Verfahrensinformation

Die Klägerin, die Jewish Claims Conference, begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks. Die seinerzeitige Eigentümerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), hatte 1935 auf ihr Eigentum an dem Grundstück verzichtet. An der Gesellschaft waren jüdische Gesellschafter beteiligt, die weniger als die Hälfte der Geschäftsanteile hielten. Nach dem Vermögensgesetz wird vermutet, dass der Eigentumsverzicht durch rassische Verfolgung bedingt war und das Grundstück deshalb zurückzuübertragen ist, wenn die Gesellschaft zum Kreis der kollektiv verfolgten Personen gehörte. Dies ist in der Rechtsprechung für Gesellschaften mit einer Mehrheit jüdischer Anteilseigner für die Zeit seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und für Gesellschaften mit einer jüdischen Minderheitsbeteiligung für die Zeit ab Februar 1937 angenommen worden. Zu dem letztgenannten Zeitpunkt wurde eine später in Kraft getretene Verordnung beschlossen, die als jüdisch solche Gesellschaften definierte, bei denen Juden mehr als ein Viertel des Kapitals hielten oder mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen auch schon für die hier interessierende Zeit (Ende 1935) von einer Kollektivverfolgung von Gesellschaften mit jüdischer Minderheitsbeteiligung auszugehen ist. Ferner geht es um die Frage, wie bei der Berechnung der Höhe des Anteils der jüdischen Gesellschafter solche Gesellschaftsanteile zu berücksichtigen sind, die von der Gesellschaft selbst gehalten werden.


Urteil vom 23.02.2006 -
BVerwG 7 C 4.05ECLI:DE:BVerwG:2006:230206U7C4.05.0

Leitsatz:

Die Entziehungsvermutung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO gilt für juristische Personen, an denen Juden im Sinne der später erlassenen Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz entscheidend beteiligt waren, vom 30. Januar 1933 an für die gesamte nationalsozialistische Zeit.

  • Rechtsquellen
    VermG § 1 Abs. 6
    VermG § 2 Abs. 1 Satz 4
    REAO Art. 3 Abs. 1 Buchst. b

  • VG Berlin - 17.03.2005 - AZ: VG 22 A 346.98

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.02.2006 - 7 C 4.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:230206U7C4.05.0]

Urteil

BVerwG 7 C 4.05

  • VG Berlin - 17.03.2005 - AZ: VG 22 A 346.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t , K r a u ß ,
N e u m a n n und G u t t e n b e r g e r
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. März 2005 sowie der Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Mitte-Prenzlauer Berg vom 19. Juni 1997 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 25. September 1998 werden aufgehoben.
  2. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Klägerin hinsichtlich des ehemaligen Grundstücks L.straße 5 in Berlin-Mitte Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG ist.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

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