Beschluss vom 19.12.2024 -
BVerwG 7 VR 9.24ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B7VR9.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 19.12.2024 - 7 VR 9.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B7VR9.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 VR 9.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Dezember 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:
- Der Antrag wird abgelehnt.
- Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
- Der Streitwert wird auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Antragsteller begehren Eilrechtsschutz gegen die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns und des vorzeitigen Beginns der Gewässerbenutzung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens. Sie sind Eigentümer der Grundstücke ... sowie ... der Flur ..., Gemarkung Wi.
2 Die Beigeladene beantragte im März 2024 die Planfeststellung für die Errichtung und den Betrieb der Gasversorgungsleitung Nr. ... E.-W. und die Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse. Zugleich beantragte sie die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns und die vorzeitige Zulassung des Beginns der Gewässerbenutzung. Dem entsprach der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. September 2024. Hinsichtlich der vorzeitigen Zulassung des Beginns der Gewässerbenutzung ordnete er die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Der Planfeststellungsbeschluss soll voraussichtlich im Januar 2025 erlassen werden.
3 Am 8. Oktober 2024 haben die Antragsteller Klage erhoben - 7 A 15.24 - und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie machen eine direkte Betroffenheit geltend. Die geplante Trassenführung werde ihre Toranlage "zerstören". Eine Verschiebung der Trasse in westlicher Richtung sei deshalb in Erwägung zu ziehen. Hierdurch würden zudem Naturschutzbelange, wie sie in dem Verfahren zur Neuaufstellung des Landschaftsrahmenplans des Landkreises A. zum Ausdruck kämen, berücksichtigt.
4 Der Antragsgegner und die Beigeladene treten dem entgegen.
II
5 Der Antrag hat keinen Erfolg.
6 Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 12 Satz 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz - LNGG) vom 24. Mai 2022 (BGBl. I S. 802), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juli 2024 (BGBl. I Nr. 225), zuständig. Gemäß § 12 Satz 1 LNGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 dieses Gesetzes. Bei der Errichtung und dem Betrieb der Gasversorgungsleitung Nr. ... E.-W. (...) handelt es sich um einen Teil der Gasfernleitung E.-W.-D., die in Nr. 2.8 der Anlage zum LNGG aufgeführt ist, mithin um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 LNGG. Die Gasversorgungsleitung Nr. ... von E. nach W. soll die Transportkapazitäten schaffen, die für die Fortleitung des in Wh. angelandeten Gases in das deutsche Ferngasnetz benötigt werden.
7 1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. I 1970, 3621), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2024 (BGBl. I Nr. 323), ist unzulässig. Er ist zwar gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 44c Abs. 4 Satz 1 EnWG statthaft. Die Antragsteller sind aber nicht antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
8 Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eigener Rechte des Antragstellers auf der Grundlage der Antragsbegründung als möglich erscheint, also nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 11). Daran fehlt es. Eine mögliche Verletzung eigener Rechte der Antragsteller durch die zugelassenen Maßnahmen oder die vorzeitige Zulassung als solche ist nicht ersichtlich.
9 a) Die Antragsteller haben schon nicht dargelegt, dass ihre Grundstücke durch die streitgegenständliche Zulassung des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c Abs. 1 EnWG betroffen werden. Die hiervon umfassten Hauptmaßnahmen, namentlich die Durchführung aller erforderlichen Arbeiten zur Baustelleneinrichtung, Errichtung der Leitung sowie der erforderlichen Nebenanlagen, beschränken sich auf die Bereiche zwischen dem Startpunkt in E. und der Station B. (G001 - G044) und zwischen der Station Z. und der Verdichterstation W. (G126 - G164A). Sie betreffen mithin nicht die Grundstücksflächen der Antragsteller, die in der Gemeinde Wi. belegen sind. Die Antragsteller weisen selbst darauf hin, dass zu Ziffer 8 auf Seite 13 (ff.) der angefochtenen Entscheidung eine Katalogisierung aller von den vorzeitig zugelassenen Maßnahmen betroffenen Flurstücke erfolgt sei und die in ihrem Eigentum befindlichen Flächen nicht aufgenommen worden seien. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die von der Zulassung des vorzeitigen Baubeginns umfassten Vorarbeiten, also die Errichtung und Bestückung der Rohrlagerplätze, die Sondierung und Räumung von Kampfmittelverdachtsflächen und archäologischen Verdachtsflächen sowie Holzeinschlag, die Grundstücke der Antragsteller betreffen. Allein die von den Antragstellern angeführte Textstelle in dem Bescheid, wonach grundsätzlich alle in den Antragsunterlagen aufgeführten, vom Vorhaben berührten Flächen vom vorzeitigen Baubeginn betroffen sein können, reicht hierfür nicht aus. Der Antragsgegner hat in seiner Erwiderung mitgeteilt, dass die genannten Vorarbeiten auf den Grundstücken der Antragsteller nicht vorgesehen seien.
10 Nach allem ist eine Eigentumsbetroffenheit der Antragsteller von vornherein ausgeschlossen, da sich ihre Grundstücke nicht im Einwirkungsbereich der nach § 44c Abs. 1 EnWG zugelassenen vorzeitigen Maßnahmen befinden. Mittelbare Einwirkungen auf ihre Grundstücke infolge der vorzeitig zugelassenen Maßnahmen auf anderen Grundstücken haben die Antragsteller nicht geltend gemacht.
11 b) Unabhängig davon hat die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns nicht die Rechtswirkungen, die die Antragsteller ihr offenbar beimessen. Eine Anordnung nach § 44c Abs. 1 EnWG nimmt die endgültige Zulassung des Vorhabens nicht vorweg, sondern dient lediglich Beschleunigungszwecken. Die in § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG geforderte Prognose, dass mit einer Entscheidung im Planfeststellungsverfahren zugunsten des Vorhabenträgers gerechnet werden kann, hat keinen Regelungscharakter und entfaltet keine Bindungswirkung für das nachfolgende Verfahren über die endgültige Zulassung des Vorhabens; sie ist lediglich tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns. Die Prognose wird daher im gerichtlichen Verfahren gegen eine Entscheidung nach § 44c EnWG nicht überprüft; von dem Vorhaben Betroffene können Einwände gegen dessen Zulässigkeit nur im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung über die endgültige Zulassung erheben (BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2023 - 4 VR 1.23 - juris Rn. 13 m. w. N.). Eine Eigentumsbeeinträchtigung kann demnach hier nur durch die nach § 44c Abs. 1 EnWG zugelassenen Maßnahmen bewirkt werden. Das ist - wie dargelegt - nicht der Fall. Auf die von den Antragstellern vorgetragene Betroffenheit ihrer Toranlage und von Naturschutzbelangen durch die Trassenführung kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an, weil die Trassierung des Vorhabens nicht im Rahmen der Zulassung des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c EnWG geregelt wurde.
12 2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zulassung vorzeitigen Beginns mit der Gewässerbenutzung nach § 17 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2023 (BGBl. I Nr. 409), ist ebenfalls mangels Antragsbefugnis unzulässig. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, dass ihre Grundstücke durch die vorzeitige Zulassung von Maßnahmen betroffen sind. Auch im Übrigen ist eine Rechtsverletzung nicht vorgetragen.
13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.