Beschluss vom 19.11.2024 -
BVerwG 3 B 7.24ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B3B7.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.11.2024 - 3 B 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B3B7.24.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 7.24

  • VG Oldenburg - 19.07.2022 - AZ: 12 A 2442/19
  • OVG Lüneburg - 08.01.2024 - AZ: 10 LB 97/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. November 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 120 595,54 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger, Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs mit dem Hauptbetriebszweig Erdbeeranbau, begehrt eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfeprogramms 2018 des Landes Niedersachsen.

2 Am 30. November 2018 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Billigkeitsleistung aufgrund der Dürre im Jahr 2018. Er fügte verschiedene Unterlagen bei und gab die Erträge für Erdbeeren in den Jahren 2014 bis 2016 mit durchschnittlich 128,56 dt/ha, im Jahr 2018 mit 89,72 dt/ha und die Ertragsabweichung des Dürrejahres gegenüber den Referenzjahren mit 30,21 % an. Seinen dürrebedingten Schaden für die Erdbeeren bezifferte er auf 482 600,30 €. Bei der Prüfung seines Antrags legte die Beklagte hinsichtlich der Erdbeeren in Orientierung an den von der Agrar-Informations-Gesellschaft (AMI) bereitgestellten Standardwerten einen durchschnittlichen Ertrag für die Jahre 2014 bis 2016 von 119,60 dt/ha (Landkreis Cloppenburg) bzw. 119,00 dt/ha (Landkreis Vechta) sowie für das Jahr 2018 einen Ertrag von 95,10 dt/ha zugrunde. Auf dieser Grundlage errechnete sie eine prozentuale Abweichung der Erdbeererträge im Dürrejahr 2018 gegenüber den Referenzjahren 2014 bis 2016 von 20,48 % und einen Schaden für Erdbeeren von 85 634,48 €. Mit Bescheid vom 25. Juli 2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, sie habe Korrekturen bei den Flächenangaben und durchschnittlichen Erträgen im Referenzzeitraum und bezüglich des Dürrejahres 2018 wegen fehlender belastbarer Unterlagen vornehmen müssen. Daher habe die durchschnittliche Ertragsdifferenz insgesamt nur noch 22,99 % betragen und damit unter der notwendigen 30 %-Differenz gelegen, die für eine Billigkeitsleistung überschritten sein musste.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. Juli 2019 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Billigkeitsleistung nach dem Dürrehilfeprogramm 2018 des Landes Niedersachsen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Beklagte sei ohne ausreichenden Grund von ihrer Verwaltungspraxis abgewichen, indem sie den Kläger nicht zu einer Klarstellung oder Erläuterung hinsichtlich der von ihm zum Beleg seines Schadens bei Erdbeeren eingereichten Unterlagen aufgefordert habe.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat auf die von ihm zugelassene Berufung der Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Beschluss nach § 130a VwGO geändert und die Klage abgewiesen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beklagte sei ohne ausreichenden Grund von ihrer Verwaltungspraxis bei der Klarstellung oder Erläuterung eingereichter Unterlagen abgewichen, sei unzutreffend. Die vom Kläger behauptete und von der Beklagten ausdrücklich bestrittene Verwaltungspraxis sei dem Senat aus den insgesamt ca. 25 von ihm entschiedenen Verfahren zur Dürrehilfe 2018 nicht bekannt. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte vor einer Berechnung nach Referenzwerten die Antragsteller regelmäßig zur Vervollständigung ihrer Unterlagen aufgefordert habe. Maßgeblich sei allein die mit den Verwaltungsvorschriften übereinstimmende tatsächliche Verwaltungspraxis der Beklagten, nicht aber eine Auskunft des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums über eine vermeintlich bestehende Verwaltungspraxis. Die Beweisanregung des Klägers, die frühere Landwirtschaftsministerin darüber zu vernehmen, dass das Ministerium davon ausgegangen sei, es seien Nachfragen bei den Antragstellern zu stellen gewesen, sei daher unter keinem Gesichtspunkt entscheidungserheblich. Auch bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung habe der Kläger keine hinreichend aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

5 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von ihr aufgeworfenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.). Die Revision ist auch nicht wegen eines von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen (2.).

6 1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

7 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2023 ‌- 3 B 4.22 - juris Rn. 7 m. w. N.).

