Beschluss vom 21.01.2025 -
BVerwG 11 VR 7.24ECLI:DE:BVerwG:2025:210125B11VR7.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.01.2025 - 11 VR 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:210125B11VR7.24.0]

Beschluss

BVerwG 11 VR 7.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Januar 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Decker und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Die Anträge werden abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller je zu 1/2.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller begehren Eilrechtsschutz gegen die Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung.

2 Der Beschluss der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vom 22. Juli 2024 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Dörpen/West - Niederrhein auf dem Planfeststellungsabschnitt 7 (Haddorfer See - Meppen) fest. Das Gesamtvorhaben ist unter Nr. 5 in den Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aufgenommen.

3 Die Beigeladene hatte in ihrem ursprünglichen Planfeststellungsantrag vom 29. Mai 2015 vorgesehen, die Leitung von Süden kommend ab Mast Nr. 255 Richtung Nordwesten parallel zur BAB 31 zu führen, ab Mast 265 sollte die Leitung südlich von Lohne Richtung Nordosten zum Punkt Lohne Süd (Mast 272) abknicken. Gegen diese Trassenführung äußerte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (im Folgenden Bundesamt <BAIUDBw>) im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange Bedenken. In dem genannten Bereich, mit einer Entfernung von teils weniger als 1 000 m zur ursprünglich geplanten Leitung, betreibt die Bundeswehr zwischen der Stadt Nordhorn im Westen und der BAB 31 im Osten den Luft-Boden-Schießplatz "Nordhorn Range". Das etwa 2 200 ha große Gelände erstreckt sich ca. 8 km in Nord-Süd-Richtung sowie ca. 9 km in Ost-West-Richtung. Die Luftwaffe nutzt es seit 2001 für Übungszwecke, zu diesem Zweck fliegen Kampfflugzeuge das Gelände im Tiefflug an. Das Vorhaben werde, so die Bundeswehr, als bauliches Hindernis die Flugsicherheit und damit die Funktionsfähigkeit des Luft-Boden-Schießplatzes beeinträchtigen. Zwischen Dezember 2017 und Mai 2019 stimmten sich die Beigeladene, die Antragsgegnerin und Dienststellen der Bundeswehr zu einer mit militärischen Belangen vereinbaren Trassenführung ab.

4 Als Ergebnis dieser Abstimmung rückten die Beigeladene und die Antragsgegnerin durch eine 3. Deckblattänderung von der ursprünglich beabsichtigten zur nunmehr planfestgestellten Trasse ab, um die Nordhorn-Range östlich zu umgehen. Die Leitung strebt ab Mast 255 weiter nach Nordosten, und verschwenkt bei Mast 267, östlich von E., nach Norden, an Mast 269 nach Nordwesten und verläuft von dort zu Mast 272, wo sie bei Punkt Lohne auf die ursprüngliche Antragstrasse trifft. Die Leitung soll zwischen den Masten 255 und 267 im Verbund mit zwei 380-kV-Freileitungen geführt werden, u. a. der Leitung Gronau - Hanekenfähr (Bl. 4305), zwischen den Masten 269 und 271D im Verbund mit zwei 110-kV-Freileitungen. Die Trassenführung verlässt damit zugleich den Korridor, den der Landkreis Emsland als Untere Landesplanungsbehörde in einer Landesplanerischen Feststellung vom 23. Januar 2013 bei Einhaltung bestimmter Maßgaben für raumverträglich erachtet hatte.

5 Die Trassenführung der 3. Deckblattänderung nimmt im Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272 erstmals Grundeigentum der Antragsteller in Anspruch. Die Antragsteller sind Land- und Forstwirte. Der Antragsteller zu 1 ist Eigentümer der Grundstücke Flur ... Flurstücke a und b, Flur ... Flurstück c Flur ... Flurstücke d und e sowie Flur ... Flurstück f, jeweils Gemarkung E. Der Antragsteller zu 2 ist Eigentümer des Grundstücks Flur ... Flurstück g der Gemarkung E. Die Grundstücke werden insbesondere für Maststandorte - im Fall des Antragstellers zu 1 für die Masten 261, 265 und 269, im Fall des Antragstellers zu 2 für Mast 260 - sowie für den Schutzstreifen der zu errichtenden Leitung in Anspruch genommen.

6 Die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen weist der Planfeststellungsbeschluss zurück.

7 Die Antragsteller haben am 11. September 2024 Klagen erhoben und beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen, jedenfalls in Bezug auf den Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272, anzuordnen. Die Trassenführung sei abwägungsfehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe sich die Beurteilung der militärischen Belange in Bezug auf den Luft-Boden-Schießplatz durch die Bundeswehr zu eigen gemacht und diese mit hohem Gewicht in die Variantenprüfung eingestellt. Die Beurteilung sei indes unsubstantiiert, in Teilen nicht nachvollziehbar und lasse nicht erkennen, dass die Bundeswehr im gebotenen Umfang auch eine Anpassung militärischer Abläufe geprüft habe. Zudem habe die Antragsgegnerin die Maßgaben der Landesplanerischen Feststellung vom 23. Januar 2013 nicht hinreichend berücksichtigt. Die Variantenprüfung weise weitere Ermittlungs- und Gewichtungsfehler auf. Auch der Verzicht auf einen Erdkabelabschnitt sei abwägungsfehlerhaft.

