Beschluss vom 19.08.2014 -
BVerwG 7 B 12.14ECLI:DE:BVerwG:2014:190814B7B12.14.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 19.08.2014 - 7 B 12.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:190814B7B12.14.0]
Beschluss
BVerwG 7 B 12.14
- VG Berlin - 05.05.2011 - AZ: VG 2 K 132.10
- OVG Berlin-Brandenburg - 16.01.2014 - AZ: OVG 12 B 31.11
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz) Akteneinsicht in die dienstliche Äußerung eines Polizeibeamten zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Mit dieser hatte der Kläger gerügt, dass der Beamte während seiner Dienstzeit private Einkäufe erledigt habe. Seine Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg: Die Stellungnahme des Beamten gehöre nur dann zu den vertraulich zu behandelnden Personalakten im materiellen Sinne, wenn sich die Beschwerde als begründet erweise. Davon gehe der Beklagte nicht aus, denn die Dienstaufsichtsbeschwerde sei als „nicht klärbar“ abgeschlossen worden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Äußerung des Beamten werde vom Personalaktengeheimnis erfasst. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass sich die ursprüngliche Einschätzung der Dienstaufsichtsbeschwerde als fehlerhaft erwiesen habe. Denn der Beamte habe eingeräumt, sich nach einem Kfz-Kaufvertrag erkundigt zu haben, so dass ein Fehlverhalten vorgelegen habe. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Bewertung seitens des Beklagten mit dem Ziel, die für Personalakten geltende Geheimhaltungspflicht zu begründen, bestünden nicht.
2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
3 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
4 1. Der Kläger beanstandet, dass das Oberverwaltungsgericht von einem unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei und dadurch die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO und den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO verletzt habe. Das Oberverwaltungsgericht hätte aufgrund der veränderten Bewertung der Dienstaufsichtsbeschwerde, die sich nur vor dem Hintergrund des Ziels der Vermeidung von Gerichts- und Anwaltskosten durch den Beklagten erklären lasse, den für das Beschwerdeverfahren zuständigen Sachbearbeiter zu seiner rechtlichen Einordnung der Dienstaufsichtsbeschwerde und zu der Frage anhören müssen, ob der betroffene Beamte in seiner schriftlichen Stellungnahme tatsächlich eingeräumt habe, sich zu privaten Zwecken nach einem Kaufvertrag erkundigt zu haben. Die geltend gemachten Verfahrensmängel hat der Kläger damit indessen nicht dargelegt.
5 2. (Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig dem sachlichen Recht zuzuordnen. Verfahrensrechtliche Bedeutung hat der Überzeugungsgrundsatz allerdings insoweit, als er Vorgaben enthält, die die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts als Vorgang steuern. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Hierzu gehören insbesondere die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, der Inhalt der vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Rahmen einer Beweiserhebung getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Bei der Würdigung des so umschriebenen Sach- und Streitstandes darf das Gericht nicht einzelne nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse ausblenden. Es darf demnach nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehen, sondern muss die ihm vorliegenden Tatsachen umfassend würdigen (vgl. Beschlüsse vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4, vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - juris Rn. 6, vom 28. März 2012 - BVerwG 8 B 76.11 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 76 Rn. 8 und vom 11. Juni 2014 - BVerwG 5 B 19.14 - juris Rn. 23 f., jeweils m.w.N.). Eine Erweiterung dieser Tatsachengrundlage, wie vom Kläger gefordert, gebietet der Überzeugungsgrundsatz indessen nicht. In dieser Hinsicht werden die Anforderungen an das gerichtliche Verfahren allein von der Sachaufklärungspflicht bestimmt.
6 3. Die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt das Gericht grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein von einem Rechtsanwalt vertretener Beteiligter nicht beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die der Beteiligte in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen versäumt hat. Anderes gilt nur, wenn das Gericht eine Sachaufklärung unterlässt, die sich ihm nach den Umständen des Einzelfalles auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen. Dazu muss schlüssig aufgezeigt werden, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung gehabt hätte (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 13 = Buchholz 451.902 Europ Ausl- u. Asylrecht Nr. 21 und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 25 = Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 60 sowie Beschluss vom 28. Mai 2013 - BVerwG 7 B 46.12 - juris Rn. 4, jeweils m.w.N.). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht.
7 Das Oberverwaltungsgericht hat in Bezug auf den vom Beklagten wiedergegebenen Inhalt der Stellungnahme des Beamten darauf verwiesen, dass sich der Vortrag insoweit im gesamten Verfahren nicht geändert habe. Diese Feststellung steht in Einklang mit dem Akteninhalt und ist folglich nicht zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass bereits im Schreiben des Polizeipräsidenten vom 15. März 2010 ausgeführt worden ist, dass der Beamte eingeräumt habe, sich nach einem Kaufvertrag erkundigt zu haben. Angesichts dieses Umstands musste sich dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Aufklärung in dieser Hinsicht nicht aufdrängen. Irgendwie geartete Anhaltspunkte, die auf eine unzutreffende Wiedergabe hindeuten könnten, werden vom Kläger nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht gegeben.
8 Auf der Grundlage dieser Einlassung des Beamten begegnet die vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgetragene Bewertung der Dienstaufsichtsbeschwerde als begründet keinen Bedenken. Denn auch die bloße Erkundigung nach einem privaten Zwecken dienenden Kaufvertragsformular stellt sich als außerdienstliche Verrichtung dar, die mit der Erfüllung der dem Beamten übertragenen Dienstpflichten nicht zu vereinbaren ist. Auf die vom Beklagten als nicht aufklärbar erachtete Frage, ob der Beamte das Formular im Anschluss auch erworben hat, kommt es dann nicht mehr an. Eine fehlerhafte Bewertung einer offenkundig unbegründeten Dienstaufsichtsbeschwerde, die nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts die Versagung der Akteneinsicht nicht rechtfertigen könnte, liegt ersichtlich nicht vor. Vor diesem Hintergrund musste sich dem Oberverwaltungsgericht auch hinsichtlich der Änderung der Bewertung der Dienstaufsichtsbeschwerde im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängen. Denn die Korrektur einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung seitens einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung ist - soweit wie hier keine durch Vertrauensschutz oder sonstige rechtsstaatliche Erwägungen begründeten Gründe entgegenstehen - als solche nachvollziehbar. Die prozessualen Folgen einer geänderten materiell-rechtlichen Bewertung sind insoweit unbeachtlich.
9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.