Beschluss vom 23.02.2018 -
BVerwG 1 VR 11.17ECLI:DE:BVerwG:2018:230218B1VR11.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.02.2018 - 1 VR 11.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:230218B1VR11.17.0]

Beschluss

BVerwG 1 VR 11.17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Februar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 11. November 2016 wird abgelehnt.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Antragsverfahren auf 35 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller, 14 natürliche Personen, begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen ein von dem Bundesministerium des Innern erlassenes Verbot des Vereins Hells Angels Motorradclub Bonn.

2 Der Verein existierte bereits in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Chapter des Bones MC. Dieser trat am 12. November 1999 mit allen Chaptern in den Hells Angels MC Germany über. In der Folge nahm der Verein seinen eingangs bezeichneten Namen an. Im März 2013 gab er seine vermeintliche Selbstauflösung bekannt, nachdem zuvor mit Sitz unter der Adresse des Clubhauses eine Kommanditgesellschaft gegründet worden war, der die Mitglieder des Vereins als Kommanditisten angehörten. Im März 2014 nahm der Verein seine Aktivitäten wieder auf.

3 Im Januar 2016 ließ die 1. Große Strafkammer - Staatsschutzkammer - des Landgerichts Koblenz die Anklage gegen neun Vereinsmitglieder zu. Diesen werden unter anderem mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Anschluss an eine bewaffnete Gruppe, Verstöße gegen das Waffengesetz, Nötigung, gefährliche Körperverletzung und räuberische Erpressung vorgeworfen. Das Strafverfahren ist noch anhängig.

4 Mit Ordnungsverfügung vom 10. März 2016 stellte das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur unter anderem fest, dass Zweck und Tätigkeit des Hells Angels Motorradclub Bonn den Strafgesetzen und der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderliefen und der Verein verboten sei. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hob diese Verfügung mit Urteil vom 17. Januar 2017 - 7 C 10326/16.OVG - wegen mangelnder (Verbands-)Zuständigkeit der Erlassbehörde auf, nachdem es bereits mit Beschluss vom 26. Juli 2016 - 7 B 10327/16.OVG - die aufschiebende Wirkung der seitens der Antragsteller "als Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins" erhobenen Klage wiederhergestellt hatte. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller mit Verfügung vom 2. August 2016 übersandt.

5 Am 4. August 2016 lud der Antragsteller zu 3 als Mitglied des Vorstands des Hells Angels Motorradclub Bonn zu einer für den 5. August 2016 anberaumten Mitgliederversammlung ein. Diese beschloss mit den Stimmen der zehn anwesenden Mitglieder, den Verein aufzulösen, wählte die Antragsteller zu 3, zu 5 und zu 7 zu Mitgliedern des Abwicklungsvorstands und beauftragte "entsprechend § 54 BGB" "die Liquidatoren, die Abwicklung nach den gesetzlichen Regeln der GbR (§§ 732 bis 740 BGB) unverzüglich vorzunehmen". In den Folgewochen gliederten sich diverse Mitglieder anderen, teilweise räumlich weit entfernt ansässigen Chartern des Hells Angels MC Germany an.