8 Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen und verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

II

9 Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG i. V. m. Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 EnLAG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig.

10 Die zulässigen Anträge bleiben ohne Erfolg. Das Vollzugsinteresse der Beigeladenen und der Antragsgegnerin überwiegt das Interesse der Antragsteller, vorläufig vom Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses verschont zu werden. Dem Vollzugsinteresse kommt wegen der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit nach § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG erhebliches Gewicht zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 11 und vom 15. Juni 2021 - 4 VR 6.20 - juris Rn. 5). Es besteht kein Anlass, entgegen dieser gesetzlichen Wertung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, weil nach dem Ergebnis einer summarischen Prüfung die Anfechtungsklagen voraussichtlich erfolglos bleiben (A.). Eine offene Abwägung der Vollzugsfolgen führt zu dem gleichen Ergebnis (B).

11 A. Die Klagen der Antragsteller haben voraussichtlich keinen Erfolg. Der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 3. Deckblattänderung leidet bei summarischer Prüfung nicht an den geltend gemachten Abwägungsfehlern. Dabei ist der Senat auf die Prüfung der Gründe beschränkt, die innerhalb der am 11. September 2024 endenden Begründungsfrist vorgetragen worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 11).

12 Nach § 43 Abs. 3 Satz 1 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung genügt der Planfeststellungsbeschluss dieser Anforderung.

13 Die durch Art. 1 Nr. 45 Buchst. c des Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2023 (BGBl. I Nr. 405) angefügten Sätze 2 bis 6 des § 43 Abs. 3 EnWG bleiben außer Betracht, weil die Beigeladene fristgemäß einen Antrag nach § 118 Abs. 49 Satz 1 EnWG auf Nichtanwendung der Vorschriften gestellt hat (PFB S. 90, 205 f.). Dagegen ist § 43 Abs. 3a, 3b Satz 1 und Abs. 3c EnWG anzuwenden, weil es an einem Antrag nach § 118 Abs. 50 Satz 1 EnWG auf Nichtanwendung dieser Vorschriften fehlt (PFB S. 478).

14 I. Eine übermäßige und damit abwägungsfehlerhafte Beeinträchtigung des Grundeigentums der Antragsteller ist nicht festzustellen.

15 Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass die Inanspruchnahme land- oder forstwirtschaftlich genutzter Flächen in Privateigentum die Eigentümer belastet, diese Belastung jedoch als unvermeidbar und daher gerechtfertigt angesehen, um die planerischen Ziele des Vorhabens zu verwirklichen (PFB S. 441 f., 450 f., 534 ff.). Eine existenzvernichtende Wirkung der Flächeninanspruchnahme hat sie verneint (PFB S. 444, 456), auch die Antragsteller machen eine solche nicht geltend.

16 II. Die Variantenprüfung im Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272 ist nicht zu beanstanden.

17 Soweit rechtlich zwingende Vorgaben fehlen, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassen oder technischen Varianten eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Die Planfeststellungsbehörde handelt aber nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind vielmehr erst überschritten, wenn entweder eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 ‌- 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom 20. Juni 2024 - 11 A 3.23 - juris Rn. 73).

18 1. Die Trassenführung zwischen den Masten 255 und 272 ist bei summarischer Prüfung abwägungsfehlerfrei. Weder drängte sich die ursprünglich geplante Trasse gegenüber der planfestgestellten Trasse auf, noch ist der Antragsgegnerin bei der Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen.

19 a) Die Antragsgegnerin hat tragend für die Wahl der planfestgestellten Trasse die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Luft-Boden-Schießplatzes "Nordhorn-Range" angeführt (vgl. PFB S. 468 ff., 472, 507 ff., 536). Dem liegt eine zutreffende Gewichtung militärischer Belange zugrunde, mit welcher die Antragsgegnerin im Wesentlichen der Beurteilung durch die Behörde der Bundeswehr gefolgt ist. Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegt darin kein Abwägungsdefizit, da die Einschätzung des Bundesamtes (BAIUDBw), soweit sie für die Trassenwahl der Antragsgegnerin leitend geworden ist, den an sie zu stellenden Anforderungen bei summarischer Würdigung genügt.

20 aa) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 468 f.) führt aus, die Bundeswehr habe der Neuerrichtung von Strommasten innerhalb des Bausperrbereichs des Luft-Boden-Schießplatzes widersprochen und im Bereich des Baubeschränkungsgebiets der Errichtung von Strommasten nur bis zu einer maximalen Höhe von 152 m über Grund zugestimmt. Überdies sei gefordert worden, die Freileitung parallel zur bestehenden 380-kV-Freileitung Gronau - Hanekenfähr (BI. 4305) zu errichten und deren Höhe nicht zu überschreiten. Die militärische Dienststelle habe die ursprünglich geplante Trassenführung im Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272 für einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Luftsicherheit auf dem Luft-Boden-Schießplatz gehalten. Im Bereich des Übungsplatzes seien sehr niedrige Flughöhen möglich. Der taktische Sinkflug auf dieser Flughöhe würde durch die Hinderniswirkung der geplanten Masten unmöglich, weil zu diesen ein räumlicher Abstand gewahrt werden müsse. Denn diese würden - anders etwa als hochaufwachsende Gehölzstrukturen - vom Radar der eingesetzten Flugzeuge erfasst. Die ursprünglich geplanten Maststandorte hätten den tiefen Anflug in den vorgesehenen Anflugkorridoren somit blockiert. Diese Beeinträchtigung würde die Nutzung des Luft-Boden-Schießplatzes erheblich einschränken und den Ausbildungsauftrag gefährden.

21 Wann von einer erheblich nachteiligen Beeinflussung der Nutzbarkeit des Luft-Boden-Schießplatzes auszugehen sei, obliege der Beurteilung durch die Bundeswehr im Rahmen des ihr insoweit zugebilligten verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums. Nach diesem Maßstab seien die geltend gemachten militärischen Belange nachvollziehbar und plausibel. Es handele sich um sachgerechte Erwägungen, die von realistisch zu erwartenden nachteiligen Beeinflussungen der Nutzbarkeit des Übungsplatzes durch den Zubau der geplanten Freileitung ausgingen.

22 Die Bundeswehr hat u. a. auf die besondere Funktion der Nordhorn-Range hingewiesen. Es sei der einzige Übungsplatz in Deutschland, der an das Nachttiefflugsystem angeschlossen ist. Es müssten daher nicht nur feste Anflugrouten gesichert werden, sondern der gesamte Platz müsse nutzbar bleiben, um auf Erneuerungen der Waffensysteme reagieren und Ausbildungsverfahren anpassen zu können. Daher seien nicht nur festgelegte Flugrouten hindernisfrei zu halten, sondern auch die verbliebenen fliegerisch voll nutzbaren Lufträume innerhalb des Flugbeschränkungsgebiets. In einem Gespräch mit Vertretern der Antragsgegnerin und der Beigeladenen am 22. Mai 2019 haben Vertreter des Bundesamtes (BAIUDBw) und weiterer Dienststellen der Bundeswehr diese Beurteilung dahin ergänzt, dass der Luft-Boden-Schießplatz zur Sicherstellung einer qualifizierten und einsatzorientierten Ausbildung der Bundeswehr und auch alliierter Partner eine wesentliche Rolle spiele und daher die vollumfängliche Nutzbarkeit des Platzes unerlässlich sei. Neben der Beschränkung der Masthöhen sei die Parallelführung zu einer Bestandsleitung ein wesentliches Anliegen, um ein zusätzliches Hindernis im Bausperrbereich zu vermeiden. Angesichts des bei Flugbewegungen einzuhaltenden Mindestabstandes von 500 ft. zu künstlichen Hindernissen wäre die Trasse entlang der BAB 31 auch mit einer geringeren Höhe ein nicht hinnehmbares Hindernis. Bei Realisierung der ursprünglichen Trassenführung wäre ein Anflug auf den Schießplatz aus östlicher Richtung nicht mehr möglich.

23 bb) Auf diese Beurteilung durfte sich die Antragsgegnerin stützen. Sie lässt mit hinreichender Sicherheit gewichtige militärische Belange erkennen, die einer Planung entlang der BAB 31 entgegenstehen.

24 (1) Mit Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG, wonach der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt, hat der Verfassungsgeber eine Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung getroffen. Welche Maßnahmen zur Konkretisierung dieses Verfassungsauftrags erforderlich sind, haben nach der gewaltenteilenden Verfassungsordnung des Grundgesetzes der Gesetzgeber und die für das Verteidigungswesen zuständigen Organe des Bundes zu entscheiden. Dabei handeln sie weitgehend nach politischen Erwägungen und in eigener Verantwortung. Der dem Bundesminister der Verteidigung zustehende verteidigungspolitische Spielraum bei der Entscheidung, was zur Erfüllung der hoheitlichen Verteidigungsaufgaben der Bundeswehr geboten ist, kann allerdings im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht unbegrenzt sein. Die Verwaltungsgerichte haben eine solche Beurteilung militärischer Belange jedoch nur darauf zu überprüfen, ob die zuständige Stelle der Bundeswehr bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, den rechtlichen Rahmen erkannt, sich von sachgerechten Erwägungen hat leiten lassen und ob sie die zivilen Interessen in die gebotene Abwägung eingestellt und nicht unverhältnismäßig zurückgesetzt hat (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 18.93 - BVerwGE 97, 203 <209>). Diese Grundsätze gelten insbesondere, soweit es der Bundeswehr im Rahmen ihres verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums obliegt, das Gefährdungspotential einer zivilen Infrastrukturanlage für ein militärisches Tiefflugübungsgelände zu beurteilen. Soweit die Gefahrenanalyse prognostische Einschätzungen umfasst, erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodengerecht erstellt wurde. Die Prognose ist fehlerhaft, wenn sie auf willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unrichtigkeiten beruht, in sich widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 2006 - 4 B 58.06 - ZfBR 2007, 54 <55>).

25 Die Bundeswehr verfügt bei ihrer Beurteilung nicht über eine planerische Abwägungsbefugnis, wie sie der Planfeststellungsbehörde zukommt. Sie muss daher nicht alle durch die Antragstrasse und ernsthaft in Betracht kommende Varianten betroffenen öffentlichen und privaten Belange ermitteln, gewichten und bewerten. Insbesondere muss sie nicht bewerten, wie sich das Vorhaben infolge einer ablehnenden Beurteilung der beantragten Trassenführung bei anderer räumlicher - oder auch technischer - Ausgestaltung auf Belange Dritter auswirken würde. Die beurteilende Dienststelle muss jedoch das Gewicht der betroffenen militärischen Belange bestimmen und in ein Verhältnis zu der von ihr zutreffend erfassten Bedeutung der Vorhabenrealisierung setzen. Dabei muss die Bundeswehr in gewissem Umfang auch Gesichtspunkte der Erforderlichkeit der betroffenen militärischen Nutzung berücksichtigen. Sie hat zu prüfen, ob sie zur Realisierung des planerischen Vorhabens beitragen kann, indem sie die widerstreitende militärische Nutzung anpasst (vgl. zu Windenergieanlagen und § 14 LuftVG: VGH Mannheim, Urteile vom 4. April 2023 - 10 S 1560/22 - NVwZ-RR 2023, 888 Rn. 48 und vom 24. Mai 2023 - 14 S 1705/22 - ZNER 2023, 343 Rn. 51; OVG Münster, Urteil vom 16. Februar 2024 - 22 D 150/22.AK - BauR 2024, 1331 <1347> m. w. N.). Die Einschätzung, ob und inwieweit eine solche Anpassung im Einzelfall vertretbar ist, liegt in ihrem verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraum.

26 (2) Bei summarischer Würdigung ist diesen Anforderungen genügt.

27 Aus den Stellungnahmen des Bundesamtes (BAIUDBw) ergibt sich nachvollziehbar und plausibel, weshalb eine Trasse entlang der BAB 31 die Nutzbarkeit des Luft-Boden-Schießplatzes für Zwecke des militärischen Ausbildungs- und Übungsbetriebes im Tiefflug einschränken würde. Weil es sich bei der "Nordhorn Range" um den einzigen Schießplatz handelt, der an das Nachttiefflugsystem angeschlossen ist, ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, weitere Einschränkungen der Nutzbarkeit durch bauliche Hindernisse zu vermeiden und diesem Belang ein hohes Gewicht zuzumessen, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschätzung, ob der zukünftige Ausbildungs- und Übungsbetrieb durch die ursprüngliche Antragstrasse in nicht hinnehmbarer Weise eingeschränkt würde, umfasst prognostische Elemente. Fehler dieser Prognose, die der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen, sind bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich.

28 Die Bundeswehr hat auch die für die Vorhabenrealisierung streitenden Belange in ihre Abwägung eingestellt und nicht unverhältnismäßig zurückgesetzt. Aus ihren Stellungnahmen ist erkennbar, dass sie eine vergleichende Gewichtung und Bewertung im vorgenannten Sinne vorgenommen und in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer Anpassung der militärischen Nutzung geprüft hat. Auf mehrfache Nachfrage der Antragsgegnerin nach der Zustimmungsfähigkeit sowohl der ursprünglichen Antragstrasse als auch von Modifikationen in Bezug auf einzelne Masthöhen und -standorte hat die Behörde der Bundeswehr, unter Erläuterung der militärischen Belange, mitgeteilt, sie halte an ihrer Ablehnung fest und sehe für das Vorhaben in diesen Ausgestaltungen "keinen Spielraum". Sie hat klargestellt, dass das Vorhaben in der ursprünglich geplanten Trasse auch bei Realisierung in geringerer Anlagenhöhe ein nicht hinnehmbares Hindernis für den Flugbetrieb darstellt. Dies ist im Hinblick auf das Anliegen der Bundeswehr, ein Hinzutreten weiterer Hindernisse für den militärischen Flugbetrieb zu vermeiden, nachvollziehbar und plausibel. Von weiteren Erwägungen durfte die Bundeswehr und ihr folgend die Antragsgegnerin auch deshalb absehen, weil das Vorhaben - der Bau der Freileitung - erkennbar nicht an den Einwänden scheitern würde, sondern mit einem anderen Verlauf verwirklicht werden konnte.

29 (3) Die gegen die Beurteilung der militärischen Belange erhobenen Einwände, insbesondere in Bezug auf etwaige Darlegungsanforderungen, greifen nicht durch.

30 Die Beurteilung der militärischen Belange durch das Bundesamt ist aus sich heraus nachvollziehbar und plausibel. Zur Offenlegung weiterer Einzelheiten des militärischen Ausbildungs- und Übungsbetriebs auf dem Schießplatz war die Dienststelle daher nicht gehalten. Zwar trifft die beurteilende militärische Dienststelle grundsätzlich eine Darlegungslast in Bezug auf diejenigen Tatsachen, deren Kenntnis zum Nachvollzug der militärischen Beurteilung erforderlich ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 4. April 2023 - 10 S 1560/22 - NVwZ-RR 2023, 888 Rn. 47; OVG Münster, Urteil vom 16. Februar 2024 - 22 D 150/22.AK - BauR 2024, 1331 <1347 f.>). Dieser Anforderung ist indes genügt.

