Beschluss vom 21.12.2009 -
BVerwG 1 WNB 5.09ECLI:DE:BVerwG:2009:211209B1WNB5.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2009 - 1 WNB 5.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:211209B1WNB5.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 5.09

  • Truppendienstgericht Nord 8. Kammer - 27.08.2009 - AZ: TDG N 8 BLa 3/09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 21. Dezember 2009 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 27. August 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die ordnungsgemäß und fristgerecht eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) liegen nicht vor.

2 1. Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde können nur Verfahrensmängel des gerichtlichen Verfahrens führen; Mängel des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt werden (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2009 - BVerwG 2 WNB 1.09 -). Soweit der Antragsteller in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf das von ihm beanstandete Verhalten seines Disziplinarvorgesetzten und auf die Vorgehensweise der mit seinen Beschwerden befassten höheren Disziplinarvorgesetzten eingeht (Schriftsatz vom 3. November 2009 unter II.), wird damit kein Verfahrensmangel im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO dargelegt.

3 2. Soweit der Antragsteller rügt, das Truppendienstgericht sei nicht für alle in dem Beschwerdeschreiben vom 31. März 2009 enthaltenen „Einzel-Beschwer-den“ zuständig gewesen (Schriftsatz vom 3. November 2009 unter III.), liegt kein Verfahrensmangel vor.

4 Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 Beschwerde gegen seinen Disziplinarvorgesetzten, Hauptmann A., eingelegt. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2008 erhob der Antragsteller, weil ihm bis dahin kein Beschwerdebescheid erteilt worden sei, Beschwerde gegen den zuständigen Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses X. wegen dessen Untätigkeit. Allerdings hatte der Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses X. bereits mit Bescheid vom 8. Dezember 2008 die Beschwerde vom 17. Oktober 2008 zurückgewiesen; der Beschwerdebescheid wurde dem Antragsteller, der sich zu dieser Zeit im Einsatz (... Kontingent UNIFIL) auf einem Boot vor der libanesischen Küste befand, erst am 10. Januar 2009 ausgehändigt. Mit Schreiben vom 12. Januar 2009 beschwerte sich der Antragsteller daraufhin „gegen den Beschwerdebescheid des Chefarztes BwKrhs X.“ vom 8. Dezember 2008. Der zuständige Kommandeur des Sanitätskommandos ... fertigte einen Entwurf eines Beschwerdebescheids, mit dem die weiteren Beschwerden des Antragstellers vom 14. Dezember 2008 und 12. Januar 2009 zurückgewiesen werden sollten. Ein Bescheid wurde dem Antragsteller allerdings nicht mehr zugestellt, weil dieser zuvor bereits mit Schreiben vom 31. März 2009 Beschwerde gegen den Kommandeur des Sanitätskommandos ... und den Kommandeur der Regionalen Sanitätseinrichtungen des Sanitätskommandos ... wegen deren Untätigkeit bei der Bearbeitung der Beschwerden vom 14. Dezember 2008 und 12. Januar 2009 erhoben hatte. Mit E-Mail vom 7. April 2009 forderte der G 1 des Sanitätskommandos ... den Antragsteller zu einer Erklärung auf, ob er - unter Rücknahme der Beschwerde vom 31. März 2009 - einen Bescheid des Kommandeurs des Sanitätskommandos ... abwarten wolle, andernfalls werde seine Beschwerde als Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts gewertet und entsprechend bearbeitet. Hierauf erklärte der Antragsteller unter dem 8. April 2009: „Was Ihrerseits in welcher Art und Weise gewertet wird, liegt nicht in meiner Entscheidung. Wenn Sie die Beschwerde als Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts werten, nehme ich dies lediglich zur Kenntnis. Fest steht, dass ich bis heute keinen Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts gestellt habe“. Daraufhin legte der Kommandeur des Sanitätskommandos I die Beschwerdeangelegenheit dem Truppendienstgericht Nord vor.

5 Bei dieser Sachlage hat das Truppendienstgericht Nord zu Recht seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 31. März 2009 eingelegten Rechtsbehelf angenommen.

6 Bei den Beschwerden vom 14. Dezember 2008 (wegen Untätigkeit bei der Beschwerdebearbeitung) und vom 12. Januar 2009 (gegen den parallel ergangenen Beschwerdebescheid) handelte es sich um weitere Beschwerden im Sinne von § 16 WBO. Da eine diesen (sachgleichen) weiteren Beschwerden nachfolgende nochmalige weitere Beschwerde nicht statthaft ist, konnte die Beschwerde vom 31. März 2009 (wegen Untätigkeit bei der Bearbeitung der Beschwerden vom 14. Dezember 2008 und 12. Januar 2009), sofern sie vom Antragsteller nicht wieder zurückgenommen wurde, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO nur als Antrag auf Entscheidung durch das Truppendienstgericht gewertet werden. Da der Antragsteller - nach zutreffender Information durch den G 1 des Sanitätskommandos ... - eine Rücknahme nicht erklärte, verblieb als einzige ordnungsgemäße Vorgehensweise die Vorlage an und Entscheidung durch das Truppendienstgericht Nord. Dass der Antragsteller darauf beharrt, (dem Wortlaut nach) keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt zu haben, ändert nichts an der Richtigkeit der Auslegung der Beschwerde vom 31. März 2009 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Im Übrigen hat der Antragsteller auch im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, etwa durch ein Schreiben an das Gericht oder in dem Telefongespräch mit dem Vorsitzenden Richter am Truppendienstgericht (Gesprächsvermerk vom 14. Juli 2009, TDG-Akte N 8 BLa 3/09 Bl. 175), nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine gerichtliche Entscheidung nicht wünsche.

7 Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Truppendienstgericht das Schreiben vom 31. März 2009 nicht in „Einzel-Beschwerden“ mit gegebenenfalls unterschiedlich zu beurteilenden Entscheidungszuständigkeiten aufgegliedert hat. Die (als Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu bewertende) Beschwerde vom 31. März 2009 richtet sich einheitlich gegen die Untätigkeit bei der Bearbeitung der (sachgleichen) weiteren Beschwerden vom 14. Dezember 2008 und 12. Januar 2009, die wiederum die Beschwerde des Antragstellers gegen seinen Disziplinarvorgesetzten Hauptmann A. zum Gegenstand haben. Dieser der Konstruktion der Wehrbeschwerdeordnung folgende durchlaufende „Beschwerdestrang“ war nicht in eine Mehrzahl von „Einzel-Beschwerden“ aufzubrechen.

8 Der Auffassung des Antragstellers, sein Schreiben vom 12. Januar 2009 sei einerseits - bezogen auf die Beschwerde gegen Hauptmann A. - als weitere Beschwerde und zugleich andererseits als Erstbeschwerde gegen den Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses X. zu verstehen, ist nicht zu folgen. Dagegen spricht schon der Wortlaut der Beschwerde selbst, die sich einheitlich und nur „gegen den Beschwerdebescheid des Chefarztes BwKrhs X.“ vom 8. Dezember 2008 richtet. Unabhängig davon ist es jedoch grundsätzlich nicht statthaft, aus einer zurückweisenden Beschwerdeentscheidung (als solcher) einen eigenen Beschwerdeanlass zu konstruieren und auf diese Weise neben dem mit der weiteren Beschwerde fortgesetzten ursprünglichen Verfahren ein zusätzliches Beschwerdeverfahren neu zu eröffnen. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn der Soldat glaubt, von dem für die Entscheidung über die Beschwerde zuständigen Vorgesetzten unabhängig von der Beschwerdebearbeitung und -entscheidung unrichtig behandelt worden zu sein. Solches macht der Antragsteller jedoch nicht geltend. Der Vorwurf, der Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses X. habe seine Pflichten als Vorgesetzter und seine Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen, verletzt, bezieht sich nur auf die nach Meinung des Antragstellers falsche Entscheidung des Chefarztes über die Beschwerde gegen Hauptmann A.

