Beschluss vom 26.06.2007 -
BVerwG 1 WB 59.06ECLI:DE:BVerwG:2007:260607B1WB59.06.0
Leitsatz:
Der Vorwurf aus einem Strafverfahren gegen einen Soldaten, das nach § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, kann nicht ohne eigene Sachverhaltsermittlungen des zuständigen Geheimschutzbeauftragten die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigen.
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Rechtsquellen
SÜG § 5 Abs. 1 StPO § 153a Abs. 2 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.06.2007 - 1 WB 59.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:260607B1WB59.06.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 59.06
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
sowie
Oberst i.G. Reinelt und
Stabsunteroffizier Kaspari
als ehrenamtliche Richter
am 26. Juni 2007 beschlossen:
- Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 26. April 2006 wird aufgehoben.
- Die dem Antragsteller in dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entstandenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der 1983 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) im Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 26. April 2006. Er ist Soldat auf Zeit mit einer bis zum 30. Juni 2007 festgesetzten Dienstzeit von 3 Jahren und 9 Monaten. Mit Wirkung vom 1. Juli 2004 wurde er zum Stabsunteroffizier ernannt. Seit dem 3. April 2006 wird er bei der .../Fernmeldeaufklärungsabschnitt ... in B. verwendet.
2 Mit Anklageschrift vom 30. Juni 2004 warf die Staatsanwaltschaft B. dem Antragsteller vor, als Heranwachsender in B. im Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Januar 2004 fremde bewegliche Sachen, die ihm anvertraut waren, sich oder einem Dritten rechtswidrig zugeeignet zu haben. Im Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht T. am 3. Februar 2005 wurde das Verfahren - ... - zunächst vorläufig gemäß § 153a Abs. 2 StPO und - nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 400 € durch den Antragsteller - durch Beschluss des Amtsgerichts T. vom 21. April 2005 endgültig eingestellt.
3 Mit Schreiben vom 7. März 2006, welches dem Antragsteller am 9. März 2006 eröffnet wurde, teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller folgende sicherheitserheblichen Umstände mit, die der Militärische Abschirmdienst ermittelt hatte: Die vom Antragsteller begangene - auch strafrechtlich geahndete - Unterschlagung stelle eine zentrale Verschlusssachenstraftat dar. Sie begründe nachhaltige Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Außerdem habe er in der Sicherheitserklärung vom 8. Juni 2004 die Frage 10 nach anhängigen Straf- und Disziplinarverfahren verneint, obwohl er das damals schon laufende Ermittlungsverfahren hätte angeben müssen. Ferner sei der Antragsteller durch wiederholtes verkehrswidriges Verhalten sowie durch pflichtwidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Nichtmeldung im Sanitätsbereich nach Wachdienst aufgefallen. Insgesamt lägen damit tatsächliche Anhaltspunkte vor, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auch bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen könnten. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
4 In seiner schriftlichen Äußerung vom 29. März 2006, die am 7. April 2006 beim Geheimschutzbeauftragten einging, erläuterte der Antragsteller seine fehlerhafte Angabe in der Sicherheitserklärung damit, dass er seit Januar 2004 täglich mit Bewerbungsbögen für die Bundeswehr beschäftigt sei. In diesen Bewerbungsbögen werde unter Punkt 31 nach einer rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren gefragt. In Punkt 32 werde abgefragt, ob ein „Polizeiliches Straf-/Staatsanwaltschaftliches-/ oder Ermittlungsverfahren zur Zeit läuft“. Im Punkt 10 der Sicherheitserklärung gehe es jedoch nur neutral um die Frage, ob ein Straf- und/oder Disziplinarverfahren anhängig sei. Im Zeitpunkt der Sicherheitserklärung sei gegen ihn lediglich in der Unterschlagungssache ermittelt worden. Bei der Frage 10 der Sicherheitserklärung sei für ihn klar gewesen, dass nicht nach einem Ermittlungsverfahren gefragt werde. Die Anleitung zur Sicherheitserklärung habe er sich nie durchgelesen. Vielmehr sei er von der Sachbearbeiterin, die ihm die Sicherheitserklärung ausgehändigt habe, um eine möglichst rasche Abgabe dieser Erklärung gebeten worden. Er habe gewünscht, dass die Unterschlagungssache verhandelt werde, weil er sich keiner Schuld in den Anklagepunkten bewusst gewesen sei; er stelle klar, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Eine strafrechtliche Ahndung habe nicht stattgefunden. Aus seiner Sicht dokumentiere der Umstand, dass er freiwillig Angaben zu seinem früheren Verhalten im Straßenverkehr gemacht habe, dass er die gebotene Offenheit und Zuverlässigkeit besitze.