31 Es bedurfte keiner weiteren Darlegung zu den Gründen für die Änderungen der Planung. Zwar ist der Landkreis Emsland als Untere Landesplanungsbehörde im Raumordnungsverfahren davon ausgegangen, die Bundeswehr stimme einem Trassenkorridor in Bündelung mit der BAB 31 zu. Ob und gegebenenfalls weshalb es im Raumordnungsverfahren zu einem Missverständnis zwischen der Unteren Landesplanungsbehörde und der Wehrbereichsverwaltung Nord als damals zuständiger Bundeswehrdienststelle gekommen ist, kann offenbleiben. Jedenfalls wenn die abschließende Beurteilung der militärischen Belange im Planfeststellungsverfahren aus sich heraus nachvollziehbar und plausibel ist, erhöht allein eine Änderung gegenüber einer in einem früheren Planungsstadium abgegebenen Einschätzung die Darlegungslast der Bundeswehr nicht.

32 Der Hinweis der Antragsteller trifft zu, bei dem "Bausperr-" bzw. "Baubeschränkungsgebiet" um den Übungsplatz handele es sich um interne, jederzeit änderbare Festlegungen der Bundeswehr. Er nimmt den dahinterstehenden militärischen Belangen, deren Umsetzung der Bundeswehr innerhalb ihres verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums obliegt, jedoch nicht ihr Gewicht. Es bedurfte auch keiner weiteren Ermittlung, welche An- oder Abflugrouten bestünden und regelmäßig genutzt würden. Aus der Beurteilung durch das Bundesamt (BAIUDBw) geht hervor, dass die Nutzbarkeit des Schießplatzes für wechselnde An- bzw. Abflugrouten erhalten werden soll und dass auch der An- bzw. Abflug aus bzw. in Richtung Osten von diesem Anliegen umfasst ist. Welche Flugrouten bislang regelmäßig genutzt worden sind, spielt keine Rolle. Der planerische Konflikt ist bereits ohne diese Kenntnis deutlich. Er erstreckt sich dabei nicht auf eine Tiefflugübungsstrecke von überörtlich bedeutsamer Länge, sondern ist auf die Nutzung eines zusammenhängenden, örtlich begrenzten Übungsplatzes beschränkt. Es bedurfte auch keiner Darlegung, dass im An- bzw. Abflug aus bzw. in Richtung Osten bislang in einer Höhe von weniger als ca. 212 m über Grund bzw. von weniger als ca. 152 m über baulichen Hindernissen geflogen werde. Die Bundeswehr hat ein nachvollziehbares Interesse dargelegt, sich diese Nutzungsmöglichkeit zu erhalten und den Ausbildungs- und Übungsbetrieb an sich verändernde taktische und technische Erfordernisse anpassen zu können.

33 Die Antragsteller vermissen Anhaltspunkte dafür, dass ein Abstand von ca. 152 m beim Überfliegen der Freileitung zumindest im Ausnahmefall unterschritten werden könne. Diese Rüge zielt indes auf Einzelheiten des militärischen Flugbetriebs, die im Kernbereich des verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums liegen. Sie betrifft zudem prognostische Elemente der Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf gewichtige Belange der Flugsicherheit. Der Aspekt entzieht sich daher weitgehend der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Bei einer Distanz von ca. 152 m beim Überfliegen hochbaulicher Hindernisse mit einem strahlgetriebenen Flugzeug handelt es sich um einen eher geringen Abstand. Dass das Erfordernis willkürlich gewählt ist, liegt fern. Auch innere Widersprüche oder offensichtliche Unsicherheiten der Einschätzung sind bei summarischer Würdigung nicht erkennbar. Schließlich ist unmittelbar einsichtig, dass die Freileitung entlang der BAB 31 als Hochbau andere und gravierendere Beschränkungen des militärischen Flugbetriebs auslösen würde als die Autobahn.

34 b) Die planfestgestellte Trassenführung tritt zwischen den Masten 255 und 272 aus dem Trassenkorridor heraus, den die landesplanerische Feststellung vom 23. Januar 2013 für raumverträglich erachtet hat. Dies führt nicht auf einen Rechtsfehler. Die landesplanerische Feststellung war nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG als ein sonstiges Erfordernis der Raumordnung in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Bei summarischer Würdigung hat die Antragsgegnerin diesem Erfordernis, insbesondere mit Blick auf Maßgabe 11, genügt.

35 Bei der planfestgestellten Trassenführung handelt es sich um eine großräumige Abweichung von dem mit der landesplanerischen Feststellung vom 23. Januar 2013 ermittelten Vorzugskorridor (vgl. PFB S. 88, 238). Sollten großräumige Abweichungen von der Vorzugsvariante aufgrund geänderter militärischer Belange unumgänglich werden, bedarf nach Maßgabe 11 Satz 6 der landesplanerischen Feststellung eine Alternativtrassierung grundsätzlich einer erneuten raumordnerischen Abstimmung unter Zugrundelegung derselben Untersuchungsstandards wie im Raumordnungsverfahren. Nach Satz 7 sind die zuständigen Unteren Landesplanungsbehörden Landkreis Emsland und Landkreis Grafschaft Bentheim bei absehbaren großräumigen Abweichungen von der Vorzugsvariante zwingend frühzeitig zu beteiligen.

