflicht sei eine Einsichtnahme in die Gesundheitsakte unterblieben. Das ... sei kein Bordell, sondern eine Bar. Seine frühere Lebensgefährtin arbeite in der angrenzenden Bar ... nicht als Bardame, sondern als Tresenkraft auf Minijobbasis. Die Besitzerin der Bar ... und nicht der Präsident der Hells Angels ... habe ihm eine Aufwandsentschädigung für das Auffüllen von Bierkästen zukommen lassen. Das Bikerfrühstück sei im ... Stadtgebiet beworben worden; er habe erst nachträglich erfahren, dass es sich im Hintergrund um eine Veranstaltung der Hells Angels ... gehandelt habe. Einen Kontakt zu den dort anwesenden Mitgliedern der Hells Angels habe es nicht gegeben. Auch sein erstes Motorrad habe bereits ein "..." im Nummernschild enthalten, was auf die Initialen seiner früheren Ehefrau zurückging. Der Aufkleber "Support your ... MC" sei kein Symbol der Rockerszene; er habe ihn gegen eine Spende auf einer Oktoberfestparty des Vereins erstanden. Sein bester Freund und ebenfalls Angehöriger des MAD sei in diesem Club Mitglied. Kontakte zu den Hells Angels unterhalte der Club nicht. Er habe auch nie mit dem Gedanken gespielt, dort ... zu werden; eine solche Mitgliedschaft sei darüber hinaus nicht sicherheitserheblich. Die Aussage, er empfinde das Gehabe von Motorradclubs als "affig", habe er insbesondere in Bezug auf die Hells Angels und deren Machenschaften geäußert. Die Bezeichnung "Pate von ..." sei als Scherz seiner nicht ortskundigen Kameraden benutzt worden. Er habe vor seiner Befragung durch den MAD keine Kenntnis von der Existenz des Motorradclub ... aus ... gehabt. Den Präsidenten der Bandidos, D, kenne er lediglich aus der gemeinsamen Schulzeit. Es sei ungewöhnlich, sich in der Kneipenwelt, auch bei lediglich Bekannten, zu siezen. So verhalte es sich auch mit dem Präsidenten der Hells Angels. Dieser habe mit seiner damaligen Lebensgefährtin aus geschäftlichen Gründen zu tun gehabt. Ihn, den Antragsteller, als geltungssüchtig darzustellen, beruhe auf der Meinung eines Befragten, der wohl schlechte Erfahrungen mit dem MAD gesammelt habe.
9 Mit formularmäßigem Bescheid vom 16. Februar 2021, dem Antragsteller eröffnet am 3. März 2021, stellte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (W 3) Umstände ergeben hat, die im Hinblick auf sicherheitsempfindliche Tätigkeiten der Überprüfungsstufen Ü 1, Ü 2 (Verschlusssachenschutz und Sabotageschutz) und Ü 3 ein Sicherheitsrisiko darstellen.
10 Mit weiterem Schreiben vom 16. Februar 2021 begründete der Geheimschutzbeauftragte das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung. Sowohl die Zweifel an der Zuverlässigkeit als auch die besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche seien geeignet, eigenständig ein Sicherheitsrisiko zu begründen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. b SÜG). Der Befragung durch den MAD sei zu entnehmen, dass zu Beginn die Sicherheitserklärung aktualisiert worden und der Anlass der Befragung dem Antragsteller somit bekannt gewesen sei. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit beruhten auf den unvollständigen und unwahren Angaben des Antragstellers. Dessen Erklärungen zu dem Kennzeichen ... seien nicht glaubhaft. Als Regionalermittler müsse dem Antragsteller der Motorradclub "..." aus ... bekannt sein. Die erstmals in der schriftlichen Stellungnahme angeführte Begründung, das Kennzeichen gehe auf die Initialen seiner früheren Ehefrau zurück, sei fernliegend, da der Antragsteller zum Zeitpunkt des Kaufs des Motorrads bereits getrennt gelebt habe. Das Aussageverhalten zu einer Mitgliedschaft als ... beim Motorradclub ... sei ebenfalls widersprüchlich. Mit seinem geänderten Aussageverhalten zeige der Antragsteller Relativierungs- und Distanzierungsversuche, während er gleichzeitig Symbole der Rockerszene verwende und an Veranstaltungen der Hells Angels oder aus deren Umkreis teilnehme. Dasselbe gelte für die Darstellung von Kontakten in das Rotlicht- und Rockermilieu, die im