Beschluss vom 19.12.2024 -
BVerwG 1 WB 34.23ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B1WB34.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.12.2024 - 1 WB 34.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B1WB34.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 34.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Fregattenkapitän Böning und
den ehrenamtlichen Richter Hauptbootsmann Winkler
am 19. Dezember 2024 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Äußerung seines nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten in einem truppendienstgerichtlichen Verfahren.

2 Der ... geborene Antragsteller trat im Jahre 2008 als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr ein. Nach seinem Wechsel von der Laufbahn der Unteroffiziere in die Laufbahn der Unteroffiziere mit Portepee wurde er zuletzt im Jahre 2016 zum Hauptbootsmann befördert. Der Antragsteller wurde zeitweise auf einem Dienstposten der ... ... im Stab ... verwendet. Nach Ablauf seiner Dienstzeit am 3. August 2022 wurde er in die Reserve versetzt.

3 Am 2. März 2022 erteilte Oberstleutnant A. als Disziplinarvorgesetzter dem Antragsteller den Befehl, sich am 10. März 2022 um 8.00 Uhr bei ihm im Büro zu melden, um sich anschließend der duldungspflichtigen COVID-19-Impfung zu unterziehen. Oberstleutnant A. händigte dem Antragsteller nach dessen Meldung bei ihm das Formular Bw-5389 ("Wiederbestellblatt Impfmaßnahmen Bundeswehr") aus und befahl ihm, sich im Sanitätsversorgungszentrum ... zu melden, um sich dort der Impfung zu unterziehen. In dem Formblatt "Wiederbestellblatt Impfmaßnahmen Bundeswehr" vermerkte die Truppenärztin Oberstabsarzt Dr. B. "Terminverfolgung nicht zweckdienlich".

4 Der Antragsteller beantragte am 7. März 2022 beim Truppendienstgericht Nord, die Vollziehung des Befehls auszusetzen. In diesem Verfahren wurde dem Leiter des Stabes ... Oberst C. als nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter vom Gericht um Stellungnahme zum Sachverhalt und dabei insbesondere zu der Frage gebeten, welche Regelungen seitens der ... im Hinblick auf die Auskunft zu COVID-19-Impfungen durch die Soldaten gegenüber ihren Vorgesetzten erlassen worden seien. Mit Schreiben vom 9. März 2022 äußerte er sich gegenüber dem Truppendienstgericht zu der Frage wie folgt: "Anders, als im Antrag angegeben, hat der Disziplinarvorgesetzte Oberstltn A. sehr wohl Kenntnis über den Impfstatus von HptBtsm ... Die Kenntnis erfolgt über die Anwendung der Handreichung gem. BMVg Lagezentrum Corona, LZ2461 mit Stand 11. Februar 2022 'für Dienststellenleiter und Disziplinarvorgesetzte zum Umgang mit dem Immunisierungsstatus ihrer unterstellten Beschäftigten und zur Durchsetzung des Basisimpfschemas der Soldatinnen und Soldaten' ...". Diese Stellungnahme wurde dem Antragsteller am 9. März 2022 per E-Mail zur Kenntnis übersandt.

5 Gegen die zuvor aus der Stellungnahme zitierte Äußerung erhob der Antragsteller am 2. Mai 2022 Beschwerde, weil sie seiner Ansicht nach unwahr sei. Oberst C. habe damit u. a. gegen seine Pflicht verstoßen, in dienstlichen Dingen die Wahrheit zu sagen. Mit Bescheid vom 20. Juni 2022, dem Antragsteller am 22. Juni 2022 zugestellt, wies die Vizepräsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr die Beschwerde zurück. Dagegen erhob der Antragsteller am 12. Juli 2022 bei seinem nächsten Vorgesetzten weitere Beschwerde. Der Generalinspekteur der Bundeswehr wies die weitere Beschwerde mit Bescheid vom 26. Mai 2023, zugestellt am 8. Juni 2023, zurück.

6 Hiergegen hat der Antragsteller unter dem 7. Juli 2023 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat den Antrag am 4. August 2023 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt.

7 Der Antragsteller trägt ausführlich vor, aus welchen Gründen er meint, dass Oberst C. die Unwahrheit gesagt habe.

8 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

9 Es tritt dem Antrag entgegen und bezieht sich dabei im Wesentlichen auf die Erwägungen seines Bescheides vom 26. Mai 2023.

10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

11 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

12 1. Der Antragsteller hat lediglich einen prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher unter Berücksichtigung seines Sachvortrages auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO). Hiernach begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass seine Rechte durch die Äußerung seines Vorgesetzten Oberst C. verletzt worden seien. Gegenstand des Antrags ist hingegen nicht der von dem Antragsteller in seiner Antragsbegründung kritisierte Datenaustausch zwischen seinem Disziplinarvorgesetzten Oberstleutnant A. und den für die Durchführung der COVID-19-Schutzimpfung zuständigen Truppenärzten, ferner auch nicht die mit dem Antrag erörterte Handreichung des Bundesministeriums der Verteidigung.

13 2. Der Antrag ist bereits unzulässig.

14 a) Der Antragsteller hat zwar noch während seiner Dienstzeit Beschwerde und weitere Beschwerde eingelegt. Die Fortführung eines Wehrbeschwerdeverfahrens wird nicht dadurch berührt, dass - wie hier - nach Einlegung der (weiteren) Beschwerde das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers endigt (§ 15 WBO).

15 b) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedenfalls unzulässig, weil die beanstandete Äußerung des nächsten Disziplinarvorgesetzten keine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 22, § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) und damit keinen geeigneten Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens nach der Wehrbeschwerdeordnung darstellt.

16 Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder Unterlassung rechtswidrig sei (§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO). Die Wehrbeschwerdeordnung gewährt dem Soldaten daher nur Rechtsschutz gegenüber solchen Maßnahmen oder unterlassenen Maßnahmen eines militärischen Vorgesetzten, die im Verhältnis der Über-/Unterordnung getroffen sind oder erbeten werden (BVerwG, Beschluss vom 23. April 1980 - 1 WB 126.78 - BVerwGE 73, 9 <10> m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.

17 Soweit der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte Äußerungen oder Werturteile über einen Soldaten in einem truppendienstgerichtlichen Verfahren abgibt, ist er regelmäßig - und auch hier - dem betroffenen Soldaten gegenüber nicht in seiner Vorgesetzteneigenschaft tätig geworden, sondern hat lediglich die ihm gegenüber dem im Rahmen der Aufklärung der Sach- und Rechtslage zur Auskunft berechtigten Truppendienstgericht obliegende Pflicht zur Stellungnahme erfüllt und ist dabei nicht in einem Verhältnis der Über- bzw. Unterordnung aufgetreten (vgl. zu vergleichbaren Konstellationen BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 WB 17.21 - DVBl. 2022, 1328 Rn. 19 m. w. N.). Dem Antragsteller stand es im Übrigen frei, dem Gericht seine Sicht der Dinge vorzutragen und so seine Interessen geltend zu machen.

18 Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob dem Antragsteller überhaupt ein Feststellungsinteresse zur Seite steht (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 18. November 1997 - 1 WB 46.97 - BVerwGE 113, 158 <160>).