Beschluss vom 26.07.2005 -
BVerwG 6 B 24.05ECLI:DE:BVerwG:2005:260705B6B24.05.0
Leitsätze:
1. Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage bleibt trotz auslaufenden Rechts weiter klärungsbedürftig, wenn sie sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, offensichtlich in gleicher Weise stellt.
2. Die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von irrevisiblem Landesrecht kann die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nur dann begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
3. In welcher Weise der Landesgesetzgeber der ihm gemäß Art. 7 Abs. 4 GG obliegenden Pflicht nachkommt, das private Ersatzschulwesen zu fördern, liegt in seiner weiten Gestaltungsfreiheit. Seine Entscheidung, den privaten Schulträgern lediglich einen festen Vomhundertsatz der vergleichbaren Personalkosten öffentlicher Schulen zu erstatten, ist so lange verfassungskonform, als diese Beschränkung auch in Anbetracht der sonstigen, die privaten Schulträger treffenden Kosten die Existenz des Ersatzschulwesens nicht evident gefährdet.
Beschluss
BVerwG 6 B 24.05
- OVG Berlin - 14.09.2004 - AZ: OVG 8 B 21.02 -
- OVG Berlin-Brandenburg - 14.09.2005 - AZ: OVG 8 B 21.02
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juli 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a h n , V o r m e i e r
und Dr. B i e r
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 14. September 2004 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 152,63 € festgesetzt.
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
Der Kläger möchte im Hinblick auf den von ihm auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Berliner Privatschulgesetzes vom 13. Oktober 1987 (GVBl S. 2458) in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. Juni 1998 (GVBl S. 148) gegen den Beklagten erhobenen Anspruch auf Gewährung eines weiteren Zuschusses zu den Reinigungskosten der von ihm betriebenen Ersatzschule geklärt wissen: "Muss § 8 Privatschulgesetz oder (müssen) ihm nachfolgende inhaltsgleiche Vorschriften im Lichte von Art. 7 Abs. 4 GG so ausgelegt werden, dass die den öffentlichen Schulen durch Outsourcing-Maßnahmen entstehenden Kosten (Kosten aus der Beauftragung von Fremdunternehmen für Tätigkeiten, die zuvor durch eigenes Personal erledigt wurden) unter das Tatbestandsmerkmal 'vergleichbare Personalkosten' fallen?" Der Kläger meint, diese Frage bleibe trotz des zwischenzeitlichen Außerkrafttretens des § 8 Privatschulgesetz grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich nach dem nunmehr geltenden § 101 Abs. 2 des Schulgesetzes für das Land Berlin vom 26. Januar 2004 (GVBl S. 26) ebenso stelle. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des § 8 Abs. 2 Privatschulgesetz sei mit Art. 7 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Sie gefährde im Land Berlin evident den Bestand des Ersatzschulwesens als Institution und berücksichtige nicht die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass der Staat von ihm geschaffene Beeinträchtigungen des Privatschulwesens in ihren Wirkungen neutralisieren müsse. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie auch des Bundesverwaltungsgerichts habe die hier konkret gestellte Frage noch nicht abschließend beantwortet.
Die von dem Kläger aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Es ist zwar richtig, dass eine Rechtsfrage, falls sie grundsätzlich klärungsbedürftig war, trotz auslaufenden Rechts klärungsbedürftig bleibt, wenn sie sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, offensichtlich in gleicher Weise stellt (Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 und vom 26. Februar 2002 - BVerwG 6 B 63.01 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 36; zur Offensichtlichkeit: Beschluss vom 30. März 2005 - BVerwG 6 B 3.05 -). Ob dies hier so ist, kann aber auf sich beruhen. Denn unabhängig davon vermag die von der Beschwerde gerügte Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von irrevisiblem Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschlüsse vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277 und vom 19. April 2005 - BVerwG 6 B 25.05 -). Das ist hier nicht der Fall.
Die von dem Kläger aufgeworfene Frage betrifft die Übereinstimmung von § 8 Privatschulgesetz mit Art. 7 Abs. 4 GG. Sie bezieht sich auf die Verfassungsmäßigkeit der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht. Demgegenüber stellen sich bei der Auslegung der von dem Kläger in Anspruch genommenen bundesverfassungsrechtlichen Bestimmung keine grundsätzlichen Fragen, die sich nicht aufgrund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung beantworten lassen.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass Art. 7 Abs. 4 GG den Ländern die Pflicht auferlegt, das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schützen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Bedeutung der Gewährleistung, sondern auch aus ihrer besonderen Ausgestaltung in Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG, die den privaten Schulträgern praktisch die Möglichkeit nimmt, aus eigener Kraft sämtliche dort genannten Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen. In welcher Weise der Gesetzgeber seiner Förderpflicht nachkommt, schreibt ihm das Grundgesetz allerdings nicht vor, sondern räumt ihm hierfür eine weitgehende Gestaltungsfreiheit ein. Die den Staat treffende Schutzpflicht löst erst dann eine Handlungspflicht aus, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (ständige Rechtsprechung: Urteil vom 8. April 1987 - 1 BvL 8, 16/84 - BVerfGE 75, 40 <62 ff.>; Beschluss vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 - DVBl 2005, 498 m.w.N.). Insbesondere gebietet die Verfassung keine vollständige, sondern allenfalls eine anteilige Übernahme der den Ersatzschulen entstehenden Kosten. Eine landesgesetzliche Regelung, die den privaten Schulträgern einen festen Vomhundertsatz der Personalkosten gewährt, ist verfassungskonform, wenn dieser hinreichend deutlich über das hinausgeht, was der Staat, verengt auf die Personalkosten, mindestens zur Existenzsicherung leisten müsste (Urteil vom 9. März 1984 - 1 BvR 1369/90 - BVerfGE 90, 128 <144>). Für den gerichtlichen Rechtsschutz gilt: Da insgesamt der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers nur darauf gerichtet ist, dass der Gesetzgeber die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht gesetzten Grenzen beachtet, beschränkt sich der Rechtsschutz grundsätzlich auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaues getroffener Maßnahmen (Urteil vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <117>).
Diese Erwägungen hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu Eigen gemacht (Urteil vom 17. März 1988 - BVerwG 7 C 99.86 - BVerwGE 79, 154 <156>; Beschluss vom 18. Dezember 2000 - BVerwG 6 B 15.00 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 128). Es hat dabei im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere betont, dass die Förderpflicht des Gesetzgebers, wie alle aus Freiheitsrechten abgeleiteten Leistungsansprüche, unter dem Vorbehalt dessen steht, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann, und dass der Gesetzgeber daher bei seiner Entscheidung über den Umfang der Förderung auf die bestehende Haushaltslage Rücksicht nehmen darf (Beschluss vom 18. Dezember 2000, a.a.O.).
Einen darüber hinausgehenden allgemeinen Klärungsbedarf im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Privatschulfinanzierung hat der Kläger nicht dargetan. Entscheidet sich der Landesgesetzgeber - wie vom Berufungsgericht in Auslegung irrevisiblen Landesrechts festgestellt - dafür, den privaten Schulträgern an Unkosten (lediglich) einen festen Vomhundertsatz der "vergleichbaren Personalkosten" öffentlicher Schulen zu erstatten, verlangt Art. 7 Abs. 4 GG nicht, dass den "vergleichbaren Personalkosten" Sachausgaben zugerechnet werden, die den öffentlichen Schulen aus der Beauftragung von Fremdunternehmen für zuvor durch eigenes Personal erledigte Tätigkeiten entstehen. Der auf die Personalkosten bezogene Vomhundertsatz muss dann allerdings so bemessen sein, dass auch in Ansehung der sonstigen, die privaten Schulträger treffenden Kosten die Existenz des Ersatzschulwesens als Institution nicht evident gefährdet ist. Gehen die staatlichen Schulträger dazu über, bestimmte Aufgaben wie Reinigungs-, Hausmeister- und Sekretariatstätigkeiten, die sie früher durch eigenes Personal erfüllen ließen, im Wege eines "Outsourcing" an Unternehmen der Privatwirtschaft zu vergeben, sinken dadurch zwar die den Ersatzschulen zustehenden, ausschließlich an den vergleichbaren Personalkosten orientierten Zuschüsse. Der Landesgesetzgeber muss diese Entwicklung im Auge behalten. Zum Eingreifen verpflichtet ihn Art. 7 Abs. 4 GG aber erst dann, wenn jene Entwicklung ein solches Ausmaß erreicht hat, dass die gesetzlich festgeschriebene Bemessungsgrundlage den Fortbestand der Ersatzschulen offensichtlich gefährdet. Ob und wann eine derartige Situation eingetreten ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände beurteilen und entzieht sich einer über den Einzelfall hinausgehenden Klärung.
2. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, dessen Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Entsprechendes gilt für eine geltend gemachte Abweichung von einer Entscheidung der übrigen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt nicht (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26).
Der Kläger macht geltend, dass dann, wenn die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage bereits durch die von ihm herangezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt sein sollte, die durch das Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des § 8 Privatschulgesetz mit ihr nicht vereinbar wäre. Damit zeigt die Beschwerde keine Divergenz im Sinne der gesetzlichen Anforderungen auf. Denn es fehlt bereits an der Bezeichnung eines bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes. Einen solchen Rechtssatz, der einem tragenden Rechtssatz der oben aufgeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts widerspräche, hat im Übrigen das Berufungsgericht auch ersichtlich nicht aufgestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 47 Abs. 1, 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.