Aussageverhalten variierten und in späteren Stellungnahmen abgeschwächt dargestellt würden. Die frühere Lebensgefährtin sei hier nur noch Tresenkraft, Gespräche mit dem Präsidenten der Hells Angels seien lediglich beiläufige Begegnungen, das Parkangebot für das Motorrad sei völlig unverbindlich gewesen und das Verhältnis zu Führungskräften der Motorradclubs beschränke sich auf die gemeinsame Schulzeit. Der Antragsteller mache zudem Ausführungen zu sicherheitserheblichen Erkenntnissen, hier zu den Bandidos, die ihm im Anhörungsschreiben nicht vorgeworfen worden seien. Zusätzlich Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers begründe die nicht erschütterte Beschreibung seines Charakters als geltungssüchtig. Aufgrund der Affinität zur Rockerszene und dem gesteigerten Geltungsbedürfnis ergäben sich auch tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung bei möglichen Anbahnungs- und Werbungsversuchen. Das gezeigte Verhalten biete keine Gewähr eines zuverlässigen Umgangs mit Verschlusssachen im dienstlichen Bereich. Auch eine positive Stellungnahme des Kommandeurs ...geschwader räume diese Zweifel nicht aus. Eine mildere Maßnahme, insbesondere eine Auflagenentscheidung, komme nicht in Betracht.
11 Gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung hat der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. März 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 31. März 2023 dem Senat vorgelegt.
12 Der Antragsteller macht geltend, der Geheimschutzbeauftragte sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und habe sachfremde Erwägungen angestellt. Vertiefend führt er aus, dass weder vorgetragen noch belegt sei, dass die Bar ... dem Einflussbereich der Hells Angels zuzurechnen sei. Angehörige der Hells Angels hätten auch nicht in der Bar ... Kaffee getrunken. Es habe kein Parkangebot im Hof der Bar ... gegeben. Vielmehr habe ihn der Präsident der Hells Angels ... dazu aufgefordert, sein Motorrad im Hof abzustellen. Die Annahme von Zweifeln an der Zuverlässigkeit und einer besonderen Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbeversuche setzten eine Verbindung zu einer kriminellen Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB voraus. Weder der Motorradclub ... aus ... noch der ... MC seien als kriminelle oder terroristische Vereine in Erscheinung getreten. Die behauptete Nähe zu Führungskräften krimineller Vereinigungen beschränke sich auf einen gemeinsamen Schulbesuch und auf den Besuch einer Bar in örtlicher Nähe.
13
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 16. Februar 2021 über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufzuheben.
14
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
15 Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten sei nicht zu beanstanden. Wie von diesem richtig dargestellt, wiesen die Ausführungen des Antragstellers Widersprüchlichkeiten auf. Auch habe der Antragsteller unterschiedliche Aussagen darüber getroffen, ob er den Präsidenten der Hells Angels ... mit Vornamen anspreche oder sieze. Die gemeinsame Schulzeit und der Aufenthalt im gleichen Kneipenmilieu deuteten auf ein engeres Kennverhältnis hin, das jedoch vom Antragsteller abgestritten werde. Selbständig tragend sei auch eine erhöhte Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche von Mitgliedern der Hells Angels, mit denen der Antragsteller Kontakt pflege und in deren Einflussbereich er sich bewege. Es sei nicht ausgeschlossen, dass seine Zugehörigkeit zur Bundeswehr in der Szene bekannt sei, was eine besondere Gefährdung des Antragstellers, insbesondere der Erpressbarkeit, darstelle. Da er sich dieser Gefährdung nicht bewusst sei und versuche, über Umstände und Verhältnisse zu täuschen, sei eine positive Prognose derzeit nicht absehbar und eine Verkürzung der Wirkungsdauer der Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht angemessen.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
18 1. Der Antrag ist zulässig.
