Beschluss vom 22.05.2024 -
BVerwG 1 W-VR 2.24ECLI:DE:BVerwG:2024:220524B1WVR2.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.05.2024 - 1 W-VR 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:220524B1WVR2.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 2.24

  • VG Köln - 28.02.2024 - AZ: 13 L 161/24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 22. Mai 2024 beschlossen:

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Erteilung einer positiven Sicherheitsüberprüfung der Stufe Ü 1 für die Teilnahme an der Deutschen Reservistenmeisterschaft 2024.

2 Der Antragsteller ist Oberstleutnant der Reserve. Er ist seit September 2015 auf einem Dienstposten als Stabsoffizier für ... beim ... in ... beordert, der sicherheitsempfindliche Tätigkeiten beinhaltet. Im Rahmen einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) stellte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung unter dem 30. November 2022 ein Sicherheitsrisiko in der Person des Antragstellers fest. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Köln erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Februar 2024 (Az.: 13 K 354/23) an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen hat. In diesem Verfahren, das beim Senat unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 15.24 anhängig ist, ist bislang noch keine Entscheidung ergangen.

3 Mit Schreiben vom 24. Januar 2024 hat der Antragsteller außerdem beim Verwaltungsgericht Köln einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel gestellt, ihm vorläufig eine Sicherheitsüberprüfung der Stufe Ü 1 zuzuerkennen, damit er an der Deutschen Reservistenmeisterschaft 2024 in Mittenwald vom 6. Juni bis 9. Juni 2024 teilnehmen könne. Auch diesen - hier gegenständlichen - Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2024 (Az.: 13 L 161/24) an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.

4 Zur Begründung führt der Antragsteller aus, dass die Teilnahme an der Reservistenmeisterschaft als Reservedienstleistung eine positiv entschiedene Ü 1 voraussetze. Es gehe ihm nicht um eine zeitlich unbegrenzte vorläufige Ü 1, sondern lediglich um eine auf wenige Tage begrenzte Ü 1 als formale Voraussetzung für eine Reservedienstleistung. Bei der Reservistenmeisterschaft sei der Geheim- und Sabotageschutz nicht berührt.

5 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.

6 Der Antragsteller habe weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der Wettkampfausschreibung für die Deutsche Reservistenmeisterschaft seien die Teilnehmer zu einer Übung nach § 61 SG heranzuziehen und müssten daher zumindest eine einfache Sicherheitsüberprüfung erfolgreich durchlaufen. Eine - wie vom Antragsteller begehrt - auf wenige Tage begrenzte Ü 1 sei gesetzlich nicht vorgesehen. Davon abgesehen bestehe weder seitens des Beorderungstruppenteils noch seitens des personalführenden Referats die Planung, den Antragsteller zu der Reservistenmeisterschaft zu entsenden. Das Begehren des Antragstellers beruhe deshalb nicht auf einem dienstlichen Bedarf. Eine Sicherheitsüberprüfung allein auf Wunsch des Betroffenen und "auf Vorrat" sei nicht zulässig.

7 Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

8 Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.

9 1. Der Rechtsstreit ist vom Verwaltungsgericht Köln hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) und hinsichtlich der Zuständigkeit sachlich zutreffend an das Bundesverwaltungsgericht, das in einem Rechtsstreit über das Ergebnis einer einfachen Sicherheitsüberprüfung das Gericht der Hauptsache wäre (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO), verwiesen worden.

10 2. Dem Antragsteller geht es darum, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes eine zeitlich auf die Dauer der Deutschen Reservistenmeisterschaft (6. bis 9. Juni 2024) begrenzte "Ü 1", also eine positive Entscheidung zum Abschluss einer einfachen Sicherheitsüberprüfung (§ 14 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 SÜG), zu erlangen. Für dieses Verpflichtungsbegehren ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die geeignete und im Wehrbeschwerdeverfahren grundsätzliche statthafte Verfahrensart (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 123 VwGO).