36 Die Antragsgegnerin hat Maßgabe 11 der Feststellung genügt, indem sie die Unteren Landesplanungsbehörden im Zulassungsverfahren frühzeitig beteiligt hat. Nach dem Gespräch mit Vertretern der Bundeswehr am 22. Mai 2019 begann die Beigeladene im Sommer 2019, die geänderte Trassenführung im Abschnitt der Masten 255 bis 272 zu planen. Auf das Beteiligungsschreiben der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2020 hin nahm der Landkreis Emsland unter dem 6. April 2020 dahin Stellung, angesichts der konsequenten Trassenbündelung mit Bestandsleitungen bestünden keine grundsätzlichen raumordnerischen Bedenken. In der Sache übereinstimmend äußerte sich der Landkreis Grafschaft Bentheim unter dem 2. August 2021 (PFB S. 86). Die Antragsgegnerin hat die Stellungnahmen beider Landkreise im Rahmen der Variantenprüfung berücksichtigt (vgl. PFB S. 238, 470, 507 ff.). Darüber hinaus gehende Bindungen der Antragsgegnerin folgten aus der landesplanerischen Feststellung nicht.

37 c) Bei summarischer Prüfung weist der Vergleich der großräumigen Freileitungsvarianten keine Ermittlungs- oder Gewichtungsfehler in Bezug auf sonstige, nicht-militärische Abwägungsbelange auf.

38 Die Antragsgegnerin hat in der Abwägung berücksichtigt, dass sich die Trasse durch die Umplanung in drei neuen Bereichen Siedlungen nähert, in denen fünf Wohngebäude in einer Entfernung von weniger als 200 m zur Trasse liegen. Sie hat erkannt, dass die neue Antragstrasse höhere naturschutzrechtliche Konflikte auslöst als die frühere Antragstrasse. So wird eine Erdseilmarkierung zur Vermeidung von Leitungsanflug durch Vögel nunmehr auf fünfzehn und damit sieben zusätzlichen Spannfeldern erforderlich und löst die neue Trasse weitere vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen in Bezug auf die Feldlerche und den Trauerschnäpper aus. Zudem hat die Planfeststellungsbehörde berücksichtigt, dass die Trassenführung das Landschaftsschutzgebiet "Emstal" stärker beansprucht (vgl. PFB S. 470 f., 509).

39 aa) Der Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt die Siedlungsannäherungen im Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272 in angemessener Weise.

40 Das Gebot eines Abstands von 200 m zu Wohngebäuden im Außenbereich nach Abschnitt 4.2.2 Ziffer 06 Satz 6 LROP 2022 ist ein Grundsatz der Raumordnung, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG im Rahmen der Abwägung überwunden werden kann. Nach der Abwägung der Antragsgegnerin ist die Abstandsunterschreitung in den Annäherungsabschnitten Nr. 7 (Masten 266/267), Nr. 8 (Masten 269/270) und Nr. 9 (Masten 271A/271B) jeweils hinnehmbar, die Trassenführung trotz der Unterschreitungen vorzugswürdig (PFB S. 222, 227 ff., 533). Für den Annäherungsabschnitt 7 geht die Antragsgegnerin von einer Annäherung an ein einzelnes Wohngebäude im unbeplanten Außenbereich östlich der Trasse aus (PFB S. 227). Der Abstand von 200 m werde auf einer Länge von ca. 95 m unterschritten; die Entfernung zwischen der Trassenachse und dem Wohnhaus betrage ca. 190 m. Die Antragsgegnerin berücksichtigt, dass das Vorhaben im Bereich dieser Annäherung parallel zu den bestehenden 380-kV-Freileitungen Bl. 4305 und Bl. 4307 und dabei auf der dem Wohngebäude abgewandten nordwestlichen Seite der Bestandsleitungen geführt wird. Nach ihrer Bewertung wird sich das Vorhaben als zusätzliche Freileitung unter Berücksichtigung insbesondere der Vorbelastung des Raumes, einer Sichtverschattung durch Baumbewuchs, des annähernden Gleichschritts der Maststandorte des Vorhabens und der Bestandsleitungen sowie des geringfügigen Ausmaßes der Abstandsunterschreitung nicht wesentlich auf das Wohnumfeld auswirken (PFB S. 228).

41 Diese Abwägung ist bei summarischer Würdigung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin musste nicht berücksichtigen, dass sich in der Nähe zu dem betrachteten Wohngebäude mehrere Wohngebäude befinden, die - wenn auch knapp - außerhalb des Abstandes von 200 m zur Trassenachse liegen. Die Reichweite des Abstandsgebots nach Abschnitt 4.2.2 Ziffer 06 Satz 6 LROP 2022 ist mit 200 m bemessen; hieran hat die Antragsgegnerin sich gehalten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hierdurch schutzwürdige Belange des Wohnumfeldschutzes im Einzelfall vernachlässigt worden sind. Ohnehin dienen raumordnerische Abstandsgebote zwischen Höchstspannungsfreileitungen und Wohngebäuden im Außenbereich nicht der Gefahrenabwehr oder dem Schutz vor Immissionen, sondern dem vorsorgenden Schutz des Wohnumfeldes vor allem gegen visuelle Belastungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2023 - 11 VR 2.23 - NVwZ 2024, 684 Rn. 17 m. w. N.).