5 Mit Schreiben vom 26. April 2006 teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller die bevorstehende Feststellung eines Sicherheitsrisikos mit und führte aus, der Antragsteller habe die ihm eingeräumte Äußerungsfrist nicht genutzt, um entlastende Argumente vorzutragen. Lediglich ein Briefumschlag mit Kopien des Anhörungsschreibens und eines unausgefüllten Bewerbungsbogens für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr, mit einer unausgefüllten Sicherheitserklärung sowie Kopien des bereits bekannten Schriftverkehrs im Zusammenhang mit der von ihm durchgeführten Unterschlagung sei eingegangen. Aufgrund der dem Antragsteller vorgehaltenen tatsächlichen Anhaltspunkte, die deutlich auf das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos hinwiesen, sei seine Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzuschließen. Dieses Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung verbunden, in der auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung „nach Eröffnung des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung durch die personalbearbeitende Dienststelle“ hingewiesen wurde.
6 Mit Bescheid vom 26. April 2006, der an den Sicherheitsbeauftragten des Zentrums für Nachwuchsgewinnung ... in B. gerichtet war, schloss der Geheimschutzbeauftragte für den Antragsteller die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ab. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 12. Juni 2006 eröffnet.
7
Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 an das „Bundesministerium der Verteidigung/Referat Org 6/Geheimschutzbeauftragter“ in Bonn, eingegangen am 23. Juni 2007, legte der Antragsteller einen Rechtsbehelf ein, der folgenden Inhalt hat:
„Zur Wahrung meiner Rechte erhebe ich Einspruch und Beschwerde gegen den ergangenen Beschluss und somit der Ablehnung der Ü 3.
Ich verweise auf das bei Ihnen eingegangene Schreiben vom 11.06.2006, welches von Fr. D. entgegen genommen wurde.
Anbei sende ich Ihnen nochmals eine Kopie des Rückantwortscheins.“
8 Der Bundesminister der Verteidigung wertete diesen Rechtsbehelf als Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, den er mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 dem Senat vorgelegt hat.
9
Er beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
10 Der Antrag sei zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. Die strafbare Handlung des Antragstellers sei Grund genug dafür, Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit des Antragstellers im Rahmen einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit hervorzurufen. Die außerdienstliche Straftat der Unterschlagung habe hinsichtlich der Gewährung des Zugangs zu Verschlusssachen erhebliche Bedeutung. Dieses Delikt stelle ein Versagen im Kernbereich dar. Die Einlassung des Antragstellers, er habe versehentlich falsche Angaben in seiner Sicherheitserklärung gemacht, überzeuge nicht. In der Ausfüllanleitung zur Sicherheitserklärung werde unter Nr. 10 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch „Ermittlungen“ anzugeben seien. Ferner habe der Antragsteller in seiner Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst selbst ausgeführt, dass er mit seinem Rechtsanwalt über die Angelegenheit gesprochen habe. Er habe deshalb seine Antworten mit Bedacht ausgewählt und nicht aufgrund Zeitmangels unüberlegte Angaben gemacht. Auch wenn die vom Antragsteller begangene Straftat bereits längere Zeit zurückliege, könne angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller sein Fehlverhalten nach wie vor nicht einsehe, infolge der unwahren Angaben sowie angesichts des dienstrechtlichen Fehlverhaltens der unerlaubten Abwesenheit, welches eine weitere Verletzung von Kernpflichten und damit ein erhebliches Versagen darstelle, noch keine gesicherte positive Prognose über sein künftiges Verhalten gestellt werden. Das Begründungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 26. April 2006 mit der Rechtsmittelbelehrung habe der Antragsteller im Übrigen, wie sich aus seiner Eingabe an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ergebe, am 24. Mai 2006 erhalten.