8 Es kann offenbleiben, ob der Kläger mit der Frage,
"ob das Berufungsgericht die dem erstinstanzlichen Gericht bekannte Verwaltungspraxis der Beklagten, die gerichtsbekannt ist, einfach dadurch aushebeln kann, indem es dem Vortrag der Beklagten folgend, es gebe eine solche Verwaltungspraxis nicht, sich darauf beruft, dass dem Senat eine[n] entsprechende Verwaltungspraxis auch nicht bekannt sei, da man diese in den zu bearbeitenden Fällen nicht gesehen habe" (Beschwerdebegründung S. 7),
eine fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft. Ebenso kann offenbleiben, ob sich aus der nationalen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse vom 26. August 2015 - Rahmenrichtlinie - (BAnz AT 31.8.2015 B4) sowie der hierauf beruhenden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, vom 8. Oktober 2018 bzw. vom 18. April 2019 im Wege der Auslegung oder aus anderen Gründen eine Ausschlussfrist oder eine Verpflichtung der Beklagten ergeben hat, klärende Nachfragen oder die Nachforderung von Unterlagen bei unvollständiger Antragstellung zu unterlassen, oder ob sie berechtigt und aus Gründen der Transparenz und Chancengleichheit verpflichtet war, fehlende Unterlagen nachzufordern (vgl. Beschwerdebegründung S. 8 f.).

9 Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere jeweils selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann eine Revision nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juli 2019 - 3 B 15.18 -‌ juris Rn. 10 und vom 7. Dezember 2021 - 3 B 6.21 - juris Rn. 6, jeweils m. w. N.). Ein solcher Fall der Mehrfachbegründung liegt hier vor. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Dürrehilfe, nicht allein damit begründet, dass er bis zum Ablauf der Antragsfrist am 30. November 2018 keine Unterlagen vorgelegt habe, die eine individuelle über die Referenzwerte hinausgehende Berechnung des Ernteverlusts belegten, und die Beklagte entsprechend ihrer Verwaltungspraxis und ohne Ermessensfehler von Nachfragen beim Kläger abgesehen habe. Es hat seine Annahme selbstständig tragend auch darauf gestützt, dass der Kläger bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine hinreichend aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt habe (BA S. 22 f.). Im Hinblick auf diese Begründung hat der Kläger einen Zulassungsgrund nicht geltend gemacht.

10 2. Die Revision ist nicht wegen eines von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

11 a) Sofern die Beschwerde als Verfahrensfehler geltend macht, bereits das erstinstanzliche Gericht habe im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO - gemeint ist ersichtlich die Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO - den Kläger darauf hinweisen müssen, dass ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt würden, betrifft der behauptete Fehler nicht die Entscheidung des Berufungsgerichts, die allein Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung ist (§ 132 Abs. 1 VwGO). Der Kläger trägt vor, wenn das erstinstanzliche Gericht den entsprechenden Hinweis erteilt hätte, hätte er weitere Unterlagen bereits in der 1. Instanz vorgelegt (Beschwerdebegründung S. 10). Dass das Berufungsgericht den gerügten Verfahrensfehler bei seiner Vollprüfung im Berufungsverfahren (vgl. § 128 Satz 1 VwGO) wiederholt hätte oder dass der behauptete Fehler des Verwaltungsgerichts in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts fortgewirkt hätte, ist weder dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) noch ersichtlich.

12 b) Der Kläger macht ferner geltend, sein Beweisantrag auf Vernehmung der ehemaligen niedersächsischen Landwirtschaftsministerin sei übergangen worden, da das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, die Vernehmung sei unter keinem Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich. Die Zeugin hätte indes konkrete Angaben zur Auslegung der Verwaltungsvereinbarung und zum Umgang mit nachgeforderten Unterlagen machen können. Die Begründung dieser Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Kläger hat weder angegeben, welche Verfahrensvorschrift durch die unterbliebene Beweiserhebung verletzt sein soll, noch hat er dargelegt, dass der angegriffene Beschluss im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Das Berufungsgericht hat - wie ausgeführt (s. o. 1.) – seine Entscheidung selbstständig tragend auch darauf gestützt, dass der Kläger bis zum Zeitpunkt der Entscheidung hinreichend aussagekräftige anspruchsbegründende Unterlagen nicht vorgelegt habe. Auf diese Begründung des angegriffenen Beschlusses bezieht sich die Verfahrensrüge nicht.

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.