11 Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines beim Senat anhängigen Antrags auf gerichtliche Entscheidung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 6 WBO) gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in einem Verfahren der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3, § 10 SÜG) wäre demgegenüber nicht ausreichend. Denn mit der vorläufigen Hemmung der Vollziehbarkeit des Ü 3-Bescheids vom 30. November 2022 allein hätte der Antragsteller noch nicht die von ihm gewünschte und für die Teilnahme an der Reservistenmeisterschaft erforderliche positive Entscheidung in einer einfachen Sicherheitsüberprüfung erlangt.

12 3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

13 Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die begehrte Anordnung bereits deshalb ausscheidet, weil sie eine nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen zulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. September 2017 - 1 WDS-VR 4.17 - juris Rn. 15). Der Antrag ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

14 Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz gibt keinen Anspruch darauf, dass eine von einer konkret beabsichtigten Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit unabhängige Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird (stRspr, vgl. ‌- auch zum Folgenden - BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2016 - 1 WB 35.15 - juris Rn. 25, vom 8. September 2017 - 1 WDS-VR 4.17 - juris Rn. 18 und vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 16). Nur dann, wenn die Personalführung eine konkrete sicherheitsempfindliche Verwendung beabsichtigt, ist die betroffene Person vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG). Hierzu ist die zuständige Stelle von Amts wegen verpflichtet. Dabei determiniert die geplante sicherheitsempfindliche Tätigkeit den Inhalt und Umfang der erforderlichen Sicherheitsüberprüfung. Erst muss die Planung der Personalführung feststehen, dem Betroffenen eine bestimmte sicherheitsempfindliche Tätigkeit zu übertragen; auf diese konkrete Planung ist dann nachfolgend die entsprechende Sicherheitsüberprüfung zu beziehen. Ein Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass eine von einer konkret beabsichtigten Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit unabhängige Sicherheitsüberprüfung gleichsam "auf Vorrat" durchgeführt wird, etwa um seine Chancen für bestimmte Dienstposten oder Verwendungen zu erhöhen.

15 An einer solchen - für die Einleitung einer Sicherheitsüberprüfung erforderlichen - Absicht der Personalführung, den Antragsteller in einer konkreten sicherheitsempfindlichen Verwendung einzusetzen, fehlt es hier. Die Deutsche Reservistenmeisterschaft 2024 wird zwar gemäß Nr. 3.3 der Wettkampfausschreibung in Form einer befristeten Übung durchgeführt, zu der die Wettkampfteilnehmerinnen und Wettkampfteilnehmer heranzuziehen sind (§ 60 Nr. 1 i. V. m. § 61 Abs. 1 und 2 SG). Gemäß § 3a Abs. 2 und 4 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Reservisten (Reservistengesetz - ResG) ist dabei für jede Reservistin und jeden Reservisten, mit oder ohne Beorderung, die oder der zu einer in § 60 SG genannten Dienstleistung herangezogen wird, vor Beginn der Dienstleistung eine einfache Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsprüfungsgesetz durchzuführen. Nach der Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung besteht jedoch weder seitens des Beorderungstruppenteils noch seitens des zuständigen personalführenden Referats im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine Verwendungsplanung oder ein dienstlicher Bedarf für eine Teilnahme des Antragstellers an der Reservistenmeisterschaft. Auch der Antragsteller selbst räumt ein, dass weder der Beorderungstruppenteil noch das personalführende Referat den Auftrag erhalten hätten, Mannschaften oder Unterstützungspersonal für die Reservistenmeisterschaft zu stellen. Der letztlich persönliche Teilnahmewunsch des Antragstellers genügt nicht.

16 4. Der Verfahrensabschnitt vor dem Verwaltungsgericht ist gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG und § 4 GKG kostenrechtlich als Teil des Verfahrens vor dem übernehmenden Gericht zu behandeln (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 1 W-VR 14.21 - juris Rn. 39 m. w. N.). Kosten werden deshalb nur nach den für das übernehmende Gericht geltenden Vorschriften erhoben. Da die gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung gerichtsgebührenfrei sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 4 WBO und § 137 Abs. 1 WDO), erstreckt sich dies auch auf den Verfahrensabschnitt vor dem Verwaltungsgericht.