42 Es oblag nicht der Bundeswehr, die raumordnerischen Abstandsgebote zu prüfen und die Abstandsunterschreitungen zu würdigen. Denn den militärischen Dienststellen kommt keine umfassende planerische Abwägungsbefugnis zu. Sie sind nur gehalten, die Belange abwägend zu berücksichtigen, die einer militärischen Einrichtung bei einer konkreten Ausgestaltung entgegenstehen.

43 bb) Ermittlungs- und Gewichtungsfehler mit Blick auf den Artenschutz sind bei summarischer Prüfung nicht festzustellen. Die Antragsteller verweisen darauf, dass die Umplanung der Trasse im Rahmen der 3. Deckblattänderung zu zusätzlichen Konflikten mit geschützten Vogelarten geführt habe und in diesem Zusammenhang auf den Erläuterungsbericht der Beigeladenen zur 3. Deckblattänderung (dort unter Ziffer 7.8) und den Planfeststellungsbeschluss (S. 133 f.), rügen aber keine Fehler dieser Erwägungen.

44 cc) Auch in Bezug auf das Schutzgut Landschaft sind Abwägungsfehler bei summarischer Würdigung nicht gegeben.

45 Die Rüge, die planfestgestellte Trassenführung beeinträchtige sowohl das Landschaftsschutzgebiet "Emstal" als auch das Landschaftsbild im Allgemeinen stärker als die ursprünglich geplante Trasse, entspricht der Bewertung durch die Antragsgegnerin (vgl. etwa PFB S. 366 ff., 471, 531 f.), die diese Auswirkungen des Vorhabens jedoch im Hinblick auf widerstreitende, insbesondere militärische Belange für hinnehmbar erachtet. Die weitere Beanstandung, die Bündelung des Vorhabens mit den 380-kV-Bestandsleitungen sei nicht geeignet, die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu vermeiden oder zu mindern, wird von den Antragstellern nicht näher unterlegt und stellt der Bewertung durch die Antragsgegnerin lediglich eine abweichende Bewertung entgegen.

46 In Bezug auf die parallel geführten 110-kV-Leitungen leiten die Antragsteller insbesondere aus den Umständen, dass keine Mitnahme dieser Leitungen auf dem Mastgestänge der 380-kV-Leitung erfolgt, auf einen Gleichschritt der Maststandorte verzichtet und zur Vermeidung von Kurzschlüssen auch der Abstand des Vorhabens zu den 110-kV-Leitungen vergrößert worden ist, ab, das Landschaftsbild werde durch die Massierung von Masten und Leitungen erheblich beeinträchtigt. Auch insoweit stellen sie lediglich der Bewertung der Antragsgegnerin, die diese Auswirkungen des Vorhabens auf das Landschaftsbild im Rahmen der Abwägung für hinnehmbar erachtet hat (PFB S. 368 f., 531 f.), eine eigene abweichende Bewertung entgegen.

47 Schließlich musste die beteiligte Stelle der Bundeswehr die Belange des Landschaftsbildes nicht in ihre im Rahmen des verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums zu treffende Abwägung einstellen. Denn die militärische Dienststelle hat bei Ausübung der verteidigungspolitischen Beurteilungsbefugnis keine umfassende planerische Abwägung vorzunehmen.

48 2. Der Verzicht auf eine Erdverkabelung im Mastabschnitt 255 bis 272 ist im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden.

49 a) Die Entscheidung ist an § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG in der bis zum 30. Dezember 2015 anwendbaren Fassung (im Folgenden: EnLAG a. F.) zu messen. Denn nach § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG werden vor dem 31. Dezember 2015 beantragte Planfeststellungsverfahren nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende geführt. Sie werden nach § 2 Abs. 4 Satz 2 EnLAG nur dann als Planfeststellungsverfahren in der ab dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung fortgeführt, wenn der Vorhabenträger dies beantragt. Der Planfeststellungsantrag für das Vorhaben ist am 29. Mai 2015 und damit vor dem Stichtag gestellt worden. Einen Antrag nach § 2 Abs. 4 Satz 2 EnLAG auf Anwendung des neuen Rechts hat die Beigeladene nicht gestellt.

50 b) Das Vorhaben ist ein Pilotprojekt für den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene im Übertragungsnetz, da es unter § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnLAG a. F. aufgeführt ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG a. F. ist im Falle des Neubaus auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bei einem Vorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG a. F. eine Höchstspannungsleitung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel zu errichten und zu betreiben, wenn die Leitung in einem Abstand von weniger als 200 m zu Wohngebäuden errichtet werden soll, die im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB liegen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG a. F. gegeben, entscheidet die Planfeststellungsbehörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber, ob statt einer Freileitung eine Erdverkabelung vom Vorhabenträger verlangt wird (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 95 und vom 10. November 2022 - 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 57 sowie Beschluss vom 30. Januar 2024 - 11 VR 5.23 - EnWZ 2024, 182 Rn. 25).

