Urteil vom 25.05.2005 -
BVerwG 2 C 6.04ECLI:DE:BVerwG:2005:250505U2C6.04.0
Leitsatz:
Auf Grund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots entfällt der Versorgungsabschlag alten Rechts für Zeiten ab dem 17. Mai 1990 bei Anwendung der degressiven Ruhegehaltstabelle auf teilzeitbeschäftigte Beamte (wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 14.04 ).
Urteil
BVerwG 2 C 6.04
- VG Frankfurt am Main - 16.01.2004 - AZ: VG 9 E 707/00 (V)
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , G r o e p p e r ,
Dr. B a y e r und Dr. H e i t z
für Recht erkannt:
- Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2004 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 1999 und der Widerspruchsbescheid vom
- 4. Januar 2000 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Versorgungsbezüge der Klägerin mit einem Ruhegehaltssatz von 70 v.H. festzusetzen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/7 und die Beklagte zu 6/7.
I
Die am 12. Juli 1939 geborene Klägerin war seit 1966 zunächst Angestellte und ab 1. Januar 1984 Beamtin bei der Beklagten. Ab dem 1. Juli 1992 bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 1999 war sie teilzeitbeschäftigt oder beurlaubt. Die Versorgungsbezüge der Klägerin setzte die Beklagte unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags nach altem Recht mit 65,80 v.H. ihrer ruhegehaltfähigen Dienstbezüge fest.
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, die Berücksichtigung des Versorgungsabschlags wegen Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 Abs. 1 EGV; der Ruhegehaltssatz müsse auf mindestens 70,79 v.H. festgesetzt werden.
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und die Frage der Vereinbarkeit der beamtenversorgungsrechtlichen Vorschriften betreffend den Ruhegehaltssatz bei Teilzeitbeschäftigung mit Gemeinschaftsrecht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2003 (Rs. C-4/02 und C-5/02) ist über die Vorlagefragen entschieden worden. Sodann hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, für die Klägerin einen Ruhegehaltssatz von 70,79 v.H. festzusetzen, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Regelungen über den so genannten Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigten nach der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1, 2. und 3. Halbsatz BeamtVG a.F. bewirkten eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Beamtinnen. Sie seien mit Art. 141 EG und der Richtlinie 75/117/EWG unvereinbar und müssten bei der Berechnung des Ruhegehaltssatzes unberücksichtigt bleiben. Art. 141 EG sei eine in den Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift, hinter der nationales Recht in der Anwendung insoweit zurücktreten müsse, wie es zur Realisierung des Verbotes jeder mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung im Bereich der Gewährung von Entgelt für geleistete Arbeit erforderlich sei. Dies ergebe sich auch aus der Richtlinie 75/117/EWG. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei das System der Beamtenversorgung in Deutschland dem Geltungsbereich des Art. 141 EG zuzuordnen. Von dem so genannten Versorgungsabschlag seien prozentual weitaus mehr Frauen als Männer betroffen, da diese prozentual weitaus häufiger teilzeitbeschäftigt seien. Nach früherem Recht werde die Teilzeitbeschäftigung nicht nur durch Kürzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit entsprechend dem Umfang der verringerten Arbeitszeit, sondern darüber hinaus durch einen Versorgungsabschlag berücksichtigt. Diese weitere Kürzung könne nicht mit fiskalischen Erwägungen oder aus anderen Gründen objektiv gerechtfertigt werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene und mit Zustimmung der Klägerin eingelegte Sprungrevision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision ist nur teilweise begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben, soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin einen über 70 v.H. hinausgehenden Ruhegehaltssatz zugrunde zu legen. Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen.
Die auf Erhöhung des für die Bemessung der Versorgungsbezüge der Klägerin maßgebenden Ruhegehaltssatzes gerichtete Klage ist zulässig. Zwar ist mit Bescheid vom 5. Oktober 1999 der Ruhegehaltssatz gemäß § 14 a BeamtVG, hier anzuwenden in der bei Eintritt der Klägerin in den Ruhestand am 1. August 1999 geltenden Fassung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322), erhöht worden. Dieser Bescheid bietet jedoch nur die Grundlage für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes, solange die Voraussetzungen des § 14 a BeamtVG gegeben sind. Er ergänzt den Festsetzungsbescheid gemäß § 49 Abs. 1 BeamtVG. Zu Recht hat die Klägerin diesen Verwaltungsakt angegriffen, um die Festsetzung des Ruhegehaltes nach dem dort ausgewiesenen Ruhegehaltssatz nicht bestandskräftig werden zu lassen.
Das Beamtenverhältnis, aus dem die Klägerin in den Ruhestand getreten ist, hatte bereits am 31. Dezember 1991 bestanden. Die Klägerin ist vor dem 1. Januar 2002 antragsgemäß wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt worden. Deshalb ist der Ruhegehaltssatz nach der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand geltenden, durch Art. 1 Nr. 34 des BeamtVGÄndG vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) eingefügten Übergangsregelung des § 85 BeamtVG zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt auf Grund eines Vergleichs zwischen drei verschiedenen Rechengrößen, nämlich
1. Ruhegehaltssatz gemäß der linearen Ruhegehaltstabelle nach "neuem" (am 1. Februar 2000 geltendem) Recht:
ruhegehaltfähige Dienstzeit von 30,39 Jahren (unstreitig) x 1,875 v.H. = 56,99 v.H.;
2. Ruhegehaltssatz gemäß der Mischberechnung nach § 85 Abs. 1 BeamtVG:
ruhegehaltfähige Dienstzeit bis 31. Dezember 1991 von (aufgerundet) 27 Jahren:
erste 10 Jahre - 35 v.H.
weitere 15 Jahre x 2 v.H. - 30 v.H.
weitere 2 Jahre x 1 v.H. - 2 v.H.
67 v.H.
Dienstzeit ab 1. Januar 1992 - 3,79 Jahre (x 1 v.H.) = 3,79 v.H.
70,79 v.H.
3. Ruhegehaltssatz gemäß der Berechnung nach altem Recht (§ 85 Abs. 3 BeamtVG): 65,80 v.H.
unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags alten Rechts nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (vgl. Fassung vom 12. Februar 1987, BGBl I S. 570).
Gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG wird der so ermittelte Ruhegehaltssatz zugrunde gelegt, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach neuem Recht für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt; allerdings darf dieser Ruhegehaltssatz gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht ergäbe, nicht übersteigen. Danach würde früheres Recht den Ruhegehaltssatz auf 65,80 v.H. begrenzen. Somit wäre der so genannte Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. auf Grund der Begrenzungswirkung alten Rechts eine maßgebende Rechengröße.
Nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ist das Ruhegehalt der Klägerin jedoch ohne Berücksichtigung des Versorgungsabschlags festzusetzen. In seinem Urteil vom 23. Oktober 2003 - Rs. C-4/02, Schönheit, und Rs. C-5/02, Becker - Slg. I - 2003, 12575, das auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren ergangen ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt:
"73 Somit ist ... festzustellen, dass Bestimmungen wie diejenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, zu einer Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer gegenüber männlichen Arbeitnehmern führen können, die gegen den Grundsatz des glei-
chen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit verstößt, es sei denn, diese Bestimmungen sind durch Faktoren objektiv gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben ...
84 In diesem Zusammenhang ist sogleich darauf hinzuweisen, dass der Zweck, die öffentlichen Ausgaben zu begrenzen, auf den sich die Behörden dem vorlegenden Gericht zufolge bei der Einführung des Versorgungsabschlags in das nationale Recht berufen haben, nicht mit Erfolg zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts angeführt werden kann ...
89 Aus den Vorlagebeschlüssen geht hervor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Versorgungsabschlag in Fällen der Teilzeitbeschäftigung und der Beurlaubung ohne Dienstbezüge zu einer proportionalen Kürzung des Ruhegehalts führt und daher keine mittelbare Diskriminierung darstellt, die gegen den vom Gemeinschaftsrecht gewährleisteten Grundsatz des gleichen Entgelts für männliche und weibliche Arbeitnehmer verstößt. Eine solche Minderung sei vielmehr insofern sachlich gerechtfertigt, als in diesem Fall die Versorgung einer geminderten Dienstleistung entspreche.
90 Dazu ist zunächst zu sagen, dass das Gemeinschaftsrecht, wie der Generalanwalt in Nummer 102 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, einer zeitanteiligen Berechnung des Ruhegehalts bei Teilzeitbeschäftigung nicht entgegensteht ...
93 Dagegen kann eine Maßnahme, die bewirkt, dass das Ruhegehalt eines Arbeitnehmers stärker als unter proportionaler Berücksichtigung seiner Zeiten der Teilzeitbeschäftigung gekürzt wird, nicht dadurch als objektiv gerechtfertigt angesehen werden, dass in diesem Fall das Ruhegehalt einer geminderten Arbeitsleistung entspreche ...
95 Dieses Ergebnis kann keine Rechtfertigung in dem von der deutschen Regierung angeführten Argument finden, dass ein solcher Versorgungsabschlag durch den Zweck gerechtfertigt sei, im System der degressiven Ruhegehaltsskala eine Gleichbehandlung der teilzeit- und der vollzeitbeschäftigten Beamten zu gewährleisten.
96 Mit dem Versorgungsabschlag kann dieses Ziel nämlich nicht erreicht werden. Wie sich aus den Nummern 60 bis 63 und 100 der Schlussanträge des Generalanwalts ergibt, kann in einem Fall, in dem ein teilzeitbeschäftigter und ein vollzeitbeschäftigter Beamter während ihrer gesamten Laufbahn insgesamt die gleiche Zahl Dienststunden abgeleistet haben, die Anwendung der Versorgungsabschlagsregelung auf Ersteren zur Zuweisung eines niedrigeren Ruhegehaltssatzes führen, als Letzterem nach § 14 BeamtVG a. F. zugewiesen würde. Tatsächlich hatte die Einführung des Versorgungsabschlags zur Folge, dass für einen solchen teilzeitbeschäftigten Beamten die Vorteile aus der degressiven Ruhegehaltsskala verringert wurden, während vollzeitbeschäftigte Beamte weiterhin in den Genuss dieser Vorteile kamen, insbesondere wenn sie das Ruhegehalt nach den ersten Zeiten ihres Dienstes, die zu höheren jährlichen Ruhegehaltsansprüchen als in den folgenden Jahren führten, in Anspruch nahmen ..."
Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bindet den erkennenden Senat. Nach ständiger Rechtsprechung kommt den Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts im Falle eines Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten der Anwendungsvorrang zu (vgl. BVerfGE 75, 223, 244 f.; BVerfGE 85, 191, 204). Kollidiert also Gemeinschaftsrecht mit nationalem Recht, so muss das nationale Gericht den Normenkonflikt lösen und dabei den Vorrang des Gemeinschaftsrechts beachten. Dies gilt sowohl für das primäre als auch für das sekundäre Gemeinschaftsrecht (vgl. BVerfGE 85, 191, 205). Ein Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht durch die mangelhafte Umsetzung einer Richtlinie führt dazu, dass sich der Betroffene gegenüber den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann, sofern diese klar und unbedingt ist und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedarf (vgl. BVerfGE 75, 223, 237 ff.; BVerfGE 85, 191, 205). Die Autorität, das Gemeinschaftsrecht authentisch und abschließend zu interpretieren, kommt ausschließlich dem Europäischen Gerichtshof zu. Der Normenkonflikt zwischen Art. 141 EG sowie der Richtlinie 75/117/EWG einerseits und § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., den der Europäische Gerichtshof aufgezeigt hat, kann nur so gelöst werden, dass die frühere, noch übergangsweise geltende Regelung über den Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigung unberücksichtigt bleibt.
Die durch den Versorgungsabschlag bewirkte mittelbare Diskriminierung ist nicht deshalb zulässig, weil sie durch objektive Faktoren bzw. Gründe gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben. Solche Rechtfertigungsgründe liegen vor, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des Mitgliedsstaates dienen und zur Erreichung dieses Zieles geeignet und erforderlich sind. Dies festzustellen, ist Sache des nationalen Gerichts, das für die Beurteilung des Sachverhalts und die Auslegung des innerstaatlichen Rechts allein zuständig ist.
Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs bereits zutreffend ausgeführt hat, vermögen fiskalische Erwägungen eine mittelbare Diskriminierung nicht zu rechtfertigen. Damit ist die Begründung des Bundesrats, die für die Einführung des Versorgungsabschlags angeführt worden ist, nicht geeignet, die weitere Minderung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu rechtfertigen. Danach sollten nämlich die durch Erweiterung der Beurlaubungs- und Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten unmittelbar entstehenden Mehrkosten durch die Einführung von Abschlägen bei der Versorgung für alle Fälle einer verminderten Dienstleistung aufgefangen werden (vgl. BTDrucks 10/930 S. 2).
Die Erwägung des erkennenden Senats, dass der Versorgungsabschlag einen dem Versorgungssystem immanenten Korrekturmechanismus darstellt, mit dem eine auf der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle beruhende vergleichsweise Besserstellung der teilzeitbeschäftigten Beamten habe vermieden werden sollen (vgl. Urteile vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 2.98 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 4; vom 11. März 1999 - BVerwG 2 C 18.98 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 5 und vom 22. Juli 1999 - BVerwG 2 C 19.98 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 6), hat der Europäische Gerichtshof ebenfalls nicht als Rechtfertigungsgrund anerkannt. Nach der für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts allein maßgebenden Auffassung des Europäischen Gerichtshofs kommt es im Hinblick auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit nur auf den Vergleich der Arbeitszeit an. Danach ist unerheblich, dass ein teilzeitbeschäftigter Beamter von dem hohen Ruhegehaltssatz für die ersten 10 Jahre (35 v.H.) weitaus häufiger profitiert hat als ein vollzeitbeschäftigter Beamter, der die dreifache Arbeitszeit (30 Jahre) bewältigen musste, um einen doppelt so hohen Ruhegehaltssatz zu erreichen.
Eine Rechtfertigung der mittelbaren Diskriminierung ergäbe sich ebenfalls dann nicht, wenn der Versorgungsabschlag früheren Rechts einer Kürzung des Ruhegehaltssatzes nach dem gleichen Verhältniswert entspräche, nach dem das neue Versorgungsrecht die Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis zur Vollzeitbeschäftigung bewertet. Eine Versorgungsregelung, die das Diskriminierungsverbot verletzt, ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sie als solche mit sonstigem höherrangigem Recht im Einklang steht. Die frühere Ungleichbehandlung wird auch nicht durch die präsente Gleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigung und der Vollzeitbeschäftigung auf Grund der linearen Versorgungstabelle neuen Rechts nachträglich legitimiert. Dass das neue Recht die proportionale Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten nach altem Recht im Ergebnis - wenn auch nicht mittels eines "Versorgungsabschlags" - perpetuiert und dieses "System" nunmehr ebenfalls auf die Vollzeitbeschäftigten erstreckt, so dass beide Gruppen im Vergleich zum früheren Recht in gleicher Weise schlechter gestellt sind, verschafft der (vormaligen) Diskriminierung keinen legitimierenden Grund. Der Vergleich zwischen den Gruppen der Teilzeit- und der Vollzeitbeschäftigten kann zeitlich nur aus horizontaler Sicht angestellt werden. Die Ungleichbehandlung in der Vergangenheit wird nicht dadurch beseitigt, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume Regelungen schafft, die dem Gleichbehandlungsgebot entsprechen, ohne für die Vergangenheit die Ungleichbehandlung zu kompensieren.
Unzutreffend ist das Verwaltungsgericht jedoch davon ausgegangen, dass die Unvereinbarkeit des Versorgungsabschlags mit dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot dazu führt, dass die Begrenzung des Ruhegehaltssatzes nach § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG vollständig entfällt. Dafür enthält das höherrangige Recht keinen Anhaltspunkt. Insbesondere die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs liefert keine Begründung dafür, früheres Recht auch dann außer Acht zu lassen, wenn es unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots nicht in Frage zu stellen ist. § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG verpflichtet den Dienstherrn bei der Berechnung des Ruhegehaltssatzes zu einer Vergleichsberechnung auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts. Diese Verweisung erstreckt sich nicht nur auf die mit Art. 141 EG unvereinbaren Regelungen über den Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung, sondern auch auf sämtliche seinerzeit geltenden Vorschriften. Andernfalls würden Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten privilegiert, auf die § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG uneingeschränkt anzuwenden ist.
Zu den somit Geltung beanspruchenden Bestimmungen gehört die Rundungsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. Danach gilt nur ein Rest der ruhegehaltfähigen Dienstzeit von mehr als 182 Tagen als vollendetes Dienstjahr. Da die Klägerin nach Umrechnung ihrer gesamten Arbeitszeit auf die Arbeitszeit eines vollzeitig beschäftigten Beamten eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 30 Jahren und 142,5 Tagen erreicht, können nur 30 Jahre als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Daraus errechnet sich ein Ruhegehaltssatz von 70 v.H.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Da die Klägerin mit ihrem Verlangen, den Ruhegehaltssatz um 4,99 v.H. zu erhöhen, nicht in vollem Umfang durchdringt, ist sie im Umfang von 1/7 unterlegen.