19 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 17 m. w. N.). Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betreffen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche Verwendung entschieden wird (BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 - 1 WB 21.12 und 1 WB 22.12 - juris Rn. 24).
20 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
21 a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23; vom 30. Januar 2014 - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22).
22 Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier: dem Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung - aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
23 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).
24 Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
25 b) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SÜG) nicht aus formellen Gründen aufzuheben.
26 aa) Der Antragsteller hatte insbesondere Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG). Zwar hat der Antragsteller zunächst das ihm vom Geheimschutzbeauftragten angebotene persönliche Gespräch gewünscht, hierauf jedoch wegen der pandemiebedingten Situation und seiner persönlichen Risikobewertung verzichtet, und sich unter dem 9. Oktober 2020 ausführlich schriftlich geäußert. Dies genügt den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 1 WB 57.12 - BVerwGE 148, 267 Rn. 58).
27 bb) Dass die frühere Lebensgefährtin des Antragstellers nicht als mitbetroffene Person im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 6 Abs. 2 SÜG angehört worden ist, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Denn die Feststellung des Sicherheitsrisikos durch den Geheimschutzbeauftragten und die ergänzenden Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung stützen sich allein auf tatsächliche Anhaltspunkte in der Person des Antragstellers und nicht in der Person der früheren Lebensgefährtin.
28 c) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
29 Der Geheimschutzbeauftragte hatte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos selbständig sowohl auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG als auch auf eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen von Vereinigungen im Sinne der §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst b SÜG) gestützt.
30 Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SÜG gerechtfertigt ist. Denn bereits die unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren rechtfertigen die vom Geheimschutzbeauftragten angenommenen Zuverlässigkeitszweifel und tragen die Prognose.
31 (1) Der Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
32 (a) Der Bericht über die Befragung des MAD vom 3. September 2019 konnte durch den Geheimschutzbeauftragten zulässigerweise verwertet werden, da die Befragung ordnungsgemäß erfolgte.
33 Der Militärische Abschirmdienst ist nach § 3 Abs. 2 Alt. 2 SÜG i. V. m. § 1 Abs. 3 MADG (a. F.) als mitwirkende Behörde an der Sicherheitsüberprüfung beteiligt. Bei der Wiederholungsüberprüfung stehen der mitwirkenden Behörde die Maßnahmen entsprechend der Erstüberprüfung zu (§ 17 Abs. 2 Satz 3 SÜG). Hierzu kann die mitwirkende Behörde, soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert, die betroffene Person gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 SÜG befragen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MADG (a. F.) darf der Militärische Abschirmdienst die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten gemäß § 8 Abs. 2, 4 und 5 BVerfSchG (a. F.) verarbeiten, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen; die Verarbeitung ist auch zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat. Im Fall der Erhebung mit Kenntnis des Betroffenen nach § 1 Abs. 3, § 4 MADG (a. F.) i. V. m. § 8 Abs. 4 BVerfSchG (a. F.) ist für die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung die Angabe des Erhebungszwecks und des Hinweises auf die Freiwilligkeit der Angaben erforderlich (vgl. für § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 MADG BVerwG, Beschluss vom 14. März 2024 - 2 WDB 12.23 - juris Rn. 28). Aus dem Protokoll des MAD vom 10. September 2019 über die Befragung des Antragstellers ergibt sich, dass dieser vor der Befragung auf sein Recht zur Verweigerung von Angaben belehrt wurde und auf den Zweck der Datenerhebung hingewiesen wurde.
34 (b) Unter Berücksichtigung des Berichts des MAD vom 10. September 2019 und der Stellungnahme des Antragstellers vom 9. Oktober 2020 hat der Geheimschutzbeauftragte das Aussageverhalten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als unwahre Angabe im Sicherheitsüberprüfungsverfahren gewertet.
35 (aa) Unstreitig besaß der Antragsteller in den Jahren 2017 bis 2019 ein Motorrad der Marke Harley-Davidson "Road King 2017" mit dem Kennzeichen "...". Mit dem in der Motorradszene bekannten Bezug "MC" auf Motorradclub wollte der Antragsteller seine Mitgliedschaft in einem solchen Club suggerieren, um damit einem möglichen Diebstahl vorzubeugen. In seiner schriftlichen Stellungnahme ergänzte er, das Kennzeichen gehe auch auf die Initialen seiner früheren Ehefrau zurück, die er bei Kauf seines ersten Motorrads mit der Wahl habe beschwichtigen wollen. Da der Antragsteller bei Kauf seiner zweiten Maschine im Jahr 2017 bereits von seiner Ehefrau getrennt lebte und eine neue Lebensgefährtin hatte, durfte der Geheimschutzbeauftragte diese Erklärung als unglaubhaft werten.
36 Auch konnte der Geheimschutzbeauftragte die Einlassung des Antragstellers als unglaubhaft bewerten, er kenne den Motorradclub ... aus ... nicht. Hierfür sprachen seine zehnjährige Tätigkeit als Regionalermittler und seine Darstellung als Kenner der Motorradszene im Raum ...
37 (bb) Zutreffend hat der Geheimschutzbeauftragte weiter angenommen, dass der Antragsteller sein Aussageverhalten in Bezug auf eine Mitgliedschaft als "..." bei dem Motorradclub "... MC" geändert hat. Zwar bestreitet der Antragsteller in seiner Stellungnahme, die in der Befragung niedergelegte Äußerung getätigt zu haben. Auch dieses Bestreiten durfte als nicht glaubhaft eingestuft werden. Der Befragungsbericht ist stimmig und widerspruchsfrei. Anhaltspunkte für ein bewusstes Verfälschen des Berichts durch den Protokollverfasser liegen nicht vor. Hinweise darauf, dass die Ermittler die Aussage des Antragstellers missverstanden haben, bestehen ebenfalls nicht. Hierfür spricht insbesondere die Anmerkung des Befragenden, dass die Aussage in Widerspruch zu den generellen Ausführungen des Antragstellers zu Motorradclubs stehe.
38 (cc) Beanstandungsfrei konnte der Geheimschutzbeauftragte ferner annehmen, dass die Aussagen des Antragstellers zu seiner generellen Haltung zu Motorradclubs nicht übereinstimmen. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass der Antragsteller zwischen Bikern und Rockern unterscheidet. Trotzdem verwendet der Antragsteller die besonderen Symbole der Rockerszene. Hierzu zählen insbesondere das - vom Antragsteller mit dieser Bezugnahme selbst eingeräumte - Verwenden eines Kennzeichens mit einer Abkürzung für "Motorradclub" sowie der Aufkleber "Support your ... MC" und das Tragen einer Lederweste mit Aufnähern.
39 (dd) Rechtsfehlerfrei hat der Geheimschutzbeauftragte auch angenommen, der Antragsteller habe ein abweichendes Aussageverhalten zu seinen Beziehungen und Kontakten in das ... Rotlicht- und Rockermilieu gezeigt.
40 Keinen Anhaltspunkt für eine Relativierung der Beziehung stellt jedoch die Bezeichnung der früheren Lebensgefährtin als Tresenkraft anstatt als Bardame dar, da sich hieraus keine Variation in der Darstellung ihrer Tätigkeit ableiten lässt. Ebenfalls keine Rückschlüsse konnte der Geheimschutzbeauftragte aus den Aussagen des Antragstellers zu D ziehen. Auf eine Beziehung zu den Bandidos hatte dieser im Anhörungsschreiben ausdrücklich Bezug genommen.
41 Ungeachtet dieser fehlerhaften Einschätzungen tragen die zwei weiteren Begründungen die Annahme einer variierenden Darstellung für sich gesehen.
42 In der Befragung durch den MAD schilderte der Antragsteller, den Präsidenten der Hells Angels ... mit Faustschlag zu begrüßen und zu duzen. Der Bericht führt aus, dass die Aussage im Laufe der Befragung relativiert worden sei und der Antragsteller dann ausgeführt habe, den Präsidenten der Hells Angels nur mit Nachnamen angeredet zu haben. Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht insbesondere der Umstand, dass der Ermittler des MAD das geänderte Aussageverhalten in einer Anmerkung hervorgehoben dargestellt hat und ausdrücklich auf die Abweichungen hingewiesen hat. In seiner schriftlichen Stellungnahme räumte der Antragsteller wiederum ein, dass man in der Kneipenwelt in ... nicht "Sie" sage und dass es zu Begegnungen mit dem Präsidenten der Hells Angels gekommen sei, bei denen man sich mit Faustschlag begrüßt habe.