6 Mit an den "Verein Hells Angels Motorradclub Bonn" gerichteter Verfügung vom 11. November 2016 stellte das Bundesministerium des Innern fest, dass Zweck und Tätigkeit des Verfügungsadressaten den Strafgesetzen zuwiderliefen, der Verein verboten sei, diesem jede Tätigkeit untersagt sei und es überdies verboten sei, Ersatzorganisationen zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen. Zugleich ordnete es die Auflösung des Vereins und die sofortige Vollziehung dieser Teile der Verfügung an. Des Weiteren ordnete es die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens, bestimmter Forderungen gegen den Verein und bestimmter Sachen Dritter an. Die Verfügung wurde den Antragstellern und einer weiteren Person zugestellt. Ihr verfügender Teil wurde am 22. November 2016 im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht. Zur Begründung des Verbots wurde unter Anknüpfung an die bereits der Ordnungsverfügung vom 10. März 2016 zugrunde liegenden Tatsachen im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Verein handele es sich um einen Zusammenschluss von mindestens 15 Personen sowie weiteren Personen, die den Verein unterstützten, eine Mitgliedschaft anstrebten oder deren mitgliedschaftlicher Status unklar sei. Der Verein sei als kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB einzustufen. Seine Mitglieder seien angeklagt, zur Durchsetzung der Macht- und Gebietsansprüche des Vereins in Teilen des Westerwalds, der nördlichen Eifel sowie im Großraum Bonn diverse Straftaten, darunter auch Gewaltdelikte, verübt zu haben. Diese Straftaten seien dem Verein zuzurechnen. Drei von 15 Vereinsmitgliedern, darunter zwei Führungsmitglieder, wiesen Einträge im Bundeszentralregister auf. Straffällige Mitglieder erführen Unterstützung durch den Verein. Das Vereinsverbot sei auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein Großteil der Straftaten mit erheblicher Gewaltanwendung beziehungsweise -androhung durch Mitglieder des Vereins einherging und als Handlungen des Vereins wahrgenommen werden sollten, verhältnismäßig. Die sofortige Vollziehung des Verbots und der Auflösung des Vereins sowie der Beschlagnahme des Vereinsvermögens sei erforderlich, um der von dem Verein ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit wirksam zu begegnen.

7 Am 22. Dezember 2016 haben die Antragsteller "als (vermeintliche) Mitglieder des Vereins" Klage mit dem Ziel erhoben, die Ordnungsverfügung vom 11. November 2016 aufzuheben. Die Klage ist unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 A 14.16 anhängig.

8 Zu deren Begründung führen die Antragsteller im Wesentlichen aus, die Ordnungsverfügung sei unwirksam zugestellt worden, da die Zustellungsadressaten der verbotenen Vereinigung, die zivilrechtlich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einzustufen gewesen sei, nicht mehr angehörten. Die Verfügung gehe ins Leere und sei auf ein rechtlich unmögliches Ziel gerichtet. Denn die Vereinigung habe im Erlasszeitpunkt nicht mehr bestanden. Der Fortbestand des Vereins sei schon nach den von der Beklagten zugrunde gelegten Rahmenbedingungen ausgeschlossen gewesen, nachdem nach den Feststellungen des Bundeskriminalamts zehn Mitglieder des Vereins zu anderen Chartern des Hells Angels MC Germany gewechselt seien, demgemäß allenfalls noch fünf Mitglieder im Verein verblieben seien. Im Übrigen hätten auch die verbleibenden Mitglieder den Verein im Zuge seiner Auflösung und Monate vor dem Verbot verlassen. Das vormalige Mitglied P. sei bereits im Sommer 2015 aus dem Verein ausgeschieden. Er habe sich durch schlüssiges Handeln selbst aus dem Verein verabschiedet, da er sich hiervon ein milderes Strafmaß versprochen habe. Auf eine nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft erfolgte Ansprache, ob er weiterhin in dem Verein mitwirken wolle, habe er nicht reagiert. An Treffen habe er nicht mehr teilgenommen. Ein Wille, seine Mitgliedschaft aufrechterhalten zu wollen, sei nicht erkennbar gewesen. Dessen ungeachtet habe sich die Vereinigung in dem Zeitraum zwischen dem Ergehen des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juli 2017 und dem 11. November 2017 wirksam aufgelöst. Aus dem Umstand, dass das Land Rheinland-Pfalz zu einer Aufhebung der Verbotsverfügung vom 10. März 2016 nicht bereit gewesen sei und damit das Oberverwaltungsgericht zu einer Entscheidung durch Urteil genötigt habe, vermöchten sich keine Ansprüche gegen den Verein abzuleiten, die der Annahme eines Abschlusses der Liquidation entgegenstünden, zumal Träger derartiger Ansprüche in Ermangelung der Rechtsfähigkeit der Vereinigung die Antragsteller als natürliche Personen gewesen wären. Den Abschluss der Liquidation hinderten auch nicht Ansprüche der Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts als Eigentümerin des mit dem Vereinsheim bebauten Grundstücks. Das Mietverhältnis zu dieser Gesellschaft sei zum Ende des Jahres 2015 gekündigt beziehungsweise im Zuge der Liquidation einvernehmlich aufgehoben und berichtigt worden. Im Übrigen seien auch die formellen und materiellen Voraussetzungen für das Verbot des Vereins nicht erfüllt gewesen. Von diesem seien zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen.

9 Die Antragsgegnerin erwidert, der Verein habe im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung noch bestanden, weil eine wirksame Auflösung nicht erfolgt sei. Die Auflösung sei nur zum Schein betrieben worden. Der Auflösungsbeschluss sei unwirksam. Er leide unter einem schweren Verfahrensfehler, da das Mitglied P. vorsätzlich nicht eingeladen worden sei. Ein etwaiger Irrtum, dessen sittenwidriger Ausschluss sei wirksam, sei unbeachtlich, da er Ausdruck einer rechtsfeindlichen Gesinnung sei. Jedenfalls sei der Verein im Zeitpunkt des Ergehens der streitgegenständlichen Verbotsverfügung noch nicht vollständig abgewickelt gewesen. Die Abwicklung anhängiger Gerichtsverfahren sei noch nicht abgeschlossen gewesen, da das Klageverfahren gegen die Verbotsverfügung vom 10. März 2016 noch anhängig gewesen sei. Die Klage sei bei zutreffender Auslegung von dem Verein, vertreten durch seine Mitglieder und hierunter dem Vorstand, erhoben worden. Die unzutreffende Bejahung der Klagebefugnis der einzelnen Mitglieder durch das Oberverwaltungsgericht widerstreite dem nicht. Im Übrigen hätten im maßgeblichen Zeitpunkt noch Anhaltspunkte für das Bestehen von verwertbarem Vermögen bestanden. So hätten das Bestehen weder eines Kostenerstattungsanspruchs aus dem seinerzeit noch rechtshängigen Klageverfahren noch eines Schadensersatzanspruchs aus der Zerstörung oder Beschädigung von Vereinseigentum im Rahmen des Vollzuges der Verbotsverfügung vom 10. März 2016 ferngelegen. Der Annahme einer Beendigung der Liquidation des Vereins stünden zudem die nicht abgewickelten Rechtsverhältnisse an dem mit dem Vereinsheim bebauten Grundstück entgegen. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise stehe dieses Grundstück im Eigentum des Vereins. Es werde treuhänderisch von einer Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts gehalten, ohne dass das Grundstück dadurch in das Privateigentum deren Gesellschafter übergegangen sei.

10 Am 18. Oktober 2017 haben die Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Zur Begründung machen sie unter Bekräftigung ihres Vorbringens in dem Klageverfahren geltend, bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sei zu berücksichtigen, dass das angefochtene Vereinsverbot nicht von dem Zweck getragen sei, gegenwärtig bestehende oder künftig zu erwartende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Solche gingen von einem Verein, der sich im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung bereits selbst aufgelöst habe, nicht aus. Gesetzwidrige Aktivitäten seien von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden. Alleiniger Zweck des Verbots sei vielmehr das Bemühen des Landes Rheinland-Pfalz, Privatvermögen der Mitglieder des aufgelösten Vereins entschädigungslos enteignen zu können. In die Interessenabwägung sei zudem einzustellen, dass die Vollzugsbehörden bei der Beschlagnahme im März 2016 durch umfangreichen Vandalismus an Einrichtungsgegenständen hervorgetreten seien und das beschlagnahmte Gebäude zwischenzeitlich infolge eines schwerwiegenden Wasserschadens in Verfall geraten sei.

11 Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in dem Klageverfahren beantragt, den Antrag abzulehnen. Unter anderem führt sie aus, der Auflösungsbeschluss vom 5. August 2016 sei wegen der bewussten Nichteinladung des Mitglieds P. nichtig. Dieser habe im Juni 2015 bekundet, das Vorhaben, aus dem Verein auszutreten, wegen "Clubschulden" noch nicht realisiert zu haben. Sei er am 10. März 2016 noch Mitglied gewesen, so seien sowohl ein Ausschluss als auch ein Austritt nach diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen und auch nicht zwischen dem 4. und 5. August 2016 erfolgt. Der angebliche Transfer einzelner Mitglieder zu anderen Chartern sei kein Beleg für die Beendigung der Mitgliedschaft in dem verbotenen Verein. Die Liquidation des Vereins sei noch nicht abgeschlossen gewesen, da insbesondere die Vermögensverhältnisse an dem mit dem Vereinsheim bebauten Grundstück noch nicht abgewickelt gewesen seien. Dieses sei dem Verein wirtschaftlich zuzurechnen, da die Antragsteller nicht zu erklären vermöchten, aus welchen wirtschaftlichen Gründen das Grundstück, das auf eine Grundstücksgesellschaft eingetragen gewesen sei, deren Gesellschafter der frühere President und der Treasurer des Vereins gewesen seien, diesen nach Auflösung des Vereins ohne jeglichen Ausgleich mit dem Verein als Privatvermögen habe zustehen sollen.

12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, des anhängigen Klageverfahrens und des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 7 B 10327/16.OVG sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II

13 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Ordnungsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 11. November 2016 gerichteten Klage ist, soweit in Ziffer 8 dieser Verfügung die sofortige Vollziehung der jeweiligen Verwaltungsakte angeordnet ist, zulässig (1.), jedoch unbegründet (2.).

14 1. Der Antrag ist in dem Umfang des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich zwar nur die verbotene Vereinigung selbst befugt, weil die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung ihrer Mitglieder, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen betrifft. Einzelne Personen können eine vereinsrechtliche Verbotsverfügung jedoch im eigenen Namen anfechten, wenn die Verbotsverfügung zu ihren Händen ergangen ist und sie in materieller Hinsicht geltend machen, sie bildeten keinen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG (BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 11 m.w.N. und vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 15 und Beschluss vom 2. März 2001 - 6 VR 1.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34). So verhält es sich hier. Die Antragsteller haben ihre Klage und ihren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in eigenem Namen "als (vermeintliche) Mitglieder" des verbotenen Vereins, nicht aber für den Verein erhoben. Sie machen geltend, im Zeitpunkt des Erlasses der nunmehr angegriffenen Verbotsverfügung habe der zu verbietende Verein nicht (mehr) bestanden, so dass die Verbotsverfügung ins Leere laufe. Unschädlich ist, dass sich die anwaltlich vertretenen Antragsteller auch gegen das Vorliegen von Verbotsgründen wenden, auch wenn sie die Klage und auch den vorliegenden Antrag allein im eigenen Namen und nicht - auch oder vorrangig - im Namen des insoweit allein klagebefugten Vereins erhoben haben, dessen Fortexistenz gerade bestritten wird. Ob dieses Vorbringen zutrifft, ist hier bei der Begründetheit des Antrages zu prüfen.

15 2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist jedoch unbegründet. Bei der im Rahmen einer vorläufigen Rechtsschutzentscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung gebührt dem Interesse der Antragsteller am Aufschub der sofortigen Vollziehung der mit Bescheid vom 11. November 2016 angeordneten Verfügung kein Vorrang vor dem von der Antragsgegnerin geltend gemachten besonderen öffentlichen Interesse an deren sofortiger Vollziehung. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist hier allein eine vorläufige Prüfung der Rechts- und eine summarische Prüfung der Sachlage vorzunehmen; Gründe für das Erfordernis einer intensiveren Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen nicht vor. Vorliegend kann keine abschließende Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden (a). Die danach unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen fällt zu Lasten der Antragsteller aus (b).

16 a) Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. Der Senat kann, soweit dies zulässiger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung vom 11. November 2016 feststellen.

17 aa) Rechtsgrundlage für das Verbot und die Auflösung des Vereins ist § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass er einen dieser Verbotsgründe erfüllt; mit der Feststellung ordnet die Verbotsbehörde zugleich die Auflösung des Vereins an. Das gleichzeitig ausgesprochene konkretisierte Betätigungsverbot ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf. Die in der Verbotsverfügung des Weiteren zu Lasten des Vereins getroffenen Entscheidungen beruhen auf § 8 Abs. 1 VereinsG (Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen), § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (Kennzeichenverbot), den §§ 10 und 11 VereinsG (Vermögensbeschlagnahme und -einziehung) sowie § 12 Abs. 1 und 2 VereinsG (Einziehung bestimmter Forderungen und Sachen Dritter).

18 Ob materiell ein Verbotsgrund im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG tatsächlich vorliegt, bedarf nur für den Fall der Prüfung, dass die verbotene Vereinigung die Verbotsverfügung angefochten hat. Haben - wie hier - lediglich einzelne Personen, die in der Verbotsverfügung als vertretungsberechtigte Mitglieder der Vereinigung bezeichnet wurden, Klage erhoben, ist nur eine eingeschränkte Rechtmäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Sie ist auf die Klärung der Frage gerichtet, ob ein "verbotsfähiger" Verein (noch) besteht. Ist dies in dem für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt nicht der Fall, ist die Verfügung bereits aus diesem Grund aufzuheben und der Klage stattzugeben. Anderenfalls ist die Klage abzuweisen, ohne dass das Vorliegen von Verbotsgründen nach § 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG zu prüfen ist. Besteht der verbotene Verein (noch), ist er befugt und berufen, selbst eine gerichtliche Prüfung herbeizuführen (BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 11 m.w.N. und vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 15 sowie Beschluss vom 4. Juli 2008 - 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 5). Nimmt der Verein die Verbotsverfügung hin oder versäumt er einen möglichen Rechtsbehelf, so können nicht ersatzweise einzelne seiner Mitglieder oder sonstige interessierte Personen eine umfassende gerichtliche Kontrolle herbeiführen (BVerwG, Beschluss vom 4. Mai 2017 - 1 VR 6.16 - juris Rn. 18).

19 bb) Ob der Hells Angels Motorrad Club Bonn in dem für die rechtliche Überprüfung der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt noch rechtlich möglicher Gegenstand eines Vereinsverbots gewesen ist, kann mit der erforderlichen Gewissheit nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht hinreichend klar beantwortet werden.

20 Die Antragsgegnerin ist dem Vorbringen der Antragsteller entgegengetreten, der verbotene Verein sei in dem Zeitraum zwischen der Zustellung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2016 - 7 B 10327/16.OVG - am 4. August 2016 und der Bekanntgabe der nunmehr angefochtenen Ordnungsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 11. November 2016 wirksam aufgelöst und auseinandergesetzt worden. Dies wirft schwierige Rechtsfragen auf, nach welchen Maßstäben die Auflösung eines nichtrechtsfähigen Vereins in einer Situation wie der vorliegenden zu beurteilen ist. Unter anderem ist zu klären, welche Anforderungen an die Beteiligung der Mitglieder der Vereinigung, die Ernsthaftigkeit der Selbstauflösung, das Verfahren und die Dokumentation der Beschlussfassung sowie die Liquidation etwa vorhandenen Vereinsvermögens zu stellen sind. Unklarheiten, denen bei Entscheidungserheblichkeit durch weitere Sachaufklärung nachzugehen sein mag, ergeben sich auch bei Einzelfragen des tatsächlichen Ablaufs. Der Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist auch die Frage, ob in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der eine Ordnungsverfügung nach den §§ 3 und 8 bis 12 VereinsG zunächst von einer (verbands-)unzuständigen Verbotsbehörde erlassen wurde und die Verfügung nachfolgend von der gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 VereinsG ausschließlich zuständigen Verbotsbehörde gestützt im Kern auf denselben Verbotsgrund und im Wesentlichen auf die gleichen Anknüpfungstatsachen erneut erlassen wird, mit Blick auf die besondere Bedeutung, die der Gesetzgeber dem in § 8 Abs. 1 VereinsG geregelten Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen beigemessen hat und weiterhin beimisst, insoweit eine Vorverlagerung des materiellrechtlich entscheidungserheblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sachlage auf den Zeitpunkt des Ergehens der ersten Verfügung vorzunehmen und in diesem Punkt die bisherige Rechtsprechung zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im öffentlichen Vereinsrecht (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 12) zu konkretisieren ist.

21 b) Bei der hiernach gebotenen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung (aa) das private Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (bb).

22 aa) Die Verbotsverfügung gilt einer Vereinigung, deren Tätigkeiten und Zwecke nach - von den Antragstellern bestrittenen - Erkenntnissen und Ermittlungen der Verbotsbehörde den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Auch wenn mit Blick auf die geltend gemachte Selbstauflösung Tätigkeiten der Vereinigung auch unabhängig von der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Verbotsverfügung derzeit nicht zu erwarten sind, ermöglichte die Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung der Klage, mit den bisherigen Mitgliedern oder anderen Personen eine Ersatzorganisation zu bilden oder - sollte sich die Selbstauflösung als nicht wirksam erweisen - die bestehende Organisation als Ersatzorganisation fortzuführen, an die in der angegriffenen Verbotsverfügung in Bezug genommenen, derzeit den Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens bildenden Aktivitäten anzuknüpfen und den nach Aktenlage vormals erhobenen Gebiets- und Machtanspruch in Teilen des Westerwalds, der nördlichen Eifel und in Teilbereichen des Großraums Bonn (vgl. hierzu OVG Koblenz, Urteil vom 17. Januar 2017 - 7 C 10326/16.OVG - juris Rn. 35 f., 39 ff.) weiterzuverfolgen beziehungsweise zu erneuern. Der von den Antragstellern behauptete Wechsel der Vereinsmitglieder in andere Charter des Hells Angels MC Germany stünde einer Wiederaufnahme der Vereinsaktivitäten nicht entgegen, zumal diese Charter ihren jeweiligen Sitz zum Teil in räumlich nicht unerheblicher Entfernung zu den Wohnorten der betreffenden Personen haben.

23 bb) Die im Fall einer Wiederaufnahme der Tätigkeit des Vereins drohenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung überwiegen die aus der angefochtenen Verfügung vom 11. November 2016 resultierenden Belastungen für die Antragsteller deutlich.

24 Die Antragsteller sind durch das Vereinsverbot in ihrer Rechtsstellung jedenfalls dann nur am Rande berührt, wenn von ihrem Vorbringen als tatsächlich zutreffend und rechtlich erheblich ausgegangen wird, dass der Verein bereits im August 2016 endgültig und vollständig aufgelöst worden ist. Eine Beschränkung der persönlichen Handlungs- oder Entfaltungsfreiheit ist damit nicht verbunden.

25 Keine andere Beurteilung ergibt sich für den Fall, dass es im Zuge (auch) des Vollzuges der Ziffer 5 der Verfügung vom 11. November 2016 zu einer Inanspruchnahme von privatem Eigentum einzelner Antragsteller gekommen sein sollte. Soweit sich die Antragsteller auf Rechtsfolgen bereits der Beschlagnahme aufgrund der zwischenzeitlich aufgehobenen Verbotsverfügung vom 10. März 2016 berufen, sind diese schon nicht auf die angefochtene Verfügung zurückzuführen. In Bezug auf die geltend gemachten rechtswidrigen Schäden an Einrichtungsgegenständen hätte es dem jeweils Berechtigten freigestanden, deren Ersatz gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Entsprechendes gilt für die geltend gemachten weiteren, durch einen Wasseraustritt verursachten Schäden an einem auf dem beschlagnahmten Grundstück belegenen Gebäude und deren Vertretenmüssen von der Vollzugsbehörde. Dies rechtfertigte ohnehin allenfalls die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 7 der Verbotsverfügung verfügte Beschlagnahme von Sachen Dritter (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG), nicht hingegen auch der Klage gegen die Verbotsverfügung selbst. Die Beschlagnahme bewirkte schon keine Belastung aller Antragsteller, sondern allenfalls der jeweiligen Eigentümer. Überdies enthält jedenfalls die angefochtene Verfügung keine Sicherstellungsanordnung nach § 10 Abs. 2 VereinsG (s.a. §§ 4, 5 Vereins-DVO); die verfügte Einziehung ist von der Anordnung des Sofortvollzuges ausgenommen. Wäre das betroffene Grundstück hingegen dem Vereinsvermögen zuzurechnen (Beschlagnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG), so widerspräche dies dem Vorbringen der Antragsteller, dass der verbotene Verein im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung bereits vollständig auseinandergesetzt gewesen sei. Dies berührte dann unmittelbar die Erfolgsaussichten der Klage der Antragsteller und bewirkte zudem, dass die geltend gemachten Schädigungen des Vereinsvermögens den Verein, nicht die Antragsteller träfen.

26 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. 45.2 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 31. Mai/1. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen).