Beschluss vom 26.06.2024 -
BVerwG 7 B 30.23ECLI:DE:BVerwG:2024:260624B7B30.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.06.2024 - 7 B 30.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260624B7B30.23.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 30.23

  • VGH München - 30.05.2023 - AZ: 22 A 21.40025

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juni 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Kläger, die sich als temporär und dauerhaft Eigentumsbetroffene gegen einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss zur Änderung einer Eisenbahnüberführung wenden, kann keinen Erfolg haben.

2 Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Anforderungen an die fristgerechte Klagebegründung nach § 18e Abs. 5 AEG (jetzt: § 18e Abs. 3 AEG) möchten die Kläger geklärt wissen:
"Beginnt die 10-wöchige Klagebegründungsfrist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG erst nach genommener Akteneinsicht zu laufen?".

3 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie sich anhand des Wortlauts der Norm und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem hinsichtlich der Voraussetzungen des Fristbeginns inhaltlich übereinstimmenden § 6 Satz 1 UmwRG ohne Weiteres beantworten lässt. Der Gesetzgeber hat die Klagebegründungsfrist nicht von einer vorherigen Kenntnis der Verwaltungsvorgänge abhängig gemacht, sondern - nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes - allein an den Zeitpunkt der Klageerhebung angeknüpft und damit zum Ausdruck gebracht, dass er diesen Zeitraum ungeachtet der Frage einer Akteneinsicht regelmäßig als ausreichend ansieht. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass potentielle Kläger in aller Regel die Möglichkeit hatten, sich in Ausübung ihrer Beteiligungsrechte schon während des Verwaltungsverfahrens mit dem Inhalt der geplanten Entscheidung vertraut zu machen und etwaige Bedenken in den Entscheidungsprozess einzubringen (BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2023 - 9 B 7.23 - NVwZ 2023, 1664 Rn. 8).

4 Gleiches gilt für die weitere Frage:
"Ist es für eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf die Begründungsfrist des § 18e Abs. 5 S. 2 AEG ausreichend, wenn der Kläger innerhalb der 10-Wochenfrist Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit stichwortartig zusammenfasst?".

5 Auch sie lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts und der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres verneinend beantworten. Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, besteht der Zweck dieser Vorschrift darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14) und der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch alsbald hinreichend umrissen wird (BVerwG, Urteil vom 30. August 1993 - 7 A 14.93 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 S. 53 zur Parallelvorschrift des § 5 Abs. 3 VerkPBG; BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2023 - 9 B 7.23 - NVwZ 2023, 1664 Rn. 7). Danach hat der Kläger innerhalb der Begründungsfrist fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen zu benennen und den Prozessstoff dergestalt darzulegen, dass für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststeht, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird. Diesen Anforderungen wird eine nur stichwortartige Zusammenfassung nicht gerecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 16 ff. auch zur Vereinbarkeit der Frist mit Unionsrecht). Auch die weitere von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, was unter einer "Auseinandersetzung mit dem ... Planfeststellungsbeschluss" verstanden werde, lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Entscheidend ist, dass aus der Klagebegründung deutlich wird, worin die im Anhörungsverfahren geltend gemachten Bedenken im Kern bestanden und welchen der Einwendungen der Planfeststellungsbeschluss keine Rechnung getragen hat (BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2023 - 9 B 7.23 - NVwZ 2023, 1664 Rn. 10). Der Verwaltungsgerichtshof betont insoweit, dass hier umso mehr eine Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Planfeststellungsbeschluss bestanden habe, weil dieser ausführlich auf die Einwände aus der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangen sei, namentlich auf die Bedenken, die von den Klägern vorgebracht worden seien. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

6 Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde auch die folgende Frage auf:
"Welche Anforderungen werden an den geringen Aufwand nach § 18e Abs. 5 Satz 4 AEG gestellt? Kann ein geringer Ermittlungsaufwand generell für Unterlagen bzw. Tatsachen angenommen werden, die sich in den Behördenakten befinden bzw. sich aus diesen ergeben?".

7 Auch für diese Frage gilt, dass sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf abgestellt, dass die Anforderungen an ein fundiertes, den Prozessstoff unverwechselbar fixierendes Vorbringen leerliefen, wenn ein geringer Ermittlungsaufwand generell für Unterlagen bzw. Tatsachen angenommen würde, die sich in den Behördenakten befinden bzw. sich aus diesen ergeben. Das entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 6 UmwRG und gilt gleichermaßen für § 18e Abs. 5 AEG (jetzt: § 18e Abs. 3 AEG). Es ist - wie bereits oben ausgeführt - Aufgabe des Klägers innerhalb der Klagefrist fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen zu benennen (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 -‌ BVerwGE 170, 138 Rn. 16 ff.). Dies schließt es aus, dass das Gericht von Amts wegen den Sachverhalt anhand der vorliegenden Akten erarbeitet und den Prozessstoff bestimmt. Soweit in dem von der Beschwerde zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Mai 2020 - 22 ZB 18.856 - (NVwZ-RR 2020, 1009 Rn. 73) die Auffassung vertreten wird, "dass die Verwaltungsakten generell Grundlage der Urteilsfindung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seien" und sich deshalb die Frage stelle, ob das Aktenstudium "überhaupt als Aufwand verstanden werden kann", verfehlt die Entscheidung daher den hier zugrunde zu legenden rechtlichen Maßstab. Tatsächlich betraf diese Entscheidung - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil eingehend darlegt - einen Einzelfall, in dem die Tatsachen bereits durch ein Eilverfahren zum Streitstoff des Klageverfahrens geworden waren (UA Rn. 52). Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

8 Auch die Frage,
"Sind die Unterlagen des Planfeststellungsbeschlusses, die die Planrechtfertigung begründen, vollumfänglich öffentlich auszulegen?",
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie ist - soweit sie einen fallübergreifenden Bezug aufweist - in der ständigen Rechtsprechung der Planungssenate des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt. Danach muss die Auslegung nicht alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich vielmehr auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 19).

9 Hinsichtlich der weiteren Frage,
"Ist es zulässig, eine Entnahme von Parametern aus Vorschriften wie der StVO und der StVZO vorzunehmen, wenn es spezielle Bauvorschriften, wie z. B. der RASt06 gibt oder verdrängt die spezielle Vorschrift des RASt06 die Regelungen der StVO und der StVZO?",
werden die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht erfüllt. Die Beschwerde setzt sich schon nicht mit maßgeblichen rechtlichen Argumenten des angegriffenen Urteils auseinander, wonach im Hinblick auf die in § 32 Abs. 2 StVZO festgelegte zulässige Höhe von u. a. Kraftfahrzeugen von 4,00 m, die Aufweitung der Durchfahrt für die Kreisstraße auf 4,50 m straßenverkehrsrechtlich geboten sei. Die Aufweitung der Durchfahrt diene außerdem der Betriebssicherheit, da hierdurch der Anprall von Kraftfahrzeugen und dadurch verursachte Schäden an der Eisenbahnbetriebsanlage vermieden werden könnten. Die gleichen auf die Vorgaben der Straßenverkehrszulassungsordnung gestützten Erwägungen waren für den Verwaltungsgerichtshof auch für die Verbreiterung der lichten Weite der Durchfahrt maßgeblich. Soweit das Urteil hierbei auch auf die im Planfeststellungsbeschluss zitierten, dem Gericht aber nicht vorliegenden Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) abstellt, handelt es sich erkennbar ("Der Planfeststellungsbeschluss ... führt zudem ...") nur um eine das Ergebnis nicht selbständig tragende Ergänzungserwägung, aus der sich im Übrigen gerade ergibt, dass die RASt 06 gerade keine anderen Anforderungen stellt. Insoweit fehlt es auch an der Entscheidungserheblichkeit der mit Schriftsatz vom 5. September 2023 ergänzend aufgeworfenen Frage, darf "zur Begründung der ... Planrechtfertigung auf eine technische Norm (hier die RASt 06) verwiesen werden, obwohl dieser keine gesetzlich bindende Wirkung zukommt?". Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof im Einzelnen dargelegt, dass es für die Planrechtfertigung maßgeblich auf die straßenverkehrsrechtlichen und die eisenbahnrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der Durchfahrt ankomme.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Außergerichtliche Kosten sind nur für die Beigeladene zu 1, nicht aber für den Beigeladenen zu 2 erstattungsfähig, weil nur diese einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.