51 Ein Erdkabel kam hier nicht in Betracht, weil es an einem technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitt fehlt. Die Antragsgegnerin hat das Auslösekriterium der Abstandsunterschreitung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG a. F. insbesondere in den Annäherungsabschnitten Nr. 7 (Masten 266/267), Nr. 8 (Masten 269/270) und Nr. 9 (Masten 271A/271B) für gegeben erachtet (vgl. PFB S. 482 ff., 496 ff.). Das Erfordernis eines technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitts hingegen hat sie im Hinblick auf die geringe, weit hinter dem in den Gesetzesmaterialien genannten Richtwert von 3 km (BT-Drs. 16/10491, S. 16, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2025 - 11 A 24.23 -) zurückbleibende Länge der in Betracht kommende Teilabschnitt B als nicht erfüllt angesehen (vgl. PFB S. 496, 498 f., jeweils unter Bezugnahme auf S. 485 f.). Diese Bewertung trifft zu. Damit scheidet die Planfeststellung eines Erdkabels tatbestandlich aus.

52 Allerdings halten die Antragsteller im Annäherungsabschnitt 7 die zugrunde gelegte Länge der Abstandsunterschreitung von lediglich 95 m (PFB S. 496) für fehlerhaft bestimmt. Nach ihrer Auffassung hätte die Antragsgegnerin auch in diesem Zusammenhang weitere Wohngebäude, die sich in der Nähe des Annäherungsbereichs und selbst nur "knapp" außerhalb des Abstands von 200 m zur Trassenachse befänden, berücksichtigen müssen. Hiernach wäre ein Unterschreitungsbereich von etwa 700 m Länge und ein entsprechend höheres Gewicht des Wohnumfeldschutzes zugrunde zu legen gewesen. Diese Rüge geht fehl. Die Antragsgegnerin durfte die Länge der Abstandsunterschreitung am Maßstab der eindeutigen Vorgaben von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG a. F. bestimmen. Es gilt das zur Anwendung von Abschnitt 4.2.2 Ziffer 06 Satz 6 LROP 2022 Ausgeführte entsprechend. Im Übrigen bleibt auch ein Bereich von 700 m deutlich hinter der regelmäßigen Mindestlänge eines technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitts für ein Erdkabel zurück.

53 Die weiteren Einwände der Antragsteller richten sich gegen die abwägende Entscheidung gegen ein Erdkabel. Auf sie kommt es nicht an. Denn bei Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG a. F. ist die Planfeststellung eines Erdkabels ausgeschlossen. Weil die Planfeststellung eines Erdkabels gesetzlich ausgeschlossen war, scheidet zugleich ein Verstoß gegen die Vorgaben von Abschnitt 4.2.2 Ziffer 05 LROP 2022 und Maßgabe 15 der Landesplanerischen Feststellung vom 23. Januar 2013 aus.

54 B. Der Antrag wäre auch abzulehnen, wenn von offenen Erfolgsaussichten der Klagen auszugehen wäre. Die Abwägung der Vollzugsfolgen - unter Berücksichtigung der Wertung von § 80c Abs. 3 Satz 1 VwGO - ergibt ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Der Senat berücksichtigt nach § 80c Abs. 4 VwGO die besondere Bedeutung des Vorhabens, dessen Verwirklichung nach § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG i. V. m. Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 EnLAG im überragenden öffentlichen Interesse liegt.

55 Zu berücksichtigen ist sodann, dass durch den Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses im Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272 keine irreversiblen Beeinträchtigungen für Belange der Antragsteller eintreten. Selbst wenn zugunsten der Antragsteller unterstellt wird, dass die beteiligte Bundeswehrdienststelle den ihr zugewiesenen verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraum überschritten hat und die auf dieser Beurteilung aufbauende Variantenprüfung der Antragsgegnerin infolgedessen an Abwägungsfehlern leidet, folgt daraus noch nicht, dass ein solcher Fehler nur durch eine erneute Umplanung der Trassenführung zu beheben wäre. Darüber hinaus wäre selbst ein Rückbau der im genannten Abschnitt - teilweise auf Grundeigentumsflächen der Antragsteller - zu errichtenden Masten, sollte er zur Beseitigung von Rechtsfehlern der Planung erforderlich werden, zwar aufwendig, aber möglich. Die Beeinträchtigung des Grundeigentums der Antragsteller durch die Maststandorte wäre daher nur vorübergehend.

56 Auch irreversible Nachteile für sonstige öffentliche - etwa umweltfachliche - Belange sind nicht festzustellen. Insbesondere ist nicht zu erwarten, dass es durch die Errichtung der Freileitung auf dem genannten Abschnitt zu erheblichen Beeinträchtigungen der Avifauna kommt. Die Wirksamkeit der von der Antragsgegnerin insoweit vorgesehenen Vermeidungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen ziehen die Antragsteller nicht in Zweifel.

57 Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist nicht davon auszugehen, dass die mit einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung verbundene Verzögerung der Vorhabenrealisierung hier − abweichend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG − ausnahmsweise hinzunehmen ist. Nach Angaben der Beigeladenen sind die Planfeststellungsbeschlüsse in den übrigen sieben Planungsabschnitten sämtlich bestandskräftig, zum Teil ist das Vorhaben in diesen Abschnitten bereits verwirklicht. Mit der Wertung des § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG wäre es unvereinbar, die Beigeladene darauf zu verweisen, sie könne den Abschnitt zwischen den Masten 255 und 272 bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren von der Bautätigkeit zur Realisierung des planfestgestellten Vorhabens ausnehmen.

58 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 34.2.3 und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges.