Verfahrensinformation

Die Kläger begehren Leistungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz für einen im Zuge der Bodenreform entschädigungslos enteigneten landwirtschaftlichen Betrieb. Eigentümer dieses Betriebes war bis zu seinem Tod im Jahr 1942 Paul J. gewesen, der führende Positionen in verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen bekleidet hatte. Nach dessen Tod hatte sein Sohn, der Rechtsvorgänger der Kläger, den Betrieb geerbt. Dieser war auch der durch die Enteignung unmittelbar Geschädigte. Den Antrag der Kläger auf die Gewährung von Ausgleichsleistungen lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, die Enteignung habe sich gegen Paul J. gerichtet, der im Sinne der Ausschlussklausel in § 1 Abs. 4 AusglLeistG dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet habe. Für die Frage der Unwürdigkeit sei hier daher nicht auf den durch die Enteignung unmittelbar Betroffenen, sondern auf dessen Vater abzustellen. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, eine Ausgleichsleistung für den enteigneten landwirtschaftlichen Betrieb zu gewähren. Es ist der Auffassung, dass für die Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG eingreift, nicht hinter den unmittelbar Geschädigten zurückgegangen werden dürfe. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.


Urteil vom 23.02.2006 -
BVerwG 3 C 22.05ECLI:DE:BVerwG:2006:230206U3C22.05.0

Leitsatz:

In die Prüfung, ob ein Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorliegt, ist auch derjenige einzubeziehen, auf den die entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage abgezielt hat, selbst wenn er im Zeitpunkt der Enteignung bereits verstorben war. Die Enteignung zielt auf denjenigen ab, dessen Belastung, etwa durch erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems, der Grund für den Zugriff auf den Vermögenswert und die entschädigungslose Enteignung war (wie Urteil vom 24. Februar 2005 - BVerwG 3 C 16.04 ).

  • Rechtsquellen
    AusglLeistG § 1 Abs. 1, § 1 Abs. 4
    VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a

  • VG Gera - 27.04.2005 - AZ: VG 2 K 788/04 Ge

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.02.2006 - 3 C 22.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:230206U3C22.05.0]

Urteil

BVerwG 3 C 22.05

  • VG Gera - 27.04.2005 - AZ: VG 2 K 788/04 Ge

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k, Dr. D e t t e,
L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 27. April 2005 geändert.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

I