11 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 449/06 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
12 Der Antrag ist zulässig.
13 Der Rechtsbehelf des Antragstellers vom 20. Juni 2006 richtet sich erkennbar gegen den ihm am 12. Juni 2006 eröffneten Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 26. April 2006 über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos. Da dieser Rechtsbehelf innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO im Bundesministerium der Verteidigung eingegangen ist, kann er als fristgerecht eingelegter Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet werden.
14 Der Antragsteller hat diesen Antrag auch in der gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO erforderlichen Weise fristgerecht begründet. Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller das Begründungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 26. April 2006 mit der - auf die Begründungspflicht hinweisenden - Rechtsmittelbelehrung am 24. Mai 2006 erhalten hat. Dies teilt er in seinem Schreiben an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vom 27. Mai 2006 selbst mit.
15 Die Begründungspflicht, die der Gesetzgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausdrücklich fixiert hat, verfolgt nicht nur den Zweck, das Gericht alsbald von dem vom Antragsteller geltend gemachten Rechtsschutzziel und den Anfechtungsgründen in Kenntnis zu setzen. Sie bezweckt vielmehr auch, die unüberlegte Einlegung von Anträgen auf gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Der Antragsteller muss deshalb in der Antragsbegründung im Einzelnen darlegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung nach seiner Auffassung rechtswidrig ist. Die Begründung kann nach gefestigter Rechtsprechung des Senats daher nicht dadurch ersetzt werden, dass auf frühere Anträge, Beschwerden oder Schriftsätze verwiesen wird (Beschlüsse vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB 35.04 - und vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 58.05 - jeweils m.w.N.).
16 Ausnahmsweise kann aber die Verweisung auf einen Schriftsatz als ausreichende Antragsbegründung angesehen werden, wenn der in Bezug genommene Schriftsatz zu einem Zeitpunkt vorgelegt wurde, in dem die angefochtene Entscheidung oder Maßnahme bereits ergangen war und der Betroffene - wie hier durch das Begründungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 26. April 2006 - bereits vor der förmlichen Bekanntgabe (§ 17 Abs. 4 Satz 1 WBO) Kenntnis von deren (wesentlichen) Inhalt und Begründung erlangt hatte. Dann stellt dieser - in Bezug genommene - Schriftsatz bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht mehr eine Äußerung im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Entscheidung oder Maßnahme dar, sondern ist erkennbar darauf gerichtet, Anfechtungsgründe gegen die bereits ergangene Entscheidung oder Maßnahme geltend zu machen. Bei dieser Konstellation liefe das Beharren auf einer zusätzlichen Begründung nach der förmlichen Bekanntgabe auf eine unnötige zeitraubende Förmlichkeit hinaus, die den von § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO angestrebten Schutzzweck nicht fördert.
17 Da der Antragsteller in seinem Rechtsbehelf vom 20. Juni 2006 ausdrücklich auf den (am 16. Juni 2006 beim Geheimschutzbeauftragten eingegangenen) Schriftsatz vom 11. Juni 2006 verweist, der in Kenntnis von der Entscheidung und deren Begründung verfasst wurde, stellt diese Bezugnahme ausnahmsweise eine ausreichende Antragsbegründung durch den Antragsteller dar.
18 Damit ist der Antrag in Form eines Anfechtungsantrages zulässig. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden feststellenden Schreibens oder Bescheides angefochten werden (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 25.00 - BVerwGE 111, 219 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9 und vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 37.04 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18 <insoweit nicht veröffentlicht>).
19 Der Antrag ist auch begründet.
20 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 26. April 2006 ist rechtswidrig mit der Folge, dass der Bescheid aufzuheben ist.
21 Der Anfechtungsantrag des Antragstellers ist nach der im Zeitpunkt der Vorlage durch den Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu beurteilen (Beschlüsse vom 8. November 1994 - BVerwG 1 WB 64.94 - BVerwGE 103, 182 <183> und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -).
22 Ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eines Soldaten entgegensteht, entscheidet die zuständige Stelle. Die dazu notwendige Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - BVerwG 1 WB 13.99 - BVerwGE 111, 30 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 7 = NZWehrr 2000, 31, vom 24. Mai 2000 a.a.O., vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10 und vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, obliegt der zuständigen Stelle, die ihre Entscheidung aber nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen darf, sondern auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte zu treffen hat. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 a.a.O. und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
23 Der zuständigen Stelle steht bei der ihr hiernach obliegenden Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich demgemäß darauf zu beschränken, ob diese Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (Beschluss vom 18. August 2004 a.a.O. m.w.N.). Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen, insbesondere persönlichen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG).
24 Zuständige Stelle für die Beurteilung, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG), ist im Verfahren der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 35 Abs. 3 SÜG und Nr. 2416, 2705 ZDv 2/30 Teil C). Grundlage für die nach § 14 Abs. 3 SÜG zu treffende Entscheidung der zuständigen Stelle sind die Ermittlungen und Maßnahmen der mitwirkenden Behörde nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 und 2 SÜG. Mitwirkende Behörde im Sicherheitsüberprüfungsverfahren im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung ist nach § 3 Abs. 2 SÜG und § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und b MADG der Militärische Abschirmdienst.
25 Der Geheimschutzbeauftragte hat die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Schreiben vom 26. April 2006 nicht gesondert begründet, sondern lediglich auf sein Anhörungsschreiben vom 7. März 2006 Bezug genommen und erklärt, er schließe die Sicherheitsüberprüfung des Antragstellers „nach der Aktenlage“ ab. Diese Feststellung ist rechtswidrig, weil der Geheimschutzbeauftragte dabei von einem unvollständigen und damit unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. In der Folge dieses Mangels erweist sich die erforderliche Prognose als fehlerhaft. Dieser Mangel ist auch in der Vorlage des Bundesministers der Verteidigung an den Senat nicht geheilt worden.
26 Zwar können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, im Einzelfall daraus ergeben, dass der Betroffene Straftaten begangen hat, die ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen (vgl. Beschlüsse vom 20. Mai 1981 - BVerwG 1 WB 35.80 -, vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB 97.00 - und vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats ebenso, wenn der Betroffene einer Straftat dringend verdächtig ist oder ein Dienstvergehen begangen hat (Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - BVerwG 1 WB 113.96 -, vom 27. Januar 1998 - BVerwG 1 WB 34.97 - und vom 20. August 2003 - BVerwG 1 WB 15.03 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 16 = NZWehrr 2004, 108). Der Geheimschutzbeauftragte hat in seinem Anhörungsschreiben das dem Antragsteller zur Last gelegte Unterschlagungsdelikt als feststehende - auch „strafrechtlich geahndete“ - Handlung bezeichnet. Dem ist der Bundesminister der Verteidigung in der Vorlage an den Senat gefolgt und hat die „strafbare Handlung“ des Antragstellers in Gestalt der Unterschlagung als Versagen im Kernbereich und damit als wesentlichen Grund für Zweifel im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG bezeichnet.
27 Hinsichtlich der dem Antragsteller vorgeworfenen Unterschlagung liegen allerdings keine im vorliegenden Verfahren „bindenden“ tatsächlichen Feststellungen durch ein Strafgericht vor. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller durch das Amtsgericht T. gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a Abs. 2 StPO stellt zwar keinen Freispruch mangels Beweises dar, sondern dient der vereinfachten Verfahrenserledigung bei Vergehen (Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - BVerwG 1 WB 113.96 - und vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 8.06 - NZWehrr 2006, 246). Andererseits ist die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO aber nicht widerlegt. Mit einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht. Diese Einstellungsentscheidung setzt keinen Nachweis der Tat voraus. Insoweit besteht die Unschuldsvermutung fort, die sich als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt, die kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 - NJW 1991, 1530 = MDR 1991, 891; Beschluss vom 14. Juni 2006 a.a.O.). Vor diesem rechtlichen Hintergrund - und auch in Ermangelung einer Sachverhaltsfeststellung in einem Disziplinarverfahren - hätte der Geheimschutzbeauftragte in seinem Schreiben an den Antragsteller vom 26. April 2006 eigene Feststellungen im Rahmen seiner Sachverhaltsermittlung treffen müssen, um auf dieser Basis eine fundierte Aussage über die Frage zu treffen, ob der Antragsteller tatsächlich die ihm vorgeworfene Unterschlagung begangen hat. Insoweit enthält das Anhörungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten, auf das er sich in seinem Schreiben vom 26. April 2006 bezieht, lediglich die pauschale Aussage einer strafbaren Handlung des Antragstellers. Der Geheimschutzbeauftragte lässt gänzlich den Inhalt der schriftlichen Äußerung des Antragstellers vom 29. März 2006 außer Acht, die am 7. April 2006 bei ihm eingegangen ist. Darin hat der Antragsteller mit eingehender Begründung die schuldhafte Begehung einer Straftat der Unterschlagung bestritten. Insbesondere hat er im Einzelnen dargelegt, dass die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage auf einem „Deal“ beruhe. Vor diesem Hintergrund war der Schluss des Geheimschutzbeauftragten nicht gerechtfertigt, dass der Antragsteller die ihm vorgeworfene Unterschlagung tatsächlich begangen hat.
28 In der Bewertung des Geheimschutzbeauftragten steht der Vorwurf der „begangenen“ Unterschlagung im Zentrum der Feststellung eines Sicherheitsrisikos; ausweislich der Anhörungsverfügung „verstärken“ die Angaben des Antragstellers im Rahmen der Sicherheitserklärung und das Wachvergehen lediglich die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Damit ist aus den Äußerungen des Geheimschutzbeauftragten nicht erkennbar, dass ohne den Vorwurf strafrechtlichen Verhaltens des Antragstellers die übrigen diesem zur Last gelegten Verhaltensweisen allein die Feststellung eines Sicherheitsrisikos getragen hätten. Damit fehlt es zugleich an einer ordnungsgemäßen Prognose, mit welchem Gewicht die dem Antragsteller vorgehaltenen Verhaltensweisen in die Zuverlässigkeitseinschätzung eingehen sollten.
29 Eine derartige Gewichtung ist auch der Vorlage des Bundesministers der Verteidigung an den Senat nicht zu entnehmen. Dessen Vorbringen (auf S. 5 und 6 der Vorlage) legt den Schluss nahe, dass die „außerdienstliche Straftat“ des Antragstellers, seine unzutreffenden Angaben in der Sicherheitserklärung und das dienstrechtliche Fehlverhalten der unerlaubten Abwesenheit kumulativ die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigen sollen. In diesen Ausführungen wird hingegen nicht deutlich, ob - unter Außerachtlassung des vom Antragsteller bestrittenen strafrechtlichen Vorwurfs - die unzutreffende Angabe in der Sicherheitserklärung mit dem sonstigen dienstrechtlichen Fehlverhalten des Antragstellers selbsttragend die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gestützt hätten. Damit fehlt es zugleich an einer ordnungsgemäßen Entscheidung nach Nr. 2709 ZDv 2/30 Teil C, ob unter Fürsorgegesichtspunkten eine mildere Maßnahme in der Person des Antragstellers in Betracht gekommen wäre.
30 Der ein Sicherheitsrisiko feststellende Bescheid des Geheimschutzbeauftragten vom 26. April 2006 ist infolge dessen mit der Kostenfolge aus § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 WBO aufzuheben.