43 Der Geheimschutzbeauftragte ist rechtsfehlerfrei von einem Kennverhältnis des Antragstellers mit dem Präsidenten der Hells Angels ... ausgegangen. Der Antragsteller hat eingeräumt, dass es zu einem längeren Gespräch mit dem Präsidenten der Hells Angels ... kam, als er sein neues Motorrad vor der Bar ... abgestellt hatte. Auch habe es eine Bitte des Präsidenten der Hells Angels gegeben, auf Grund seines Kennzeichens im Hinterhof zu parken, um keine Kunden abzuschrecken. Insofern entspricht die Darstellung im Bericht des MAD den Ausführungen des Antragstellers.
44 (ee) Der Antragsteller hat durch die wiederholte Abschwächung und Veränderung seiner getätigten Aussagen kontinuierlich den Eindruck erweckt, seine Aussage in der Befragung durch den MAD herunterzuspielen und seine Kontakte und Beziehungen in die Motorradszene und kriminelle Rockerszene zu verharmlosen. Auch vor dem Hintergrund der Erfahrung als Regionalermittler des MAD erschüttert die Verletzung seiner Wahrheitspflicht das Vertrauen in seine Glaubwürdigkeit durchgreifend und rechtfertigt die Bewertung der Aussagen in der Stellungnahme als nicht glaubhaft und bewusste Unwahrheit. Bei dieser Bewertung konnte der Geheimschutzbeauftragte auch annehmen, dass sein Verhalten und Auftreten in der Befragung, zusammen mit Aussagen von Auskunftspersonen über den Charakter des Soldaten seine Glaubwürdigkeit herabsetzen.
45 (2) Es unterliegt keinen rechtlichen Einwänden, dass der Geheimschutzbeauftragte in den unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren selbständig tragende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) erkannt hat. Mit dieser Einschätzung hat er weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.
46 Falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sind grundsätzlich geeignet, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG nach sich zu ziehen (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Leitsatz und Rn. 30 ff. m. w. N.; vom 18. Dezember 2019 - 1 WB 6.19 - juris Rn. 39 und vom 30. September 2021 - 1 WB 18.21 - NVwZ-RR 2021, 1060 Rn. 48).
47 (3) Rechtlich unbedenklich ist schließlich, dass der Geheimschutzbeauftragte aus dem zuvor erörterten Verhalten prognostisch auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen hat und dass der damit einhergehenden Gefährdung von Sicherheitsinteressen Vorrang vor den Interessen des Antragstellers gegeben worden ist.
48 (a) Hiernach begegnet die von dem Geheimschutzbeauftragten getroffene Einschätzung, die gezeigte fehlende Sorgfalt in dienstlichen Dingen, das bis zuletzt anhaltende fehlende Bewusstsein für sicherheitliche Belange sowie das nicht kalkulierbare Verhältnis des Antragstellers zur Wahrheit erlaube keine positive Prognose, dass er in Zukunft das erforderliche Maß an Zuverlässigkeit im Umgang mit Verschlusssachen haben werde, keinen durchgreifenden Bedenken.
49 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 13.10 - BeckRS 2010, 150823 Rn. 29 und vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können.
50 (b) Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen (Nr. 2605 Abs. 1 und 2602 ZDv A-1130/3) oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen (Nr. 2608 ZDv A-1130/3), sind weder vom Antragsteller konkret aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Insoweit ist daher nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG, Nr. 2605 Abs. 4 ZDv A-1130/3). Unbedenklich ist, dass der Geheimschutzbeauftragte der positiven Stellungnahme des früheren Vorgesetzten keine Bedeutung beigemessen hat, da zur Beurteilung des Risikopotentials der Geheimschutzbeauftragte und nicht der Vorgesetzte berufen ist (BVerwG, Beschluss vom 2. September 2020 - 1 WB 3.20 - juris Rn. 36).