9 Auch aus der Tatsache, dass sich der Antragsteller mit dem Schreiben vom 31. März 2009 nicht nur über den Kommandeur des Sanitätskommandos ..., sondern auch über den Kommandeur der Regionalen Sanitätseinrichtungen des Sanitätskommandos ... beschwert hat, ergibt sich kein zusätzlicher, als Erstbeschwerde zu behandelnder Rechtsbehelf. Nach dem Schreiben vom 31. März 2009 beruht die Benennung zweier Vorgesetzter darauf, dass dem Antragsteller unterschiedliche Auskünfte darüber erteilt worden waren, welcher Vorgesetzte für die Entscheidung über die weiteren Beschwerden vom 14. Dezember 2008 und 12. Januar 2009 zuständig ist. Die Benennung zweier Vorgesetzter war deshalb ersichtlich nicht kumulativ, sondern alternativ gemeint; der Antragsteller wollte den Vorwurf der Untätigkeit nur einmal erheben, ohne dabei zu riskieren, diesen Vorwurf gegen den falschen Adressaten zu richten, so dass er „sicherheitshalber“ alternativ beide in Betracht kommende Vorgesetzte benannte. Da - tatsächlich - der Kommandeur des Sanitätskommandos ... für die Entscheidung über die weiteren Beschwerden zuständig war, wurde die Benennung des Kommandeurs der Regionalen Sanitätseinrichtungen des Sanitätskommandos ... ohne Weiteres gegenstandslos.

10 Das Truppendienstgericht Nord ist deshalb ohne Verfahrensfehler davon ausgegangen, dass es zur Entscheidung über den mit Schreiben vom 31. März 2009 eingelegten Rechtsbehelf insgesamt zuständig ist.

11 3. Ein Verfahrensmangel ergibt sich schließlich nicht aus dem Vortrag, dass an dem Beschluss des Truppendienstgerichts ein Richter mitgewirkt habe, der dem Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses X., gegen den sich der Antragsteller beschwert habe, direkt unterstellt sei bzw. im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch unterstellt gewesen sei (Schriftsatz vom 3. November 2009 unter IV.).

12 Die Rüge bezieht sich offenkundig auf den ehrenamtlichen Richter Oberstarzt Dr. H. Oberstarzt Dr. H. war jedoch nicht von der Mitwirkung an dem Beschluss des Truppendienstgerichts ausgeschlossen.

13 Von den gesetzlichen Ausschlussgründen kommt vorliegend allein § 77 Abs. 2 Nr. 3 WDO in Betracht. Danach ist ein ehrenamtlicher Richter von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er dem Bataillon oder entsprechenden Truppenteil oder der Dienststelle des beschwerdeführenden Soldaten angehört. Oberstarzt Dr. H. gehörte zwar wie der Antragsteller dem Bundeswehrkrankenhaus X. an; er war jedoch bereits mit Wirkung vom 1. April 2009 und Dienstantritt am 1. Juni 2009 an das Bundeswehrkrankenhaus Y. versetzt worden (Versetzungsverfügung vom 15. April 2009, TDG-Akte N 8 GL 42/09 Bl. 27). Im Zeitpunkt des Beschlusses vom 27. August 2009 gehörte Oberstarzt Dr. H. damit nicht der Dienststelle des Antragstellers an und war deshalb nicht von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen.

14 Ein Grund, der eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte, ist mit dem bloßen Hinweis auf ein - hier zudem bereits beendetes - Unterstellungsverhältnis nicht dargelegt. Abgesehen davon ist Betroffener des Wehrbeschwerdeverfahrens (§ 4 Abs. 3 Satz 3 WBO) nicht der Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses X., der lediglich die Entscheidung über die Beschwerde vom 17. Oktober 2008 zu treffen hatte, sondern der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers, Hauptmann A.

15 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.