Beschluss vom 23.07.2013 -
BVerwG 20 PKH 1.13ECLI:DE:BVerwG:2013:230713B20PKH1.13.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 23.07.2013 - 20 PKH 1.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:230713B20PKH1.13.0]
Beschluss
BVerwG 20 PKH 1.13
- OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 25.06.2013 - AZ: OVG 13a F 14/13
In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 2013 zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I
1 Der Kläger begehrt im Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht, einen Prüfungsbescheid des beklagten Landesjustizprüfungsamtes aufzuheben und das beklagte Landesjustizprüfungsamt zu verpflichten, die Prüfungsarbeiten nach Maßgabe der Ansicht des Gerichts neu zu bewerten. Zur Begründung seiner Klage hat er unter anderem geltend gemacht, die für die Bewertung seiner Klausuren eingesetzten Personen seien nicht als selbständige Prüfer, sondern rechtswidrig nach Anweisung des beklagten Landesjustizprüfungsamtes aufgrund ihnen übergebener sogenannter Prüfervermerke als bloße Hilfskräfte (=Korrekturassistenten) tätig geworden. Er hat in diesem Zusammenhang beantragt, das beklagte Landesjustizprüfungsamt zu verpflichten, die sogenannten Prüfervermerke zu den von ihm angefertigten Klausuren vorzulegen. Nachdem das Verwaltungsgericht das beklagte Landesjustizprüfungsamt aufgefordert hatte, andere Unterlagen einzureichen, darunter aber nicht die Prüfervermerke, hat das beklagte Landesjustizprüfungsamt hierzu vorgetragen, es sehe von einer Übersendung der Prüfervermerke ab; der Kläger habe keinen Anspruch auf Einsicht in diese.
2 Der Kläger hat daraufhin beim Verwaltungsgericht erneut beantragt, das beklagte Landesjustizprüfungsamt zu verpflichten, die Prüfervermerke vorzulegen, und im Falle der Weigerung eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuholen. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin, den Antrag dem Oberverwaltungsgericht zur Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO vorgelegt.
3 Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag als unzulässig abgelehnt. Der Kläger hat Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beantragt.
II
4 Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO). Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag auf Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO zu Recht und mit zutreffender Begründung als unzulässig abgelehnt. Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts müsste deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
5 Eine Entscheidung des Fachsenats nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt zum einen voraus, dass das Gericht der Hauptsache die beklagte Behörde gemäß § 99 Abs. 1 VwGO auffordert, bestimmte Urkunden oder Akten vorzulegen oder bestimmte elektronische Dokumente zu übermitteln oder bestimmte Auskünfte zu erteilen, und dabei die Entscheidungserheblichkeit dieser Unterlagen - in der Regel förmlich, insbesondere durch Beweisbeschluss - verlautbart. Eine Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt zum anderen voraus, dass die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente oder die Erteilung der Auskünfte verweigert, weil das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder weil die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (sogenannte Sperrerklärung). Gegenstand des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO ist diese Sperrerklärung. Der Fachsenat, sei es des Oberverwaltungsgerichts, sei es des Bundesverwaltungsgerichts, prüft nach, ob die Sperrerklärung der obersten Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist.
6 Hier fehlt es bereits daran, dass das Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache das beklagte Landesjustizprüfungsamt nicht aufgefordert hat, die Prüfervermerke vorzulegen, demgemäß auch nicht die Entscheidungserheblichkeit dieser Prüfervermerke verlautbart hat. Erst Recht fehlt es an einer Sperrerklärung, die Gegenstand eines Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO sein könnte.
7 Zu Unrecht verweist der Kläger auf Rechtsprechung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts, nach der die Entscheidungserheblichkeit nur in der Regel förmlich verlautbart werden müsse (ebenso Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 4 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 58). Die Entscheidungserheblichkeit der Unterlagen muss das Gericht der Hauptsache stets verlautbaren. Es muss die Entscheidungserheblichkeit sogar in der Regel förmlich in einem Beweisbeschluss oder in einer vergleichbar förmlichen Äußerung darlegen. Ausnahmsweise kann auf diese förmliche Äußerung verzichtet werden und eine einfache Anforderung der Unterlagen ausreichen, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei entscheidungserheblich sind. Eine einfache Anforderung der Prüfervermerke ist ebenfalls unterblieben. Mit der Vorlage des Verfahrens an den Fachsenat hat das Verwaltungsgericht lediglich prozessual auf den Antrag des Klägers reagiert, ein in-camera-Verfahren einzuleiten.
8 Weigert sich die beklagte Behörde lediglich auf einen Wunsch des Klägers, bestimmte Unterlagen dem Gericht vorzulegen, die der Kläger für entscheidungserheblich hält, ohne dass das Gericht ihre Vorlage verlangt hätte, wird ein Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist daher der Vortrag des Klägers, er sei für seine Rechtsverfolgung im Verfahren der Hauptsache auf die Vorlage der Prüfervermerke angewiesen. Das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO hat nur die Funktion, zu überprüfen, ob die Behörde die Vorlage von Unterlagen rechtmäßig verweigert, die das Gericht der Hauptsache als entscheidungserheblich beiziehen will. Hingegen hat das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht die Funktion, dem Kläger des Hauptsacheverfahrens eine Möglichkeit an die Hand zu geben, die Vorlage von Akten zu erzwingen, deren Entscheidungserheblichkeit das Gericht der Hauptsache nicht oder noch nicht geprüft hat und die es deshalb (noch) nicht von der Behörde angefordert hat. Ob das Gericht der Hauptsache die Behörde zur Vorlage bestimmter Akten oder sonstiger Unterlagen auffordern müsste und ob es durch eine unterbleibende Anforderung der Akten oder Unterlagen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO), das rechtliche Gehör des Klägers oder den Grundsatz fairen Verfahrens verletzt, ist nicht in einem Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zu klären, sondern kann nur gegebenenfalls mit einem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung im Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden.